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konnte nicht ausbleiben, dass sie sich später wesentlich im hierarchischen Sinne auswirkte. Daneben aber gaben die Unterscheidung von äusserer Handlung und nebenhergehender Wirkung, das Werthlegen auf das Wort", und das Interesse für die Objectivität des Sacraments Anstösse in einer ganz anderen Richtung. Jene Unterscheidung musste in der Folgezeit zu einer Spiritualisirung führen, welche die Sacramente überhaupt verflüchtigte oder aber wo man auf ein sicher Gegebenes doch Werth legte und dabei die Souveränetät des Worts erkannte die Sacramente in dem Wort" concentrirte. Beides ist eingetreten. Nicht nur die mittelalterlich-katholische Sacramentslehre geht auf Augustin zurück, sondern auch die Spiritualisten des Mittelalters, und wiederum verdanken Luther und Calvin ihm die Fingerzeige'.

Die bisher vorgetragene Anschauung Augustin's von der sichtbaren Kirche und den Gnadenmitteln ist in sich widerspruchsvoll. Die Identificirung von Kirche und sichtbarer katholischer Kirche ist ihm nicht geglückt. Es soll nur eine Kirche geben und nur die gläubigen katholischen Christen sollen zu ihr gehören; aber die mali et hypocritae sind auch in der Kirche, ohne die Kirche zu sein; ja selbst die Häretiker sind gewissermassen in der Kirche, sofern sie an den Sacramenten Theil haben. Aber ist dann die Kirche noch sichtbar? Ja - an den Sacramenten. Aber die an den Sacramenten sichtbare Kirche ist ja gar nicht die Braut und der Leib Christi, die unumgängliche Heilsanstalt, sondern nur die Kirche, welche vom Liebesgeist erfüllt ist, ist die Kirche; diese aber ist doch durch die mali et hypocritae verdeckt. Und sogar auf das Sacrament ist kein Verlass; denn ausserhalb der katholischen Kirche wirkt es sicher nicht ad salutem, in dieser Kirche aber wirkt es keineswegs sicher. Die eine Kirche ist corpus verum Christi, corpus permixtum, externa societas sacramentorum; jedesmal ist es ein anderer Kreis; aber dass sie jenes ist, ist ihr ebenso wesentlich und so wichtig, als dass sie dieses ist. Was heisst also in ecclesia esse"? Es ist das

1 Sehr wichtig für die Folgezeit ist eine Stelle im Briefe Augustin's ad Januarium (ep. 55 c. 2) über das Wesen des Sacraments geworden: „Primum oportet noveris diem natalem domini non in sacramento celebrari, sed tantum in memoriam revocari quod natus sit, ac per hoc nihil opus erat, nisi revolutum anni diem, quo ipsa res acta est, festa devotione signari. Sacramentum est autem in aliqua celebratione, cum rei gestae commemoratio ita fit, ut aliquid etiam significari intelligatur, quod sancte accipiendum est. Eo itaque modo egimus pascha, ut non solum in memoriam quod gestum est, revocemus, id est, quod mortuus est Christus et resurrexit, sed etiam cetera, quae circa ea adtestantur ad sacramenti significationem non omittamus.“

Verhängniss jeder Speculation über die Begriffe der Dinge, dass sie gegen Widersprüche abstumpft: jedwedes kann jedwedes sein, jedes ist Alles und Alles ist Nichts. Sie überrascht durch hundert Gesichtspunkte - das ist ihre Stärke, um damit zu endigen, dass kein Gesichtspunkt wirkliche Giltigkeit hat.

Allein Alles, was Augustin hier vorgetragen hat, zeigt die lediglich bedingte Giltigkeit nicht nur an den inneren Widersprüchen, sondern es ist überhaupt nicht, oder doch nur in sehr beschränkter Weise, der Ausdruck der religiösen Ueberzeugung des Theologen. So empfand und so schrieb er, weil er Apologet der Praxis der Kirche war, deren Autorität er für seinen Glauben bedurfte. Aber dieser Glaube selbst ging doch ganz andere Wege. Schon jene Widersprüche, zum Theil freilich überliefert, zeigen, dass ein Element in Augustin's Auffassung von der Kirche einwirkte, welches sich gegen die „Sichtbarkeit“ sträubte. Dieses Element ist aber selbst keineswegs eindeutig, sondern es sind in ihm wiederum verschiedenartige, wenn auch unter sich verknüpfte, Momente, beschlossen:

1. Die Kirche ist himmlisch; sie ist als Braut und Leib Christi ganz wesentlich eine caelestis societas. Dieser alt-überlieferte Gedanke steht Augustin für sein Glaubensleben im Vordergrund. Das, was die Kirche ist, kann sie überhaupt nicht auf Erden. sein; sie hat ihre Wahrheit, ihren Sitz im Himmel. Dort allein ist der eigentliche Kreis ihrer Glieder zu finden; hier auf Erden wallfahrtet zeitweilig ein kleiner Bruchtheil als Fremdling; ja man darf sogar sagen: hier auf Erden ist nur das Abbild der himmlischen Kirche; denn sofern das irdische Bruchstück „civitas terrena" ist, ist es noch gar nicht das, was es einst sein wird. Es ist durch die Hoffnung mit der himmlischen Kirche verbunden. Wahnsinn ist es, die gegenwärtige Kirche für das Himmelreich zu halten; s. de virgin. 24: Quid aliud istis restat nisi ut ipsum regnum caelorum ad hanc temporalem vitam, in qua nunc sumus, asserant pertinere? Cur enim non et in hanc insaniam progrediatur caeca praesumptio? Et quid hac assertione furiosius? Nam etsi regnum caelorum aliquando ecclesia etiam quae hoc tempore est appellatur, ad hoc utique sic appellatur, quia futurae vitae sempiternaeque colligitur 1.

2. Die Kirche ist uranfänglich, und ihre Glieder sind daher in der sichtbaren Anstalt der katholischen Kirche keineswegs eingeschlossen. Hier tritt die Conception ein, die Augustin in dem grossen Werk de civitate dei, an dem er fast fünfzehn Jahre gearbeitet, aus

1 Weitere Stellen hier anzuführen ist unnöthig, so zahlreich sind sie.

geführt hat. Die civitas dei, d. h. die Verbindung, in der der „amor dei usque ad contemptum sui" regiert (XIV, 28) und welche daher der pax caelestis" nachstrebt, hat in der Engelwelt ihren Anfang genommen. Hier wird die obige Vorstellung (s. sub 1) combinirt: die civitas dei ist das himmlische Jerusalem. Aber sie umfasst alle Gläubigen der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft; sie hat sich schon vor der Sintfluth mit der terrena civitas vermischt (s. über diese oben S. 136 f.), hat eine Geschichte auf Erden in sechs Perioden (Sintfluth, Abraham, David, Exil, Christus, Wiederkunft Christi) und bleibt vermischt mit dem Weltstaat bis zum Ende. Mit der transcendentalen Auffassung dieser Gottesstadt ist somit hier und anderswo - z. B. ep. 102 quaest. 2, bes. § 12 - jene universalistisch-diesseitige verbunden (s. oben S. 113): das Christenthum, so alt als die Welt, hat überall und zu allen Zeiten seine Bekenner gehabt, die ohne Zweifel" selig geworden sind; denn das Wort" war stets dasselbe und hat immer gewirkt unter den verschiedensten Formen („prius occultius, postea manifestius“) bis zur Menschwerdung hin. Wer an dieses Wort, welches Christus ist, glaubte, wurde selig 1.

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3. Die Kirche ist die communio der an den gekreuzigten Christus Glaubenden, unter den Wirkungen seines Todes Stehenden, die desshalb sancti et spiritales sind. Zu dieser Betrachtung leitet der Schluss der vorigen über, indem das humanistisch-universalistische Element abgestreift wird. Fragt man, wo die Kirche ist, so antwortet Augustin an hundert Stellen, wo die Gemeinschaft dieser sancti und spiritales ist. Sie sind der Leib Christi, das Haus, der Tempel, die Stadt Gottes. Die Gnade einerseits, Glaube, Liebe und Hoffnung andererseits constituiren also den Begriff der Kirche. Oder kurzweg : Per remissionem peccatorum stat ecclesia, quae in terris est," oder noch sicherer: „In caritate stat ecclesia." In unzähligen Ausführungen weiss Augustin von keinem anderen Kirchenbegriff als von diesem, bei dem er schlechthin an eine geistliche Gemeinschaft denkt, und er verhält sich desshalb indifferent sowohl zu dem Begriff der Kirche als externa communio sacramentorum als zu dem gleich zu nennenden letzten Kirchenbegriff 2.

4. Die Kirche ist der numerus electorum. Aus der Gnaden

1 In dieser Gedankenreihe tritt der historische Christus sehr zurück; aber in anderen ist es ganz anders; s. Sermo 116, 6: „Per Christum factus est alter mundus".

2 Man sieht hier, die Annahme der Kirche als corpus permixtum oder als externa communio sacramentorum ist nur ein Nothbegriff, s. die herrliche Ausführung de baptis. V, 38, die freilich in die Prädestinationslehre übergeht.

lehre Augustin's (s. den nächsten Abschnitt) folgt schliesslich, dass die Seligkeit auf der unerforschlichen Vorherbestimmung (Gnadenauswahl) Gottes und nur auf ihr beruht. Daher kann die Kirche nichts Anderes sein als die Zahl der Erwählten. Diese ist aber weder in der externa communio der katholischen Kirche unbedingt eingeschlossen denn

es gab electi, die nie katholisch waren, und es giebt solche, die es noch nicht sind, noch ist sie mit der communio sanctorum (im Sinne der gläubig unter der Einwirkung der Gnadenmittel Stehenden) einfach identisch; denn unter diesen können zur Zeit solche sein, die noch abfallen und solche nicht sein, die schliesslich selig werden. Somit sprengt der Gedanke der Prädestination jeden Kirchenbegriff (nur der sub 2 genannte kann sich einigermassen behaupten) und entwerthet alle Veranstaltungen Gottes, das Heilsinstitut und die Heilsmittel: der numerus electorum ist keine Kirche. In der sichtbaren Kirche und ausserhalb derselben, unter der Einwirkung der sacramentalen Gnade und fern von ihr sind electi dei vorhanden; unter den Feinden hat Gott seine Bürger und unter den zur Zeit „Guten" seine Feinde. Aber die unerbittlichen Consequenzen dieser Auffassung zu ziehen, hat Augustin, der Katholik, nicht gewagt; er hat sich, wenn er je auf sie geführt wurde, damit begnügt, die Begriffe externa communio, communio sanctorum, corpus Christi, civitas dei, caeleste regnum, numerus electorum in eine Annäherung zu bringen, die wie eine Identificirung erscheinen konnte; er hat der Ueberzeugung Ausdruck gegeben, dass der numerus electorum doch ganz wesentlich in der empirischen katholischen Kirche stecke und man daher alle Güter derselben fleissig brauchen müsse; aber er lebte andererseits ein zu individuelles Glaubensleben, um die gratia als Quelle des Glaubens, der Liebe und Hoffnung an mechanische Mittel und äussere Anstalten unauflöslich zu ketten, und er war zu stark von dem Gedanken der Majestät und der Alleinwirksamkeit Gottes beherrscht, als dass er es über sich gebracht hätte, Gott pünktlich nachzurechnen, warum und wie er das thut, was er thut. Dass sich die Prädestination vermittelst der Kirche und der Gnadenspendungen der Kirche verwirkliche, hat er nie behauptet 2.

1 De bapt. V, 38: „Numerus ille iustorum, qui secundum propositum vocati sunt, ipse est (ecclesia)... Sunt etiam quidam ex eo numero qui adhuc nequiter vivant aut etiam in haeresibus vel in gentilium superstitionibus iaceant, et tamen etiam illic novit dominus qui sunt eius. Namque in illa ineffabili praescientia dei multi qui foris videntur, intus sunt, et multi, qui intus videntur, foris sunt." Bei der Prädestinationslehre Augustin's kommen wir hierauf zurück.

* Hier ist Reuter gegen Dorner durchaus im Recht.

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Die verschiedenen Kirchenbegriffe" Augustin's haben ihre Einheit lediglich in der Person ihres Urhebers, dessen reiches inneres Leben von verschiedenen Stimmungen beherrscht war. Schon das übrigens bescheidene Mass von Ausgleichsversuchen, welches sich bei ihm selbst findet, ist recht werthlos. Zu theologischen Kannegiessereien aber führt das scholastische Unternehmen, durch neue luftige Distinctionen die verschiedenen Begriffe zu vereinigen oder einzuschachteln. Selbst Augustin's Gegner haben, wie es scheint, nur einen kleinen Theil der Widersprüche empfunden. So wenig suchte man damals in der Glaubensauffassung diejenige Art von Einstimmigkeit, die auch heute noch den Wenigsten ein Bedürfniss und jedenfalls keine Bedingung einer lauteren Frömmigkeit ist. Vielleicht die wichtigste Folge der Kirchenund Sacramentslehre Augustin's ist, dass ein Complex von magischen Ceremonien und Gedanken, der ursprünglich dazu bestimmt war, eine auf der Lehre von der Willensfreiheit ruhende moralistische Denkweise zu compensiren, sich nun auch neben einer religiösen behauptete. Das Sacrament hat diese deteriorirt, aber es ist andererseits durch diese Verbindung selbst erst reformabel geworden. Das kann man schon bei Augustin selbst nicht verkennen, dass der Kirchenbegriff, in welchem er lebte, von dem Gedanken der Gewissheit der Gnade und des Ernstes des Glaubens und der Liebe beherrscht gewesen ist, und dass ebenso in der Gnadenmittellehre seine oberste Absicht war, den Trost der sicheren, von Menschen unabhängigen Gnade Gottes in Christo festzustellen. In dem Masse, als es um 400 überhaupt möglich war, hat Augustin den Kirchen- und Sacramentsbegriff der geistigen Lehre von Gott, Christus, dem Evangelium, dem Glauben und der Liebe untergeordnet.

3. Der pelagianische Kampf. Die Lehre von der Gnade und Sünde.

Augustin's Lehre von der Gnade und Sünde hat sich unabhängig vom pelagianischen Streit gebildet. Sie war wesentlich fertig, als er in diesen Streit eintrat; aber sie war ihm keineswegs schon im Jahre seiner Bekehrung in ihrer Anwendung auf die einzelnen Fragen klar. Vielmehr hat er zur Zeit des Kampfes mit dem Manichäismus (s. die libri tres de libero arbitrio) die Selbständigkeit der menschlichen Freiheit nach der Ueberlieferung der Kirchenlehrer betont und von der Erbsünde nur als Erbübel geredet. Erst das geistliche Amt, eine erneute Lectüre des Römerbriefes und die Prüfung seiner inneren Entwickelung, wie er sie in den Confessionen angestellt, führten ihn zu den Consequenzen der neuplatonisch-christlichen Ueberzeugung, dass alles Gute, also auch der Glaube, von Gott stamme, und der Mensch nur in

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