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Todsünde, da der Mensch wider besseres Können handelt. Aber auch nach Julian ist im Grunde jeder Excess eine Todsünde, da er völlig unmotivirt ist'. Am Ende, heisst es, bestraft Gott die Bösen und belohnt die Tugendhaften. Aber es bleibt völlig unklar, wie es denn überhaupt Tugend (Gerechtigkeit) und Sünde geben kann, wenn in denselben nie ein Charakter erworben werden kann, wenn es sich nur um zersplitterte Actionen handelt, aus denen sich weder ein Niederschlag noch eine Summe bildet.

In dem Bisherigen sind die Grundvorstellungen der Pelagianer aufgewiesen. Allein sie waren ja auch katholische Christen; sie waren also gezwungen, diese ihre Lehren mit der hl. Schrift, mit der in ihr enthaltenen Geschichte, mit Christus und der Kirchenlehre in Einklang zu setzen. Wie das geschehen ist, davon ist im Folgenden noch kurz zu handeln. Dass die Schwierigkeiten der Vermittelung ausserordentlich gross warenfreilich nicht nur für sie, sondern für Jeden, der eine zusammenhängende verständige Lehre mit Gen. 1-3 und mit hundert Schriftstellen in Einklang setzen wollte, liegt auf der Hand.

8. Adam war mit Wahlfreiheit (nach Pelagius auch mit einer naturalis quae dicitur sanctitas, die eben in dem liberum arbitrium und der ratio liegt) geschaffen. Julian beurtheilt diesen Zustand moralisch sehr hoch, intellectuell niedrig2. Alle sind aber darin einig, dass die Ausstattung Adams die eigentliche und unverlierbare Gnadengabe (gratia) Gottes ist.

9. Adam hat durch den freien Willen gesündigt (Julian beurtheilt diese Sünde gering)"; aber durch diese Sünde ist seine Natur nicht verderbt worden; auch war der natürliche Tod nicht die Folge der Sünde, denn dieser ist eben natürlich, sondern der geistliche Tod - dass die Seele um der Sünde willen verdammt wird ist die Folge der Sünde.

'Darauf hat Julian grosses Gewicht gelegt (s. Op. imp. V), es ausdrücklich (gegen Augustin) ablehnend, dass der Mensch sündige, weil er de nihilo geschaffen sei. Damit, dass das Böse auf den Willen zurückgeführt wird, hört jede Möglichkeit auf, es zu begründen; denn jede Begründung hiesse die Nothwendigkeit desselben nachweisen. V, 41: „Quaeritis necessitatem rei quae esse non potest si patitur necessitatem. Huic motui animi libero, sine coactu originis inquieto, si causa ipso motu detur antiquior, non gignitur omnino sed tollitur." V, 57-60: ,ideo habuit voluntatem malam, quia voluit."

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* Op. imp. VI, 23; VI, 14 lässt er deutlich genug durchblicken, dass der Sündenfall ein Vortheil für Adam war: „porro ignorantia quam profunda quamque patiendi eius dura conditio, ut liberari ab ea nisi praevaricatione non posset, scientiam quippe boni malique absque ansa condemnabili nequaquam capessiturus."

'So zuerst Cälestius (Karthago, s. Diospolis; de pecc. mer. 2). Ebenso Julian op. imp. II, 66. Der gemeine Tod ist natürlich. Doch hat Julian versucht, hier zu Harnack, Dogmengeschichte III.

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10. Der natürliche Tod hat sich demgemäss von Adam her nicht vererbt; aber auch der geistliche nur insofern, als die Nachkommen ebenfalls sündigten. Würden alle Menschen per mortem Adae sterben, so müssten auch alle Menschen per resurrectionem Christi auferstehen'. 11. Noch viel weniger hat sich die Sünde oder die Schuld Adams vererbt. Die Lehre vom tradux peccati und peccatum originis ist manichäisch und blasphemisch; sie ist gleich absurd, mag man dabei nun auf Gott oder auf den Menschen oder auf den Begriff der Sünde oder auf Christus oder auf die hl. Schrift sehen. Auf Gott denn Gottes Gerechtigkeit wird ebenso aufgehoben, wenn er fremde Schuld anrechnen und eine Natur für sündig halten würde, die noch nicht gesündigt hat, wie wenn er die nach Adams Fall geborenen Menschen mit Sünde behaftet in die Welt eintreten lassen würde. Auf den Menschen-denn eine natura vitiata sei soviel wie eine natura mala; hat eine Natur Schlechtes, so ist sie schlecht; dann aber fällt die Schuld auf Gott; denn er ist für die Naturen verantwortlich; ferner nur wenn man eine Seelenzeugung annähme, könnte sich die Sünde fortpflanzen; aber diese Annahme ist unsinnig; endlich wenn sich die Sünde durch die Ehe fortpflanzt, so dass die eheliche Lust die Sünde sei und übertrage, so sei damit die Ehe verurtheilt. Auf den Begriff der Sünde denn sie ist ganz und gar vom Willen eingeschlossen, so dass sie überhaupt nicht da ist, wo nicht ein freier Wille ist; ferner, könnte sie sich auch fortpflanzen, so könnte sie doch nicht von getauften Eltern übertragen werden; endlich die Behauptung Augustin's, die Sünde selbst werde von Gott als Sündenstrafe gebraucht, es gebe ein göttliches Gesetz der Sünde u. s. w., sei absurd und unsittlich. Auf Christus denn wäre die Natur schlecht, so könnte sie nicht erlöst werden, oder, gäbe es eine Erbsünde, die zur Natur des Menschen geworden, so hätte auch Christus diese Sünde haben müssen. Auf die hl. Schrift unzählige Stellen zeigen, dass die Sünde Sache des Willens sei und dass Gott Jeden nur für seine Sünde straft. Der Vers Röm. 5, 12 besage nur, dass Alle sterben, weil sie selbst wie Adam sündigen, oder etwas Aehnliches, jedenfalls enthalte er nichts zu Gunsten der Erbsünde 2.

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vermitteln. Er will es nicht leugnen, dass der natürliche Tod eine Beziehung zur Sünde hat, d. h. er müsste eigentlich durch die Verdienste aufgehoben sein; aber seine Erklärungen im 2. Buch sind sehr gewunden. Ohne Sünde wäre der Tod „levissima“ gewesen; aber ganz kann ihn Gott auch für die Heiligen nicht fortschaffen, denn (VI, 30): „non est tanti unius meritum, ut universa quae naturaliter sunt instituta perturbet."

1 So schon Cälestius.

" Stellen hier beizubringen, ist überflüssig; s. die ausführliche Darstellung bei Klasen S. 116-182. Julian's Erklärung von Röm. 5, 12 steht c. Jul. VI, 75–81.

12. Somit sind alle Menschen, die Gott schafft, in dem Stande, in welchem Adam vor dem Fall gewesen ist. Ein unwesentlicher Unterschied waltet nur insofern ob, als Adam schon sofort den Gebrauch der Vernunft hatte, die Kinder nicht, Adam noch ungewitzigt war, die Kinder in eine Gesellschaft hineingeboren werden, in welcher die Gewohnheit des Bösen herrscht (so wenigstens nach Pelagius). Die mera capacitas utriusque ist die ursprüngliche Unschuld3.

13. Die Gewohnheit des Sündigens, wie sie vorbildlich wirkt, schwächt nach Pelagius - den Willen (?). Doch wie sie eigentlich wirkt, darüber lässt sich nichts sagen; denn sonst wird die Indifferenz des Willens (liberum arbitrium et post peccata tam plenum est quam fuit ante peccata" Op. imp. I, 91) aufgehoben. Wahrscheinlich war die Meinung die: die possibilitas boni bleibt völlig intact, aber die Gewohnheit des Sündigens verdunkelt die Vernunft1.

14. Was nun die Gnade betrifft, so ist es hier am schwierigsten, die Ansicht der Pelagianer wiederzugeben; denn hier waren sie am meisten genöthigt, sich zu accommodiren. Es finden sich bei Pelagius und Julian — Cälestius ist zurückhaltender gewesen -5 sehr starke Aeusserungen über die Nothwendigkeit der Gnade Gottes (adiutorium) zu jedem guten Werk". Es finden sich ferner Aeusserungen, dass die Gnade

Ausser dem Vorwurf des Manichäismus hat Julian auch den Traducianismus dem Augustin vorgerückt, obgleich Augustin kein Traducianer war. Der Ketzername „Traduciani" stammt von Julian (op. imp. I, 6).

1 De pecc. orig. 14.

Ep. ad Demetr. Auch sonst ist von Pelagius das Herrschen der Sünde in der Welt stark betont.

3 Dieses Gerede von der ursprünglichen Unschuld ist bei Julian bereits Accommodation; denn die Unschuld bleibt ja im Grunde stets dieselbe. C. Jul. III, 36: homo igitur innocentia quidem plenus, sed virtutis capax nascitur, aut laudem aut reprehensionem ex proposito accedente meriturus... nec iustos nasci parvulos nec iniustos, quod futuri sunt actibus suis, sed tantummodo infantiam innocentiae dote locupletem." Aber wie im Grunde diese „Unschuld" gemeint ist, zeigt dasselbe Capitel: „Perfecta ignorantia (in scripturis iustitia nominatur“).

✦ Hier klafft, wie im Stoicismus, das System. Warum ist der vernünftige Mensch unvernünftig und schlecht? und wie kann er ratio und bösen Willen zugleich haben? und wie erklärt sich die sündige Gewohnheit? Auch Julian sagt übrigens (op. imp. I, 16): „consuetudo peccati amorem delicti facit et exstinguit pudorem"; allein er meint bei Augustin.

5 „Der Wille ist nicht frei, wenn er Gottes Hülfe bedarf", de gestis 42. „Si per gratiam (de gestis 30) omnia facimus, quando vincimur a peccato, non nos vincimur, sed dei gratia, quae voluit nos adiuvare omni modo et non potuit."

Man kann sogar fast alle augustinischen Sätze aus Aeusserungen des Pelagius und Julian belegen. Die Zahl der Stellen in ihren Werken, die gut kirchlich lauten, ist sehr gross. Diese müsste man mitcitiren, um ein Bild davon zu

das Gute erleichtere'. Es finden sich endlich solche, nach denen sie überflüssig, ja streng genommen - in sich unmöglich ist. Man wird den Pelagianern nicht Unrecht thun, wenn man in den beiden letzteren, die bis zu einem gewissen Grade vereinigt werden können, die wahre Meinung erkennt; denn das war ja die oberste Absicht des Pelagius, den Christen die faule Zuversicht auf die Gnade zu nehmen, und das war der Hauptzweck Julian's, zu zeigen, dass die menschliche Anlage Verdienst und Seligkeit in ihrem eigenen Schosse trägt. In dem Satze:

geben, wie sich beide Männer nach Aussen ausgenommen haben; das würde jedoch hier zu weit führen. Man verkürzt aber auch ihre Denkweise nicht, wenn man sie weglässt; denn sie sind wirklich nur für ihre Ausdrucksweise charakteristisch. Oeffentlich hat Pelagius nie geleugnet, dass der Mensch stets die Gnade Gottes bedürfe, dass er nur adiuvante gratia posse esse sine peccato (s. de gestis 16. 22. 31; de gratia 2: „anathemo qui vel sentit vel dicit, gratiam dei, qua Christus venit in hunc mundum peccatores salvos facere, non solum per singulas horas aut per singula momenta, sed etiam per singulos actus nostros non esse necessariam, et qui hanc conantur auferre, poenas sortiantur aeternas"; s. auch sein Bekenntniss an den Papst). Julian hat womöglich noch stärkere Ausdrücke gebraucht; allein beide haben genau das Gegentheil von dem, was sie hier sagen, sehr häufig gesagt. Dass aber die Gnade Gottes durch Christus die Sündenfreiheit und Seligkeit begründe, haben sie nie gesagt.

1 Dies sind die gewöhnlichen; in allen Menschen ist der freie Wille, aber nur bei den Christen wird er unterstützt durch die Gnade (de gratia 34); die anderen haben nur das „nudum et inerme conditionis bonum“. Aehnlich Julian, nur noch stärker op. imp. I, 40: „quos fecit quia voluit nec condemnat nisi spretus; si cum non spernitur, faciat consecratione meliores, nec detrimentum iustitiae patitur et munificentia miserationis ornatur." I, 111: „malae voluntati veniam pro inaestimabili liberalitate largitur et innocentiam, quam creat bonam, facit innovando adoptandoque meliorem" (aber kann etwas besser sein als gut?). III, 106: „Quod ais, ad colendum recte deum sine ipsius adiutorio dici a nobis sufficere unicuique libertatem arbitrii, omnino mentiris. Cum igitur cultus dei multis intelligatur modis, et in custodia mandatorum et in execratione vitiorum et in simplicitate conversationis et in ordine mysteriorum et in profunditate dogmatum . . . qui fieri potest, ut nos in confuso dicamus, sine adiutorio dei liberum arbitrium sufficiens ad eius esse culturam .. cum utique ista omnia, tam quae dogmatibus quam quae mysteriis continentur, libertas arbitrii per se non potuerit invenire, etc. (da sieht man deutlich, wie das „adiutorium" zu verstehen ist; es liegt einzig in dem Gesetz der Dogmen und Mysterien, welches Gott gegeben und der Mensch nicht erfunden hat, nicht aber in einer Kraft; daher, weil nämlich Gott so viele Veranstaltungen getroffen hat, kann Julian fortfahren: ,,hominem innumeris divinae gratiae speciebus iuvari ... praecipiendo, benedicendo, sanctificando, coercendo, provocando, illuminando."

...

Unmöglich als Kraft, sofern der Wille nicht wirklich bestimmt werden kann. Darüber hat nur Cälestius sich deutlich ausgesprochen, aber auch Julian meint dasselbe, wenn er nicht müde wird, zu sagen: „cunctarum origo virtutum in rationabili animo sita est."

„homo libero arbitrio emancipatus a deo", liegt im Grunde der Protest gegen jede Gnade1.

15. Unter Gnade ist in erster Linie überall die Schöpfungsgnade2 zu verstehen; diese ist so herrlich, dass es auch unter Heiden und Juden vollkommene Menschen gegeben hat 3.

16. Unter Gnade ist zweitens die lex Gottes zu verstehen, ja alle Gnade, sofern sie nicht Natur ist, kann im Grunde keinen anderen Charakter haben als den der illuminatio und doctrina. Diese erleichtert das Thun des Guten'.

17. Unter Gnade ist drittens die gratia dei per Christum zu verstehen. Auch diese ist im Grunde illuminatio et doctrina 5; Christus wirkt durch sein Vorbild . Pelagius und Julian gestehen zu, dass die sündige Gewohnheit so gross war, dass die Erscheinung Christi nöthig gewesen ist. Diese selbst hat Julian so gefasst, dass Christus das, was er geworden ist, seinem freien Willen zu verdanken hat. Aber über

1 Dieser Satz Julian's ist eigentlich der Schlüssel der ganzen Denkweise: der frei geschaffene Mensch steht mit seiner ganzen Sphäre Gott selbständig gegenüber. Er hat es nicht mehr mit Gott zu thun, sondern nur mit sich selber. Zuletzt erst tritt wieder Gott (beim Gericht) ein.

* Die Aeusserungen der Pelagianer über die Gnade sind dadurch sehr oft absichtlich (z. B. de gestis Pel. 22) amphibolisch, dass sie die Schöpfungsgnade, also die Natur, verstehen. Doch ist das nicht die Regel. Pelagius und Julian unterscheiden drei Zustände: ex natura, sub lege, sub gratia (Christi); s. c. duas epp. I, 39.

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„Perfecta iustitia" auch im alten Bund (1. c.) und bei den „antiqui homines". Julian beruft sich oft auf die vollkommenen Heiden und spottet über Augustin's splendida vitia“. Sind die Tugenden der Heiden keine Tugenden, so sind auch die Augen der Heiden keine Augen (c. Jul. IV, 26–30). Pelagius hat über diesen Punkt total Widersprechendes gesagt; Julian ist später etwas vorsichtiger geworden; aber letztlich ist es stets seine Meinung geblieben, dass zwischen einem guten Heiden und einem guten Christen kein Unterschied sei,

4 Das Gesetz war das erste augmentum beneficiorum dei; aber es ist zugleich die Grundform alles dessen, was Gott nach der Schöpfung noch thun kann. Sehr deutlich hat sich Pelagius (de gestis 30) ausgedrückt: „gratiam dei et adiutorium non ad singulos actus dari (an anderen Stellen sagt er das Gegentheil), sed in libero arbitrio esse vel in lege ac doctrina." Das ist mithin Alles. Sehr richtig sagt daher Augustin, Pelagius bekenne nur die Gnade, „qua demonstrat et revelat deus quid agere debeamus, non qua donat atque adiuvat ut agamus.“ 3 S. die vorige Anmerkung und Cälestius' Satz: „lex sic mittit ad regnum coelorum quomodo et evangelium.“

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* Exempel und Nachahmung, s. Op. imp. II, 146 sq. C. Jul. V, 58: „tolle exempli causam, tolle et pretii, quod pro nobis factus est." Den Tod Christi hat Julian Op. imp. II, 223 schliesslich auch auf das Vorbild reducirt.

Op. imp. II, 217-222.

Es ist sehr lehrreich, dass auch für Julian das Personbildende in Jesus

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