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bedeutet im Grunde sehr wenig. Sie ist aus der Abendmahlspraxis entstanden. Was in der Kirche beständig durch den Priester geschieht, ist auf Christus selbst übertragen. Aber beide Oblationen, indem sie sich auf unsere Reinigung“ beziehen, haben ihren Werth doch nur in der Erleichterung der Sünden strafen. Auch noch eine andere Erwägung wirkte hier ein, die sich auf biblische Sprüche stützte, aber in Wahrheit ganz anderen Quellen entstammte. Es ist die Vorstellung von der beständigen intercessio Christi. Allein diese Intercession muss mit dem ganzen Apparat der Intercessionen (der Engel, der Heiligen, der Almosen und Seelenmessen, welche wie personificirte Kräfte gedacht sind) zusammengehalten werden, um zu erkennen, dass es sich hier um eine heidnische, in der Praxis der Kirche freilich längst schon eingebürgerte, nun aber erst zur Theorie erhobene Vorstellung handelt (die „Nothhelfer"). Wie wenig bestimmt der Tod Christi dabei ins Auge gefasst wird, zeigt das offene Geständniss Gregor's, dass derselbe nicht durchaus nothwendig gewesen sei. Wie Gott uns aus dem Nichts erschaffen hat, so hätte er uns auch ohne Christi Tod von den Leiden befreien können. Aber er wollte uns die Grösse seines Mitleides zeigen, indem er das auf sich nahm, wovon er uns befreien wollte; er wollte uns ein Beispiel geben, dass man das Unglück und die Leiden der Welt nicht fürchten, sondern ihr Glück meiden soll, und er wollte uns lehren, des Todes zu gedenken'. Auch Gregor hat eine Theorie vom Verdienst Christi (nach Analogie der merita, die wir gewinnen können) noch nicht entworfen. Sie blieb dem Mittelalter vorbehalten; aber er hat das Werk Christi von den Seelenmessen und den Intercessionen der Heiligen aus beleuchtet.

In der Lehre von dem Urstand, der Erbsünde, der Sünde, dem Glauben und der Gnade sind die augustinischen Formeln (nach den Kanones von Arles, ohne gratia irresistibilis und particularen Gnadenwillen) wiederholt; allein dem, was Augustin in abstracto eingeräumt hat (liberum arbitrium), wird hier eine sehr reale Bedeutung beigelegt. Friedlich steht neben der breit entwickelten Lehre von der gratia gratuita, der gratia praeveniens und von dem Urstand und der Erbsünde (die Fleischeslust der Eltern ist die Ursache unseres Lebens, daher ist es sündig; der „Ungehorsam" oder die „Unordnung" der Zeugungsglieder ist der Beweis der Erbsünde; die eheliche Vermischung ist nie

quippe eius incarnatio nostrae emundationis oblatio est: cumque se hominem ostendit, delicta hominis interveniens diluit. Et humanitatis suae mysterio perenne sacrificium immolat, quia et haec sunt aeterna, quae mundat."

1 Moral. 20, 36; 2, 37. Ezech. 1. II hom. 1. 2. Hier finden sich schöne Ausführungen: „nos minus amasset, nisi et vulnera nostra susciperet" (M. 20, 36).

ohne Schuld) die Lehre von dem Willen, der bloss geschwächt ist, und dem liberum arbitrium, welches der Gnade folgen muss, damit sie in Thätigkeit treten kann1 — und doch soll sie den Willen erst bestimmen, dass er will. Bei allem Guten wirken von Anfang an zwei Potenzen zusammen, sofern der freie Wille das annehmen muss, was die Gnade bietet. Daher kann man sagen, „dass wir uns selbst erlösen, weil wir dem uns erlösenden Herrn zustimmen" 2. Die Prädestination wird bei den Sündern und Erwählten einfach auf die Präscienz zurückgeführt, dabei an anderen Stellen aber doch behauptet, sie beruhe auf Gottes freier Macht und Gnade. Die letztere Annahme war nöthig, weil auch Gregor an einem certus et definitus numerus electorum (zum Ersatz der Engel) festhielt; allein schliesslich gehören zu dieser Zahl alle die, deren Beharren im Glauben und guten Werken Gott vorher erkannt hat. Im Grunde ist alles Innerliche auf das Handeln der Kirche reducirt. Wie im Orient steht dieses im Vordergrund; doch ist die Betrachtungsweise eine andere. Dort ist dem frommen Gefühl, welches sich an dem Ganzen des Kultus als eines gottmenschlichen Dramas erhebt und berauscht, mehr Spielraum gelassen; hier ist, dem römischen Charakter angemessen, Alles nüchterner und berechnender. Man leistet und man empfängt; der unterwürfige Gehorsam ist die Haupttugend; die Verdienste werden belohnt, aber dem Demüthigen wird auch fremdes Verdienst zugewandt: das ist die Gnade. Taufe, Abendmahl und Busse sind die Mittelpunkte des Gnaden-Rechtsprocesses. Man wird getauft: damit ist die Erbschuld getilgt und alle vor der Taufe begangenen Sünden sind ausgelöscht; aber die Erbsünde ist nicht weggewischt und die Schuld der späteren Sünden bleibt3.

1 Wie hätte auch ein Bischof, der sich als Seelenhirt der ganzen Christenheit fühlte, damals den reinen Augustinismus zur Richtschnur seiner Rathschläge machen können!

2 Moral. 24, 10; s. auch 33, 21: „Bonum quod agimus et dei est et nostrum, dei per praevenientem gratiam, nostrum per obsequentem liberam voluntatem ... Si nostrum non est, unde nobis retribui praemia speramus? Quia ergo non immerito gratias agimus, scimus, quod eius munere praevenimur; et rursum quia non immerito retributionem quaerimus, scimus, quod obsequente libero arbitrio bona eligimus, quae ageremus." S. ep. III, 29: Christus wird uns dann beim Gericht reichlicher trösten, wenn er bemerkt, dass wir unsere Fehler an uns selbst gestraft haben.

Moral. 9, 34: „Salutis unda a culpa primi parentis absolvimur, sed tamen reatum eiusdem culpae diluentes absoluti quoque adhuc carnaliter obimus." Die casuistische Behandlung der Sünden ist bei Gregor keineswegs rigoristisch. Er zeigt hier eine mit Milde gepaarte hohe Weisheit und giebt Anweisungen, die gewiss für die damaligen Verhältnisse die besten waren. „Frommen Seelen“, sagt er einmal (ep. XI, 64), „ist es eigenthümlich, auch dort einen Fehler (bei sich) zu wähnen, wo gar keiner zu finden ist."

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Sie muss getilgt resp. abgebüsst werden. Es giebt dafür zahlreiche Mittel, die ebenso nothwendig wie unsicher sind. Der Mensch muss sich gerecht machen; denn die Gerechtigkeit ist die oberste Tugend (radix virtutum). Er wird angewiesen, zu beten, Almosen zu geben und Verdruss am Leben zu empfinden. Aber es wird ihm weiter gesagt: hi qui de nullo suo opere confidunt, ad sanctorum martyrum protectionem currunt atque ad sacra eorum corpora fletibus insistunt, promereri se veniam iis intercedentibus deprecantur" (Moral. 16, 51). Längst hatte diese Praxis der Heiligen und Reliquien bestanden, aber Gregor hat das Verdienst, sie schematisirt zu haben, indem er sie zugleich durch seine „Dialoge" aber auch durch die anderen Schriften mit reichem Stoff versah1. Eine Wolke von Vermittlern" (Engel, Heilige, Christus: schon fängt die schlaue Berechnung an, was ein Jeder von ihnen leisten kann und wofür er gut ist) tritt zwischen Gott und die Seele. Die Unsicherheit über Gott, die perverse mönchische Demuth und die Furcht des unversöhnten armen Herzens vor den Sündenstrafen haben die Christen in die Arme des heidnischen Aberglaubens geführt und die „Vermittler" in die Dogmatik eingestellt. Aber indem die Kirche durch den Satz schreckt ,nullatenus peccatum sine vindicta laxatur" 2, verweist sie nicht nur auf die Intercessoren, auf die Almosen und die anderen Satisfactionen, auf die „Seelenmessen", die eine immer höhere Bedeutung erlangten, sondern sie mildert auch die Hölle, indem sie das Fegefeuer vor den Himmel setzt, verwirrt damit die Gewissen und stumpft die Schwere der Sünde ab, das Interesse auf die Sünden strafe lenkend. Gregor hat die Lehre vom Fegefeuer, die schon Augustin eingeleuchtet hat, sanctionirt und breit ausgeführt. In dieses Fegefeuer reicht

1 Vielfach sind schon früher ähnliche Dinge erzählt worden, wie Gregor sie berichtet; aber im Abendland hat kein Schriftsteller vor ihm die Superstitionen so ausgebaut und er war der einflussreichste Bischof. Die Wunder der Reliquien sind ihm die alltäglichsten Erscheinungen; die Wunderkraft einiger ist so gross, dass Jeder stirbt, der sie berührt. Alles, was in Berührung mit ihnen tritt, wird magnetisirt. Wie gewaltige Fürsprecher und Advokaten müssen also die Heiligen sein, wenn schon ihre Leiber solche Thaten thun! Gregor suchte sich daher auch einflussreiche Leute durch Uebersendung von Reliquien und Sklaven geneigt zu erhalten. Ueber Bilder s. ep. IX, 52; IX, 105; XI, 13.

2 Moral. 9, 34 oder: „delinquenti dominus nequaquam parcit, quia delictum sine ultione non deserit. Aut enim ipse homo in se paenitens punit, aut hoc deus cum homine vindicans percutit."

S. oben S. 209. 211.

* S. Dial. IV (25) u. 39. Nachdem Gott die ewigen Strafen in zeitliche verwandelt hat, müssen die Gerechtfertigten die zeitlichen Sündenstrafen im Fegefeuer abbüssen. Dieses wird indirect aus Mtth. 12, 31, direct aus I Cor 3, 12 f.

aber die Macht der Kirche, der Gebete und der Fürsprecher hinein '.

Weil das ganze Leben auch der Getauften noch durch Sünden, mindestens durch kleine, befleckt ist, so müssen sie fortwährend in der Pönitenz stehen, d. h. der Busse leben, die in den Satisfactionen und Anrufungen der Nothhelfer gipfelt. Gregor hat die Lehre von der Busse ebenfalls so schematisirt, wie sie in das Mittelalter übergegangen ist. Vier Stücke gehören zur Busse, die Erkenntniss der Sünde und die Furcht vor Gottes Gerichten, die Reue (contritio), das Bekenntniss der Sünde und die Genugthuung (satisfactio). Die beiden ersten können auch als eines gefasst werden (conversio mentis) 2. Noch soll der entscheidende Nachdruck auf die conversio fallen; auch ist die Busse noch nicht an das Kircheninstitut und den Priester gebunden; aber die satisfactio musste doch als die Hauptsache empfunden werden. Das letzte Wort ist freilich noch nicht gesprochen; aber schon nimmt die Bussordnung die Stelle ein, die dem Glauben gebührt; ja sie heisst die "Thränentaufe" 3. Und in den Bussmechanismus ist schliesslich auch das Abendmahl hineingezogen. Auch hier hatte Gregor nur längst Geübtes zu accentuiren. Am Abendmahl ist die Hauptsache, dass es Opfer ist, welches Lebenden und Gestorbenen als Mittel der „laxatio“ zu Gute kommt. Als Opfer ist es Wiederholung des Opfers Christi daher der Ausbau des feierlichen Ritus durch Gregor, und dass das ganz realistisch gedacht wurde, versteht sich von selbst. In dieser Handlung (eucharistia, missa, sacrificium, oblatio, hostia, sacramentum passionis, communio) wiederholt sich zu unserer Versöhnung Christi Leiden, der

erschlossen. Es giebt aber vollkommene Menschen, die des Fegefeuers nicht bedürfen.

1 Dial. IV, 57: „Credo, quia hoc tam aperte cum viventibus ac nescientibus agitur, ut cunctis haec agentibus ac nescientibus ostendatur, quia si insolubiles culpae non fuerint, ad absolutionem prodesse etiam mortuis victima sacrae oblationis possit. Sed sciendum est, quia illis sacrae victimae mortuis prosint, qui hic vivendo obtinuerunt, ut eos etiam post mortem bona adiuvent, quae hic pro ipsis ab aliis fiunt."

2 I Reg. 1. VI, 2, 33: „tria in unoquoque consideranda sunt veraciter paenitente, videlicet conversio mentis, confessio oris et vindicta peccati." Moral. 13, 39: ,convertuntur fide, veniunt opere, convertuntur deserendo mala, veniunt bona faciendo." Die freiwillig aufgenommenen Plagen sind die satisfactio.

9 Evang. 1. I hom. 10: „Peccata nostra praeterita in baptismatis perceptione laxata sunt, et tamen post baptisma multa commisimus, sed laxari iterum baptismatis aqua non possumus. Quia ergo et post baptisma iniquinavimus vitam, baptizemus lacrimis conscientiam."

* Evang. 1. II hom. 37, 7: „Singulariter ad absolutionem nostram oblata cum

in singulis portionibus totus est". Doch ist auch hier das letzte Wort noch nicht gesprochen, die Transsubstantiation noch nicht ausgeführt. Ja es geht eine Betrachtung des Abendmahls nebenher, nach welcher der Accent darauf fällt, dass wir uns Gott als Hostie darbringen, indem wir uns ihm hingeben, Liebe üben, täglich das Opfer der Thränen leisten, die Welt verachten und täglich die Hostie des Leibes und Blutes Christi opfern'.

Was ist vom Augustinismus hier geblieben? Alle die vulgärkatholischen Elemente, die Augustin zurückgeschoben und theilweise umgestimmt hat, sind mit doppelter Kraft wiedergekehrt! Die moralistisch-rechtliche Betrachtung hat über die religiöse gesiegt. Was bei Cyprian in der Schrift de opere et eleemosynis angelegt erscheint, beherrscht hier die ganze religiöse Auffassung, und die Unsicherheit, die Augustin über den Gottesbegriff hat bestehen lassen, weil er über Gott in Christus nur unsicher dachte, ist hier zu einem Schaden geworden, der die ganze Religionslehre durchdringt. Denn was weiss Gregor von Gott? Dass er, weil er allmächtig ist, einen unerforschlichen Willen hat, dass er, weil er der Vergelter ist, keine Sünde ungestraft lässt, und dass er, weil er gütig ist, eine unübersehbare Menge von Gnadenveranstaltungen geschaffen hat, deren Gebrauch es dem freien Willen ermöglicht, sich den Sündenstrafen zu entziehen und Verdienste dem vergeltenden Gott vorzuweisen. Das ist Gregor's Gottesbegriff, und es ist der specifische Gottesbegriff der römisch-katholischen Kirche: Christus als Person ist vergessen. Er ist ein grosser Titel in der Dogmatik, d. h. an der betreffenden Stelle; aber die Grundfragen des Heils sind nicht im Hinblick auf ihn beant

lacrimis et benignitate mentis sacri altaris hostia suffragatur, quia is, qui in se resurgens a mortuis iam non moritur, adhuc per hanc in suo mysterio pro nobis iterum patitur. Nam quoties ei hostiam suae passionis offerimus, toties nobis ad absolutionem nostram passionem illius reparamus.“

1S. Dial. IV, 58. 59. Auf die Häufigkeit der Messen legte schon Gregor grosses Gewicht. Er erzählt (Dial. IV, 55), er selbst habe durch eine dreissigtägige Messe der Seele eines abgeschiedenen Mönchs Ruhe verschafft. Auch die Anwendung der Messen, um zeitliche Leiden abzuwehren, billigt Gregor. Er berichtet mit Beifall, dass eine Frau durch Messen ihren Mann aus der Gefangenschaft befreit habe, und erkennt überhaupt in ihnen das remedium wider alle Plagen im Diesseits und im Fegefeuer. Nur auf die ewige Seligkeit bezieht sich die Messe nicht.

Das ist der Eindruck, der sich aus der Prädestinationslehre Augustin's erhielt. Hornack, Dogmengeschichte III.

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