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wortet, und im Leben hat sich der Getaufte an „Mittel“ zu halten, die theils neben, theils ohne ihn bestehen oder nur seine Etiquette tragen. Von hier aus erklärt sich das ganze Gefüge der gregorianischen Religionslehre, welche statt Glaube und Liebe wiederum Furcht und Hoffnung, statt der Gnade Gottes in Christo eine nur complicirter, aber nicht besser gewordene Verdienstlehre aufrichtet. Und doch hätte sich Augustin über diese Verschiebung seiner Gedanken nicht beklagen dürfen; denn er hat die Grundlinien dieser Religionslehre alle bestehen lassen, ja selbst in sein Gedankengefüge aufgenommen. Sogar die offenbare und schwere Veräusserlichung der Sünde, jene Anweisung, dass man immerfort in Thränen schwimmen, dabei aber eifrig bedacht sein soll, den Sünden strafen sich zu entziehen, jene Verkehrung des Gottesbegriffs und der Sünde, als käme es Gott lediglich darauf an, abgefunden zu werden, sofern er der Vergelter ist sie hat in dem augustinischen Gedankenkreise Anknüpfungspunkte. Der dunkelste Fleck an der mittelalterlichen Frömmigkeit, dass sie gebietet, immerfort zerknirscht zu sein, dabei aber den Reuigen zu Berechnungen auffordert, die den sittlichen Nerv ertödten und die Reue über die Sünde in die Furcht vor der Strafe umwandeln — dieser Schade, der die religiöse Moral schlimmer macht als die religionslose, ist von nun an in der katholischen Kirche des Abendlandes verewigt 3.

Allein bei Gregor selbst durchkreuzen doch noch viele an dem Evangelium und Augustin erworbene Gedanken diese Religionslehre. Er hat von dem Eindruck der Person Christi in erhabenen Worten

1,,Deus terrores incutit" öfters.

"Das „tutius“, die via tutior spielt bei Gregor schon eine grosse Rolle; s. z. B. Dial. IV, 58: „Pensandum est, quod tutior sit via, ut bonum quod quisque post mortem suam sperat agi per alios, agit ipse dum vivit per se.“ Also das ist nur tutius, und nicht selbstverständliche Pflicht!

Ausdrücklich verbietet Gregor auch er konnte sich freilich auf Augustin berufen dass man seiner Seligkeit gewiss werde. Am lehrreichsten ist hier der Brief an die Kämmerin der Kaiserin Gregoria (V, 25). Diese arme Frau wollte Gewissheit ihres Seelenheils haben und hatte dem Papst geschrieben, sie werde so lange mit Briefen in ihn dringen, bis er ihr zurückschreiben werde, er habe die Vergebung ihrer Sünden aus einer Special offenbarung erkannt. Welch' eine evangelische Regung im Jahre 596! Der Papst schreibt ihr zurück, erstlich sei er einer besonderen Offenbarung unwürdig, zweitens dürfe sie wegen der Vergebung ihrer Sünden nicht eher sicher sein, als bis sie an ihrem letzten Lebenstag ihre Sünden zu beweinen nicht mehr im Stande sein werde; bis dahin müsse sie furchtsam bleiben; denn die Sicherheit sei die Mutter der Trägheit; sie dürfe gar nicht nach ihr streben, da sie einschläfre. „Lass' Deine Seele jetzt eine kleine Zeit zittern, damit sie sich dann ohne Ende in einer sicheren Freude ergötze.“

reden können, und er hat die innere Umwandlung durch den divinus sermo so zu schildern vermocht, dass man fühlt, er giebt hier nicht nur Angelerntes wieder, sondern spricht aus eigener Erfahrung. „Per sacra eloquia dono spiritus virificamur, ut mortifera a nobis opera repellamus; spiritus vadit, cum legentis animum diversis modis et ordinibus tangit deus". Innerlich durch das Wort wirkt der Geist Gottes. So sind viele der besten Gedanken Augustin's in den Schriften Gregor's reproducirt 3. Auch ist er als Dogmatiker kein Hierarch gewesen. Wenn er, wie es unleugbar ist, der weiteren Identificirung von empirischer Kirche und Kirche Vorschub geleistet hat, wenn alle seine Anweisungen über angerechnetes Verdienst der Heiligen, Oblationen, Messen, Bussordnung, Fegefeuer u. s. w. der Priesterkirche und der völligen Unterordnung der armen Seelen unter ihre Gewalt zu Gut kommen mussten, wenn endlich seine Kirchenpolitik darauf angelegt war, die im Papst gipfelnde Kirche zu der Macht zu erheben, an der jede andere Macht ihre Grenze findet und von der sie ihren Segen empfängt, so ist doch seine Dogmatik keineswegs blosse Ecclesiastik. Man wundert sich vielmehr, dass er nirgendwo die letzten, scheinbar so nahe liegenden Consequenzen gezogen hat*, nämlich den ganzen ungeheuren Apparat in straffer Zusammenfassung in die Hand des Priesters zu legen und die Leitung jeder einzelnen Seele diesem zu übergeben. Geübt wurde es bereits damals vielfach; aber noch überwog der Gedanke, dass jeder Getaufte für sich die Verantwortung allein trage und seinen eigenen Weg durch Busse und Vergebung vor Gott innerhalb der Kirche zu wan1 Auch der Ausdruck verbum fidei" ist sehr gebräuchlich.

2 Ezech. I h. 7.

* Die Wahrheitsliebe Gregor's ist freilich nicht über allen Zweifel erhaben. Seine Wundergeschichten sind häufig nicht naiv, sondern berechnet; man lese z. B. ep. IV, 30. Auch seine Propaganda für die Kirche scheut sich nicht vor zweifelhaften Mitteln. Die Juden auf den päpstlichen Landgütern sollen durch Steuernachlass zum Christenthum bewogen werden. Bekehren sie sich selbst noch nicht aufrichtig, so werden doch ihre Kinder gute Katholiken sein; ep. V, 8. Doch hat sich Gregor gegen gewaltsame Bekehrungen sehr bestimmt ausgesprochen (ep. I, 47).

Auch die Gebräuche der römischen Kirche hat er noch keineswegs mit tyrannischer Gewalt einführen wollen, vielmehr den Missionar Augustin angewiesen, das Gute, welches er in anderen Landeskirchen findet, anzunehmen; s. ep. XI, 64. Andererseits macht die erstaunliche Identificirung von Petrus und dem Papst bei Gregor weitere Fortschritte. Er meint den Papst, wenn er sagt: „s. ecclesia in apostolorum principis soliditate firmata est." Und er erklärt (ep. IX, 12): „de Constantinopolitana ecclesia quod dicunt, quis eam dubitet sedi apostolicae esse subiectam"; s. auch die schöne Stelle ep. IX, 59: „si qua culpa in episcopis invenitur, nescio quis Petri successori subiectus non sit; cum vero culpa non exigit, omnes secundum rationem humilitatis aequales sunt.“

deln habe. Erst der mittelalterlichen Entwickelung blieb es vorbehalten, die dogmatische Forderung zu stellen, dass der Büssende, d. h. jeder Christ von der Taufe bis zum Tode, nur an der Hand des Priesters gehen dürfe1.

Sechstes Capitel: Geschichte des Dogmas in der Zeit der karolingischen Renaissance.

Bei den jugendlichen barbarischen Völkern traten alle Institutionen der Kirche noch mehr in den Vordergrund als dies ohnehin schon durch die Entwickelung der Kirche im römischen Reiche geschehen war. Das philosophische und theologische Capital des Alterthums, zum Theil bereits in Compendien überliefert, wurde in neuen Compendien fortgepflanzt (Isidor von Sevilla, Beda, Rabanus u. s. w.). Den einzigen Johannes Scotus ausgenommen, vermochte Niemand mehr jene Gedankenwelt bis in ihre letzten Motive

1 Wie stark schon zu Gregor's Zeiten die eigentlich theologischen Fragen gegenüber den praktischen Fragen der Seelenleitung und der Erziehung durch den Kultus und die Kirchenordnung zurückgetreten sind, zeigt die umfangreiche Briefsammlung Gregor's. Ueber Gregor's Bedeutung für den Kultus siehe das ausgezeichnete Werk Duchesne's, Orig. du culte chrétien (1888), bes. p. 153 sq.

* Johannes Scotus Erigena's System (Hauptwerk: de divisione naturae, s. Migne CXXII; Christlieb 1860, Huber 1861, s. Ritter und Baur) gehört nicht in die Dogmengeschichte des Abendlandes; denn es ist ganz und gar eine freie, selbständige Reproduction der neuplatonischen (pantheistischen) Denkweise, wie dieselbe durch den Areopagiten und namentlich durch den „divinus philosophus Maximus Confessor", die Scotus gelesen hat, repräsentirt ist. Auch Augustin hat allerdings auf ihn eingewirkt; aber er hat seine Speculation dem Christlichen nicht näher geführt. Dieser gelehrteste und vielleicht auch klügste Mann seines Zeitalters hat die volle Identität von religio vera und philosophia vera behauptet und damit den Grundgedanken der antiken Philosophie wieder in den Mittelpunkt gestellt. Aber die philosophia vera ist ihm, der die Autorität neben der Vernunft nur nominell gelten liess, jener Monismus der Betrachtung, in welchem die Erkenntniss der Natur und die Erkenntniss Gottes zusammenfallen, wie denn auch Denken und Sein zusammenfallen (Alles ist Natur, und zwar schliesslich „Natur die nicht schafft und nicht geschaffen wird“, und der im menschlichen Geiste liegende Begriff der Wesen ist die Substanz der Wesen selbst: intellectus rerum veraciter ipsae res sunt). Der akosmistische Idealismus ist bei Scotus (wie bei Stephan bar Sudaili) bis zu dem Punkt getrieben, wo auch die Gottheit im Intellect des Menschen untergeht. Alle Uebereinstimmungen mit den kirchlichen Lehren beruhen bei Scotus auf Accommodation, entspringen aber nicht aus Verlegenheit, sondern aus der klaren Einsicht, dass die Hüllen bestehen müssen. Im Grunde ist ja auch die lebendige Bewegung der natura selbst nur ein Schein. In seiner Zeit ohne Einfluss, ja mit Argwohn betrachtet, ist er auch später nicht zum Lehrer des Abendlandes geworden, wenn auch abendländische Mystiker Manches von ihm gelernt haben. Er war zu sehr Grieche. An Trieb und Kraft zu systematischer Bildung ist er ein Phänomen, und mit Recht verehren ihn die speculativen Philosophen als einen Meister.

und Erkenntnisse zu verfolgen und innerlich nachzuerleben 1. Kulturgeschichtlich ist Alles in der Epoche interessant, wurden doch im karolingischen Zeitalter die Grundlagen für die Entwickelungen des Mittelalters gelegt; allein dogmengeschichtlich, sofern man nicht die Aneignung bekannter Stoffe, sondern den Fortschritt der Entwickelungen zu betrachten hat, bietet jene Zeit nicht viel.

Die karolingische Epoche ist ein grosser und in mancher Hinsicht verfehlter Versuch einer Renaissance der Antike. Sie ist nicht das Ergebniss der natürlichen langsamen Entwickelung der germanisch-romanischen Völker, sondern Karl der Grosse und sein Kreis suchten durch ein vielfach forcirtes Zurücklenken zu der Antike resp. durch die Einbürgerung der byzantinischen Kultur -- in Konstantinopel war das Alterthum noch lebendig im Sturme eine höhere Bildung für das fränkische Reich zu gewinnen. Was Springer für die Geschichte der Kunst gezeigt hat, dass nämlich die karolingische Kunst als die Nachblüthe der antiken, nicht aber als der Anfang der mittelalterlichen zu betrachten ist, das gilt auch von den theologischen und philosophischen Bestrebungen. Für die Geschichte der Institutionen bezeichnet die Karolingerzeit die epochemachenden Anfänge ; innerhalb der Geschichte des geistigen Lebens ist sie ein Anhang zur Geschichte der alten Welt. Somit beginnt, streng genommen, die Dogmengeschichte des Mittelalters erst mit dem Zeitalter Clugny's 3. Auch hat es keinen Werth, innerhalb dieser Disciplin auf die sog. volksthümlichen Ausprägungen des germanischen Christenthums, wie sie sich in poetischen und prosaischen Stücken finden, einzugehen; denn erstlich ist ihre Volksthümlichkeit eine sehr bedingte, zweitens hat das volksthümliche Christenthum kaum auf die Institutionen, ge

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1 Bewundernswerth ist es andererseits, mit welcher Kraft des Gedächtnisses und Verständnisses sich Männer wie Alcuin und Paulin von Aquileja in den einzelnen Gedankengängen Augustin's heimisch gemacht haben. Alcuin lebte auch in der augustinischen Frömmigkeit.

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2 S. Hatch, An introductory lecture on the study of eccl. hist. 1885.

Ueber die Dogmengeschichte der Karolingerzeit s. Schwane, Dogmengesch. der mittleren Zeit 1882; Bach, Dogmengesch, des Mittelalters I. Th. 1873. Thomasius-Seeberg, Dogmengesch. II, 1 1888; Reuter, Gesch. der relig. Aufklärung im Mittelalter 1875 I S. 1-64. Letzteres Buch orientirt über die Kulturbestrebungen, vgl. auch Göbl, Gesch. der Katechese im Abendland 1880 und Spiess, Gesch. des Unterrichtswesens in Deutschland von den ältesten Zeiten bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts 1885. Dazu die Kirchengeschichten Deutschlands von Rettberg und Hauck. Ueber die „populäre Theologie" bei den Angelsachsen, Sachsen und Franken s. Bach, a. a. O. I S. 81 ff.

schweige auf das Dogma irgend welchen Einfluss ausgeübt. Wer zu höherer theologischer Bildung vorschreiten wollte, las den Augustin und Gregor, den Gregor und Augustin, und er empfand sich diesen und den anderen lateinischen Vätern gegenüber lediglich als Schüler, der noch zu lernen hat, was ihm vorgesprochen wurde. Das Bildungsstreben vieler Kleriker war damals allerdings ein gewaltiges — man braucht nur den uns erhaltenen Handschriftenbestand aus dem 8. und 9. Jahrhundert zu überschauen-2; auch darf nicht verkannt werden, dass eine kleine Anzahl von Gelehrten es damals weiter gebracht hat als die Gelehrten aus der Zeit von 450-650, dass sie über Isidor und Gregor zu Augustin selbst vorschritt, die Depotenzirung der Religion zu Ceremoniendienst und Mirakelglauben durchschaute und zum Spiritualismus Augustin's zurückkehrte3. Allein die hohe Gestalt des afrikanischen Bischofs begrenzte allen weiteren Fortschritt. Zu ihm schauten die Besten auf; aber Keiner hat ihn überschaut, auch Alcuin und Agobard nicht, obschon der Letztere auch den Tertullian studirt hat. Es hat einen hohen Reiz, innerhalb der Kirchengeschichte die energischen Anstrengungen der karolingischen Augustiner zu studiren, wie sie, dem grossen Kaiser fol

1 Johannes Scotus bildet eine Ausnahme, in gewissem Sinn auch Fredegis von Tours, sofern er über das ominöse „nihil", welches die augustinische Metaphysik darbot, selbständig nachgedacht hat. Dass diese Arbeit aber von früheren Gelehrten überschätzt worden ist, hat Ahner in seiner Dissertation über Fredegis und dessen Brief „de nihilo et tenebris" (1878) gezeigt.

2 Sehr dankenswerth ist es auch, dass Schrörs in seiner Monographie über Hinkmar (1884) S. 166-174 Rechenschaft über die alten Schriften gegeben hat, welche der grosse Bischof gelesen resp. citirt hat. Welch' eine bedeutende Gelehrsamkeit und Belesenheit geht aus dieser Zusammenstellung hervor, und doch war Hinkmar keineswegs der Gelehrteste. Interessant ist auch, dass sich Hinkmar streng an das Edict des Gelasius gehalten hat.

8 Auch das Interesse an der Dialektik ist bei manchen Lehrern der karolingischen Epoche stärker als bei den früheren Theologen, man vgl. Alcuin's Werk de fide trinitatis, welches auch ein tüchtiges Streben nach systematischer Einheit des theologischen Denkens bekundet. Fredegis, der discipulus dulcissimus Alcuin's, ist wegen seiner Vorliebe für die Dialektik, den Syllogismus und Vexirfragen von Agobard als „Philosoph" zurechtgewiesen worden („invenietis nobilitatem divini eloquii non secundum vestram assertionem more philosophorum in tumore et pompa esse verborum" Agobardi lib. c. obiect. Fredigisi abb.). Doch lehrte er über auctoritas und ratio nicht anders als Augustin; allein schon der ernsthafte Versuch, auf Grund der Autorität die Vernunft dem Dogma gegenüber zu gebrauchen, befremdete. In dem Streit zwischen Agobard und Fredegis sind manche Controversen aufgetaucht, die von Bedeutung geworden wären, wenn die Gegner sie wirklich ausgeführt hätten.

Ueber Alcuin s. die Monographie von Werner (1881). Den Tertullian hat auch Radbert gelesen.

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