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dass das Ergebniss, wenn von einem solchen geredet werden darf, in Worten der Lehre Gottschalk's näher kam, als den ursprünglichen Kundgebungen Raban's und seiner Gesinnungsgenossen (hierher gehört auch Pardulus). Diese wollten ihre Unterscheidung von Präscienz und Prädestination (in Bezug auf das Böse und die Strafe) durchsetzen und desshalb nicht von Personen, die zur Strafe prädestinirt seien, geredet wissen. Gott hat, als er das Böse voraussah, die Strafe für die prädestinirt, welche es nicht verdienen würden, dass die Gnade sie erlöst; der freie Wille behält also versteckt seinen Spielraum, obgleich den Worten nach die Seligen lediglich um der Erwählung willen selig werden. Die künstliche Unterscheidung, die hier gemacht wird (Prädestination des Lebens und der Guten, Präscienz der Bösen, Prädestination der Strafe), ist scheinbar auch auf augustinischem Boden - erträglich, da sogar von einem völligen Verluste der Freiheit durch Adams Fall jetzt von Hinkmar geredet wurde; aber die Unterscheidung war in Wahrheit als Thor gemeint, durch welches der Semipelagianismus einziehen sollte. Auf einer neuen Synode zu Chiersey (853) wurde diese Lehre unter Hinkmar's Leitung angenommen. Allein was hier geschah, war im Erzbisthum Sens 2

1 Die vier Capitel von Chiersey geben dem Augustinismus mehr nach, als es sich mit der Wahrhaftigkeit vertrug: I. „Deus hominem sine peccato rectum cum libero arbitrio condidit et in paradiso posuit, quem in sanctitate iustitiae permanere voluit. Homo libero arbitrio male utens peccavit et cecidit, et factus est massa perditionis totius humani generis. Deus autem bonus et iustus elegit ex eadem massa perditionis secundum praescientiam suam, quos per gratiam praedestinavit ad vitam, et vitam illis praedestinavit aeternam. Ceteros autem, quos iustitiae iudicio in massa perditionis reliquit, perituros praescivit, sed non ut perirent praedestinavit, poenam autem illis, quia iustus est, praedestinavit aeternam. Ac per hoc unam dei praedestinationem tantummodo dicimus, quae aut ad donum pertinet gratiae, aut ad retributionem iustitiae." II. „Libertatem arbitrii in primo homine perdidimus, quam per Christum dominum nostrum recepimus. Et habemus liberum arbitrium ad bonum, praeventum et adiutum gratia. Et habemus liberum arbitrium ad malum, desertum gratia. Liberum autem habemus arbitrium, quia gratia liberatum et gratia de corrupto sanatum.“ III. „Deus omnes homines sine exceptione vult salvos fieri, licet non omnes salventur. Quod autem quidam salvantur, salvantis est donum; quod autem quidam pereunt, pereuntium est meritum." Das 4. Capitel sagt, dass Christus die Natur eines jeglichen Menschen angenommen hat, also auch für Jeden gestorben ist, wenn auch nicht Alle erlöst werden. Die Ursache dieser Thatsache liegt daran, dass die Nichterlösten infideles sind oder doch des Glaubens ermangeln, der in der Liebe thätig ist; „poculum humanae salutis, quod confectum est infirmitate nostra et virtute divina, habet quidem in se, ut omnibus prosit, sed si non bibitur, non medetur." Mansi XIV p. 919.

'S. über Prudentius und die Synode von Sens Hefele S. 188 f. Die 4 Capitel dieser Synode, welche die gemina praedestinatio lehren, sind von Prudentius; s. Migne CXXV p. 64.

und im Reiche Kaiser Lothar's nicht massgebend. Remigius von Lyon griff die vier Capitel von Chiersey scharf an als der Lehre der Schrift und der Väter zuwiderlaufend'. Auf der grossen Synode der Provinzen Lyon, Vienne und Arles zu Valence (855) wurden Kanones angenommen, welche sich viel enger an Augustin anschlossen und die Lehre des Remigius enthielten. Die Abneigung gegen den gewaltigen Hinkmar spielte dabei auch eine Rolle. Die Synode verwarf die vier Capitel („minus prospecte suscepta"), lehrte die gemina praedestinatio, bezog dieselbe auch auf die Personen und behauptete, dass Christus für die Gläubigen sein Blut vergossen habe (die Frage, ob Gott alle Menschen selig machen wolle, ist klug umschifft). Wenn sie die Meinung einer Prädestination zur Sünde ablehnte, so verliess sie damit den streng augustinischen Boden nicht. Dagegen zeigt die Behauptung, dass die Verdammung sich auf die Präscienz gründe, und dass in den Sacramenten der Kirche „,nihil sit cassum, nihil ludificatorium", wie besorgt man war, das kirchlich Giltige nicht preiszugeben. Vergleicht man die Beschlüsse der beiden Synoden ihrem Wortlaut nach, so sind die Unterschiede höchst subtil, und doch ist das kleine Plus des fremden Coefficienten am Augustinismus in den Beschlüssen von Chiersey von hoher Bedeutung: Raban, Hinkmar und die Synode Karl's stehen auf dem Boden der kirchlichen Empirie und suchen sich weil sie es müssen mit Augustin abzufinden, dabei mehr zugebend, als ihnen lieb sein konnte; Remigius, Prudentius und die Synode Lothar's stehen auf dem Boden des Augustinismus und wollen doch die kirchliche Empirie nicht aufgeben. Dort und hier aber durfte in Niemandem ein Zweifel auftauchen, ob diese Empirie und der Augustinismus sich decken.

Die politischen Verhältnisse liessen den drohenden Bruch doch nicht perfect werden. Im Reiche König Karl's, des Sohnes Lothar's, lenkte man ein. Zu Langres (859) beschloss man einige leichte Modificationen an den Capiteln von Valence, um Karl dem Kahlen, der die von Chiersey unterschrieben hatte, den Beitritt zu ermöglichen 3. Die grosse Synode von Savonières (859), auf der Bischöfe aus drei Reichen, sowie die Herrscher selbst (Karl der Kahle, Karl von der Provence, Lothar von Lothringen) anwesend waren, nahm die modificirten Capitel von Valence und, wie es scheint, auch die von Chier

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1 Migne CXXI p. 1083: libellus de tenenda immobiliter scripturae veritate als officielle Schrift der Kirche von Lyon.

2 Die Kanones hierher zu setzen - sie sind sehr weitschweifig- ist überflüssig, s. Mansi XV p. 3. Hefele IV S. 193 ff. Schrörs S. 133 ff.

Mansi XV p. 537. Hefele S. 205.

sey ad acta; man verdammte sich gegenseitig nicht wegen des Unglaubens oder Glaubens an die gemina praedestinatio, und damit war schon das Meiste zur Beschwichtigung gewonnen 1. Hinkmar freilich war darüber nicht im Zweifel, dass es eine prädestinatianische Irrlehre gegeben habe und gebe, die zu bekämpfen sei und deren Anhänger sich mit Unrecht auf Augustin beriefen. Damals hat er sein. weitschichtiges Werk de praedestinatione verfasst (gegen Remigius u. A.) unter den Auspicien seines theologischen Königs. Allein das Friedensbedürfniss der Könige war grösser als der Eifer der im Dunklen kämpfenden Bischöfe. Auf der grossen Synode der drei Reiche zu Toucy (860) wurde in einem umfangreichen Synodalschreiben die zu Savonières aufgeschobene Angelegenheit beendet. Man liess die strittigen Punkte bei Seite und bekannte das, worin man einig war. Hinkmar hat dieses Schriftstück verfasst. Neben der Prädestination zum Leben, die in gut augustinischen Worten vorgetragen ist, wird bekannt, dass Gott Alle selig machen wolle, dass Christus für Alle gestorben sei, und dass der freie Wille nach dem Falle zwar befreit und geheilt werden müsse, aber nicht ganz verloren gegangen sei 2. Wenn der Werth eines Bekenntnisses darin besteht, dass es wirklich Ausdruck des vorhandenen Glaubens ist, dann war der Sieg der Hinkmar'schen Formel werthvoller als der Sieg der Gegenlehre gewesen sein würde - denn das Bekenntniss zur gemina praedestinatio, an sich schon. mehr Ausdruck einer theoretischen Speculation als des christlichen Glaubens an Gott den Vater, hätte neben der doch festgehaltenen kirchlichen Empirie weniger als nichts bedeutet. Allerdings bedeutete die Hinkmar'sche Formel, die durch keine Kunst mit der von Orange vereinigt werden kann, auch nicht viel; denn in Wahrheit blieb trotz aller Worte Augustin abgesetzt. Gregor's I. Lehrbegriff behauptete das Feld. Wie man an den sacramentalen Christus dachte, als man mit dem Adoptianismus zugleich die augustinische Christologie ablehnte, so dachte man an eben diesen Christus und an die guten Werke der Gläubigen, als man mit der gemina praedestinatio factisch die augustinische Gnadenlehre entfernte.

Gottschalk starb, unversöhnlich und unversöhnt, im Kerker (868), an der praedestinatio ad mortem festhaltend, die er in einem so irrigen Sinn" verstand, dass er sie nicht preisgab, wie Remigius das gethan zu haben scheint. Die Entpuppung und den Sturz seines Tod

1 Mansi XV p. 529. Hefele S. 206.

* Die weitschweifige ep. synodalis bei Mansi XV p. 563, Hefele S. 217 ff. Die praedestinatio ad mortem ist nicht erwähnt.

feindes Hinkmar als Antichrist

dieses grossen Paradigmas der praedestinatio ad mortem — hat er vergebens prophezeit '.

II. Der Streit über das filioque und über die Bilder.

Durch die Stellung, welche die Kirche des Frankenreichs im adoptianischen wie im Prädestinations-Streit eingenommen hat, identificirte sie sich, höhere Eigenthümlichkeiten preisgebend, mit dem vulgärKirchlichen, wie es Konstantinopel und Rom vertraten. Die Theologie, welche sie von Augustin geerbt hat, setzte sie in eine Ecclesiastik um, wie sie in jenen Hauptkirchen längst herrschte. Aber in zwei Lehren hielt der Westen damals seine Eigenart gegenüber dem Orient noch zäh fest, in der Behauptung des filioque und in der Verwerfung der Bilder. Ueber Beides ist im 2. Bande (S. 291 ff. 452 ff.) schon gehandelt worden; daher sei nur Weniges hinzugefügt.

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In dem Streit über das filioque erkennt man, wenn man es nicht schon so wüsste, noch einmal sehr deutlich, dass auch für das Abendlands. das Athanasianum - Trinitätslehre und Christologie das Dogma und die kirchliche Rechtsordnung xat' oxy waren. Das aus der augustinischen Theologie stammende filioque war aus Spanien man weiss über die Art des Uebergangs nichts Näheres in das Frankenreich gekommen. Man war gewiss, dass es zum Symbol gehöre, und hat diese Ueberzeugung schon auf der Synode zu Gentilly (767) ausgesprochen 3. Die gelehrten Theologen Karl's bestärkten dieselbe, wie Alcuin's Schrift de processione spiritus sancti und die libri Carolini beweisen. Provocirt wurde eine öffentliche Action durch schwere Unbill, welche abendländische Mönche in Jerusalem zu er

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1 Gottschalk scheint in den letzten Jahren seines Lebens durch die erlittenen Misshandlungen zeitweilig unzurechnungsfähig geworden zu sein. Merkwürdig ist der Streit mit Hinkmar über den Ausdruck „trina deitas", den dieser nicht dulden wollte (als arianisch), Gottschalk und Ratramnus so vertheidigten, dass sie dem Hinkmar Sabellianismus vorwarfen. Man kann vom Boden des Augustinismus aus beide Formeln una deitas“ und „trina deitas“ vertheidigen; s. Hinkmar's Schrift de una et non trina deitate (Migne CXXV p. 473; Schrörs, Hinkmar S. 150 ff.), in welcher bereits der Personbegriff des Boethius („rationabilis naturae individua subsistentia) eine Rolle spielt. Sehr gross war überhaupt die Zahl der theologischen Probleme, die z. Z. dieser Renaissance der Theologie erörtert wurde, s. Schrörs, Hinkmar S. 88 ff. Aber die Fragen waren fast sämmtlich höchst speciell und subtil, wie sie wohl kluge Kinder aufwerfen. Auch war die damalige Bildung noch nicht im Besitze der scholastischen Technik, um sie zu bearbeiten.

2 Es ist erst im karolingischen Zeitalter Hauptsymbol geworden, ja hat erst damals die letzte Redaction erhalten (?).

9 S. Hefele III S. 432.

4 Hefele III S. 704, s. libr. Carol. III, 3, wo an Tarasius getadelt wird, er lehre, der hl. Geist gehe ex patre per filium aus, statt ex filio.

leiden hatten, weil sie dem „Gloria patri" in der Liturgie das „,sicut erat in principio", dem „Gloria in excelsis" das „tu solus altissimus" und dem „a patre" im Symbol das „filioque" beisetzten. Sie klagten beim Papst, der sich an den Kaiser wandte. Dieser beauftragte den Theodulf von Orleans mit Abfassung einer Schrift de spiritu sancto und liess auf der Synode zu Aachen 809 beschliessen, dass das filioque ins Symbol gehöre1. Der Papst aber, der diesen Beschluss billigen sollte, nahm noch Rücksicht auf den Orient und erlaubte die Aufnahme nicht, obgleich er der Lehre zustimmte. Selbst die Vorstellung der Franken, das filioque sei zum Seelenheil nothwendig, bewegte ihn nicht. So dauerte es noch bis zum grossen Streit unter Photius, bis das filioque das symbolische Stichwort im ganzen Abendland wurde. Die werthloseste Formel des Augustinismus, einst empfohlen durch den Gegensatz gegen den Arianismus, ist somit im Abendland conservirt worden.

Wurde in diesem Streit des Westens mit dem Osten jener ursprünglich nur lau von Rom unterstützt, welches noch halbbyzantinisch war, so stellte sich der Papst im orientalischen Bilderstreit vollends auf die Seite der orientalischen frommen Theologen und gerieth damit in eine Spannung zur fränkischen Theologie, resp. zu den civilisatorischen Bestrebungen Karl's I. Die Haltung jener Theologie in dem grossen Kampfe ist für die Uebergangszeit, in der sie sich befand, höchst charakteristisch. Das ihr durch Augustin eingepflanzte innerliche Element reagirte in der Christologie und der Vorstellung von der Messe nicht mehr gegen das mystisch Superstitöse und magisch

'Hefele III, 750–755.

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2 S. Mansi XIV p. 18 sq. Sehr wichtig ist, dass der Papst gegen das letztgenannte Argument der Franken einwendet, auch andere Punkte seien für das Seelenheil nothwendig und trotzdem seien sie nicht in das Symbol aufgenommen worden, da dieses schlechthin keine Veränderung erleiden dürfe. Hiermit ist also (gegen die Meinung des Orients) behauptet, dass das Symbol nicht Alles. umfasse, was zur Seligkeit gehört. Der Papst sagt (p. 20): Verumtamen, quaeso, responde mihi: Num universa huiusmodi fidei mystica sacramenta, quae symbolo non continentur, sine quibus quisque, qui ad hoc pertingere potest, catholicus esse non potest, symbolis inserenda et propter compendium minus intellegentium, ut cuique libuerit, addenda sunt?" Der Papst machte übrigens auch bei der Unterredung mit den fränkischen missi in sehr bemerkenswerther Weise den Gedanken geltend, dass nicht alle Bildungsstufen dieselbe Stellung zum Dogma haben könnten, für die Einen also wichtig sei, was es für Andere nicht ist.

Die päpstlichen Legaten in Konstantinopel 880 haben noch das Symbol ohne filioque unterschrieben. Ueber Johann VIII. s. Hefele IV S. 482. Das Frankenreich nahm an dem Streit in jener Zeit den lebhaftesten Antheil; aber die Begründung der eigenen Ansicht ist stets dieselbe gewesen.

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