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im 13. Jahrhundert die der Kirche und ihrem Dogma adäquate, nun nicht mehr misstrauisch betrachtete Theologie hervor1, nachdem ein neuer Aufschwung der Frömmigkeit (die Bettelorden) dieser die höchste Kraft verliehen hatte, deren die katholische Religion überhaupt fähig ist. Die Furcht des Herrn war auch dieser neuen Weisheit Anfang. Sie verhält sich nach Form und Inhalt, in ihrer Systematik und in der erschöpfenden Fülle ihres Stoffs, zu der Theologie des 12. Jahrhunderts etwa so, wie sich Origenes zu Clemens Alexandrinus verhält. Der Vergleich ist desshalb mehr als ein solcher, weil sich wirklich der Gang der Verhältnisse wiederholt hat. Clemens der Anfänger, der Kühnere, der weniger Abgeklärte, der noch nicht die volle Autorität der katholischen Kirche sich gegenüber weiss; Origenes der Systematische, Umfassendere, aber zugleich der, welcher in höherem Masse an die Kirche und ihre Lehre gebunden ist. Dasselbe Verhältniss waltet zwischen den Theologen des 12. und 13. Jahrhunderts. (Vgl. den „aggregierenden" Charakter z. B. der Sentenzen des Robert Pullus [Deutsch S. 6 f.] mit den Stromateis des Clemens und die grossen „Summen" des 13. Jahrhunderts mit Origenes de principiis). Wir werden im nächsten Capitel den Faden hier wieder aufnehmen. Wenn wir dem Lombarden und vor Allem dem etwas älteren, sa chlich einflussreichsten Theologen des 12. Jahrhunderts („alter Augustinus“), Hugo, hier keine besondere Betrachtung widmen, so mag die Thatsache zur Entschuldigung dienen, dass Beide eine dogmengeschichtliche Bedeutung erst auf dem grossen Lateranconcil und in den Theologen des 13. Jahrhunderts gewonnen haben. Ueber Hugo's Sentenzen s. Denifle im Archiv f. L.- u. K.-Gesch. des Mittelalters III S. 634 ff.

4. Arbeiten am Dogma.

Die theologischen Kämpfe des 11. und 12. Jahrhunderts, wie sie zwischen den Dialektikern und ihren Gegnern ausgefochten wurden, gehören nicht in die Dogmengeschichte. Diese hat sich darauf zu beschränken, nachzuweisen, welche Stellung bei dem Aufschwung und den Krisen der Theologie das Dogma behauptet, welche Bereicherungen es etwa erlebt, und inwiefern der Schulbetrieb (resp. die theologische Systematik) schon auf dasselbe eingewirkt hat. Was die erste Frage betrifft, so kann man sich ganz kurz fassen: das Dogma, wie es die Concilien

1 Das schwindende Misstrauen gegen die Theologie im Unterschied von der früheren Zeit ist auch dadurch zu erklären, dass das allgemeine Niveau der Bildung des höheren Klerus sich gehoben hat. So viel Unvernunft, wie sie die „Dialektiker“ des 11. Jahrhunderts in der breiten Entwickelung der Kirche zu bekämpfen hatten, stand den Theologen des 13. Jahrhunderts nicht mehr gegenüber.

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festgestellt, wie es Augustin und Gregor I. beschrieben hatten', war die Voraussetzung alles theologischen Denkens und galt als unantastbar. Vereinzelte Ausnahmen waren ohne jede Bedeutung. Die dialektischen Versuche am Dogma hatten stets die überlieferte Fassung desselben zur Grundlage. Was die dritte Frage anlangt, so lässt sich wohl schon im 12. Jahrhundert ein Einfluss des Schulbetriebes und der Systematik auf das Dogma nachweisen; aber er ist noch so sehr in den Anfängen, dass man besser thut, erst bei dem 13. Jahrhundert von demselben zu handeln. Somit bleibt nur die Frage nach den Bereicherungen" übrig. Auch diese wäre streng genommen negativ zu beantworten3, läge nicht im Berengar'schen Streit eine Action vor, in welcher ein noch immer controverses Dogma zum relativen Abschluss gelegt ist, und hätte nicht Anselm eine Satisfactionslehre aufgestellt, die zwar eine reine Privatarbeit war und auch wenig Anhänger in der Folgezeit gefunden hat, aber doch ein bisher ungelöstes, ja kaum noch berührtes dogmatisches Problem der Kirche vorrückte, welches nun nicht mehr verschwinden sollte. Wir haben daher im Folgenden von diesen beiden Actionen zu handeln.

A. Der Berengar'sche Streit.

Dieser Streit hat neben dem dogmatischen auch ein philosophisches und kirchenpolitisches Interesse. Das letztere dürfen wir hier ganz bei Seite lassen; das erstere ist mit dem dogmatischen eng verknüpft. Bei der Stellung, welche das Abendmahlsdogma in

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Augustin's Enchiridion war, sofern es überhaupt ein einzelnes massgebendes Buch hier gab, das einflussreichste. Aber charakteristisch ist, dass Abälard in seinem systematischen Werke bereits die Sacramente dem Glauben und der Liebe hinzugefügt hat.

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Gedacht ist hier vor Allem an die Sacramentslehre.

3 Fast alles das, was Bach im 2. Bande seines Werkes über die Dogmengeschichte des Mittelalters dargestellt hat, einschliesslich der „Geschichte des Adoptianismus im 12. Jahrhundert“ und der „systematischen Polemik gegen die Dialektiker" (S. 390 ff.: Gerhoch gegen die deutschen Adoptianer; S. 475 ff.), gehört lediglich der Geschichte der Theologie an und ist für die Dogmengeschichte gleichgiltig.

Ausser Lessing's bekannter Arbeit und Vischer, De sacra coena adv. Lanfrancum lib. posterior 1834, s. Sudendorf, Berengarius 1850, Bach I S. 364-451, Reuter IS. 91 ff. Dieckhoff, Die Abendmahlslehre im Reform.-Zeitalter I S. 44 ff.

Hier zuerst sind die Kategorien „subiectum“ „quod in subiecto“ „de subiecto“, die Unterscheidung von „esse“ und „secundum quod esse“, kurz die dialektischen Uebungen am Substanzbegriff (nach Porphyrius, Boethius u. s. w.) auf ein Dogma im Abendland übertragen worden.

B Namentlich Schwabe (Studien zur Gesch. des 2. Abendmahlsstreits 1887, s. Loofs Gött. Gel. - Anz. 1883 Nr. 15) hat nach dem Vorgang Sudendorf's die äussere politische Seite des Streits eingehend behandelt.

der Theorie und Praxis der Kirche einnahm, war die Kritik an demselben eine Kritik an der herrschenden Kirchenlehre überhaupt. Indem die junge Wissenschaft, vertreten und geführt durch Berengar von Tours, hier einsetzte, die giltige Vorstellung des Unrechts zieh und die wissenschaftliche Methodik auf das Abendmahlsdogma anwandte, war damit der Gedanke ausgesprochen, dass man sich bei dem blossen kirchlichen Herkommen, bei dem, was heute gilt, nicht beruhigen dürfe. Allein dieser Gedanke wurde nicht im Namen einer negativen Aufklärung zum Ausdruck gebracht', sondern vielmehr umgekehrt, um die wahre Tradition der Kirche aus den Armen einer üblen Gewohnheit zu befreien, um den Geist der Lehre vor einem massiven und superstitiösen Realismus zu schützen, um die λoyıxǹ λarpsía gegenüber einer barbarischen Mysteriensucht sicherzustellen, und um das Geheimniss des Glaubens nicht zu profaniren. Aber mit diesem keineswegs bloss vorgeschützten Interesse verband sich die Lust am Denken und die kecke Zuversicht auf die Dialektik als auf die Vernunft" überhaupt. Berengar und seine Schüler waren als Theologen Augustiner, aber daneben hatte Berengar eine Freude an der Kritik als solcher und eine Zuversicht zur „Wissenschaft", die nicht augustinisch war.

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Berengar, Leiter der Domschule in Tours, seit c. 1040 Archidiakonus in Angers († 1088), hatte längst Studien über die Abendmahlslehre angestellt, die Kirchenväter durchforscht, sich mit dem ersten Abendmahlsstreit beschäftigt und die Lehre des Paschasius verworfen, bevor es zu einem Streit kam. Er sah in der Lehre, wie sie jetzt herrschend war, Abfall von den Kirchenvätern und Unvernunft; denn er sah in ihr nur die Anschauung, dass nach der Consecration Brot und Wein verschwunden und dafür das wirkliche Fleisch und das Blut Christi in so sinnlich greifbarer Weise vorhanden seien, dass sie als Stücke (Theile) seines blutigen Leibes vorliegen. Er hatte Recht so lehrte der weit verbreitete Aberglaube 3; allein Paschasius hatte doch die Ver

1 Reuter's Urtheil I S. 97: „Also ist der 2. Abendmahlsstreit geworden, was der erste nicht war, ein Kampf um die höchsten Kriterien der religiösen Wahrheit, ein Conflict der Tendenz der negativen Aufklärung unmittelbar mit dem damaligen autoritativen Kirchenthum, mittelbar mit dem Christenthum der positiven Offenbarung“, ist mir schlechthin unbegreiflich. Selbst der überzeugteste römische Theologe wird Anstoss nehmen, diese Beurtheilung zu unterschreiben.

2 S. darüber Reuter I S. 95. „Paschasius ineptus ille monachus Corbeiensis." Mit Recht sieht Berengar bei Paschasius Widersprüche. Das Buch des Ratramnus galt damals für ein Werk des Johannes Scotus und wurde als solches 1050 zu Vercelli verdammt.

"Das Glaubensbekenntniss, welches ihm 1059 aufgenöthigt wurde (verfasst von Cardinal Humbert), enthielt auch die crasse Anschauung. Selbst Bach IS. 366

wandelung auch geistiger gemeint, und unter den autoritativen Kirchenmännern jener Zeit lehrten nicht alle Hervorragenden eine solche Conversio1. Durch einen Brief an Lanfranc eröffnete Berengar selbst den Streit. Seine Lehre hat er in seinem Werk de sacra coena (c. 1073) ausführlich ausgesprochen. Vernunft in die Kirchenlehre zu bringen oder richtiger, die Vernunft, die in den göttlichen Lehren der Kirche liegt, durch die Vernunft ans Licht zu bringen, war seine Losung. Die Dialektik, die an sich stets differenzirte, ist nirgends mehr an ihrem Platze, als wo es sich um zwei Objecte handelt, die beziehungsweise Eins und beziehungsweise verschieden sind. So ist die Zweinaturenlehre ihr eigenstes Gebiet, so auch die Abendmahlslehre mit ihren irdischen Elementen und ihrer himmlischen Gabe. Berengar wies nach, dass die Lehre von der leibhaftigen Verwandlung absurd („ineptia“) sei und der alten Tradition sowie der Vernunft, die wir als die vernünftig geschaffenen Ebenbilder Gottes nach Gottes Willen brauchen müssen, ins Ge

n. 4 erklärt das Bekenntniss für „mindestens anstössig". Es steht bei Lanfranc, de corp. et sang. dom. 2 (Migne CL): „panem et vinum quae in altari ponuntur post consecrationem non solum sacramentum sed etiam verum corpus et sanguinem J. Christi esse et sensualiter, non solum in sacramento sed in veritate, manibus sacerdotum tractari et frangi et fidelium dentibus atteri." Das Charakteristischste ist, dass die ganz Consequenten selbst das Wort „Sacrament" für ungenügend erklärten: Das Abendmahl ist das Geheimniss (Sacrament), bei welchem kein Geheimniss ist, sondern Alles vere et sensualiter stattfindet." Das ist der Grundgedanke der Gegner Berengar's. Dass dies ein Abfall von der Tradition ist, steht ausser Zweifel. Aber die Traditionstheologen sind bekanntlich dann am fanatischsten, wenn dem Schlendrian, den sie Tradition nennen, oder ihren Einfällen, welchen sie um ihres Unverstandes willen den Schimmer des Ehrwürdigen verleihen, die Wahrheit unter dem Schutze der wahren Tradition entgegengestellt wird.

1 Die Controverse ist auch desshalb so unerquicklich, weil, wie gewöhnlich, die Gegner übertreiben. Berengar thut so, als habe er nur die Lehre sich gegenüber, dass Theile des blutigen Leibes Christi mit den Zähnen zermalmt werden; seine Feinde behaupten, dass nach ihm die Elemente leere Symbole seien. Er hatte in seiner Charakteristik immerhin mehr Recht; aber nicht nur Fulbert (Bach I S. 365), sondern auch Spätere dachten nicht an eine räumliche Ausdehnung des Leibes Christi in den convertirten Elementen.

2 S. Mansi T. XIX p. 768.

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* Natürlich sind die Hauptargumente Berengar's der Schrift und der Tradition entnommen. Auf sie legt er das entscheidende Gewicht. Die Unterscheidung, die bereits Alles präjudicirt, zwischen dem Sinnenfälligen, Sichtbaren und dem Sacrament, dem Unsichtbaren Berengar hatte sie zum Fundament seiner Lehre, zum Ausgangspunkt der Dialektik gemacht, solange er denken konnte stammt von Augustin. In die Dialektik mischen sich die Anfänge einer freieren, kritischen Geschichtsbetrachtung. Doch rüttelt Berengar an keinem Concilsbeschluss. Nur die Beschlüsse in seiner Sache verhöhnt er.

sicht schlage1. Er stellte sich daher auf den Standpunkt des Scotus (Ratramnus). Er lehrte, dass die Worte tropisch zu verstehen seien; aber er gab diesem Verständniss eine grössere Sicherheit als sein Vorgänger: in vielen Symbolen wird von Christus geredet, daher ist auch das Brot ein Symbol2; die Schrift lehrt, dass Christus bis zur Wiederkunft im Himmel bleibt ; ein Brotstück ist nicht fähig, den von der Jungfrau geborenen Leib in sich aufzunehmen, und doch handle es sich sogar um den ganzen Christus; eine Zerstörung des Subjects (der Elemente) hat auch die Zerstörung aller wesentlichen Eigenschaften der Elemente zur Folge, denn in concreto lassen sich diese von dem Subject selbst nicht unterscheiden (nominalistischer Ansatz). Allein die tropische Auffassung war für Berengar, da er bei ihr nicht stehen blieb, nicht gleichbedeutend mit der symbolischen. Diese lehnte er vielmehr ausdrücklich ab, sofern er nach alter Ueberlieferung im Abendmahl ein Doppeltes erkannte, signum und sacramentum. Die Elemente werden durch die Consecration zum Sacrament, und damit ist bereits gegeben, dass sie nun etwas objectiv Heiliges in sich schliessen. Es findet eine conversio statt; allein dieser Ausdruck hat bei Berengar

1 S. Vischer p. 100 f.: „maximi plane cordis est, per omnia ad dialecticam confugere, quia confugere ad eam ad rationem est confugere, quo qui non confugit, cum secundum rationem sit factus ad imaginem dei, suum honorem reliquit nec potest renovari de die in diem ad imaginem dei."

2 Berengar vergleicht die Bezeichnungen Christi als Löwe, Lamm, Eckstein. P. 199: „constabit, eum qui opinetur, Christi corpus coelo devocatum. adesse sensualiter in altari, ipsum se deiicere, quod vecordium est, dum confirmat se manu frangere, dente atterere Christi corpus, quod tamen ipsum negare non possit impossibile esse et incorruptibile."

4 Das Letztere ist für Berengar vom höchsten Gewicht gewesen. Er versteht seine Gegner stets so, dass sie „portiunculae" des Leibes Christi auf dem Altar annehmen, und wendet dem gegenüber ein, 1) dass es sich um den ganzen Leib handle (s. p. 148. 199 f.), 2) dass der Leib Christi kein „corruptibile" sei, das berührt, gebrochen und zerbissen werden könne. Dann aber ist das Brot nicht im Stande, einem solchen Leibe Raum zu geben, und vor Allem ist das „sensualiter“ dann widerlegt. Die Incorruptibilität und Einzigkeit des Leibes Christi sind die Voraussetzungen seiner Dialektik. Ein so beschaffener Leib kann nicht sinnlich werden, und er kann nicht an tausend Orten zugleich sein. Auch die Auskunft der Neuschaffung des Leibes Christi hat er trefflich widerlegt; so käme man zu zwei Leibern.

5 Hier hat Berengar die richtige logische Erwägung geltend gemacht, quod in subiecto erat superesse quacunque ratione non potest corrupto subiecto" (p. 93), d. h. wenn die Substanz zerstört ist, können die wesentlichen Eigenschaften (Geschmack, Farbe, Gestalt) nicht nachbleiben; oder p. 50: „non potest res ulla aliquid esse, si desinat ipsum esse." Auch protestantische Historiker wollen von solchen Gründen nichts wissen.

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