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genügt. Der Tod Christi ist von seinem Lebenswerk auf Erden völlig losgerissen und isolirt. Dieser Gottmensch brauchte nicht gepredigt und kein Reich gestiftet, keine Jünger gesammelt zu haben: er musste nur sterben. 3) Auf die ewige Erwählung der Gemeinde wird keine oder nur kraftlose Rücksicht (s. I, 16 und bei Maria) genommen. Wie vom Reiche Gottes nicht die Rede ist, so auch nicht von der Kirche und ihrer ewigen Existenz vor Gott. Folgerecht wird die Kategorie der inneren sittlichen Nothwendigkeit des Guten und Heiligen auch für Gott mit jener ratio verwechselt, kraft der man angeblich auch einen Heiden zwingen kann, an den Gottmenschen zu glauben, wodurch das Geheimniss des Glaubens profanirt wird. 4) Die Sünde wird wohl als Schuld an Gott gefasst; aber diese Schuld ist nicht der Mangel des Vertrauens (des Glaubens) auf ihn, sondern sie wird als persönliche Beleidigung gefasst. Wie Jemand persönliche Beleidigungen behandeln will, das steht bei ihm; dagegen die Schuld, welche Mangel an kindlicher Furcht und Liebe ist und die Welt Gottes zerstört, muss getilgt werden, sei es in Zorn oder in Liebe. Das übersieht Anselm. 5) Damit ist das Schlimmste an Anselm's Theorie berührt: der mythologische Begriff Gottes als des mächtigen Privatmanns, der seiner beleidigten Ehre wegen zürnt und den Zorn nicht eher aufgiebt, als bis er irgend ein mindestens gleich grosses Aequivalent erhalten hat; die ganz gnostische Spannung zwischen Gerechtigkeit und Güte, sofern der Vater der Gerechte ist und der Sohn der Gute; die furchtbare Vorstellung (der gegenüber die Anschauungen der Väter und der Gnostiker weit vorzuziehen sind), dass die Menschheit vom zornigen Gott befreit wird1; das Schattenspiel zwischen Vater und

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1 Sehr richtig Bigg, The Christian Platonists of Alex. p. 290: „It was reserved for Anselm, centuries afterwards, to array the Justice against the Goodness of God, and thus to complete the resemblance of Christianity to its ancient deadly foe" (scil. dem Gnosticismus). Allein der Gnosticismus unterschied zwischen dem gerechten Gott (dem Demiurgen) und dem guten Gott als zwei feindlichen Göttern. Die alte patristische Theorie aber war, dass Christus die Menschen durch seinen Tod von dem Teufel erlöst hat. Wenn man den Tod von dem Leben Christi isolirt, so ist dies in der That die beste Theorie; denn sie bringt keinen Zwiespalt in die Gottheit. Es ist freilich ein Fortschritt bei Anselm, dass er den Gedanken durchführen will, Gott sei heilig und barmherzig zugleich. Allein dieser Gedanke verträgt keine Durchführung an dem als satisfactio gedachten, isolirten Tode Christi, wenn diese satisfactio Gott selbst gelten soll. Da ist es immer noch besser, die satisfactio dem Teufel gezahlt sein zu lassen, weil auch so der Idee der Gerechtigkeit — freilich in mythologischer Weise Genüge geschieht (die richtige Betrachtung wäre die, dass dem Bösen sein Recht geschehen muss, nämlich in der Strafe), ohne dass Christus der Barmherzige und Gott der Zornige in Spannung gesetzt werden, während doch Christus Gott selbst sein soll. Dass das nicht angeht, hat übrigens Augustin deutlich eingesehen, nachdem er die Möglichkeit erwogen hatte. Bigg verweist auf de trinit. XIII, 11: „Sed quid est iustificati in sanguine ipsius? Quae vis est sanguinis huius, obsecro, ut in eo iustificentur credentes? Et quid est reconciliati per mortem filii eius? Itane vero, cum irasceretur nobis deus pater, vidit mortem filii sui pro nobis et placatus est nobis?" Dies kann nicht sein; „denn omnia simul et pater et filius et amborum spiritus pariter et concorditer operantur." Also lehnt er die Anselm'sche Theorie im Voraus ab. Diese ist auch nur so erklärlich, dass der Gedanke Gottes als des uns nahen Vaters im Mittelalter zurückgetreten ist und man das alte Bild der Trinität als Einheit nicht mehr hatte. Auch hier ist also die antike Ueberlieferung des Dogmas preisgegeben, der Titel Trinität beibehalten.

Sohn, während doch der Sohn Eins ist mit dem Vater; das Schattenspiel des Sohnes mit sich selber; denn nach Anselm bringt sich der Sohn sich selber dar (II, 18: „filius ad honorem suum seipsum sibi obtulit“)1; die blasphemische Vorstellung, dass für Gott die datio vitae des Sohnes als acceptio mortis ein Gut sei; der schreckliche Gedanke, dass Gott das grässliche Vorrecht vor den Menschen habe, nicht aus Liebe vergeben zu können, sondern stets eine Bezahlung brauche (I, 12); die corrumpirte Auffassung unseres Vergebungsgebetes an Gott, dass es ein Theil unserer Satisfactionen sei, aber nie an sich den Effect der Vergebung haben könne (I, 19: qui non solvit, frustra dicit: dimitte"). Nimmt man nun hinzu, dass, wie oben gezeigt, bei dem Allem nur die Möglichkeit, dass wir selig werden, nachgewiesen ist, dass der Gedanke der Strafe der Sünde eliminirt ist (die Gerechtigkeit Gottes also zu lax gefasst ist), dass hier kein Unschuldiger Strafe leidet für den Schuldigen, und dass in dem Effect auf uns nur der schwächliche Gedanke des Vorbildes zu deutlicher Klarheit kommt, so muss man sagen, dass trotz der guten Absichten Anselm's und trotz einiger richtigen Erkenntnisse niemals vor ihm eine so schlimme Theorie als kirchliche producirt worden ist. Aber vielleicht vermag Niemand eine bessere aufzustellen, der den Tod Christi von seinem Leben isolirt und in diesem Tode noch etwas Anderes sehen will, als den Höhepunkt des „Dienstes“, den er durch sein Leben geleistet hat.

Die Anselm'sche Theorie hat als ganze wenig gewirkt. Der Begriff, den er nur gestreift hat, der Verdienstlichkeit des Werkes Christi, trat sehr rasch in den Vordergrund und machte seine Genugthuungslehre, die ausserdem mit der augustinischen Ueberlieferung stritt, unwirksam. Dazu kam, dass er das Interesse an dem Nachweis unserer Versöhnung mit Gott nicht befriedigt hat. Hier setzte Abälard ein, ohne freilich eine zusammenhängende straffe Entwickelung der Lehre zu geben 3. Er geht, nachdem er die Beziehung des Kreuzestodes auf den Teufel noch entschiedener als Anselm abgelehnt, von dem Grundgedanken der Liebe Gottes aus und macht sich zugleich klar, dass die Sünde die Menschen von Gott getrennt hat, dass es also gilt, sie zu Gott zurückzuführen und ihnen wieder Vertrauen auf Gott einzuflössen. Ferner hält er sich gegenwärtig, dass die Frucht der Erlösung sich auf die Erwählten bezieht, in Bezug auf welche Gott nicht erst umzustimmen ist. Somit darf die Menschwerdung und der Tod des Sohnes Gottes nur als Liebesthat gefasst

1 In Konstantinopel haben Synoden vom Jahr 1156 f. entschieden, dass die Messe auch dem Sohne dargebracht werde, da er der Opfernde und Geopferte zugleich sei und die Trinität keine Zerreissung dulde, s. Hefele V2 S. 567.

2 Dass übrigens Anselm selbst in anderen Schriften andere Gedanken über die Erlösung durchgeführt hat, hat Ritschl, a. a. O. I S. 46 f. 109 gezeigt. Er hat sich auch ohne solche Berechnungen der Gewissheit der Gnade hingegeben, andererseits den Begriff des Verdienstes stärker betont.

S. Ritschl, a. a. O. I S. 48 ff. Schwane S. 304 ff. Deutsch, Abälard S. 366 ff. Seeberg in den „Mittheil. u. Nachricht. f. die ev. K. in Russland“ 1888, März-April. Auch Reuter im 1. und besonders Bach im 2. Bd. S. 68 f. 77 f. 88 ff.

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werden, und auch die Gerechtigkeit Gottes ist so zu bestimmen, dass sie der Liebe untergeordnet resp. mit ihr identisch ist. Christus also hat den Zorn Gottes nicht erst zu besänftigen gebraucht. Gott kann die Sünde ebensogut vergeben, wie er einen sündlosen Menschen hervorgebracht hat, der sich mit Christus verbunden hat. Aber um uns wirklich für sich zu gewinnen, hat Christus uns den höchsten Liebesbeweis gegeben, der unsere kalten Herzen entzündet und uns zum Vertrauen und zur Liebe Gottes zurückführt. Ferner die Reflexionen stehen nicht in einem straffen Zusammenhang in dieser That des Kreuzestodes Christi schaut Gott uns an, d. h. er vergiebt uns die Sünden, indem er uns das Verdienst Christi zurechnet, weil Christus als Haupt der Menschheit vor Gott steht; ebenso lässt er uns das Verdienst der vollkommenen Gerechtigkeit Christi zu Gut kommen; denn in dem Gehorsam Christi ist Gott Genüge geschehen. Endlich, fort und fort wirkt Christus für uns; denn indem er für uns unablässig beim Vater bittet, entspricht es der Gerechtigkeit Gottes, uns dieses Verdienst anzurechnen. Aber bei „Verdienst Christi" denkt Abälard nie an eine Summe bestimmter Leistungen, sondern die Christus einwohnende Fülle der Liebe gegen Gott ist sein Verdienst". Sic igitur in voluntate, non in operibus, quae bonis et malis communia sunt, meritum omne consistit". Es ist also hier nichts Dingliches und nichts Magisches. Auch der Kreuzestod wird nicht als dingliche Leistung geschätzt, sondern fällt ganz, als ein Hauptstück, unter die Liebeserweise Christi, die er von Anfang an gezeigt hat. Christi Verdienst ist sein Liebesdienst; die Liebe aber ruft Gegenliebe hervor, und wer da liebt (weil ihn Christus zuerst geliebt hat), dem werden die Sünden vergeben, ja in dem Wechsel von Liebe und Liebe, die aus Christus entspringt, liegt die Sündenvergebung selbst 2.

Abälard hat keinen strengen Beweis für die Nothwendigkeit des Kreuzestodes geliefert; seine Sätze sind ferner desshalb ungenügend, weil er nicht deutlich erkannt hat, dass die Liebe die höchste, ja die einzig wirksame ist, welche, indem sie die Strafe auf sich nimmt, mit der Grösse der Lossprechung zugleich die Grösse der ge1 So ein Schüler Abälard's, der seine Meinung getroffen hat; s. Seeberg S. 7 und Deutsch S. 378 ff.

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"Ich schreibe die Stellen hier nicht aus, weil sie als einzelne kein rechtes Bild geben. In Betracht kommen vornehmlich mehrere Stellen aus der Exposit. ep. Rom. (bes. zu c. 3, 22 ff., 5, 12 ff.), aus dem Sermo V. X. XII, theolog. christ. IV und dem Dialog. Wie sehr Abälard's ganze Christologie und Erlösungslehre vom Gedanken der Liebe und Gegenliebe beherrscht ist, wie ganz und gar die Liebe das „Verdienst ist, würde man aus einzelnen Citaten nicht abnehmen können.

tilgten Schuld offenbart. Er hat nicht erkannt, dass der Sünder von der Schuld nicht anders befreit werden kann, als indem er die Strafe der Schuld erlebt und sieht. Aber er hatte eine zu lebhafte Empfindung für die Liebe seines Gottes und für die Einheit Gottes und Christi, als dass er dem gnostischen Gedanken bei sich Raum gegeben hätte, Gott brauche ein Opfer oder ein Entgelt, oder für ihn sei der Tod Christi ein Gut. Und er wusste sich so innig in lebendiger Gemeinschaft mit Christus verbunden, dass erst er wieder den apostolischen Gedanken der ständigen Fürbitte Christi für uns in die Erlösungslehre eingeführt und andererseits auch in dem irdischen Leben Christ nicht einen Liebesbeweis, den Tod, sondern eine Kette von Liebe gesehen hat, in der auch das Werk" Christi, nämlich sein „Verdienst" d. h. die Wirksamkeit seines Liebeswillens enthalten ist 1.

1 Sehr richtig Deutsch S. 382: „Demnach ist der letzte und tiefste Gedanke Abälard's der, dass die Versöhnung in der persönlichen Gemeinschaft mit Christo beruht. Er ist es, der, indem er den Willen Gottes als Mensch vollkommen erfüllte, damit die göttliche Bestimmung der Menschheit verwirklichte, in diesem Sinne Gott genug that und damit der Menschheit die verschlossene Paradiespforte wieder eröffnete. Wer ihm angehört, der hat durch ihn Vergebung der Sünden und mit ihm den Zugang zu Gott, zugleich aber auch die Kraft des neuen Lebens, in dem er aus Liebe die Gebote Gottes erfüllt, und soweit diese Erfüllung noch unvollkommen ist, tritt die Gerechtigkeit Gottes für dieselbe ergänzend ein." Dem gegenüber hat Reuter (I S. 243) Abälard's Lehre also misshandelt: „An die Stelle eines Vollbringers der Versöhnung trat ein Verkündiger des schon versöhnten Gottes [Christus ist nach Abälard kein blosser „Verkündiger", und Gott ist nicht versöhnt, wenn wir es nicht sind]; statt einer Passion des Sohnes, welcher den Zugang zum Vater erst wieder eröffnet [aber das ist gerade Abälard's Meinung], wurde ein Märtyrerthum mit psychologischer Wirkung gefeiert [das Wort „psychologisch“ soll hier den Eindruck des Profanen erregen; aber man hat doch nur die Wahl zwischen diesem oder dem physikalisch-chemischen]; statt der Umstimmung Gottes die des Menschen genannt" [ist Gott die Liebe oder ist er verstimmt? ist es nicht die Strafe des Menschen, dass er als Sünder sich einen schrecklichen Gott denken muss, und kann etwas Grösseres im Himmel und auf Erden geschehen, als dass ein Mensch umgestimmt, d. h. von der Furcht vor dem schrecklichen Gott zum Vertrauen und zur Liebe gestimmt wird? Wenn es möglich wäre, dem Sünder den Gedanken des liebenden Gottes, zu dem er Vertrauen haben kann, beizubringen, während er sich schuldig fühlt, dann freilich wäre Christus vergeblich gestorben; aber Jenes ist eine contradictio in adiecto]. Auch Seeberg hat trotz allen Bemühens, unparteiisch zu sein, aus Abälard's Lehre eine Carricatur ins Rationalistische gemacht und dem entsprechend Sätze Bernhard's, die sich theils ebenso bei Abälard finden, theils glücklich von diesem beseitigt sind (die iusta potestas diaboli), schön gefärbt. Das, was bei Abälard wirklich zu vermissen ist, dass Christus unsere Strafe getragen hat, findet sich bei Bernhard auch nicht, und das „Vorbild“ Christi wird von diesem viel unvorsichtiger geltend gemacht als von jenem, der stets an die Kraft der Liebe denkt, die von Christus ausgeht. Aber Bernhard soll doch

Die Polemik gegen Abälard hat sich auch gegen seine Erlösungslehre gerichtet; aber man hat sie wesentlich vom Boden der augustinischen Erlösungslehre (Ueberwindung des Anrechts des Teufels) bekämpft, ohne dem Anselm zu folgen. Dabei sind Alle in steigendem Masse darin einig, dass der Gesichtspunkt des Verdienstes anzuwenden ist, und dass Christus als Erlöser von seiner menschlichen Qualität aus zu betrachten ist. In diesem Sinne hat auch der Lombarde seine zusammenfassende Darstellung der Meinungen der Väter in seinem Lehrbuch geordnet. Wie bei Augustin tritt der „homo" in Christus als sittliche, von Gott erwählte und getragene Persönlichkeit an die Spitze, und das ganze Leben Christi wird von hier aus verstanden. Dabei werden zum Verständniss der eigenthümlichen Art der Erlösung alle Gesichtspunkte zusammengestellt, welche die Vergangenheit bot: der Gehorsam, Erlösung von Teufel, Tod und Strafe, vor Allem aber das Verdienst des Todes, dann auch das Opfer. Mit Augustin wird die strenge Nothwendigkeit gerade dieses Mittels (des Kreuzestodes) abgelehnt; mit ihm und den anderen Vätern wird der Teufelskauf (einschliesslich der Täuschung) behauptet; mit Abälard wird der Tod als Liebesbeweis, der Gegenliebe weckt, betrachtet; mit demselben wird Christus als Vertreter der Menschheit vor Gott angeschaut; mit Augustin wird die Nothwendigkeit einer Versöhnung Gottes durch den Tod Christi abgelehnt (Gott liebt auch seine Feinde; er hat uns im Voraus von Ewigkeit geliebt und wir werden nicht mit dem zürnenden, sondern mit dem liebenden Gott versöhnt); endlich wird ein Strafwerth des Todes Christi so behauptet, dass durch denselben die ewige Strafe erlassen (s. Athanasius), die zeitliche zukünftig (nach dem Tode) in Wegfall kommt. Dagegen ist die Anselm'sche Theorie überhaupt nicht erwähnt 3. Der Lombarde zeigt also, dass die patristische Ueberlieferung noch immer der einzige Lehrgegenstand war, und dass das Neue nur mit Mühe dagegen aufkam.

über Abälard erhaben sein, weil er die passionirte Christusliebe lyrischer auszudrücken vermag, während Abälard nur an die Lehre und das Beispiel Christi denke (!), und weil angeblich etwas „Objectives“ bei ihm zu finden ist, was Abälard fehlen soll. Bernhard hat freilich auch nach Seeberg dieses Objective ganz falsch bestimmt; aber das thut nichts, wenn nur überhaupt „Etwas“ da ist. Wann wird man sich im Protestantismus von diesem „Etwas“ losmachen, das im besten Fall nur die „Möglichkeit" der Erlösung sicherstellt, und wann wird man zwischen einem stellvertretenden Strafleiden und einer von Gott geforderten Genugthuung unterscheiden! 'S. Bach II S. 88-132. Besonders kommt neben Bernhard Wilhelm von St. Thierry in Betracht.

2 Sentent. lib. III, dist. 18. 19.

$ RitschlI S. 56 f.

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