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2. Zur Geschichte des kirchlichen Rechts. Die Lehre von der Kirche.

"In den fünfzig Jahren, welche von dem Erscheinen des Gratianischen Rechtsbuchs dasselbe enthält neben den isidorischen zahlreiche Fälschungen der Gregorianer Deusdedit, Anselm, Gregor von Pavia und dazu noch eigene Fälschungen1 — bis zum Pontificat Innocenz' III. verflossen, rang sich das päpstliche System zu vollständiger Herrschaft durch. In den römischen Gerichtshöfen wurde

vorgebracht hat, ja sie ist der einzige, Alles durchdringende und zur Einheit zusammenfassende Stil nach dem griechischen Tempelstil. Sie beweist an sich, dass das Mittelalter auf seinem Höhepunkt eine einheitliche Kultur besessen hat, die in ihrer Art vollkommen gewesen ist. Aber die Gothik ist eben desshalb der Stil des mittelalterlichen katholischen Christenthums, der Stil der Mystik und Scholastik. Sie erweckt genau die Empfindungen, Gefühle und Schauer, welche die katholische Frömmigkeit, aus der sie geboren ist, erwecken will; eben desshalb ist sie auch romanischen Ursprungs, und die Geschichte ihrer Verbreitung ist lediglich eine Parallele zur Geschichte der Verbreitung romanischer Frömmigkeit. Vielleicht das Tiefste, was über die Gothik, ihren unsäglichen Reiz und ihre ästhetische Kraft, gesagt werden kann, aber auch wie protestantische Frömmigkeit ihr gegenüber reagiren muss, hat Goethe, Wahlverwandtschaften (Hempel'sche Ausgabe XV S. 143. 137. 173) zum Ausdruck gebracht: „... sie setzte sich auf einen der Stühle (— in einer gothischen Kapelle ), und es schien ihr, indem sie auf- und umherblickte, als wenn sie wäre und nicht wäre, als wenn sie sich empfände und nicht empfände, als wenn dies Alles vor ihr, sie vor sich selbst verschwinden sollte, und nur als die Sonne das bisher sehr lebhaft beschienene (bunte Glas) Fenster verliess, erwachte sie." „Aus allen Gestalten blickt nur das reinste Dasein hervor; alle muss man, wo nicht für edel, doch für gut ansprechen. Heitre Sammlung, willige Anerkennung eines Ehrwürdigen über uns, stille Hingebung in Liebe und Erwartung ist auf allen Gesichtern, in allen Geberden ausgedrückt. Der Greis mit dem kahlen Scheitel, der reichlockige Knabe, der muntere Jüngling, der ernste Mann, der verklärte Heilige, der schwebende Engel Alle scheinen selig in einem unschuldigen Genügen, in einem frommen Erwarten. Das Gemeinste, was geschieht, hat einen Zug von himmlischem Leben, und eine gottesdienstliche Handlung scheint ganz jeder Natur angemessen. Nach einer solchen Region blicken wohl die Meisten wie nach einem verschwundenen goldenen Zeitalter, nach einem verlorenen Paradiese hin." Aber dagegen: „Was mich betrifft, so will mir diese Annäherung, diese Vermischung des Heiligen zu und mit dem Sinnlichen keineswegs gefallen, nicht gefallen, dass man sich gewisse besondere Räume widmet, weihet und aufschmückt, um erst dabei ein Gefühl der Frömmigkeit zu hegen und zu unterhalten. Keine Umgebung, selbst die gemeinste nicht, soll in uns das Gefühl des Göttlichen stören, das uns überall hin begleiten und jede Stätte zu einem Tempel einweihen kann. Ich mag gern einen Hauptgottesdienst in dem Saale gehalten sehen, wo man zu speisen, sich gesellig zu versammeln, mit Spiel und Tanz zu ergetzen pflegt. Das Höchste, das Vorzüglichste am Menschen ist gestaltlos, und man soll sich hüten, es anders als in edler That zu gestalten.“

1 S. Janus S. 154 ff.

nach Gratian Recht gesprochen, in Bologna nach ihm gelehrt, selbst Kaiser Friedrich I. liess bereits seinen Sohn Heinrich VI. im Decretum und im römischen Recht unterrichten. Die ganze Decretalengesetzgebung von 1159-1320 ist auf dem Fundament Gratian's erbaut und setzt ihn voraus. Dasselbe gilt von der Dogmatik des Thomas von Aquin in den einschlägigen Materien, wie denn überhaupt die scholastische Dogmatik in Fragen der Kirchenverfassung sich gänzlich der Lieblingswissenschaft des damaligen Klerus, der Jurisprudenz, wie sie Gratian, Raymund und die übrigen Decretalensammler zurecht gelegt hatten, unterordnete. Die Theorie sowohl als die Texte und Belege dazu entlehnten die Theologen aus diesen Rechtssammlungen"1. In Bezug auf das Wesen der Kirche bürgerte sich, neben der festgehaltenen augustinischen Definition, dass die Kirche die Gemeinschaft der Gläubigen resp. der Prädestinirten sei, immer sicherer die Vorstellung ein, dass die Hierarchie die Kirche sei, und dass der Papst als Nachfolger Petri und episcopus universalis alle Gewalten der Kirche in sich vereinige. Die deutschen Könige selbst trugen einen grossen Theil der Schuld an dieser Entwickelung; denn indem sie, vor Allem die hohenstaufischen, den Kampf für die Rechte des Staats gegenüber dem Papstthum führten, liessen sie dasselbe auf kirchlichem Gebiet in unverantwortlicher Weise gewähren. Erst als es bereits zu spät war, hat Friedrich II. in seinem Schreiben ad reges Francorum et Anglorum darauf hingewiesen, dass die Hierarchie durch eine innere Reform zur ursprünglichen Armuth und Demuth zurückgeführt werden müsse2. In der Entwickelung des Papstthums zur autokratischen Herrschaft innerhalb der Kirche und Kirchen ist ihm im 13. Jahrhundert nur von Frankreich eine sichere Schranke (pragmatische Sanction) gezogen worden.

Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, zu zeigen, welche Consequenzen im Einzelnen aus der Idee der Kirche als eines staatlichen Organismus des Rechts im 13. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 14. von den Päpsten und ihren Freunden gezogen und in welchem Masse sie wirklich geworden sind. Die leitenden Gedanken waren folgende: 1) Die hierarchische Organisation ist der Kirche wesentlich, und in allen Beziehungen ist das Christenthum der Laien an die Vermittelung der Priester (rite ordinati) gebunden, die allein die kirchlichen Handlungen vollziehen können. Wenn man von Cyprian zu Gregor I., von diesem zu Pseudoisidor und Gregor VII. fortschreitet, so kann man bei oberflächlicher 1 S. Janus S. 162 f.

2 S. die Stelle bei Gieseler II, 2, 4. Aufl. S. 153.

Beurtheilung meinen, der eben genannte Grundsatz sei längst massgebend gewesen. Allein wenn man auf das Einzelne eingeht und die kirchliche Gesetzgebung seit Innocenz III. ins Auge fasst, so bemerkt man, wie viel noch an seiner strengen Durchführung in der Theorie und Praxis bis zum Ende des 12. Jahrhunderts gefehlt hat. Erst vom 4. Lateranconcil ab wird er, in ausgesprochenem Gegensatz zu den katharischen und waldensischen Parteien, mit aller Schärfe geltend gemacht1. 2) Die sacramentalen und jurisdictionellen Gewalten der Priester sind unabhängig von ihrer persönlichen Würdig. keit. Auch dies ist ein alter Grundsatz; aber er wurde jetzt, nachdem er lange latent war, scharf betont, den „ketzerischen" Parteien entgegengehalten und so ausgebeutet, dass die Hierarchie sich durch denselben vor jeder Zumuthung einer inneren Reform schützte und sich vor Allem der Anforderung, das apostolische Leben wieder aufzunehmen, entzog. Wer von den „ketzerischen" Parteien in den Schoss der Kirche zurückkehrte, musste erklären, dass er die Sacramentsverwaltung sündiger Priester anerkenne. 3) Die Kirche ist sichtbare Gemeinschaft mit einer ihr von Christus gegebenen Verfassung (auch als solche ist sie corpus Christi); als sichtbare, verfasste Gemeinschaft hat sie eine doppelte potestas, nämlich die potestas spiritualis und temporalis. Durch beide ist sie, die bis zum Weltuntergang bleiben soll, den vergänglichen Staaten überlegen und übergeordnet. Ihr müssen desshalb alle Staaten und alle Einzelnen de necessitate salutis gehorsam sein; ja es erstreckt sich die Gewalt der Kirche auch über die Ketzer und Heiden. Auch diese Grundsätze 5 haben ihre Wurzeln in der augustinischen Lehre von der Kirche ; allein durch die consequente Ausprägung und wirksame Durchführung, welche

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1S. besonders das 1. und 3. Decret der Synode. Mansi XXII p. 982 sq. Hefele V S. 879 ff. Ganz consequent ist er übrigens nicht durchgeführt worden, wie das zugestandene Recht der Laien, im Nothfall taufen zu können, die Absolvirung durch einen Laien in casu mortis und die Behandlung des Ehesacraments beweisen.

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S.

Z. B. das Bekenntniss des Durandus, Innocent. III epp. XI, 196. Ueber die Inquisition s. Janus S. 254 ff. und Thomas, Summa Sec. Sec. quaest. 11 art. 3 conclusio: „Haeresis est peccatum, per quod meruerunt per mortem a mundo excludi"; art. 4 concl.

4 Augustinus Triumphus († 1328), Summa de potest. eccl. ad Johannem XXII, Quaest. 23 art. 1: „pagani iure sunt sub papae obedientia."

5 Die Hierarchie zusammen mit den Mönchen gilt als die eigentliche Kirche. * Allerdings konnte man bei Augustin auch Stellen finden, die gegen die gregorianischen Ansprüche der Kirche zu verwenden waren, s. Mirbt, Die Stellung Augustin's in der Publicistik des gregor. Kirchenstreits 1888.

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sie zwischen 1050 und 1300 gewonnen haben, stellen sie sich doch als eine unerhörte Neuerung dar. Ihren formulirten Abschluss haben sie durch Bonifacius VIII. erhalten 1; allein schon lange vor ihm haben die Päpste nach diesen Grundsätzen gehandelt. Die schlimmste Folge war nicht die Missachtung, Niederhaltung und Verwüstung des staatlichen Lebens hier sind im Gegentheil auch manche heilsame Wirkungen zu Gunsten der Völkerfreiheit zu constatiren, sondern die unausbleibliche Profanirung der Religion, sofern alle ihre Ziele und Güter durch die ihnen fremde Betrachtung unter dem kirchenrechtlichen Gesichtspunkt verrückt und verfälscht wurden, und der Gehorsam gegen ein äusserliches menschliches Institut, welches allen Fehlern menschlicher Leidenschaft und Sünde unterlag, zur ersten Bedingung der Christlichkeit erhoben wurde. Diese Kirche ist es, auf welche jene schwerste Verantwortlichkeit fällt, die je in der Geschichte vorgekommen ist: sie hat eine getrübte und zum Vortheil ihrer Allmacht entstellte Lehre mit allen Mitteln der Gewalt als reine Wahrheit durchgesetzt und im Gefühl ihrer Unantastbarkeit sich der schwersten Entsittlichung überlassen; sie hat, um sich in solchem Zustande zu behaupten, gegen den Geist und das Gewissen der Völker tödtliche Streiche geführt und viele von den Höherbegabten, welche sich ihr innerlich entzogen, dem Unglauben und der Verbitterung in die Arme getrieben"3. 4) Der Kirche ist von Christus eine streng monarchische Verfassung in seinem Stellvertreter, dem Nachfolger Petri, dem römischen Bischof gegeben. Alles was von der Hierarchie gilt, gilt nicht nur in erster Linie vom Papst, sondern ihm sind alle Gewalten übergeben, und die übrigen Glieder der Hierarchie sind nur in partem sollicitudinis berufen. Er ist der episcopus universalis; ihm gehören daher die beiden Schwerter, und da ein jeder Christ die Heiligung nur in der Kirche erreichen kann, die Kirche aber die Hierarchie, die Hierarchie der Papst ist, so folgt, dass de necessitate salutis alle Welt dem Papste unterthan sein muss. Bereits Gregor VII. hat in zahl

1 S. die Anmerkung 2 auf S. 396.

2 Gregor VII. hat den Widerspruch gegen die evangelische Lehre, dass die Obrigkeit von Gott sei, am weitesten getrieben; s. epp. VIII, 21: „quis nesciat, reges et duces ab iis habuisse principium, qui deum ignorantes, superbia, rapinis, perfidia, homicidiis, postremo universis paene sceleribus, mundi principe diabolo videlicet agitante, dominari caeca cupiditate et intolerabili praesumptione affectaverunt." Aber auch nach Innocentius III. ist der Staat per extorsionem humanam" entstanden. Andererseits sind auch die strengsten Papalisten, ja Gregor VII. selbst, sich über die Abgrenzung von Staats- und Kirchengewalt nicht klar gewesen. Burckhardt, Kultur der Renaissance. 3. Aufl. 2. Bd. S. 228.

reichen Briefen diese Grundsätze in einer Weise vertreten, die nicht mehr zu überbieten war (vgl. auch den sogen. dictatus Gregorii). Allein bei ihm erscheint Alles als der Ausfluss einer mächtigen Herrscherpersönlichkeit, die in einem furchtbaren Kampf zu den höchsten Mitteln greift. In der Folgezeit aber wurden seine Sätze nicht nur ausgesprochen, sondern wirksam gehandhabt und zugleich, Dank einer erstaunlichen Kette von Fälschungen, auch von Solchen gläubig aufgenommen, die das Papstthum bekämpfen mussten. In der Zeit, da sich das Papstthum einem schwachen Kaiserthum im Occident und einem noch viel schwächeren lateinischen Kaiserthum im Orient gegenübergestellt sah, fixirte sich (von Innocentius III. ab) diese Anschauung in den Gemüthern und Köpfen der Menschen. Thomas hat m. W. zuerst den Satz rund formulirt: subesse Romano pontifici est de necessitate salutis". Dann ist in der Bulle Unam sanctam" Bonifacius' VIII. (1302) die ganze Theorie in unübertrefflicher Weise zusammengefasst worden, nachdem sich die Päpste ein Jahrhundert lang in hunderten von kleinen und grossen Fragen (Fragen der Kirchenpolitik, der Staatspolitik, der Diöcesanverwaltung u. s. w.) streng nach ihr gerichtet hatten und in der Lage waren, alle Proteste überhören zu dürfen 2.

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1 Opusc. c. err. Graec. fol. 9. Den schwachen Griechen wurde überhaupt das Recht Roms im 13. Jahrhundert in exorbitanter Weise vordemonstrirt, und das wirkte auf das Abendland zurück.

2 Die wichtigsten Sätze der Bulle lauten: „Unam sanctam ecclesiam catholicam et ipsam apostolicam urgente fide credere cogimur et tenere. Nosque hanc firmiter credimus et simpliciter confitemur, extra quam nec salus est nec remissio peccatorum (nun wird die Kirche geistlich beschrieben mit ihrem Haupt Christus). Igitur ecclesiae unius et unicae unum corpus, unum caput, non duo capita, quasi monstrum, Christus videlicet et Christi vicarius Petrus Petrique successor (folgt Joh. 21, 16; hier seien Petrus oves universae anvertraut worden). In hac eiusque potestate duos esse gladios, spiritualem videlicet et temporalem, evangelicis dictis instruimur. Nam dicentibus apostolis: ecce gladii duo hic (Lc. 22, 38), in ecclesia scilicet, cum apostoli loquerentur, non respondit dominus nimis esse, sed satis. Certe qui in potestate Petri temporalem gladium esse negat, male verbum attendit domini proferentis: converte gladium tuum in vaginam (Mt. 26, 52). Uterque ergo est in potestate ecclesiae, spiritualis scilicet gladius et materialis. Sed is quidem pro ecclesia, ille vero ab ecclesia exercendus. Ille sacerdotis, ille manu regum et militum, sed ad nutum et patientiam sacerdotis. Oportet autem gladium esse sub gladio et temporalem potestatem spirituali subici potestati, nam cum dicat apostolus (folgt Rom. 13, 1) . . . non ordinatae essent, nisi gladius esset sub gladio (die geistliche Gewalt überragt an Würde und Adel jegliche irdische Gewalt so sehr wie das Geistliche das Irdische). Nam veritate testante spiritualis potestas terrenam potestatem instituere habet et iudicare, si bona non fuerit (folgt Jerem. 1, 10). Ergo si deviat terrena potestas, iudicabitur a potestate spirituali, sed si deviat spiritualis minor, a suo superiori, si vero suprema, a solo deo, non ab homine poterit iudicari, testante apostolo (I Cor. 2, 25). Est autem

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