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Ausbildung und Begründung des Papalsystems bis tief in das 13. Jahrhundert hinein nichts gethan, und es mag gleich hier zu ihrer Ehre gesagt sein, dass sie mit einer einzigen, übrigens nicht vollkommenen, Ausnahme (Thomas) auch in der Folgezeit nur halbe Arbeit geleistet und der nachtridentinischen Theologie das Meiste zu thun übrig gelassen hat1. Von runden Formeln, von systematisch strenger Ausführung des Kirchenbegriffs (wie bei der Lehre von den Sacramenten) ist m. W. in den theologischen Schriften der Scholastiker nichts zu finden. Dagegen kann man, wie bei Hugo von St. Victor, so auch bei den späteren Scholastikern, nicht wenige grundlegende Ausführungen in Bezug auf den Kirchenbegriff nachweisen, die von den „ketzerischen" Parteien und von Männern wie Wiclif direct und unverändert übernommen worden sind. Dies erklärt sich aufs einfachste daraus, dass die patristischen, vor Allem augustinischen Ausführungen noch immer die Theologie bestimmt haben. Jedoch lässt sich nicht verkennen, dass die Theologie seit der Mitte des 13. Jahrhunderts einen gewissen Antheil an der Ausbildung des Kirchenbegriffs genommen hat. Es waren ein Hohn auf den hl. Franciskus gerade die Bettelmönche, welche sich auch als Theologen für die papale Theorie zu begeistern anfingen, nachdem sie mit so exorbitanten Rechten ausgestattet waren, die nur dann als legitim gelten konnten, wenn der Papst wirklich der Herr der Kirche war. Dazu kam, dass die Theologie im 13. Jahrhundert sich vor die Aufgabe gestellt sah, bei den Verhandlungen mit den Griechen ihnen auch das Papalsystem zu insinuiren. An dieser Aufgabe ist das Interesse der Theologie an dem hierarchischen

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Nachweisungen bei Langen, Das vaticanische Dogma, 2. Theil. Wenn Hugo sich von den übrigen älteren Theologen dadurch unterscheidet, dass er näher auf die Beschreibung der Kirche eingeht, so hängt das mit seinem Interesse für die Sacramente zusammen. Was er über die Hierarchie und den Papst sagt, bleibt hinter den gregorianischen Ideen zurück, leistet ihnen also keinen Vorschub. Auch über das Verhältniss der Kirche (des Papstes) zum Staat hat er noch evangelische Vorstellungen. Dennoch muss er hier wie auch sonst in mancher Hinsicht als Vorläufer des Thomas gelten.

1 Es ist wunderlich, dass Thomasius-Seeberg (S. 196) dem Satze: „Wie überhaupt, so stellte sich die Scholastik auch hinsichtlich der Kirche die Aufgabe, das Daseiende als das Seinsollende zu erweisen", den anderen sofort folgen lassen: „Es muss hier zunächst hervorgehoben werden, dass die Scholastik ein Dogma von der Kirche nicht kennt."

2 Die Uebereinstimmung der „Ketzer" mit dem grundlegenden katholischen Kirchenbegriff ist von ihren katholischen Gegnern nicht selten constatirt worden. Diese waren eben noch so naiv, den Begriff der Kirche als societas unitatis fidei für ihre eigene Basis zu halten. Das Richtige bei Gottschick (Ztschr. f. K.-Gesch. VIII S. 348 f.).

Kirchenbegriff, der die Voraussetzung des Papalsystems bildete, erwacht, und der grosse Denker, Thomas von Aquin, hat nun sofort die hierarchische und papale Theorie entwickelt, zusammen mit einer kühnen Theorie vom Staat 2. Allein er hat den spirituellen Kirchen

1 Hier ist das Concil von Lyon 1274 von epochemachender Bedeutung. Das energische Wiederaufleben des Interesses für die theoretische Darlegung und Begründung des Papalsystems in der Mitte des 15. Jahrhunderts ist ebenfalls aus den Verhandlungen mit den Griechen zu erklären. So sind die Griechen dem Abendland ominös geworden. Man wollte sie für das Papstthum gewinnen und bildete bei dieser Gelegenheit die papale Theorie grösstentheils durch Fälschungen wissenschaftlich" überhaupt erst aus!

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2 Thomas entwickelt die Hauptattribute des Papstes (summus pontifex, caput ecclesiae, cura ecclesiae universalis, plenitudo potestatis, potestas determinandi novum symbolum). Die Ausführungen über die Gliederung der hierarchischen Gewalt mögen hier auf sich beruhen (auf die Entwickelung des Begriffs der Kirche als einer Monarchie hat Aristoteles eingewirkt). Nur darauf ist hinzuweisen, wie der 2. Kirchenbegriff, d. h. der hierarchische, ganz von der Sacramentslehre beherrscht ist, Das Einzelne im thomistischen Kirchenbegriff ist zu seiner Zeit kein Dogma gewesen, aber nachmals die Norm für die dogmatische Ausbildung geworden. Dass übrigens Thomas nicht den hierarchischen Kirchenbegriff unvermittelt neben dem spirituellen bietet, hat Gottschick, a. a. O. S. 347-357 gezeigt. Doch darf man nicht vergessen, dass solche Sätze, wie die augustinischen von der Kirche (im Zusammenhang mit der prädestinatianischen Gnade), in ihrer eigenen Kraft fortwirkten, auch wenn sie fremden Gedanken untergeordnet wurden. Thomas (Erklärung des apostol. Symbols, s. auch Summa III qu. 8) beginnt mit der Darlegung der Kirche als religiöser Gemeinschaft (congregatio fidelium, corpus mysticum), deren Haupt Christus ist. Allein indem er sie so beschreibt als Gemeinschaft der mit Christus durch die von Gott stammende Liebe Geeinigten hebt er zugleich die sittliche Art dieser Gemeinschaft als ein durch das göttliche Gesetz regiertes Ganze hervor, welches die Erde, den Himmel und das Fegefeuer umfasst und dessen Zweck die Anschauung und der Genuss Gottes ist. In der näheren Bestimmung des Umfangs der Kirche unterliegen die Nachweisungen des Thomas allen den Schwankungen, die wir schon bei Augustin fanden, und die durch die Rücksicht auf die prädestinatianische Gnade einerseits (nach der alle Einzelnen bestimmt sind), auf die empirischen Verhältnisse andererseits hervorgerufen sind. De potentia sind nach ihm auch die reprobi in der Kirche, so lange sie nämlich unter dem Einfluss der virtus Christi stehen oder durch ihren freien Willen noch einen Zusammenhang mit ihm besitzen. Sofern nun die Kirche dem Einzelnen die Gottesliebe und damit die Heiligung zueignet, ist sie eine äussere Gemeinschaft wie der Staat, ist an äusseren Merkmalen erkennbar, ist durch eine äussere Grenze (die Excommunication) umzogen und hat die hierarchische Organisation nöthig; denn diese ist die Voraussetzung der Sacramentsverwaltung. Verläuft das Glaubensleben des Einzelnen bis zur Erreichung der Seligkeit auf den Stufen des Glaubens (d. h. des Fürwahr-Haltens auf Autorität) und der einzelnen Sacramente, welche die heiligmachende Gnade einschliessen, so ist schon damit gesagt, dass es der Kirche wesentlich ist, dass sie Lehrautorität und Sacramentsverwalterin ist. Dies aber kann sie nur sein als streng rechtlich und hierarchisch organisirte Gemeinschaft. So ist bei Thomas der 2. Kirchenbegriff mit dem ersten aufs engste verknüpft, und

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begriff dabei keineswegs aufgegeben oder wie das in der nachtridentinischen Zeit geschehen ist nach dem Hierarchischen durchgreifend corrigirt. Er hat auch bei aller Consequenz in der Durchführung des papalen Systems die Gewalten der Bischöfe und Priester keineswegs vollständig aus der päpstlichen abgeleitet; er operirt in seiner „Summa“ noch vielfach mit dem Begriff „ecclesia" im Sinne eines Centralbegriffs und denkt dabei nicht an die Monarchie. Für ihn ist es keine Floskel, dass der einzelne Bischof „sponsus specialis ecclesiae dicitur sicut Christus". Aber soweit Thomas eingewirkt hat, ist allerdings eine Vermischung der Jurisprudenz und Theologie auf diesem Gebiete und die Einbürgerung des hierarchisch-papalen Kirchenbegriffs die Folge gewesen. Jedoch darf man den Einfluss nicht überschätzen. Die franciskanische (nominalistische) Dogmatik ist m. W. auf diese Entwickelung des Kirchenbegriffs wenig eingegangen. Noch beim Anbruch der Reformation hatte die ganze hierarchische und papale Theorie in der Dogmatik keine sichere Stelle sie war römisches Decretalenrecht. Allein sie hatte mehr erreicht als eine Stelle in der Dogmatik.

sehr richtig macht Gottschick (S. 353) weiter darauf aufmerksam, dass „der Glaube im objectiven Sinne ein Bestandtheil der Forderungen des Gesetzes ist, nach welchem die Kirche (s. oben) geleitet werden muss." ." Die Kirche als lehrgesetzliche Autorität und priesterliche Sacramentsanstalt ist somit das „ausschliessliche Organ, durch welches das Haupt der Kirche, Christus, sich seine Glieder schafft" Man sieht also, dass ein sehr spiritueller Kirchenbegriff, ja selbst der prädestinatianische, mit dem empirisch-hierarchischen in Verbindung treten kann (Summa III qu. 64 art. 2: „per sacramenta dicitur esse fabricata ecclesia Christi“). Da das Heil ein unerfahrbares Geheimniss ist, d. h. eine Gewissheit über den Besitz desselben nie erreicht werden kann, sofern es aus Kräften besteht, die geheimnissvoll in der der Reflexion unzugänglichen Sphäre des Menschen wirksam sind, so bleibt nichts übrig, als sich der sacramentalen Heilsanstalt einfach unterzuordnen, mit der das abgestufte Priesterthum mitgesetzt ist. Die Autorität des Klerus musste so eine absolute werden, und der geistige (prädestinatianische) Kirchenbegriff, weit entfernt hier zu corrigiren, musste dieser Steigerung nur Vorschub leisten. Daher folgt der Satz der Unfehlbarkeit der Kirche, der in der Unfehlbarkeit des Papstes münden musste; denn irgend ein Fels musste gesucht und gefunden werden. Liegt er nicht in einer überwältigenden Gewissheit, welche die Sache selbst mit sich bringt, sofern sie die Absolutheit der sittlichen Forderung umbiegt zur absoluten Gewissheit des in Christo gnädigen Gottes, so muss er in einem Aeusseren gegeben sein. Dieses Aeussere die Unfehlbarkeit der lehrenden und die Sacramente spendenden Priesterschaft vermag freilich niemals den Besitz des Heils dem Einzelnen zu verbürgen, sondern nur die Möglichkeit.

1 Summa III suppl. qu. 40 art. 4 fin.

2 Die Stellung zum Staate war dadurch gegeben, dass nur der Priester das Gesetz Gottes richtig zu lehren vermag, dass aber auch die Staaten keine andere Aufgabe haben, als durch Beförderung der dem Gesetze Gottes entsprechenden virtus für das Seelenheil ihrer Unterthanen zu sorgen.

Sie wurde seit c. 1450 wieder energisch von Rom aus gehandhabt, und der Widerspruch gegen sie erschien nicht mehr so gewaltig, wie ein Jahrhundert vorher1.

Ueber diesen Widerspruch haben wir uns noch zu orientiren. Hier ist nun Allem zuvor zu bemerken, dass die mangelnde öffentliche Ausbildung des Kirchenbegriffs desshalb sehr gleichgiltig war, weil in der Sacramentslehre alles das bereits als sicherer Besitz untergebracht war, was man von einer Formulirung des Kirchenbegriffs im hierarchischen Interesse nur erwarten konnte. Hieraus folgte dann weiter, dass der Widerspruch gegen den hierarchisch-papalen Kirchenbegriff so lange trotz alles Echauffements ein ungefährlicher bleiben musste, als er die Sacramentslehre nicht beanstandete. Diese aber ruhte wiederum auf der eigenthümlichen Anschauung vom Heil als der zur visio dei führenden Heiligmachung, der (an dem Massstab des Gesetzes Gottes gemessenen) activen Heiligkeit. Wir müssen hier zurückgreifen 2.

Augustin hat den altkatholischen Begriff des Heils als der visio et fruitio dei mit der Prädestinationslehre einerseits, mit der Lehre von dem regnum Christi und dem Justificationsprocess andererseits verbunden. Beides war gegenüber der griechischen Auffassung neu; allein die Verbindung der Vorstellung von der Seligkeit mit dem Justificationsprocess war desshalb leicht herzustellen, weil dieser ganz an den Sacramenten verlaufen sollte, die Sacramente aber, wie die griechische Entwickelung zeigt, auch das nothwendige Correlat zur Seligkeitsvorstellung bildeten. Wird an dieser nämlich der überirdische Zustand, in welchem man sich befinden wird, vor Allem hervorgehoben, so entsprechen der Herbeiführung dieses Zustandes Mittel, die wie heilige Naturkräfte wirken. Dass Augustin diese Naturkräfte als die Kräfte der Liebe zur Gerechtigkeit vorgestellt hat, war ein gewaltiger Fortschritt; aber er änderte im Aufriss nichts, da die Liebe als eingegossene betrachtet wurde. Wohl

1 Daran zweifelte kein guter katholischer Christ, dass der Klerus in geistlichen Dingen die gottgesetzte Obrigkeit der Laien sei, dass diese Gewalt aus dem Rechte der Priester fliesse, die Sacramente zu verwalten, dass der Papst der eigentliche Inhaber dieser Gewalt und aller weltlichen Obrigkeit weit überlegen sei. Controvers war aber allerdings die Regierungsgewalt des Papstes.

2 Ein volles Verständniss des katholischen Kirchenbegriffs kann man nur von dem Sacramentsbegriff aus erreichen, der, wie bemerkt, von der Seligkeitsauffassung abhängig ist. Von hier aus lässt sich aber auch sagen, dass der katholische Kirchenbegriff die nothwendige Ergänzung zu der unvollkommenen Vorstellung vom Glauben bildet. Das, was dem Glauben nach katholischer Ansicht mangelt, nämlich die certitudo salutis, das schafft die Lehrautorität der Kirche einerseits, die sacramentale Kirchenanstalt andererseits, so jedoch, dass es nur in einer Annäherung erreicht wird.

aber ermöglichte er es, dass dem ganzen Process auch eine sehr entschiedene Richtung auf das Sittliche, welches bei der griechischen Betrachtung innerhalb des Dogmas ausfiel, gegeben werden konnte. Die Kräfte der Liebe nämlich erwirken es, dass hier auf Erden das Gesetz Christi, welches sich in dem Gebote der Liebe zusammenfasst, erfüllt werden kann. Somit entsteht aus den durch die Sacramente als durch Medien überlieferten Liebeskräften das Reich Christi, in welchem die Gerechtigkeit nach dem Vorbilde und dem Gesetze Christi herrscht. Die Sacramente haben mithin die doppelte Wirkung, dass sie zur visio ac fruitio dei vorbereiten, resp. sie stufenmässig anbahnen, und dass sie auf Erden die Kirche erzeugen, in welcher das Gesetz Christi herrscht und welche das „bene vivere" erzeugt. Durch das Letztere ist die Stellung des Staates bestimmt er hat sich, da das bene vivere sein Zweck ist, der Sacramentsanstalt zu unterwerfen. Durch die ganze Vorstellung aber ist die Priesterschaft als lehrende und heiligende Körperschaft legitimirt; denn die Sacramentsverwaltung ist an einen bestimmten Stand gebunden, den Christus eingesetzt hat, und dieser Stand ist zugleich allein befähigt, das Gesetz Christi mit bindender Autorität zu interpretiren. Man hat sich ihm also zu unterwerfen.

Diese ganze Betrachtung, die freilich bei Augustin noch keineswegs in straffer klarer Ausführung vorliegt, gewann diese Straffheit und Klarheit in der Folgezeit weniger durch die Bemühungen der Theologen als durch die Kraft der zielbewussten römischen Politik. Diese, indem sie vor Allem die Monarchie in der Kirche wollte, hat durch ihr siegreiches Streben überhaupt erst die allgemeinen hierarchischen Bedingungen für die Existenz einer solchen Monarchie zur Klarheit gebracht und damit geschaffen. Allein trotz vieler Fälschungen konnte sie es nicht erreichen, dass das dogmatisch ziemlich untergeordnete, praktisch höchst wichtige Moment der hierarchischen Gliederung eine imponirende Tradition erhielt; denn bei Augustin und den Patres überhaupt fehlte es so gut wie ganz. Ferner aber hat, wie oben bemerkt, Augustin mit dem Seligkeitsdogma als visio dei die Prädestinationslehre verbunden und aus ihr einen Kirchenbegriff entwickelt, der gegen Hierarchie und Sacrameut neutral war. Zwar ist es leicht zu zeigen, dass der prädestinatianische und der sacramental - hierarchische Kirchenbegriff sich nicht auszuschliessen brauchen, ja sich in gewisser Weise sogar fordern, sofern die von Augustin behauptete Unsicherheit des Einzelnen über seine Erwählung ihn dazu treiben musste, alle Mittel der Kirche fleissig zu brauchen, und die Auskunft auch nahe liegt, Gott vollziehe die Ausführung des Prädestinationsdecrets nur durch die empirische Kirche sammt ihren Sacramenten.

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