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Er schafft die Priester ab, welche die Welt regieren; aber er schafft die Priester nicht ab, welche die Sacramente spenden, das Gesetz Gottes auslegen und es allein durch das apostolische Leben vollkommen erfüllen. Werden jene weltregierenden Priester nicht wiederkehren, wenn es doch das höchste Interesse der Menschen sein muss, sich auf das Jenseits durch die Sacramente vorzubereiten, da es durch den Glauben allein nicht zu erreichen ist und auch der sichere, klare, vollständige Glaube nicht Jedermann's Ding ist?1 Aber so gewiss die Antwort auf diese Frage nur bejahend ausfallen kann — solange die Sacramente in der Kirche die Hauptrolle spielen, wird der Priester ein Gewaltiger auf Erden sein, und solange der Buchstabe der hl. Schrift als das Gesetz Christi gilt, werden die berufsmässigen Interpreten in der Kirche herrschen so gewiss ist doch, dass der wiclifitische Kirchenbegriff einen grossen Fortschritt bezeichnet. Es ist hier der Versuch gemacht, Religiöses und Weltliches zu trennen; es ist ferner der Werth des Gesetzes Christi, eines Geistigen, dem Werth der Sacramente gleichgesetzt, ja die Wirksamkeit alles kirchlichen Handelns von der innerlichen, christlichen Gesinnung abgeleitet; es ist das ganze „objective" Recht einer Hierarchie in der Kirche erschüttert; es sind die Christen aufs kräftigste

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'S. Gottschick, a. a. O. S. 364 f.: „Hus besitzt keine andere Anschauung vom Heil als die gemeinkatholische. Das Ziel des Menschen ist die Vereinigung mit Gott durch die visio dei und die dadurch bedingte Liebe. Auf Erden wird man dazu vorbereitet durch den Glauben und die verdienstliche Erfüllung des Gesetzes der Liebe. Der Glaube ist durchaus als theoretisches Fürwahrhalten eines Quantums von Lehren gemeint; es genügt für einen guten Theil dieses Quantums die fides implicita. Die Hauptsache ist, gemäss dem, dass der Glaube nur als fides caritate formata Werth hat, die Erfüllung des Gesetzes. Die Befähigung hierzu hängt aber davon ab, dass auf Grund des Verdienstes Christi die die Sünde austilgende Kraft der Gnade eingegossen wird. Und Hus nennt nirgend einen anderen Weg, auf welchem dies geschieht, als die Predigt und die Sacramente, speciell Taufe und Abendmahl oder Messopfer." Vgl. die von Gottschick, a. a. O., aus der Schrift de ecclesia angeführten Stellen, unter denen die über die fides implicita besonders lehrreich sind. I, 38: „Christianus debet fidem aliqualiter cognoscere." 62: „Quantum oporteat fidelem de necessitate salutis explicite credere, non est meum pro nunc discutere, cum deus omnipotens suos electos secundum gradum fidei multiplicem ad se trahit." 259: „Quicunque habuerit fidem caritate formatam... in communi sufficit cum virtute perseverantiae ad salutem ... Non exigit deus, ut omnes filii sui sint continue pro viatione sua in actu cogitanti particulari de qualibet fidei particula (also immer quantitativ beurtheilt), sed satis est, quod post posita desidia habeant fidem in habitu formatam." Wiclif urtheilte ebenso (,omnia sacramenta sensibilia rite administrata [dazu gehört aber auch und vor Allem der apostolisch lebende Priester] habent efficaciam salutarem").

? Das Constanzer Concil hat die wiclifitisch-husitischen Sätze gegen den Papst bestritten, auch die ausschliessliche Definition der Kirche als universitas praedestinatorum.

Harnack, Dogmengeschichte III.

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daran erinnert, dass das Evangelium eine Sache des Lebens ist. Und das ist nicht ausserhalb der Theologie geschehen, als wären es Einfälle, sondern vom Boden und im Namen der wahrhaft kirchlichen Theologie.

Um 1500 hatte der Husitismus als grosse Bewegung ausgespielt. Aber er hat doch eine unermessliche Wirkung ausgeübt: er hat den hierarchisch-papalen Kirchenbegriff in den Gemüthern und Köpfen gelockert und den grossen Umschwung vorbereiten helfen. Unter den wahrhaft Frommen im Lande herrschte freilich beim Anbruch der Reformation die grösste Unklarheit: man wollte den Papst nicht fahren lassen, aber episkopalistische (conciliare) und waldensisch-husitische Ideen waren weit verbreitet. Eine Klärung war nothwendig : entweder die Aufrichtung des Papalsystems oder eine neue Betrachtung der Kirche, die im Stande wäre, für die zahlreichen und schweren Angriffe auf jenes System einen festen Boden zu schaffen. Der empirisch-monarchische Kirchenbegriff ist durch die Episkopalisten beanstandet worden, der juristische durch Wiclif und Hus das ist die höchste Bedeutung dieser Männer. Aber an die Stelle des juristischen Begriffs haben sie einen moralistischen gesetzt. Aus diesem wird sich jener immer wieder entwickeln. Was fehlte, war der Begriff einer Kirche, zu der man durch den lebendigen Glauben gehört. Das blosse Kritisiren an der Hierarchie so gross auch der Muth war, der dazu gehörte thut es noch nicht. Auch damit ist es noch nicht gethan, dass die Rechtsordnungen der Kirche auf ihre sittlichen Bedingungen zurückgeführt werden. Man kann diese That Wiclif's und Hus' nicht hoch genug preisen. Aber man darf darüber nicht vergessen, dass die Kirche Christi die Richtlinien ihrer Selbstbeurtheilung aus Röm. 5-8 zu nehmen hat. Das Eine aber und für unsere Zwecke Wichtigste wird aus dieser ganzen Uebersicht hervorleuchten, dass die mannigfaltige Entwickelung des Kirchenbegriffs in unserer Periode, weit entfernt, das alte Dogma zu bedrohen, es nur immer fester sich einbürgern liess, freilich nicht als lebendige Autorität, aber als die Basis und Grenze. Wohin wären die Waldenser, die Wiclifiten und Husiten bei ihren Berufungen auf die lex Christi, die Schrift und die Apokalypse gerathen, wenn nicht die stille aber starke Macht des alten Dogmas sie gefesselt hätte?

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An dieser Stelle aber darf die Betrachtung noch um einen Schritt weiter gehen. Sind denn wirklich nur die sog. Vorreformatoren die Vorreformatoren, oder zeigt sich nicht vielmehr, dass

1 S. ausser den Arbeiten zur Geschichte der Verbreitung des Husitismus (bes. von Bezold, Zur Gesch, des Husitenthums 1874 und die Studien von Haupt) die Arbeiten von L. Keller, die aber mit grösster Vorsicht zu benutzen sind.

dieser Titel nur dann einen guten Sinn hat, wenn man ihn nicht für irgend eine der mittelalterlichen kirchlichen Erscheinungen, sondern für die mittelalterliche Kirche überhaupt in Anwendung bringt? Für die höchste Stufe der Betrachtung liegt zwischen dem Christenthum der alten Kirche und dem reformatorischen das Christenthum des Mittelalters als die Zwischenstufe, d. h. als die Vorreformation. Keine seiner Hauptrichtungen kann in dem Bilde entbehrt werden. Auch die hierarchische nicht. Das zeigt gerade der Kirchenbegriff. Denn die Gegner der „Vorreformatoren" vertraten mit ihrem Kirchenideal die Gewissheit, dass Christus ein Reich auf Erden hinterlassen habe, in welchem er als der Erhöhte gegenwärtig ist und dessen Heiligkeit nicht abhängt von der moralischen Güte seiner Glieder. Sie haben diesen Gedanken freilich geschändet und verweltlicht, aber man darf doch nicht sagen, dass er ihnen nur als geschändeter werthvoll gewesen ist. Nein auch er ist bei Vielen wirklich ein Ausdruck christlicher Frömmigkeit gewesen; sie dachten an den lebendigen und herrschenden Christus, wenn sie an den Papst und an seine Gewalt, an die Bischöfe und an die Kirche dachten, welche sich die Welt unterwerfen. In dieser Gestalt war dieser Glaube ein nothwendiges Complement zu dem individualistischen Christenthum der Mystiker, und die Reformation hat mit ihrer These von der heiligen Gemeinde und dem Reiche Gottes, welche Christus in ihrer Mitte haben, an den katholischen Gedanken Augustin's und des Mittelalters direct angeknüpft, nachdem sie von Paulus und Augustin gelernt, geistliche Dinge geistlich zu richten.

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3. Zur Geschichte der kirchlichen Wissenschaft.

Im Zusammenhang mit der Geschiche der Frömmigkeit haben wir schon auf die Geschichte der Theologie eingehen müssen; denn Frömmigkeit und Theologie gehören im Mittelalter auf das engste zusammen. Auch ist in dem vorigen Capitel (S. 312 ff.) eine Skizze der Geschichte der Wissenschaft bis zum Ausgang des 12. Jahrhunderts gegeben worden. Aus dem ungeheuren Stoff des 13. bis 15. Jahrhunderts sollen nur einige Hauptpunkte hervorgehoben werden 1.

1 S. die Geschichten der Philosophie von Erdmann, Ueberweg-Heinze (wo die reichhaltigsten Litteraturangaben), Stöckl und Werner (Monographie über Thomas v. Aqu., Verschiedene Abhandlungen zu Duns Scotus, Die Scholastik des späteren Mittelalters in drei Bdd. 1881 ff.: 1) Johannes Duns Scotus. 2) Die nachscotistische Scholastik. 3. Der Augustinismus des späteren Mittelalters). Baur, Vorles. über die christl. Dogmengesch. 2. Bd. S. 199 ff. Eine schöne, durch tiefes Wissen und Reichthum der Gesichtspunkte ausgezeichnete Abhandlung über Albertus M. verdanken wir Bach.

Der hohe Aufschwung der mittelalterlichen Wissenschaft seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts ist bedingt 1) durch den grossartigen Triumph der Kirche und des Papstthums unter Innocenz III. und seinen Nachfolgern, 2) durch die Erhebung der Frömmigkeit in Folge der Bettelordenbewegung ', 3) durch die Bereicherung und Erweiterung der allgemeinen Kultur, die theils eine Folge innerer Entwickelungen gewesen, theils aus dem Contact mit dem Orient in Palästina, Konstantinopel und Spanien entstanden ist. Hier ist vor Allem die nun erst gewonnene Bekanntschaft mit dem wahren Aristoteles, dem Logiker, dem Physiker, dem Ethiker und Politiker, von der höchsten Bedeutung geworden. Seine Philosophie, als Dogmatismus verstanden 3, wurde wie ein Evangelium oder doch wie die nothwendige Vorstufe desselben begrüsst („praecursor Christi in naturalibus"), und durch ihn empfing die Wissenschaft des 13. Jahrhunderts einen fast unermesslichen Stoff und vor Allem Antriebe zur Bewältigung des Stoffes.

1 Ueber den Eintritt des Minoritenordens in die wissenschaftliche Bewegung s. Werner, Duns Scotus S. 4 ff.

2 Vgl. das 6.-8. Buch der Geschichte der Aufklärung von Reuter, im Besonderen die Abschnitte über die Averrhoistische Aufklärung sowie über die Bedeutung der arabischen und jüdischen Zwischenträger, ferner über die Einwirkung der Naturwissenschaften und über die Universität Paris im 13. Jahrhundert. Die Araber Avicenna (†1037) und Averrhoës (†1198), jener supranaturalistisch, dieser pantheistisch gerichtet, waren die bedeutendsten Commentatoren des Aristoteles, deren Werke durch die Vermittelung der spanischen Juden dem Abendland bekannt wurden. Aber durch Averrhoës, der eine grosse Anziehungskraft ausübte, wurde Aristoteles zunächst discreditirt, so dass mehrere kirchliche Verbote gegen ihn ergingen. Allein bald erkannte man, dass Aristoteles in Wahrheit dem Pantheismus keinen Vorschub leiste, sondern ihn widerlege. Averrhoës und Scotus Erigena galten nun als die eigentlichen Feinde des kirchlichen Dogmas. Ueberhaupt wurde der naturalistische Pantheismus nun vor Allem verfolgt und im Gegensatz zu ihm entnahm man dem Aristotelismus die supranaturalistischen Elemente und gab diesem Aristotelismus den weitesten Spielraum (s. Schwane, Dogmengesch. des Mittelalters S. 33 ff.). Unter den jüdischen Gelehrten ist es namentlich Maimonides gewesen, der auf die Scholastiker des 13. Jahrhunderts eingewirkt hat. Thomas verdankt ihm sehr viel und hat ihn theilweise ausgeschrieben (s. Merx, Prophetie des Joel 1879). Dadurch ist das juristisch - casuistische Element der Scholastik noch verstärkt und es sind pharisäisch-talmudistische Theologumena in die mittelalterliche Theologie eingeschleppt worden, die ihrerseits wiederum theilweise bis in die persische Zeit des Judenthums zurückführen. Doch ist auch neuplatonisches und aristotelisches Material den Scholastikern aus den Uebersetzungen der Juden zugeflossen, welche die arabischen Versionen der griechischen philosophischen Schriften ins Lateinische übertrugen; s. Barden hewer, Die Schrift de causis 1882.

In dem Sinne, in welchem Kant den Dogmatismus aufgedeckt und widerlegt hat. Nur Roger Baco strebte im 13. Jahrhundert aus diesen Fesseln kräftig heraus; s. Reuter II S. 67 ff.

Die beiden neuen Grossmächte des Zeitalters, die Bettelorden und Aristoteles, haben sich ihren Platz erst erkämpfen müssen. Die alten Orden und die mit ihnen verbündeten Lehrer und Unversitäten waren ihnen Anfangs feindlich gesinnt. Man wehrte sich gegen beide. Der neue Aristoteles wurde sogar durch kirchliche Verbote betroffen, und den Bettelordentheologen wollte man den Zugang zu den Kathedern versagen. Auch gab es noch immer Solche, bei denen die Angriffe auf die wissenschaftlich-dialektische Theologie überhaupt, wie sie von Johann von Salisbury und Walter von St. Victor ausgegangen waren, nachwirkten. Aber mit einer unwiderstehlichen Gewalt setzte sich der neue Aufschwung durch und brachte das Widerstrebende zum Schweigen.

Allein dies war doch nur möglich, weil die neuen Factoren in Wahrheit nichts Neues heraufführten, sondern den Triumph der Kirche über alles Geistige zum Abschluss brachten. Der neue Aristoteles, wie man ihn verstand, lehrte die Erkenntnisstheorie, Metaphysik und Politik, welche eine sichere Begründung des Dogmas gegenüber den Gegensätzen, wie sie früher z. B. in Wilhelm von Champeaux und Roscellin - hervorgetreten waren, verstattete und die Gefahren eines excentrischen Realismus ebenso abwehrte, wie die einer empirischen Betrachtungsweise. Darf man, ja muss man die Universalien einerseits als die den Kosmos der Ideen im Gedanken Gottes ausprägenden Urbilder auffassen, so bestehen sie ante rem; muss man sie andererseits (Kategorien und Formen) als lediglich in den Dingen verwirklicht ansehen, so sind sie in re; ist es endlich unleugbar, dass nur die Anschauung der Dinge sie gewinnt, dass also der Intellect sie der Erfahrung entnimmt, so sind sie post rem. Hierdurch war es möglich, an jedes Dogma die erkenntnisstheoretische Betrachtungsweise heran zu bringen, die zur Vertheidigung desselben als die geeignetste schien. Der „gemilderte" Realismus, der die verschiedensten Formen annehmen konnte und den schon Abälard, freilich mehr im Sinne skeptischer Zurückhaltung als zum Zweck speculativer Constructionen, vertreten hatte, wurde im 13. Jahrhundert herrschend. Das Wichtigste aber war, dass die grossen Theologen, die ihn ausbildeten, mit noch grösserer Energie als ihre Vorgänger ihr ganzes Gedankengebäude dem Principe unterwarfen, alle Dinge durch die Zurückführung auf Gott zu verstehen.

Die Zurückführung auf Gott war aber gleichbedeutend mit der Unterwerfung aller Erkenntnisse unter die Auto1 Vgl. z. B. für die Zeit um 1250 die Chronik Salimbene's und Michael, a. a. O. S. 39 f.

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