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rität der Kirche. Dieselbe Wissenschaft, welche eine erstaunliche Energie des Denkens an den Tag gelegt und durch Gelehrte, wie Thomas, in den ethischen und politischen Wissenschaften wirklich bedeutende Fortschritte über das Alterthum hinaus gemacht hat, erscheint in mancher Hinsicht noch gebundener als die Wissenschaft des 11. und 12. Jahrhunderts; denn nicht nur das alte Dogma („articuli fidei“), sondern das gesammte Gebiet des kirchlichen Handelns, dessen Principien auf die articuli fidei zurückgeführt werden, ist für sie schlechthin Autorität, und sie verfährt viel unbefangener als früher nach dem Grundsatz, dass in Einzelfragen jede Autorität soviel wiegt wie eine verständige Ueberlegung. Erst im 13. Jahrhundert durch die Bettelordentheologen ist der gesammte Bestand des Kirchenthums theologisch gerechtfertigt und sind die jüngsten und bedenklichsten Theile desselben ebenso wie die ältesten und wichtigsten durch die Wissenschaft" für unantastbar erklärt worden; erst im 13. Jahrhundert hat sich jene vollkommene Ineinanderschiebung von Autoritätsglauben und Wissenschaft eingestellt, die auf einer und derselben Fläche bald mit dem „credo“, bald mit dem „intelligo" operirt - bei Anselm z. B. findet sie sich so noch nicht. Zwar wird in thesi festgehalten, dass die Theologie, auf der Offenbarung ruhend, eine (speculative) Wissenschaft sei'. Allein man hält es nicht für geboten, auch nicht für möglich, auf dem Grunde des Glaubens ein rein rationales Gebäude aufzurichten, sondern man wechselt zwischen auctoritas und ratio: sie gelten als Parallelen, mit denen man operirt. Der Zweck bleibt freilich die Erkenntniss, die in der visio dei gipfelt; aber man ist nun nicht mehr Willens, beim Fortschreiten der Erkenntniss das Element des Glaubens (der Autorität) immer mehr zu eliminiren, um zuletzt das reine Erkennen zu behalten, sondern auf allen

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1 S. die erste Quaestio in der Pars I der Summa des Thomas; Art. I: „utrum sit necessarium praeter philosophicas disciplinas aliam doctrinam haberi." Art. II: „Utrum sacra doctrina sit scientia." Antwort: „sacram doctrinam esse scientiam. Sed sciendum est quod duplex est scientiarum genus. Quaedam enim sunt, quae procedunt ex principiis notis lumine naturali intellectus sicut Arithmetica; quaedam vero sunt quae procedunt ex principiis notis lumine superioris scientiae, sicut Perspectiva procedit ex principiis notificatis per Geometriam... Et hoc modo sacra doctrina est scientia, quia procedit ex principiis notis lumine superioris scientiae, quae scil. est scientia dei et beatorum. Unde sicut Musicus credit principia revelata sibi ab Arithmetico, ita doctrina sacra credit principia revelata sibi a deo." Art. III: „Utrum sacra doctrina sit una scientia?" Conclusio: „Cum omnia considerata in sacra doctrina sub una formali ratione divinae revelationis considerentur, eam unam scientiam esse sentiendum est." Artic. IV: „Utrum s. doctrina sit scientia practica?" Conclusio: „Tametsi s. theologia altioris ordinis sit practica et speculativa, eminenter utramque continens, speculativa tamen magis est quam practica.“ etc.

Stufen ist das Element der Autorität berechtigt und nothwendig. Ja man ist nun überzeugt, dass es zwei Gebiete giebt, das der natürlichen Theologie und das der specifischen (geoffenbarten). Beide werden allerdings in innigster Harmonie gedacht; aber die Ueberzeugung ist doch gewonnen, dass es Erkenntnisse und zwar die allerwichtigsten giebt, die lediglich der geoffenbarten Theologie angehören und mit der natürlichen wohl vermittelt, nicht aber mit ihr identificirt werden können. Auch die natürliche Theologie soll sich der geoffenbarten unterordnen; denn die Theologie hat ihr Fundament an der Offenbarung. In Wahrheit wechselt aber der Dogmatiker zwischen Vernunft und Offenbarung, und der Stil seines Gebäudes richtet sich nach jener; denn der Inhalt der Offenbarung wird im Einzelnen nicht nur aus dem Erlösungsgedanken gewonnen so sehr derselbe als visio dei das Ziel ist sondern stellt sich auch in tausend losen Stücken dar, die nichts Anderes sind als verschiedenartige Fragmente eines wirklichen oder vermeintlichen Welterkennens. Eben jene Fassung des Ziels der Erlösung als visio dei brachte es mit sich, dass die Vorstellung von dem Inhalt der Offenbarung sich in eine unübersehbare Reihe von Erkenntnissen aufzulösen drohte und trotz des festgehaltenen Titels den Charakter eines natürlichen Wissens übernatürlicher Dinge erhielt. Demgemäss stellte sich nun auch die Vorstellung von articuli mixti ein, d. h. von solchen Erkenntnissen, die sowohl auf natürlichem Wege als durch die Offenbarung hier nur in vollkommenerer Weise gegeben sind. Was bereits bei Tertullian als die Eigenart der abendländischen Theologie angelegt erscheint (s. Cap. 1), das ist nun zu vollendeter Blüthe gekommen.

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Durch den neuentdeckten Aristoteles gewannen die Gelehrten den Muth, von der Zusammenstellung blosser „Sentenzen" zur Aufrichtung ganzer Lehrgebäude vorzuschreiten. Auch mag hier die imponirende Gestalt der Kirche in ihrer einheitlichen Machtentfaltung mitgewirkt haben; denn die Scholastik des 13. Jahrhunderts bietet auf dem Gebiete des Erkennens dasselbe Schauspiel, wie die Kirche, der sie dient, auf den Gebieten des gesammten menschlichen Lebens. Hier wie dort soll Alles unterworfen werden; hier wie dort ist Alles in ein einheitliches. System gestellt, hier wie dort gilt der Satz, ausgesprochen oder verschwiegen, dass die Kirche Christus ist und Christus die Kirche. So kann man die theologische Wissenschaft des 13. Jahrhunderts charakterisiren als die dialektisch-systematische Bearbeitung des kirchlichen Dogmas und des kirchlichen Handelns zu dem Zweck, dasselbe zu einem alles im höchsten Sinn Wissenswürdige umspannenden, einheitlichen System zu entfalten, es zu beweisen und so alle Kräfte des Verstandes und den

gesammten Ertrag der Wissenschaft der Kirche dienstbar zu machen. Mit diesem Zweck aber ist der andere, dass der Theologe auf diesem Wege die visio (fruitio) dei erreiche, aufs engste verbunden, ja sie liegen i neinander; denn alle Erkenntniss der kirchlichen Lehre und des kirchlichen Handelns ist Gotteserkenntniss so lehrte die Kirche von sich selber. Ist nun die stufenmässige Gotteserkenntniss das einzige Mittel für den Einzelnen, zur Seligkeit (visio dei) zu gelangen, so fällt der objective Zweck mit dem subjectiven in der Theologie einfach zusammen: man dient der Kirche, indem man sich selber dient und umgekehrt. Die grossen Scholastiker fühlten sich keineswegs als Sklavenarbeiter, die nothgedrungen für ihren Herrn sich abmühen. Deutlich schwebte ihnen sogar nur das Ziel vor, sich selbst in der Gotteserkenntniss zu fördern; aber als treue Söhne in der Kirche stehend, der alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist, mussten ihre Speculationen - mit mehr oder weniger Absichtlichkeit dazu dienen, die Macht der Kirche zu verherrlichen und all' ihr Thun zu apotheosiren. Dennoch, wie viele Erkenntnisse haben sie gewonnen, deren Wahrheit ganz unabhängig ist von der Wahrheit der kirchlichen Theorie und Praxis, wie nothwendig und fördersam ist auch diese Epoche in der allgemeinen Geschichte der Wissenschaft und der Theologie gewesen, und wie viel Keime haben die grossen Scholastiker ausgestreut, von deren Entwickelung sie sich selbst nichts haben träumen lassen! Noch ist in der Welt keine Wissenschaft je unfruchtbar gewesen, die in wahrhaftiger Hingebung Gott gedient hat. Zum Hemmniss ist die Theologie immer erst geworden, wenn sie den Glauben an sich selber verlor oder unsicher wurde. Wir werden sehen, dass sich das auch in der mittelalterlichen Theologie bewahrheitet hat.

Denn Alles, was wir bisher ausgeführt haben, gilt nur von der vorscotistischen Scholastik; es gilt vor Allem von Thomas. Er hat auch auf die Folgezeit nachhaltig eingewirkt und wirkt noch bis heute fort. Seine Vorgänger und Zeitgenossen sind in ihm untergegangen. Die thomistische Wissenschaft, wie sie vor Allem in der „Summa" niedergelegt ist, ist durch Folgendes charakterisirt: 1) durch die Ueberzeugung, dass Religion und Theologie wesentlich speculativer (nicht praktischer) Art sind, dass sie also geistig vermittelt und angeeignet werden müssen, dass es möglich ist, sie sich so anzueignen, und dass schliesslich kein Widerstreit entstehen kann zwischen Vernunft und Offenbarung, 2) durch strenges Festhalten an dem Augustinismus, speciell an der augustinischen Lehre von Gott, der Prädestination, der Sünde und der Gnade 1, 3) durch eine tiefeindringende Kenntniss des 1 Als Augustiner erweist sich Thomas auch durch seine Würdigung der hl.

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Aristoteles und durch eine umfangreiche und energische Anwendung der aristotelischen Philosophie, soweit der Augustinismus eine solche irgend gestattet (beim Gottesbegriff wird der areopagitisch-augustinische nur leise limitirt), 4) durch eine kühne Rechtfertigung der höchsten kirchlichen Ansprüche vermöge einer genialen Theorie vom Staate und einer wunderbar aufmerksamen Beobachtung der empirischen Tendenzen des päpstlichen Kirchen- und Sacramentssystems. Der Politiker Aristoteles und der Theologe Augustin, zwei Feinde, haben in Thomas einen Bund geschlossen das ist die weltgeschichtliche Bedeutung des Thomas. Er ist, weil Theologe und Augustiner, noch immer ein absoluter Denker voll Zuversicht und doch darf nicht verschwiegen werden, dass sich schon bei ihm die Keime zur Zerstörung der absoluten Theologie angedeutet finden. Wenn auch verborgen, so hat sich doch bei ihm bereits Arbiträres und Relatives eingestellt. Er will noch Alles in den festen und sicheren Kategorien der Majestät der Alles durchwaltenden Gottheit zum Ausdruck bringen und die strenge Nothwendigkeit aller theologischen Aussagen nachweisen: die christliche Religion wird geglaubt und aus Principien bewiesen; allein an nicht wenigen Punkten versagte die Kraft doch, und der Denker musste sich auf die Autorität, welche das Probable stützt, zurückziehen, wenn er auch für das Ganze den Eindruck des absolut Giltigen aufrechtzuerhalten verstand 1.

Schrift. Nur die hl. Schrift ist ihm absolut sichere Offenbarung gewesen. Alle übrigen Autoritäten galten ihm nur als relative. Sehr viele Stellen lassen sich aus Thomas beibringen zum Zeugniss, dass das „Formalprincip der Reformation" an dem grossen Scholastiker einen Vertreter besessen hat.

1 Anselm beweist z. Th. die articuli fidei, Thomas lehnt das (Pars I Quaest. I Art. 8) im Princip ab; allein die ratio fusst auf den articuli fidei, um Anderes zu beweisen. Wir werden sehen, wie im Fortschritt der Entwickelung die Scholastik der ratio in göttlichen Dingen immer weniger zutraut. Eine kurze Beschreibung der

Summa" mag hier am Platze sein (s. Portmann, Das System der theol. Summe des hl. Thomas, Luzern 1885). Der 1. Theil (119 Quaest.) handelt von Gott und dem Ausgang der Dinge aus Gott, der 2. Theil (1. Abth.) von der allgemeinen Moral (114 Quaest.), der 2. Theil (2. Abth.) von der speciellen Moral (189 Quaest.) unter dem Gesichtspunkt der Rückkehr der vernünftigen Creatur zu Gott, der 3. Theil von Christus und den Sacramenten (90 Quaest.). Als Supplementum hat man aus dem Commentar zum Lombarden den Schluss der Sacramentslehre und die Eschatologie ergänzt (102 Quaest.). Jede Quaestio enthält eine Anzahl von articuli, und jeder articulus ist in drei Theile zerlegt. Zuerst werden die difficultates angeführt, welche die gestellte Frage zu verneinen scheinen, dann die Autoritäten (eine oder mehrere, unter ihnen hie und da auch Aristoteles), dann folgt die speculative, principielle Erörterung und nun die Lösung der einzelnen Schwierigkeiten (die conclusiones sind nicht von Thomas selbst formulirt, sondern von seinen Commentatoren). Der Aufriss entspricht dem paulinisch-augustinischen Gedanken:

Aber war der Kirche mit der strengen Nothwendigkeit überhaupt gedient? Musste es ihr nicht vielmehr willkommen sein, wenn der Ver

„von Gott zu Gott". Die Einleitung (quaest. 1) umfasst die Fragen nach der Theologie als Wissenschaft, über das Subject (Object) der Theologie Gott und alles Andere sub ratione dei über die Methoden (auctoritas und ratio, die Theologie als doctrina argumentativa, sed „haec doctrina non argumentatur ad sua principia probanda, quae sunt articuli fidei, sed ex eis procedit ad aliquid aliud probandum. . . nam licet locus ab auctoritate quae fundatur super ratione humana sit infirmissimus, locus tamen ab auctoritate quae fundatur super revelatione divina est efficacissimus. Utitur tamen sacra doctrina etiam ratione humana, non quidem ad probandam fidam (quia per hoc tolleretur meritum fidei), sed ad manifestandum aliqua alia, quae traduntur in hac doctrina. Cum enim gratia non tollat naturam, sed perficiat, oportet quod naturalis ratio subserviat fidei, sicut et naturalis inclinatio voluntatis obsequitur caritati... Sacra doctrina utitur philosophorum auctoritatibus quasi extraneis argumentis et probabilibus, auctoritatibus autem canonicae scripturae utitur proprie et ex necessitate arguendo, auctoritatibus autem aliorum doctorum ecclesiae quasi argumentando ex propriis sed probabiliter. Innititur enim fides nostra revelationi apostolis et prophetis factae, qui canonicos libros scripserunt, non autem revelationi, si qua fuit aliis doctoribus facta“), über die Auslegung der hl. Schrift u. s. w. Quaest. 2-27 des 1. Theils handeln von Gottes Existenz (fünf Gottesbeweise), dem Wesen Gottes (primum movens, ens a se, perfectissimum, actus purus), den Eigenschaften, der Einheit und Einzigkeit, der Erkennbarkeit, den Namen Gottes, ferner von der inneren Lebensthätigkeit in Gott (von seinem Erkennen, seiner Ideenwelt, seinem Verhältniss zur Wahrheit, seinem Leben, seinem Willen, den Ausprägungen seines Willens, der Vorsehung und Prädestination), endlich von der äusseren Thätigkeit Gottes oder der göttlichen Allmacht und von der göttlichen Seligkeit. Sodann folgt in Q. 27-44 die Untersuchung de processione divinarum personarum (Trinität), endlich Q. 44-119 die Schöpfungslehre und zwar 1) die Erschaffung der Dinge (Schöpfung aus Nichts, Zeitlichkeit der Welt), 2) die Gliederung der Schöpfung (Engellehre, Lehre von der Körperwelt, Lehre vom Menschen, hier genaue Untersuchungen über die Substanz der Seele, über die Verbindung von Leib und Seele, über die Seelenvermögen, über die menschliche Erkenntniss; sodann über die Erschaffung des Menschen, die Gottebenbildlichkeit, das Paradies und den Urstand), 3) die Lehre von der göttlichen Weltregierung (über die Engel als Mittel der Vorsehung u. s. w.). Der II. Theil 1. Abth. ist ganz auf der aristotelischen Ethik gegründet. Er beginnt mit einer Einleitung über das Ziel des Menschen (das bonum beatitudo deus ipse visio dei), sodann wird von der Freiheit, dem Wesen der freien Willensacte, der Gutheit und Schlechtheit der Willensacte (zur Gutheit gehört die Vernünftigkeit des Willensactes) und von dem Verdienst und der Schuld gehandelt (Q. 6-21). Daran reihen sich Untersuchungen über das menschliche Triebleben (passiones), das genau analysirt wird (Q. 22-48). Nun erst folgt die Darlegung der Principien des sittlichen Handelns, des „habitus" oder der Qualitäten der Seele. Nach einer Einleitung (Q. 49 sq.) wird die Tugendlehre auseinandergesetzt (eingetheilt nach dem Object in intellectuelle, moralische und theologische Tugenden), die Ursache der Tugenden, die Eigenthümlichkeiten derselben (die Tugend als das Masshalten oder die „Mitte" zwischen zwei Excessen) und der Höhepunkt der Tugenden in den Gaben des hl. Geistes (die acht beatitudines und die

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