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fahren, welches die grossen Scholastiker, Thomas an der Spitze, dem Geist der Jurisprudenz folgend, an jedes einzelne Dogma und an jeden ethischen Satz herangebracht hatten, musste die Zuversicht, dass es ein absolut Giltiges gebe, erschüttert werden. Wenn man schlage jede beliebige Seite bei Thomas auf für jede Häresie und viele unsittliche Behauptungen 2-12 Gründe angeführt werden können, wenn z. B. ein Dutzend Gründe dafür sprechen, dass die simplex fornicatio keine Todsünde sei (Thomas), wie kann sich dem gegenüber der Glaube felsenfest behaupten, dass sie doch für eine solche erachtet werden muss? Wird aus dem Widerstreit des Sic et Non stets die Gewissheit für die Antwort hervorgehen, welche der Dogmatiker bevorzugt? Wie kann man überhaupt auf Gewissheit rechnen, solange für die Gegenthese auch nur noch ein Grund spricht und solange man nicht den einen Grund aufweisen kann, der allein giltig ist? Der Nominalismus setzte hier nur fort, was der Realismus begonnen; er differenzirte und distinguirte nur noch mehr; er übertrug die giltige Methode advocatorischen Scharfsinns auf immer neue Gebiete, auf die Gotteslehre, die Schöpfungs- und Vorsehungslehre, auf die Heiligkeit und die Ehre Gottes, auf die Sünde und die Versöhnung, und er kam überall zu dem Schluss, 1) dass Alles relativ und arbiträr sei aber auch in Thomas' Dogmatik ist schon manches sehr Wichtige in der Religionslehre nur „conveniens", 2) dass die Lehren der geoffenbarten Religion mit der natürlichen Theologie, dem verständigen Denken über Gott und die Welt, streiten (Lehre von der zwiefachen Wahrheit). Endlich, wenn der Nominalismus lehrte, dass man sich, da credere und intellegere nicht zu reimen seien, der Autorität der Kirche blind unterwerfen müsse, und dass eben in diesem blinden Gehorsam wie das Wesen so auch das Verdienst des Glaubens bestünde, so hat er auch hier nur einen allgemein katholischen Ansatz zur Reife entwickelt; denn Tertullian so wenig wie Thomas hat daran gezweifelt, dass aller Glaube mit der Unterwerfung beginnt. Mochte man dann auch seit Augustin noch so viele Erwägungen in Geltung gesetzt haben, um den ursprünglichen Ansatz zu modificiren und den Glauben in den inneren. assensus und in die Liebe umzuwandeln: die alte These blieb doch bestehen, dass er ursprünglich Gehorsam sei und daran sein anfangendes Verdienst habe. Ist er aber Gehorsam, so ist er fides implicita, d. h. es genügt die Unterwerfung. In dem der Nominalismus in steigendem, selbst vor dem Frivolen nicht zurückscheuenden Masse die Sufficienz der fides implicita bekannt oder behandeln, sobald sie die Praestanda, welche der Kirchenbegriff verlangt, praestirt haben.

sie seinen theologischen Erwägungen zu Grunde gelegt hat, weil viele Glaubenswahrheiten überhaupt oder für Einzelne einen anderen Modus der Aneignung nicht zulassen, hat er nur einen alten katholischen Gedanken zur consequenten Aussage gebracht1; denn die Gefahr, die Religion in ein kirchliches Reglement zu verwandeln, hat dem abendländischen Katholicismus zu keiner Zeit gefehlt 2.

1 Die juristischen Päpste von Gregor VII. ab, namentlich die Päpste des 13. Jahrhunderts, haben die nominalistische Doctrin von der fides implicita anticipirt: Innocenz IV. hat in seinem Commentar über die Decretalen zwei folgenreiche Regeln aufgestellt. Erstens: dass es für die Laien genüge, einen vergeltenden Gott zu glauben, in allem Uebrigen aber, Dogma und Sittenlehre, implicite nur zu glauben, nämlich zu denken und zu sagen, ich glaube was die Kirche glaubt. Zweitens, dass ein Geistlicher auch dem eine Ungerechtigkeit befehlenden Papst gehorchen müsse" (Döllinger, Akad. Vorträge II S. 419).

2 Auf die Philosophie des Duns Scotus (s. Werner, a. a. O. und die Uebersicht in dem Artikel von Dorner in Herzog's R.-E. 2. Aufl.) und des Occam (s. Wagemann i. d. R.-E) kann ich mich hier nicht weiter einlassen. Wichtige theologische Lehren derselben werden im folgenden Abschnitt zur Sprache kommen. Dass Duns selbst noch nicht Nominalist gewesen ist, aber diese Erkenntnisstheorie in ihrer Anwendung auf die Dogmatik vorbereitet hat, ist bekannt. Er hat bereits die Selbständigkeit der weltlichen Wissenschaften (auch der Metaphysik) gegenüber der Theologie betont, wie er überhaupt die Selbständigkeit der Welt (in steten Auseinandersetzungen mit Thomas) gegenüber Gott viel deutlicher hervortreten lässt. Dafür giebt er der Willkür Gottes gegenüber der Welt einen grossen Spielraum. Um jedoch durch diese Annahme nicht Alles ins Ungewisse zu versenken, wird die Gotteserkenntniss aus der Offenbarung (im Unterschied von der vernünftigen) kräftig accentuirt. Bei Duns erkennt man noch das Ringen des Princips der Vernunft mit dem Princip der durch die Offenbarung temperirten und fassbar gemachten Willkür; bei Occam hat das letztere gesiegt. Dem Verstand, den Occam dem Dogma gegenüber aufbietet, ist lediglich die Aufgabe zugewiesen, zu zeigen, dass Logik und Physik auf die Glaubensartikel und die ihnen entsprechenden übernatürlichen Objecte keine Anwendung finden. Alle Glaubenslehren sind widerspruchsvoll; aber so muss es nach Occam auch sein; denn nur so erweisen sie sich als Aussagen über eine übersinnliche Welt, die dem Verstande ein Wunder ist. Man hat diesen Dogmatiker missverstanden, wenn man aus seiner Kritik der Dogmen die Ironie des Zweiflers heraushören wollte. Wenn er die Transsubstantiationslehre, nachdem er ihre Unmöglichkeit nachgewiesen, schliesslich doch für probabler hält, wie jede andere Lehre, weil die Kirche sie fixirt hat und weil die Allmacht Gottes in ihr am schrankenlosesten erscheint, d. h. weil sie die denkbar widervernünftigste ist, so ist es ihm damit bittrer Ernst. Und was von der Abendmahlslehre gilt, gilt auch von allen anderen kirchlichen Hauptlehren. Der Widersinn und die Autorität sind gewissermassen der Stempel der Wahrheit. Das ist auch ein Positivismus, aber der Positivismus in seiner Sünden Blüthe. Auch hier gilt es, dass ein Abgrund den anderen ruft. Die vornominalistische Theologie hatte der ratio eine Last speculativer Ungeheuerlichkeiten aufgebürdet und ihr daneben zugemuthet, das ganze Schwergewicht der Religion zu tragen; die ernüchterte ratio giebt den Gedanken einer Harnack, Dogmengeschichte III.

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Was oben schon kurz angedeutet ist, mag hier deutlich ausgesprochen seines handelte sich um die Ausmerzung des Augustinismus aus der Kirchenlehre. Die ganze Wendung des Realismus zum Nominalismus kann theologisch unter diesen Titel gesetzt werden. Augustin fällt und Aristoteles steigt angeblich zwar nicht in der Theologie, sondern nur auf dem Gebiete des Weltwissens, factisch aber auch in der Theologie; denn Niemand vermag es, Metaphysik und Theologie völlig auseinander zu halten, und die theologischen Lehren der Nominalisten beweisen, dass sie wohl vor den alten Dogmen, nachdem sie ihre Unvernunft nachgewiesen, mit einer Reverenz Halt gemacht, dagegen den Umkreis der neuen, eigentlich lebendigen Lehren (Sacramente, Heilsaneignung) neumodisch bearbeitet haben. Diese Arbeit richtete sich gegen Augustin, indem sie sich gegen Thomas richtete.

Wir haben schon häufig darauf hingewiesen, dass die Geschichte der Kirchenlehre im Abendland eine vielfach verdeckte Geschichte des Kampfes gegen Augustin ist. Sein Geist und seine Frömmigkeit ragten doch über das Durchschnittliche des Kirchenthums weit hinaus, und die neuen Erkenntnisse, die er gebracht, waren der Kirche als Kirchenanstalt vielfach unbequem und harmonirten nicht mit ihren Tendenzen. Wohl hatte sie den Augustinismus acceptirt, aber mit dem geheimen Vorbehalt, ihn in ihre Denkweise umzuschmelzen. Wir haben gesehen, in welchem Masse das bereits in jenen Perioden gelungen ist, die mit Gregor dem Grossen endigen und anheben. Schon Gottschalk hat es erfahren, was es im Katholicismus kostet, den Augustinismus zu vertreten. In der Folgezeit bildete sich im sacramentalen und im BussSystem eine Praxis und Denkweise aus, die immer deutlicher mit dem Augustinismus stritt. Um so wichtiger war es, dass der Dominicanerorden, vor Allem Thomas, die Theologie Augustin's zu repristiniren versuchte. Duns Scotus und die nominalistische Theologie richteten sich zunächst gegen die Religionsphilosophie Augustin's, gegen jene Lehren von den ersten und letzten Dingen, die so stark zum Pantheismus gravitirten. Aber indem sie dieselben widerlegten und die Zuversicht zur Lehre von Gott dem All-Einen erschütterten, erschütterten sie bei sich und Anderen auch die Zuversicht zu der augustinischen Gnadenund Sündenlehre, die allerdings aufs engste mit seiner Gotteslehre zusammenhing. Diese Nominalisten, die (nach Duns Scotus) immer wieder betonten, dass die Vernunft sich auf das Gebiet des Weltlichen beziehe, λoyin harpsta überhaupt preis, ist bereit, den Köhlerglauben als die Religion anzuerkennen und zieht sich selbst auf das Weltwissen zurück. Ueber Biel s. Linsenmann i. d. Tüb. Quartalschr. 1865.

und dass man in geistlichen Dingen lediglich der überlieferten Autorität der Offenbarung zu folgen, den Verstand also ausser Spiel zu lassen habe, haben in Wahrheit doch höchst energisch und höchst „verständig" im Rahmen der Kirchenlehre gearbeitet. Nicht zu speculiren" führt unter Umständen auch zu einer Metaphysik oder hindert doch nicht, eine überlieferte Speculation in vielem Einzelnen und damit auch im Ganzen zu corrigiren und umzusetzen. Jedenfalls hat dieser Grundsatz die nominalistischen Theologen nicht gehindert, das unter dem Schutz der Autorität stehende Dogma zu bearbeiten. Aber diese Arbeit erhielt nun nicht nur einen ganz und gar äusserlichen, formalistischen Charakter, sondern auch die Principien einer arbiträren Sittlichkeit, ferner des conveniens, des Zweckmässigen und des Relativen wurden nun in Alles hineingetragen. Man möchte sagen: die Grundsätze einer weltbürgerlichen Religions- und Sittlichkeitsdiplomatie wurden auf die objective Religion und die subjective Religiosität angewandt. Gott ist nicht ganz so streng und nicht ganz so heilig, wie man ihn sich wohl vorstellen könnte; die Sünde ist nicht ganz so schlimm, wie sie dem zartesten Gewissen erscheint; die Schuld ist nicht unermesslich gross; die Erlösung durch Christus ist im Ganzen und in den Einzelheiten recht zweckmässig, aber nicht eigentlich nothwendig; der Glaube braucht nicht völlige Hingebung zu sein, und auch für die Liebe genügt schliesslich ein gewisses Mass. Das ist der „Aristotelismus“ der nominalistischen Scholastiker, den Luther für die Wurzel alles Unheils in der Kirche erklärt hat; aber das ist auch der „Aristotelismus", der der Hierarchie am willkommensten sein muss; denn hier behält sie das Heft in Händen, indem sie bestimmt, wie streng Gott, wie schwer die Sünde ist, u. s. w. Dass sie daneben den Augustinismus (Thomismus) nicht ganz fallen lassen kann und will, wurde schon bemerkt. Aber sie bestimmt, wo derselbe einzutreten hat, und sie hat gezeigt, dass sie eifersüchtig über das Mass seiner Anwendung wacht.

In dem Pelagianismus und Probabilismus des Nominalismus liegt der ausgesprochene Abfall von Augustin'. Aber eben weil er so deutlich war, konnte eine gewisse --- allerdings nicht mehr energische --Reaction in der Kirche nicht fehlen. Nicht nur hat der Dominicanerorden fort und fort mit der Theologie seines grossen Lehrers Thomas, die er vertheidigte, auch den Augustin vertheidigt (wenn auch in der Regel nicht an den wichtigsten Punkten), sondern es sind auch im 14. und 15. Jahrhundert Männer aufgetreten, welche die pelagianische

1 Auch von der alten Kirche und vom Dogma in seinem ursprünglichen Sinn überhaupt. Wer alle Dogmatik und Ethik in Casuistik umsetzt, beweist damit, dass er nicht mehr innerlich gebunden ist, sondern nur noch äusserlich.

Tendenz des Nominalismus bemerkt und ihr energisch im Sinne Augustin's entgegengewirkt haben1. Hier ist in erster Linie Brad wardina zu nennen († 1349), der den ganzen Augustin mitsammt der Prädestinationslehre der pelagianischen Strömung des Zeitalters kräftig entgegengestellt hat. Von ihm ist Wiclif als Theologe abhängig gewesen, und sofern Hus alle seine theologischen Gedanken von Wiclif übernommen und nach Böhmen und Deutschland weitergegeben hat, ist

Es ist ein Verdienst von Werner, im 3. Bande seiner „Scholastik des späteren Mittelalters" die Reaction des Augustinismus zur Darstellung gebracht zu haben. Jedoch sind seine Ausführungen keineswegs vollständig. Er behandelt S. 1-232 „die Repräsentation des scholastischen Augustinismus durch die mittelalterliche Augustiner - Eremitenschule“, d. h. fast ausschliesslich die Lehre des Aegidius († 1315), des grossen Vertheidigers des Thomas, und Gregor's von Rimini; sodann S. 234-306 Bradwardina's Lehre. Auf den Augustinismus des 15. Jahrhunderts geht auch Stöckl ein, aber in seiner Weise. Uebrigens will Werner vom repristinirten Augustinismus nichts wissen. „Die älteren und neueren Versuche um die Gewinnung eines specifischen Augustinismus fallen unter verschiedene Gesichtspunkte, je nachdem sie eine Reaction gegen die Verflachung und Veräusserlichung des christlich-kirchlichen Heilsgedankens oder die unter den Schutz des Namens Augustin's gestellte Opposition eines resuscitirten einseitigen Platonismus gegen den Aristotelismus bedeuten, oder endlich auf der unklaren Fusion des universalkirchlichen Ansehens Augustin's mit der Autorität des Hauptes und Führers einer besonderen Schule entsprangen. Einer solchen unklaren Fusion verdankte die mittelalterliche Ordenstheologie der Augustiner-Eremiten (?) ihr Entstehen, welche als schola Aegydiana ins Leben trat und unter mancherlei Wandelungen ihr Dasein bis ins vorige Jahrhundert herab fortsetzte“ (S. 8 f.).

2 S. Lechler, Wiclif I. Bd. und desselben Monographie über Bradwardina 1863. Bradwardina suchte wieder darnach, eine dem christlichen Gottesbegriff adäquate Philosophie zu schaffen und kehrte desshalb zu der augustinischanselm'schen Speculation in Bezug auf ein absolut nothwendiges und vollkommenes Sein zurück, aus welchem Alles, was ist und sein kann, gefolgert werden soll. Allein er zeigt sich doch darin von Duns abhängig, dass er Gott und Welt ausschliesslich in den Gegensatz von Nothwendigem und Contingentem stellt (s. seine Schrift de causa dei adv. Pelag., Werner S. 245 ff. 299), und auch sonst sind bei ihm sehr starke Einflüsse des Nominalismus nachzuweisen. Allein sie verschwinden hinter der Haupttendenz, die „unmittelbare Einheit und Coincidenz des theologischen und philosophischen Denkens“ nachzuweisen und die Gnadenlehre Augustin's wieder herzustellen mitsammt dem Determinismus („jedes Wollen in Gott ist absolute Substanz"). Werner will nachgewiesen haben, dass Bradwardina kein Thomist ist, sondern auf die vorthomistische Scholastik zurückgreift. Das ist insofern richtig, als Bradwardina consequenterer Augustiner ist. Allein Werner hat ein Interesse, die peripatetischen Elemente bei Thomas möglichst zu betonen; denn nur wenn man diese einseitig betont, kann Thomas der Normaltheologe bleiben. „Die aristotelische Grundlage war nach allgemeinem Gefühle für die Zwecke einer methodisch betriebenen theolog. Schulwissenschaft und als »rationaler Halt gegen die falsche Verinnerlichung« des christlich-kirchlichen Glaubensbewusstseins nicht zu entbehren“ (S. 305).

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