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schliesslich Bradwardina als der Theologe zu feiern, der den Anstoss zu den augustinischen Reactionen gegeben hat, welche die Kirchengeschichte bis zu Staupitz und Luther begleitet und die Reformation vorbereitet haben. Zahlreich und zum Theil auch einflussreich sind im 15. Jahrhundert die Männer gewesen, welche, auf Augustin's Schultern stehend, gegen den Pelagianismus Front gemacht haben. Allein den Fels der nominalistischen Doctrin, die Autorität der Kirche, haben sie nicht umgestürzt und nicht umstürzen wollen. Der Augustinismus hat ferner vielfach in die Reformparteien und -secten eingewirkt; aber wie es zu keiner neuen Theologie kam, so kam es durch alle diese Bestrebungen auch nicht zu einer Reformation. Die Augustiner liessen der fides implicita und den Sacramenten noch einen weiten Spielraum, weil auch sie an das Idol der Kirchenautorität glaubten. Die herrschende Theologie blieb unerschüttert, solange man nicht ihre Wurzeln antastete. Selbst so energische Angriffe, wie die Wesel's und Wessel's, verliefen ohne allgemeine Wirkung. Aber unverkennbar ist die Thatsache, dass die nominalistische Scholastik im Laufe des 15. Jahrhunderts immer mehr der Verachtung verfiel. Während das Zeitalter in neuen frischen Eindrücken und Erkenntnissen schwelgte, wurde sie immer formalistischer, und ihre öde Formalistik wurde immer lebhafter empfunden. Der Geist der Renaissance und des Humanismus war ihr im Innersten feind; denn er wollte nicht Formeln, Syllogismen und Autoritäten; er wollte weder die Finsterniss noch die Aufklärung der „aristotelischen" Scholastik, sondern er trachtete nach Leben, das nachempfunden werden kann, und nach Erkenntnissen, welche über die gemeine Welt und die gemeine Lebenskunst erheben. Den Poeten und Humanisten wenn auch nicht allen, so doch den meisten von ihnen -war die kirchliche Theologie in dem Schulbetrieb der Scholastiker abgestandenes, schmutziges Wasser. Aber noch immer suchte man die Erlöser in der Antike. Plato, nun der wahre Plato, wurde entdeckt, verehrt und vergöttert. Es ist nicht zufällig, dass die platonische Reaction im 15. Jahrhundert mit der augustinischen zusammentrifft; denn die beiden grossen Geister der alten Zeit sind wahlverwandt - Plato's Dialoge und Augustin's Confessionen sind nicht unvereinbar. Unter dem Zeichen Plato's und Augustin's stand, was sich im 15. Jahrhundert auf dem Gebiete der Wissenschaft und Theologie auflehnte wider eine Scholastik, die trotz ihrer reichen Erkenntnisse verknöchert und hohl geworden war und den Contact mit den Bedürfnissen des inneren Lebens und der Gegenwart verloren hatte. Ernsthafter war das Nachdenken der Deutschen als der Italiener und Franzosen. Deutschland trat im 15. Jahrhundert an die Spitze der Denker und Gelehrten. Einen Mann

wie Nicolaus von Kus oder wie Erasmus haben im 15. Jahrhundert die romanischen Völker nicht hervorgebracht1. Nicolaus ist der Anfänger und Vorläufer aller der bedeutenden Männer, die im folgenden Jahrhundert, ausgehend von der platonischen Weltbetrachtung, einen so gewaltigen und frischen Zug wirklicher Aufklärung in die Welt gebracht haben. Vielfach phantastisch und sogar in Magie und Spuk versenkt, ist doch von ihnen die Erneuerung des wissenschaftlichen Denkens ausgegangen, und sie haben die wissenschaftliche Naturbeobachtung begründet. Die Zuversicht zu der Einheit aller Dinge und der kühne Schwung der Phantasie - Beides war der Schulweisheit abhanden gekommen haben die neue Wissenschaft ermöglicht. Diese ist keineswegs so entstanden, dass der Nominalismus oder die Philosophie des grossen Naturforschers Aristoteles, wie man sie betrieb, immer empirischer geworden wäre und sich allmählich zur exacten Wissenschaft entwickelt hätte, sondern ein neuer Geist fuhr über die dürren Blätter der Scholastik, zerstäubte sie kühn in die vier Winde und schöpfte Zuversicht und Kraft, auch der Natur ihre Geheimnisse abzugewinnen, aus den lebendigen, den ganzen Menschen erfassenden Speculationen Plato's und aus dem Umgang mit dem Lebendigen.

Der Theologie ist im 15. Jahrhundert freilich wenig davon zu Gut gekommen. Die italienischen Humanisten beschäftigten sich mit ihr so gut wie gar nicht höchstens dass sie einige historische Untersuchungen anstellten, um die Pfaffen und Mönche zu ärgern (Schenkung Konstantin's, Ursprung des Symb. Ap.) — und auch die deutschen brachten keine wirkliche Förderung. Allen anderen Wissenschaften konnte man helfen, indem man auf das Alterthum zurückging, aber nicht der Theologie. Was sie von Plato und den Neuplatonikern lernen konnte, das hatte sie längst gelernt. Wenn Männer wie Nicolaus von Kus sie aus den Umarmungen der Scholastiker zu befreien versuchten, so wussten sie selbst für sie doch keine bessere Gestalt, als die, welche ihr Augustin und Mystiker wie Eckhart gegeben hatten. Mit dieser Gestalt aber hatte man es längst versucht. Eben weil sie ungenügend erschien und man in diesem lichten Nebel nicht länger athmen wollte, war man einst zum Nominalismus übergegangen. Jetzt sollte man wieder zum Anfang zurückkehren; ein anderes Recept wurde nicht geboten. Die Theologie schien verdammt zu sein, sich in einem Kreislauf hülflos zu bewegen: im Grunde blieb sie, wie sie war; denn die eherne Kirchen

1 S. Stöckl, a.a. O., Janssen, Gesch. des deutschen Volkes Bd. I, Clemens, Giordano Bruno u. N. v. K. 1847. Storz, Die specul. Gotteslehre des N. v. K. i. d. theol. Quartalschr. 1873 I. Laurentius Valla ist als Kritiker dem Nicolaus überJegen, aber sonst nicht ebenbürtig,

autorität blieb. Da kam die Hülfe nicht von Aristoteles, auch nicht von Plato und Augustin, sondern aus dem Gewissen eines Bettelmönchs.

Aber was die Renaissance und der Humanismus indirect der Theologie geleistet haben, soll nicht verkannt werden. Haben sie dieselbe auch weder wirklich aufgelöst und noch viel weniger neu gebildet, so haben sie doch der zukünftigen Neubildung die erspriesslichsten Dienste geleistet. Die Quellen der Geschichte wurden aufgedeckt, und der Humanist Erasmus hat die wissenschaftliche Patrologie nicht nur begründet, sondern sofort zu hoher Blüthe geführt. Aus dem Sinn für das Originale erwuchs die Kritik. Was mit Origenes, ja zum Theil schon vor Origenes in der Kirche abgestorben war oder was sich im Grunde wenige Antiochener ausgenommen - nie kräftig entwickelt hatte, geschichtlicher Sinn und geschichtliche Exegese, das entwickelte sich nun. Es sollte der Reformation zu Gut kommen, aber es sollte auch bald wieder von ihr verschlungen werden. Für die Geschichte der Theologie und der Dogmen im engsten Sinn des Worts war übrigens der Humanismus ganz unfruchtbar. Er schob sie bei Seite, kühl und überlegen oder keck und spottend. Mit ernsthafter Kritik ist er niemals an sie gegangen. Als die Reformation anbrach, beurtheilte er den Ablassstreit als Mönchsgezänk oder als eine erfreuliche Verlegenheit, die den Pfaffen bereitet wurde. Als es dann ernst wurde und man sich entscheiden musste, zeigte es sich, dass das franciskanische Ideal in den meisten Gemüthern fester haftete als die evangelische Neigung. Auch wollte der stille Gelehrte sich nicht durch den Lärm der „lutherischen Buben" stören lassen. Theologische Lehre" hielt man für etwas Gleichgiltiges. Der Rächer sollte auf dem Fusse folgen: den erschreckten Gelehrten haben die folgenden 150 Jahre gezeigt, dass die Theologie sich nicht spotten lässt.

4. Die Ausprägung der Dogmatik in der Scholastik.

In der Scholastik des 13. Jahrhunderts hat die lateinische Kirche das erreicht, was die griechische im 8. Jahrhundert erlangt hat eine einheitliche systematische Darstellung ihres Glaubens. Diese Darstellung hat zu ihrer Voraussetzung erstens die hl. Schrift und die articuli fidei, wie sie auf den Concilien ausgeprägt waren, zweitens den Augustinismus, drittens die kirchlichen (päpstlichen) Feststellungen und die gesammte Entwickelung des Kirchenthums seit dem 9. Jahrhundert, viertens die aristotelische Philosophie.

Wir haben in dem 3. und 4. Capitel dieses Bandes gezeigt, wie der alte Aufriss der Glaubenslehre eine tiefgreifende Umänderung durch Augustin erfahren hat, wie er aber im letzten Grunde was den finis

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religionis et theologiae betrifft nicht ausser Kraft gesetzt, sondern vielmehr complicirter gestaltet worden ist: indem Augustin die in den Sacramenten wirksamen Gnadenkräfte als die Kräfte der Liebe bezeichnete, liess er die alte Betrachtung derselben, dass sie nämlich auf den Genuss Gottes vorbereiten und ihn herbeiführen helfen, bestehen. Aber er gab zugleich den kräftigsten Anstoss zu einer dualen Entwickelung der Frömmigkeit und der Kirchenlehre; denn die in den Sacramenten wirksamen Liebeskräfte stellen auch das regnum iustitiae auf Erden her, erzeugen so das der lex Christi entsprechende Leben in der Liebe und befähigen den Einzelnen zu jenen guten Werken, welche ein Verdienst vor Gott begründen und einen Anspruch auf Seligkeit schaffen.

In dieser letzten Wendung hatte Augustin seine neue Betrachtung der göttlichen Gnade als einer gratia gratis data der alten, vorzüglich abendländischen Betrachtung der Religion als eines Gefüges von Gesetz, Leistung und Lohn untergeordnet (durch den Uebergangsgedanken „nostra merita dei munera"), und diese Unterordnung hat in der Folgezeit immer weitere Fortschritte gemacht. Die Gnade (in der Form der Sacramente) und das Verdienst (Gesetz und Leistung) sind die beiden Centren der Curve der mittelalterlichen Auffassung vom Christenthum. Diese Curve ist aber ganz eingebettet in dem Glauben an die Kirche; denn da was man nicht bezweifelte ihr die Sacramente und die aus ihnen resultirende Schlüsselgewalt verliehen war, so war sie nicht nur die Autorität für das ganze Gefüge, sondern recht eigentlich die Fortsetzung Christi selbst und der Leib Christi, der ihm enhypostatisch verbunden ist. In diesem Sinn ist die mittelalterliche Theologie Ecclesiastik, obgleich sie nicht viele Worte über die Kirche gemacht hat. Aber andererseits ist dieser Theologie, wenigstens bis zum Siege des Nominalismus, niemals die augustinische Grundabsicht: Deum et animam scire cupio. Nihilne plus? Nihil omnino", aus dem Sinn gekommen, d. h. sie hat die Betrachtung nicht aufgegeben, dass es sich in aller Theologie letztlich ausschliesslich um die Erkenntniss Gottes und des Verhältnisses der Einzelseele zu ihm handelt. Das Ineinander der Theologie als Ecclesiastik und als Seelenspeise ist es, was der mittelalterlichen Scholastik ihre Spannungen und ihren Reiz verliehen hat. Aus diesem Ineinander

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1 In dem Nominalismus wurde das anders. Die Darlegung der Kirchenlehre wurde mehr und mehr Selbstzweck und aus der Verbindung mit der Religionsphilosophie herausgeführt. Dass dadurch die Originalität und Selbständigkeit der christlichen Religion als einer historischen Erscheinung wieder deutlicher hervortrat, ist nicht zu verkennen.

erklärt sich auch der doppelte Zweck, unter welchen die christliche Religion hier gestellt ist, wenn auch den Theologen nur der eine bewusst vorschwebt: Religion und Theologie sollen einerseits den Einzelnen zur Seligkeit (visio dei oder Gelassenheit des Willens) führen, sie sollen aber andererseits das Reich der Tugend und Gerechtigkeit, welches die empirische Kirche ist, auf Erden bauen und alle Mächte diesem Reich unterwerfen '.

Augustin hat die überlieferten articuli fidei in ganz neuer Weise verwerthet; sie sind ihm nicht mehr der Glaube selbst, sondern er baut mit ihnen, sie vielfach umschleifend, den Glauben auf. Aber ihre Autorität wurde dadurch nicht erschüttert, sondern in gewisser Weise noch vermehrt, sofern die äussere Autorität in dem Masse stieg, als die innere dass der Glaube sich ausschliesslich mit ihnen identificirte abnahm. Dies wirkte genau so in dem Mittelalter weiter. Dogmen im strengen Sinn sind nur die articuli fidei des kirchlichen Alterthums. Allein der Transsubstantiationslehre gelang es, die gleiche Dignität mit den alten Dogmen durch das quid pro quo zu gewinnen, dass sie in der Incarnationslehre mitgesetzt sei. Indem so die Transsubstantiationslehre neben die alten Dogmen trat2, war im Grunde

'Bei der Bestimmung der Seligkeit oder des finis theologiae erweisen sich alle Scholastiker als mystisch, d. h. augustinisch, d. h. altkatholisch bestimmt. Die fruitio dei gilt als letzter Zweck, mag sich dieselbe nun im Intellect oder in der Quiescirung des Willens in Gott vollziehen. Für diese individualistische, gegen die sittliche Bestimmung des Menschen indifferente Fassung der Seligkeit kommt die Kirche gar nicht oder lediglich als Mittel und als Hülfsanstalt in Betracht. Nur sofern sich der Mensch als irdisches, an die Zeit gebundenes Wesen fasst und sich erziehen soll, sind alle seine Ideale und die ihm hülfreichen Kräfte in der Kirche beschlossen (die Seligkeit in der Zeit ist die Seligkeit in der Kirche), und er hat die Kirche, wie sie ist, als die Mutter des Glaubens, als die Heilsanstalt, ja als das regnum Christi zu verehren. Aber dieses regnum hat im Jenseits eine von der jetzigen Gestalt total verschiedene Form. In dieser ganzen Anschauung ist die Scholastik nirgends über Augustin hinausgekommen. Das Ziel der Realisirung der irdischen und das Ziel der Realisirung der himmlischen Kirche sind gar nicht vermittelt. Der römische Katholicismus war damals und ist auch heute letztlich keine eindeutige Erscheinung, wie die griechische Kirche es ist, und wie der Protestantismus es sein könnte. Er weist seine Glieder bald auf eine in Erkenntniss, Liebe und Askese verlaufende Contemplation, die ebenso neutral gegen die Kirche ist, wie gegen jede Verbindung der Menschen untereinander und gegen alles Irdische, bald weist er sie an, in der irdischen Kirche ihre höchsten Güter und ihren eigenen Zweck anzuerkennen. Diese Anweisungen lassen sich nur abwechselnd befolgen, aber nicht in Gemeinsamkeit. In Folge hiervon hält der römische Katholicismus auch zwei Kirchenbegriffe aufrecht, die gegen einander neutral sind, die unsichtbare Gemeinschaft der Erwählten und die Papstkirche.

'S. das Symbol v. 1215.

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