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druck des Ambrosius und des Mönchthums) ohne Wirkung für ihn geblieben ist. Allein auch von hier aus vermag man schliesslich nicht, der Eigenart dieses Mannes völlig gerecht zu werden. Diese ist sein Geheimniss und seine Grösse, und man verwundet sie vielleicht schon durch jede Analyse: er kannte sein Herz als das schlimmste und den lebendigen Gott als das höchste Gut; er lebte in der Gottesliebe, und er besass eine hinreissende Fähigkeit, innere Beobachtungen auszusprechen. Indem er das that, lehrte er die Welt, dass der höchste und süsseste Genuss in dem Gefühl gesucht werden soll, das aus bezwungenem Seelenschmerz, aus der Liebe Gottes als des Brunnquells des Guten und desshalb aus der Gewissheit der Gnade entspringt. Die Theologen vor ihm hatten geträumt, dass der Mensch ein Anderes werden müsse, um selig sein zu können; er lehrte, dass der Mensch ein Anderer werden kann, wenn er sich von Gott finden lässt und aus der Zerstreuung heraus sich selbst und seinen Gott findet.

Er zerstörte das Wahnbild der antiken populären Psychologie und Moral; er gab dem Intellectualismus des Alterthums den Abschied; aber er liess ihn neu wiederaufleben in dem frommen Denken des Mannes, der in dem lebendigen Gott das wahre Sein und das höchste Gut gefunden hat. Er zuerst schied die beiden Gebiete, deren Verbindung man lange und ohne Erfolg zu lockern versucht hatte, die Natur und die Gnade; aber er band damit die Religion und die Sittlichkeit zusammen und gab der Idee des Guten einen neuen Inhalt. Er zuerst mass den Spielraum und die Kraft des Gemüths und des Willens aus und leitete von hier ab, was die Moralisten und Religionsphilosophen vor ihm verstanden zu haben wähnten, aber nie verstanden hatten; er steckte dem ziellosen Streben der Askese ein festes Ziel: die Vervollkommnung in der Gottesliebe, die Unterdrückung der Eigensucht, die Demuth. Er lehrte den Schrecken über die Tiefe der Sünde und Schuld, die er aufdeckte, zusammen zu empfinden mit dem seligen Gefühl eines immerfort getrösteten Elends und einer nie versiegenden Gnade. Er erst vollendete den christlichen Pessimismus, dessen Vertreter sich bisher im Grunde eine höchst optimistische Betrachtung des Menschenwesens reservirt hatten. Aber indem er als die Triebfeder alles menschlichen Handelns das radicale Böse nachwies, predigte er zugleich von der Wiedergeburt des Willens, durch welche der Mensch sich in dem seligen Leben heimisch mache. Er überbrückte für die Empfindung und Vorstellung die Kluft nicht,

1 Vgl. meinen Vortrag „Augustin's Confessionen“ 1888. S. auch den Aufsatz von G. Boissier in der Rev. des deux mond. 1. Jan. 1888.

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welche die christliche Ueberlieferung zwischen dem Diesseits und Jenseits nachwies; aber er zeugte von der Seligkeit des Menschen, der in Gott seine Ruhe gefunden, in so ergreifender Weise, dass dem Jenseits nur ein unbeschreibliches Schauen" vorbehalten blieb. Aber über das Alles und in dem Allem er hielt jeder Seele ihre Herrlichkeit und ihre Verantwortlichkeit vor: Gott und die Seele, die Seele und ihr Gott. Er führte die Religion ein durch positive Gedanken und das Vertrauen auf Christus beherrschtes, verklärtes und gestaltetes Mönchthum aus der Gemeinde- und Kultusform heraus und in die Herzen der Einzelnen als Gabe und Aufgabe hinein; er kündigte von der ungefärbten Demuth, die nur auf Ruinen - dem Sturz der Selbstgerechtigkeit -erblüht; er erkannte aber in eben dieser Demuth den Freibrief der Seele, und selbst wo er die Autorität der Kirche in gebieterischer Weise in Wirksamkeit setzt, geschieht es schliesslich nur, um der einzelnen Seele jene Gewissheit zu geben, die sie durch keine Anstrengung und keine individuelle Begnadigung zu erreichen vermag. Darum ist er nicht nur ein Pädagog und Lehrer, sondern ein Vater der Kirche geworden. Er war ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, dessen Blätter nicht verwelken und auf dessen Zweigen die Vögel des Himmels wohnen. Seine Stimme ist durch die Jahrhunderte der Kirche erschollen, und er hat der Christenheit das Wort gepredigt: „Wohl den Menschen, die Dich für ihre Stärke halten, die von Herzen Dir nachwandeln."

Dass für eine solche Persönlichkeit Alles, was sie in der Ueberlieferung vorfand, nur Stoff und Mittel sein konnte, dass sie es nur aufnahm, um es in der ihr entsprechenden Weise zu verarbeiten, bedarf keiner Bestätigung. In dieser Hinsicht ist Augustin den grossen Alexandrinern verwandt, und es lassen sich Zeugnisse in Fülle für diese Verwandtschaft beibringen, die sowohl durch die gleiche hochgemuthete Stimmung als durch die Abhängigkeit von der neuplatonischen Philosophie dort und hier bedingt ist. Allein der Unterschied ist bei aller Gemeinsamkeit doch höchst bedeutend. Er liegt nicht nur darin, dass jene um das Jahr 200 lebten, Augustin ein Mitglied der theodosianischen Reichskirche war, auch nicht nur darin, dass Augustin durch den Manichäismus hindurchgegangen ist, sondern in viel höherem Grade darin, dass Augustin trotz seines Neuplatonismus über das Wesen der christlichen Religion anders dachte als sie und ebenso von dem Wesen und der Autorität der Kirche andere Vorstellungen besass.

I. Er dachte an die Sünde, wenn er über Gott und Christus nachsann, und er hatte den lebendigen Gott, der uns geschaffen und erlöst hat, im Sinn, wenn er über das Böse nachdachte: die Festigkeit, mit welcher er diese Factoren auf einander bezog, ist das Neue, welches ihn vor allen seinen Vorgängern auszeichnet. Aber nicht minder neu ist die Energie, mit welcher er die Begriffe deus, Christus, verbum dei, sacramenta, ecclesia catholica für die praktische Frömmigkeit zusammenschloss, das Lebendigste und Freieste, den Besitz Gottes, einpresste in ein gleichsam dingliches Gut, welches einer Anstalt, der Kirche, übergeben sei. Wie er demgemäss die Stimmung erzeugt hat, die christliche Frömmigkeit sei getrösteter Sündenschmerz, so hat er andererseits jenes Ineinander von freiester, eigenster Hingabe an das Göttliche und stetiger gehorsamer Unterordnung unter die Kirche als Gnadenmittelanstalt geschaffen, welches den abendländischen Katholicismus charakterisirt.

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Demnach ist er in erster Linie auch für die Dogmengeschichte nicht als Theologe zu würdigen, sondern als Reformator der christlichen Frömmigkeit. Das Charakteristische der alten christlichen Frömmigkeit war das Schwanken zwischen Hoffnung und Furcht'. Man wusste, dass Jesus die Sünder annimmt; aber nun war angenommen durch die Taufe. Die Gottesthat war gleichsam erschöpft. Die ganze Dogmatik (Trinität, Christologie u. s. w.) hatte ihre praktische Spitze und damit ihr Ende in dem bloss rückwirkenden Gut, welches man in der Taufe erhielt. Was jetzt? man fürchtete den Richter und man hoffte in unsicherer Weise auf eine noch vorhandene Gnade. Die Furcht vor dem Richter trieb zu Fasten, Almosen und Gebet, und die unsichere Hoffnung tastete nach neuen Gnadenmitteln. Man schwankte zwischen der Zuversicht auf die eigenen Kräfte und der Hoffnung auf die Unerschöpflichkeit der Gnade Christi. Aber besass man nicht den Glauben? Man hatte ihn, schätzte ihn als ein hohes Gut; aber man schätzte ihn als Bedingung, als die unumgängliche Eintrittskarte. Um wirklich einzutreten, dazu waren noch ganz andere Bedingungen zu erfüllen. Die Frömmigkeit, wenn sie sich auf die Aufgabe der Gegenwart besann, lebte nicht im Glauben. Die psychologische Form der Frömmig

'Im Folgenden ist nur die Grundstimmung charakterisirt. Dass sie in Einzelnen evangelischer ausgeprägt gewesen ist, soll nicht verneint werden.

Nach dem in Bd. I und II Ausgeführten und in dem 2. Capitel dieses Bandes Angedeuteten, brauche ich es nicht mehr zu belegen, dass für die alte Kirche sich die Gnade Gottes in Christo in den Zuwendungen, die man in der Taufe erhielt, erschöpfte.

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keit war die Unruhe, d. h. die Furcht und die Hoffnung1. Man vertraute dem freien Willen; aber was sollte man thun, wenn er in Wirklichkeit eine Niederlage nach der anderen bereitete? Man sollte bereuen und es besser machen. Man war darüber nicht im Zweifel, dass die Reue dort überall ausreiche, wo es sich um Sünden gegen den Nächsten" handelte, und wo man den Schaden wieder gut machen konnte. Die Reue und das Wiedergutmachen hatten den weitesten Spielraum gegenüber der Sünde. Die Sünde ist böse That; die mit Reue verbundene gute That macht sie wett. Der Nächste kann uns vergeben, was wir an ihm gesündigt, und die Sünde besteht nicht mehr; die Kirche kann vergeben, was ihren Bestand berührt hat, und die Schuld ist getilgt. Aber der Getaufte sündigt auch wider Gott". Mag die Kirche den Kreis der Sünden, bei denen sie die Verletzte, die Richterin und die Inhaberin des Begnadigungsrechts ist, noch so weit ausdehnen es giebt Sünden wider Gott und es giebt Verfehlungen, die nicht wieder gut zu machen sind. Wer vermag Mord und Ehebruch, wer ein verfehltes Leben des Getauften rückgängig zu machen? Vielleicht steht es doch auch mit diesen Sünden nicht so schlimm; vielleicht rechnet sie Gott den Getauften überhaupt nicht an doch das wäre ein epikureischer Irrthum; vielleicht bricht sich die Macht der Kirche selbst nicht an dem Felsen vollzogener Thatsachen; vielleicht giebt es neben der Taufe doch noch andere Gnadenmittel. Aber wer vermag das zu wissen? Die Kirche schuf eine Art von Sacrament der Busse im 3. und 4. Jahrhundert; allein sie sagte nicht deutlich, wessen man sich zu diesem Sacrament versehen könne. Versöhnt es mit der Gemeinde oder mit Gott; tilgt es Sünde, Schuld und Strafen; ist es wirksam durch die Busswerke des Büssenden oder durch die Macht der Gnade? Ist es nothwendig? Giebt es denn einen sündigen Zustand, der fortdauert, wenn die Gesinnung sich geändert hat, wenn der Wille wieder mit allen Kräften nach dem Guten strebt? Giebt es überhaupt eine Schuld? Steht nicht Alles, was der Mensch seiner Anlage gemäss thun kann, in dem ewigen Wechsel, der durch böse und gute Thaten, durch Er

1 Man lese die ergreifenden Geständnisse vom 2. Clemensbrief ab, den Hirten des Hermas, Tertullian, die Bekenntnisse der Mönche und der grossen Theologen des 4. Jahrhunderts, denen die Verhältnisse es verwehrten, Mönche zu werden.

Sehr richtig Rothe, Kirchengesch. II. S. 33: „Im Stillen misstraute man doch unvermeidlich der vorausgesetzten rein übernatürlichen, mithin magischen Gnadenwirksamkeit Gottes, und darum traf man natürlich seine Einrichtung auf die Eventualität hin, dass doch am Ende Alles von den Menschen allein möchte gethan werden müssen.“

kenntniss, Reue und Streben bezeichnet ist? Wissen und Thun entscheiden. Der Mensch von heute, der das Gute thut, hat mit dem Menschen, wie er gestern war, als er das Böse that, nichts mehr gemein. Aber die Sünden wider Gott schlagen doch in den Nacken. Woher kommt die Furcht, die dauernde Furcht? Die Kirche macht ihre Thore weit und weiter; sie vergiebt Sünde, alle Sünde; aber die Ernsthaften fliehen in die Wüste. Sie versuchen es dort nicht anders, als sie es in der Welt versucht haben, und die Stimmung bleibt dieselbe Hoffnung und Furcht. Es giebt keinen Trost, dem nicht ein dreifacher Schrecken gegenüberstünde. - Das ist die Stimmung der alten Christen gewesen von dem Tage an, wo wir sie im weiten Rahmen des römischen Reiches zuerst beobachten können, bis zu der Epoche hin, deren Anbruch uns hier beschäftigt. Die evangelischen" Vorstellungen, die man sich von der Art ihrer Frömmigkeit macht, sind gar nicht am Platze. Die beiden unruhigsten Elemente, die eine Menschenbrust bewegen können, haben jene Christen beherrscht, Hoffnung und Furcht. Diese Elemente haben die Welt erschüttert und die Kirche gebaut. Wohl hatte man einen Glauben und schuf sich eine Dogmatik; aber sie beruhigten noch nicht über das Leben des Tages, über das Leben überhaupt. Sie beflügelten die Hoffnung, aber sie tilgten die Furcht nicht aus. Sie sagten nichts darüber, was die Sünden seien, mit denen der Christ täglich kämpft, und was Christus für diese Sünden gethan habe. Sie überliessen diese Fragen den Gewissen der Einzelnen, und die Antworten der kirchlichen Praxis waren nicht Antworten, die das Gemüth beruhigten. Die ganze Dogmatik mündete sicher nur in den Zuwendungen der Taufe aus. Wer aus dieser aufstieg, musste nun seinen Weg allein gehen. Wenn er ernsthaft nachsann, konnte es ihm nicht zweifelhaft sein, dass die Kirche ihm nur noch Krücken zu reichen vermochte.

„An Dir allein habe ich gesündigt“, „Du, Herr, hast uns auf Dich hin geschaffen, und unser Herz ist unruhig, bis es Ruhe findet in Dir", „da quod iubes, et iube quod vis" 1; „der durch den Glauben Gerechte wird leben“; „eo quod quisque novit, non fruitur, nisi et id diligit, neque quisquam in eo quod percipit permanet nisi dilectione" 2 ̧ Das sind die neuen Töne, die Augustin angeschlagen hat, das ist der gewaltige Accord, den er aus der hl. Schrift, aus den tiefsten Betrach

'De pecc. mer. et remiss. II, 5, de spiritu et lit. 22, s. Confessionen X, 40 und de dono persever. 53. Die Sache schon Soliloq. I, 5: „Jube quaeso atque impera quidquid vis, sed sana et aperi aures meas." Enchir. 117: „Fides impetrat, quod lex imperat."

De fide et symb. 19.

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