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habe". So mag noch Manches im Schosse der Zukunft ruhen, was die ewige Weisheit kommenden Päpsten offenbaren wird aber neue Offenbarungen finden nach dem Wortlaut der ultramontanen Dogmatik nicht statt.

Wie zahm nimmt sich neben dem heute geltenden Traditionsbegriff das tridentinische Decret über die Tradition aus. Es klingt uns bereits wie eine Legende aus alter Zeit: „veritatem et disciplinam contineri in libris scriptis et sine scriptis traditionibus, quae ab ipsius Christi ore ab apostolis acceptae aut ab ipsis apostolis spiritu s. dictitante quasi per manus traditae ad nos usque pervenerunt." Aber leider lässt sich nicht eine stufenmässige Entwickelung von diesem Princip bis zu dem heutigen behaupten; denn das heutige war schon in voller Stärke in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vorhanden. Es hat nur propter angustias temporum nicht zum Ausdruck kommen können. Eben desshalb lässt sich auch keine Geschichte des römischen Traditionsbegriffs vom Tridentinum bis zum Vaticanum schreiben, sondern es lassen sich nur Geschichten erzählen, welche den kommenden vollen Sieg des revolutionären Traditionsprincips über das alte verkündigen'. In diesem Sieg ist die Entchristlichung und Verweltlichung der christlichen Religion im Katholicismus vollendet. Das gnostische Traditionsprincip (apostolische Geheimtradition) und das enthusiastische Princip, gegen welche einst das altkatholische aufgestellt worden ist, haben unter der Hülle des letzteren ihren Einzug in die Kirche gehalten und sich in ihr etablirt. Häretisch im strengen Sinn der alten Kirche ist die heute geltende Lehre von der Tradition, weil gnostisch und enthusiastisch 2. Aber sie haftet heute nicht mehr an einer elastischen Gemeinschaft, in welcher sich die Factoren im Widerstreit bis zu einem gewissen Grade controliren und corrigiren, sondern an einem einzigen italienischen Priester, der das Ansehen und zum Theil auch die Macht der alten Cäsaren besitzt. Keine aus dem geschichtlichen Wesen der christlichen Religion stammende Schranke schränkt ihn mehr ein. Jedoch vermag er, eingeengt durch den Ring des heiligen Collegiums, die Ueberlieferungen seines Stuhls und die Superstition der Gläubigen, schwerlich etwas als „tradirten Glaubenssatz" zu formuliren, was den

1 S. die Abschnitte bei Holtzmann S. 31 f. 52f. 83 f. 224 f. 231 f. 237 f. 250 f. 260 f. 273 f. 283 f.

2 Sehr richtig desshalb die Schmalkaldischen Artikel P. III a. 8 (S. 321 Müller): „Quid, quod etiam papatus simpliciter est merus enthusiasmus, quo papa gloriatur, omnia iura esse in scrinio sui pectoris, et quidquid ipse in ecclesia sua sentit et iubet, id spiritum et iustum esse, etiamsi supra et contra scripturam et vocale verbum aliquid statuat et praecipiat."

Geist des 13. Jahrhunderts oder der Contrareformation gegen sich hätte1.

2. In dem 1566 von Pius V. publicirten Catechismus Romanus ist die thomistische Gnadenlehre, nachdem sie zu Trident nur gebrochen zum Ausdruck gekommen war, sehr entschieden dargelegt worden. Allein diese Darlegung war die letzte in ihrer Art. Der Catechismus Romanus bezeichnet das Grab einer Doctrin, die in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts von den besten Katholiken vertreten gewesen ist. Er ist der Schlussstein der augustinischen Reaction, sofern dieselbe in der Kirche nicht nur geduldet oder gar bekämpft, sondern anerkannt gewesen ist und zur Regeneration des Katholicismus sehr viel beigetragen hat. Fortan erhob sich ein Kampf gegen Augustin, geführt von den Kirchlichen" par excellence, den Jesuiten. Dieser Kampf sollte nicht eher aufhören, als bis „der letzte Feind" ohnmächtig jedoch nicht erschlagen am Boden lag und die weltförmige Praxis des Beichtstuhls der Dogmatik ihr Gesetz vorschreiben konnte. Doch wäre es ungerecht, zu behaupten, dass hier nur Laxheit, dort religiöser Ernst regiert habe. In den Reihen der Gegner der Augustiner fanden sich auch Männer von lauterer katholischer Frömmigkeit, während manche Augustiner Bahnen einschlugen, welche von der Kirchlichkeit abwichen.

Nicht in Deutschland, sondern auf romanischem und belgischem Boden hat sich der Kampf um den Augustinismus abgespielt. Das erste Stadium ist durch die Namen Bajus und Molina bezeichnet3. In verschiedenen Schriften und in seinen Vorlesungen hatte Bajus,

1 1 In dieser Beziehung ist der Mahnbrief sehr interessant, den Bellarmin im Jahre 1602 an den Papst gerichtet hat, s. Döllinger, Beiträge IIIS. 83, Döllinger und Reusch, Selbstbiographie des Cardinals Bellarmin S. 260. Dieser grosse Curialist hat es gewagt - freilich in einer dogmatischen Frage, die ihn sehr nahe anging, den Papst zu meistern und ihn daran zu erinnern, dass er die Controverse nicht einfach von sich aus entscheiden dürfe, ohne die Kirche und sich selbst in Ungelegenheit zu bringen.

2 Der Protestantismus ist an dieser innerkatholischen Bewegung fast ganz unbetheiligt gewesen. Die katholischen Augustiner des 16. und 17. Jahrhunderts haben, verschwindende Ausnahmen abgerechnet, dem Protestantismus ebenso schroff und abwehrend gegenübergestanden wie die Vertreter der herrschenden Kirchenpraxis; ja man hat sogar Augustin ausgespielt, um die Reformation um so nachdrücklicher bekämpfen zu können.

Linsenmann, Michael Bajus und die Grundlegung des Jansenismus. 1867. Schneemann, Entstehung der thomistisch-molinistischen Controverse (vgl. auch andere einschlagende Arbeiten dieses Jesuiten). Serry, Hist. congreg. de auxiliis. L. Meyer, Hist. controv. de auxiliis 2 Bdd., Döllinger und Reusch, Selbstbiographie Bellarmin's S. 256 ff. Scheeben, Wetzer und Welte 2. Aufl. I. Bd. „Bajus“.

Professor in Löwen (1544-1589), ohne strenge systematische Entwickelung die augustinische Lehre von der Sünde und Unfreiheit scharf pointirt vorgetragen, nicht um dem Protestantismus entgegenzukommen, sondern um ihn zu bekämpfen. Schon 1560 hat die Sorbonne eine Reihe seiner Sätze, die ihr handschriftlich vorgelegt worden waren, verurtheilt. Dann wurde er auf Grund von kleineren Schriften, die er hatte erscheinen lassen, beim Papst verklagt. Jesuiten und Franciskaner waren seine Feinde. Sie nahmen vor Allem auch an seiner unbedingten Verwerfung der Lehre von der unbefleckten Empfängniss Maria's Anstoss. Pius V. erliess 1567 die Bulle „Ex omnibus afflictionibus", welche, ohne Bajus' Namen zu nennen, 79 seiner Sätze verwarf, resp. beanstandete1. Erst als er Umstände machte sich zu fügen, wurde die Bulle publicirt. Zweimal hat Bajus einen Widerruf leisten müssen, nachdem der neue Papst Gregor XIII. die Censur seines Vorgängers bestätigt hatte. In Bajus wurde Augustin selbst aufs schärfste getroffen, wenn sich auch die Curie in dem Satz: ,,quamquam nonnullae sententiae aliquo pacto sustineri possent", eine Hinterthür offen gelassen hatte. Eine grosse Anzahl der censurirten Sätze sind nach Form und Inhalt augustinisch, so dass in ihrer Verwerfung die Loslösung von der Autorität des grossen Afrikaners offenbar ist. Bajus' Hauptgedanken waren, 1) dass die Gnade immer nur Gnade durch Jesum Christum ist 3, 2) dass Gott den Menschen nur gut schaffen konnte und gut geschaffen hat, dass ihm daher, wenn er im Guten beharrt hätte, alles Gute natürlich" zugefallen wäre, dass aber der Sündenfall eben desshalb nicht nur den Verlust eines donum superadditum, sondern die völlige Verstörung des menschlichen Wesens zur Folge gehabt hat, 3) dass der Wille des Menschen durch die Sünde unfrei geworden ist und der Mensch daher nothwendig, wenn auch mit seinem Willen, sündigen müsse, zum Guten schlechthin unfähig sei und nichts Gutes aus sich selber könne,

1,Quas quidem sententias stricto coram nobis examine ponderatas, quamquam nonnullae aliquo pacto sustineri possent, in rigore et proprio verborum sensu ab assertoribus intento haereticas, erroneas, suspectas, temerarias, scandalosas et in pias aures offensionem immittentes respective ... damnamus“; s. Denzinger, 1. c. p. 208.

"Eigenthümliches, welches keinen Bezug auf den Augustinismus hat, resp. ihm widerspricht, übergehe ich.

3 S. Propos. 1 in der Bulle „Ex omnibus afflictionibus", ferner 2-7. 9.

S. die Propos. 1-7. 9. 11. 21. 23: „Absurda est eorum sententia, qui dicunt, hominem ab initio dono quodam supernaturali et gratuito, supra conditionem naturae suae fuisse exaltatum, ut fide, spe et caritate deum supernaturaliter coleret." 24.26.78.

5 S. die Propos. 20: „Nullum est peccatum ex natura sua veniale, sed omne

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4) dass demgemäss alle Werke der Ungläubigen Sünden und die Tugenden der Philosophen Laster seien', 5) dass die Erbsünde wirkliche Sünde sei und die Concupiscenz nicht minder2, 6) dass alle Menschen, einschliesslich der Maria, Sünder seien und den Tod um ihrer Sünden willen erlitten3, 7) dass es in keinem Sinn menschliche Verdienste Gott gegenüber gebe, Gott vielmehr allem Verdienst zuvorkomme, indem er den bösen Willen in einen guten umwandelt und so selbst alle bona merita bewirkt (durch das Verdienst Christi)". In der Lehre von der Rechtfertigung und den Sacramenten hielt sich Bajus wesentlich an den herrschenden kirchlichen Typus. Allein obgleich er, demselben entsprechend, die Gerechtigkeit in der wirklichen Vollkommenheit erkannte, so legte er doch ein viel stärkeres Gewicht auf die Sündenvergebung, als das Tridentinum das gestattete: die Sündenvergebung ist ihm zwar ideell und letztlich nicht die Gerechtigkeit, aber factisch kommt unsere active Gerechtigkeit nur durch das fortwährende Complement der Sündenvergebung zu Stande, welche Gott als Gerechtigkeit anrechnet. Die Sündenvergebung ist peccatum meretur poenam aeternam." 27: „Liberum arbitrium sine gratiae dei adiutorio nonnisi ad peccandum valet." 28. 30. 35. 37. 39: „Quod voluntarie fit, etiamsi necessario fit, libere tamen fit." 40. 41: „Is libertatis modus, qui est a necessitate, sub libertatis nomine non reperitur in scripturis, sed solum nomen libertatis a peccato." 46: „Ad rationem et definitionem peccati non pertinet voluntarium, nec definitionis quaestio est, sed causae et originis, utrum omne peccatum debeat esse voluntarium.“ 65. 67.

1 S. die Propos. 25: „Omnia opera infidelium sunt peccata et philosophorum

virtutes sunt vitia."

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S. die Propos 47: „Peccatum originis vere habet rationem peccati sine ulla ratione ac respectu ad voluntatem, a qua originem habuit." 48. 49. 51: Concupiscentia et prava eius desideria, quae inviti sentiunt homines, sunt vera legis inobedientia." 52. 53. 74. 75. 76.

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S. die Propos. 73: „Nemo praeter Christum est absque peccato originali: hine b. virgo Maria mortua est propter peccatum ex Adam contractum omnesque eius afflictiones peccati actualis vel originalis." 72.

Prop. 8: „In redemptis per gratiam Christi nullum inveniri potest bonum meritum, quod non sit gratis indigno collatum." 10: „Solutio poenae temporalis, quae peccato dimisso saepe manet, et corporis resurrectio proprie nonnisi meritis Christi adscribenda est." 22. 29: „Non soli fures ii sunt et latrones, qui Christum viam et ostium veritatis et vitae negant, sed etiam quicunque aliunde quam per ipsum in viam iustitiae (hoc est aliquam iustitiam) conscendi posse docent." 34: „Distinctio illa duplicis amoris, naturalis vid., quo deus amatur ut auctor naturae, et gratuiti, quo deus amatur ut beatificator, vana est." 36: „Amor naturalis, qui ex viribus naturae exoritur, ex sola philosophia per elationem praesumptionis humanae cum iniuria crucis Christi defenditur a nonnullis doctoribus." 65. 77: „Satisfactiones laboriosae iustificatorum non valent expiare de condigno poenam temporalem restantem post culpam condonatam.“

für ihn nicht nur Initiationsact, sondern eine Parallele zur operatio virtutum. Auch das ist noch immer katholisch. Die Prädestinationslehre Augustin's scheint Bajus mehr in den Hintergrund geschoben zu haben.

Bajus hat in seiner Lehre auch die evangelischen Grundgedanken, ohne es zu wollen, gestreift, wenn auch seltsam vermischt mit katholischen Lehren. Aber durch seinen Widerruf ging die Wirkung seiner weittragenden Sätze verloren. Dagegen dauerte der Gegensatz der Dominikaner und Jesuiten fort. Wechselseitig verwarf man die besonderen Lehren (die Studienordnung des Jesuitengenerals Aquaviva verwarf 17 thomistische Sätze; die Dominikaner wirkten mit Erfolg gegen diese Studienordnung und verdammten die Sätze zweier besonders kecker Jesuiten, Lessius und Hamel, über die Prädestination). Aber zu hellen Flammen loderte der Streit erst auf, als der Jesuit Luis Molina im Jahre 1588 sein Werk: „Liberi arbitrii cum gratiae donis, divina praescientia, providentia, praedestinatione et reprobatione concordia" hatte erscheinen lassen. Dieses Werk geht von dem Vermögen des natürlichen Menschen, sich für die Gnade disponiren zu können, aus (s. das tridentinische Decret) und sucht mit einer staunenswerthen scholastischen Energie3 die göttliche Ursächlichkeit, ja sogar die augustinischen Thesen, mit dem Semipelagianismus zu verbinden, resp., ihm unterzuordnen. Das konnte natürlich nicht gelingen. Aber das blosse Unternehmen war im Sinne seiner Kirche verdienstlich, und in Worten lässt sich Alles zusammenquälen. Factisch war hier der Augustinismus preisgegeben (Gott unterstützt nur), und zwar so offenkundig, dass selbst Scotisten an dem Buche Anstoss nahmen. Die Tragikomödie, die nun in unzähligen Acten erfolgte, zu schildern, kann nicht unsere Aufgabe sein. Doch bietet sie ein sehr instructives Beispiel dafür, dass das Dogma als

1 Merkwürdige Thesen über die Justification sind die 42. 43. 44. 63. 64. 68. 69. 70. Offenbar ist in den vom Papst formulirten Thesen Ungehöriges eingemischt. "Die 2. Auflage 1595 ist wesentlich unverändert.

3 Die alten Bemühungen um die Arten des Wissens Gottes hat Molina fortgesetzt und in den Dienst seiner Aufgabe gezogen: mit Hülfe der „scientia media“ sieht Gott das Mögliche, welches unter Umständen wirklich wird, voraus. Auf die Einzelheiten der Lehrweise Molina's kann ich mich nicht einlassen. Man hat übrigens bei der Beurtheilung derselben zu berücksichtigen, dass die katholische Kirche nicht mehr augustinisch war, und dass Molina's Unternehmen ein verständiger Versuch ist, das wirklich Giltige zum Ausdruck zu bringen. Dass Molina über die Lehre schreibt, d. h. vom Standpunkt des verständigen Beurtheilers, und nicht die Rechtfertigung, wie sie der Sünder erlebt hat, beschreibt, ist kein Vorwurf, der ihn allein trifft; er trifft auch das tridentinische Decret und den officiellen Katholicismus überhaupt.

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