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was die Freiheit eines Christenmenschen ist nicht ernsthaft zu rütteln. Man hat es daher nicht, oder jedenfalls nicht in erster Linie, ihnen zu verdanken, wenn nachmals ein freieres Verhältniss zur Schrift in der Kirche gewonnen worden ist. Dieses ist vielmehr eine Frucht der inneren Entwickelung des Protestantismus; das Fortwirken Weigel'scher und Böhme'scher Ideen ist an diesem Ergebniss schwerlich betheiligt. Die Reformer erweisen durch ihr Festhalten an der von der Kirche gesammelten und prädicirten Schrift ihren mittelalterlichen Charakter; aber sie haben doch die Grundlagen des Dogmas gesprengt; denn dieses ruht nicht auf der Schrift allein, sondern auf der Lehrautorität der Kirche und auf dem alleinigen Recht der Kirche, die Schrift auszulegen. Indem die Reformer dieses Recht sich selbst und jedem Christenmenschen vindicirten, schufen sie — hier freilich mit dem alten Protestantismus Hand in Hand gehend - den Widerspruch, eine umfangreiche Büchersammlung als absolute Norm in Geltung zu setzen, aber das Verständniss derselben den Bemühungen der Einzelnen zu überlassen.

Was den zweiten Punkt betrifft, so hat sich der Antitrinitarismus in allen vier oben charakterisirten Gruppen entwickelt, aber in verschiedener Weise. In der ersten Gruppe ist er nicht aggressiv gewesen, vielmehr latitudinarisch. Ein solcher latitudinarischer Antitrinitarismus hat aber auch in der alten Kirche, ja bei den Vätern des Dogmas, nicht gefehlt; er gehört in gewisser Weise zu dem Dogma selbst. Das spröde Dogma mystisch-pantheistisch zu erweichen, die Trinität auf „modi“ zurückzuführen und mit dem Weltgedanken zu verflechten, in der Christologie den Specialfall eines sich immer wiederholenden Ereignisses zu erblicken, die Vereinigung der göttlichen und menschlichen Natur in Christo als eine vollkommene Verschmelzung zu betrachten, die in der Metaphysik ihren letzten

1 Hier ist vor Allem Hans Denck ehrenvoll zu nennen; vgl. Keller, Ein Apostel der Wiedertäufer 1882 S. 83 ff. u. sonst. Denck hält das Wort Gottes in der hl. Schrift fest, bestreitet aber die gesetzliche Autorität des Buchstabens und weiss, dass nur der Geist den Geist des göttlichen Worts zu erkennen vermag; vgl. auch die Thesen S. Franck's. Henke I S. 403: „In der Verwerfung des > formalen Princips« war doch Manches schriftgemässer als die Lehre, dass der Geist nur durch das verbum externum gegeben werde." Dies ist richtig; aber stritt Luther unter der spröden Hülle des verbum externum nicht für den geschichtlichen Christus wider einen Christus, der zur Phantasie zu werden drohte?

2 Trechsel, a.a. O., dessen Methode und Classificirung aber viel zu wünschen übrig lässt. Ueber die Antitrinitarier handeln auch Baur und Dorner in ihren Werken z. Gesch. der Lehre v. d. Trinität und der Christologie (vgl. auch des Letztern Gesch. d. protest. Theol. 2. Aufl. 1867).

Grund hat, in allen Dogmen Hüllen der Wahrheit zu erkennen, u. s. w., das Alles sind keine Neuerungen. Mithin. sind auch Schwenkfeld, Weigel, G. Bruno und ihr Anhang nicht Antitrinitarier im strengsten Sinn des Worts, wenn auch ihre Lehren im Fortwirken als Ferment zur Auflösung des alten Dogmas gedient haben. In der zweiten Gruppe bildet der Antitrinitarismus nur ein Moment in dem Widerspruch gegen das Kirchenwesen, welches ganz und gar Babel ist, und zwar ein Moment, das längst nicht überall hervorgetreten ist und auch dort, wo es sich neben der Verwerfung der Kindertaufe, dem Spiritualismus und der Lehre von der Apokatastasis geltend machte, sehr verschieden motivirt erscheint. Denck, vielleicht der Ausgezeichnetste unter den Wiedertäufern, hat in seiner Schrift: „Ordnung Gottes und der Creaturen Werk", den Antitrinitarismus kaum gestreift. Ihm lagen wichtigere Dinge am Herzen als die Polemik gegen die Trinitätslehre; an der Gottheit Christi hat er nie gezweifelt. Wenn er einmal sagt: „Allmacht, Güte und Gerechtigkeit das ist die Dreifaltigkeit, Einigkeit und einige Dreiheit Gottes", so ist dieser Ausspruch doch nicht direct antitrinitarisch zu verstehen. Er wollte nur, wie Melanchthon in der ersten Ausgabe der loci, die Aufmerksamkeit von den Schulformeln auf die Sache richten. Sein unreiner Genosse Hätzer hat vorübergehend von dem „Aberglauben der Gottheit Christi" gesprochen, weil Gott nur Einer sei; aber er selbst scheint dann auf diese Abweichung wenig Gewicht gelegt zu haben, und sein Widerspruch war ohne Erfolg3. Energischer war der Widerspruch des Campanus gegen die Trinität in seiner Schrift: „Wider alle Welt nach den Aposteln“, um deren willen Melanchthon den Verfasser des „lichten Galgens" für würdig erklärte. Allein die positive Ausführung (Restitution und Besserung göttlicher und heiliger Schrift"), welche zwei göttliche Personen lehrte, den Sohn für consubstantialis,

Sie wie die in der folgenden Gruppe zu nennenden Männer polemisirten auch gegen die „äusserlichen“ Vorstellungen von der Versöhnung (das Satisfactionsdogma); vgl. Ritschl, Rechtfert. u. Versöhnung 1. Aufl. I S. 305–311. Münzer betonte echt mittelalterlich nur das Vorbild Christi, schwieg aber über seine Bedeutung als Versöhner. Denck hat an einem Missverständniss der Lehre Luther's Anlass genommen, die Idee der allgemeinen Versöhnung durch Christus überhaupt zu verwerfen. Daher wurde in seinem Kreise die Lehre von der Gottheit Christi

fraglich.

S. Keller, a. a. O. S. 90. Trechsel, a. a. O. I S. 13 ff. Doch ist Trechsel's Darstellung durch Keller antiquirt. Henke I S. 418 ff.

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Trechsel, a. a. O. I S. 13 ff. Keim i. d. Jahrbb. f. deutsche Theol. 1856 II u. i. Herzog's R.-E. Bd. V. Ein Gesinnungsgenosse Hätzer's war Kautz aus Bockenheim.

jedoch dem Vater untergeordnet erklärte, blieb eine Singularität'. Im Zusammenhang mit einer Geschichtsphilosophie (drei Zeitalter) hat David Joris die Trinität als dreifache Offenbarung Gottes sabellianisch behandelt. In valentinianischer Weise hat sich der unermüdlich wandernde Melchior Hoffmann die Christologie zurechtgelegt 3, während der venetianische Wiedertäufer Pietro Manelfi Christus als den göttlichen, von Joseph und Maria erzeugten Menschen verkündigte und mit dieser Lehre auf einer anabaptistischen Synode (1550) durchdrang 5. Dies ist in Italien geschehen; denn dort (und zum Theil in Südfrankreich durch Servede) allein ist der Antitrinitarismus zu wirklicher Entfaltung gekommen. Dort allein ist er nicht nur ein Moment neben anderen kritischen Momenten, sondern das eigentlich kritische Moment geworden. Es ist das innerhalb der oben charakterisirten dritten Gruppe geschehen. Die Verbindung des Humanismus mit der nominalistisch-pelagianischen Ueberlieferung der Theologie hat in Italien den Antitrinitarismus als einen wirklichen Factor der geschichtlichen Bewegung erzeugt. Hier wird die Trinitätslehre aufgelöst, ja es gilt ihre Beseitigung als wichtigste Reinigung und Entlastung der Religion. An die Stelle derselben tritt die Lehre von dem einen Gott und von dem geschaffenen Christus. Die Lehre über den letzteren bleibt schwankend: bald lautet sie arianisch, bald adoptianisch; auch ein sabellianisches Element fehlt nicht ganz. Eine merkwürdige Parallele zu der Geschichte der alten Adoptianer in der Kirche thut sich hier auf. Wie die alten Theodotianer in Rom, so sind auch diese neuen Theodotianer gleichmässig für die Bibel und für die nüchterne Philosophie interessirt; wie die alten Theodotianer bilden sie nur eine Schule, trotz aller Versuche, eine Kirche zu gründen; wie jene arbeiten sie mit der Grammatik, der Logik und den exegetischen Methoden, und wie jene lassen sie bei allem Ernst den Ernst der Religion vermissen. Je mehr man in die Details geht (vgl. auch den Schriftbeweis), desto frappanter ist die Verwandtschaft. Eine ganze Schaar von Antitrinitariern hat Italien in der Mitte des 16. Jahrhunderts erzeugt. Camillo Renato, Gri

Trechsel, a. a. O. S. 26-34.

2 Nippold, in d. Zeitschr. f..d. histor. Theol. 1863. 1864. Henke IS. 421 f.

3 Zur Linden, M. H., ein Prophet der Wiedertäufer 1885.

Ueber das Ev. zu Venedig s. Trechsel II S. 32 ff. Benrath i. d. Stud. u. Krit. 1885 I.

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5 Auch Manelfi ist schliesslich wieder katholisch geworden.

Vgl. den ganzen 2. Bd. des Trechsel'schen Werks.

'Auf Servede's Lehre gehe ich nicht ein; denn wenn auch dieser Spanier der bedeutendste Antitrinitarier des 16. Jahrhunderts gewesen ist, so ist es ihm doch ver

baldo, Blandrata, Gentilis, Occhino und die beiden Sozzini sind vor Allem zu nennen. Die Geschichte dieser Personen gehört nicht hierher; wohl aber verdient der allgemeine Gang der antitrinitarischen Bewegung die Aufmerksamkeit. Jene Reformer vermochten sich in Italien nicht zu halten; sie mussten ihr Vaterland verlassen, und sie suchten sich daher an den Grenzen desselben, in Graubünden und der Südschweiz, anzusiedeln. Hier trafen sie auf die calvinische Schöpfung. Es ist ein grosser Moment in der Kirchengeschichte, als von Lyon her durch Servede, vom Süden und von Graubünden her durch die genannten Männer der Antitrinitarismus um Bürgerrecht in Genf, wo eine grosse italienische Colonie bestand, und in der Schweiz nachsuchte. In den Händen Calvin's lag die Entscheidung, und Calvin sagt geblieben, eine nachhaltige Wirkung auszuüben. Von den meisten italienischen Antitrinitariern unterscheidet er sich dadurch, dass sein Widerspruch gegen die Trinitätslehre letztlich im Pantheismus begründet ist. Modalistische, gnostische und adoptianische Elemente dienten ihm zum Aufbau der Christologie, die von neuplatonischen Prämissen aus entworfen ist. Henke I S. 423 ff.

1 Hier sind nur die wichtigsten Namen angeführt, viele andere bei Trechsel II

S. 64 ff. Ueber Occhino s. d. Monographie von Benrath 1875.

2 In den reformirten Gemeinden stand man doch nicht von Anfang an so fest auf dem Boden der Trinitätslehre und der chalcedonensischen Christologie wie in den lutherischen, weil man nicht das Bewusstsein hatte, sich durch eine Reformation von der katholischen Kirche zu unterscheiden, sondern weil man mit ihr gebrochen zu haben sich bewusst war. Eben desshalb hielt es dort viel schwerer, zureichende Gründe für das strenge Festhalten an dem kirchlichen Alterthum zu finden, zumal wenn man sich durch einige Schriftstellen überzeugen liess, dass die Sache doch nicht so ganz klar und zweifellos in der Bibel enthalten sei. Wie viele Männer in der Schweiz gab es um die Mitte des 16. Jahrhunderts, welche mit den übrigen katholischen Lehren auch die trinitarischen mindestens zurückstellten! Das Argument, dass es sich für einen Christen nicht zieme, Ausdrücke zu brauchen, die nicht in der Schrift ständen, hatte auf reformirtem Boden eine ungeheure Kraft. Selbst Männer wie Vergerio waren den Antitrinitariern sehr günstig gesinnt (s. Trechsel II S. 117 ff.). Es war wirklich nahe daran, dass man in einigen schweizer Landeskirchen sich den Antitrinitarismus gefallen liess. Wie gross die Krisis in den 50er Jahren gewesen ist, zeigen die zahlreichen Briefe der reformatorischen Epigonen über die trinitarische Frage in dieser Zeit. Der Druck, den die lutherischen ausübten, hätte schwerlich genügt, um die freien Gemeinden der Schweiz aus der Bahn der Freiheit zu werfen. In Calvin's Händen hat die Entscheidung gelegen, und er hat den Antitrinitarismus für häretisch erklärt. Damit war die Sache für Genf, für die Schweiz, für die Pfalz, ja für alle Gebiete entschieden, die unter dem ehernen Druck des grossen Gesetzgebers standen. Blickt man lediglich auf die Frage an sich, so muss man es tief beklagen, dass die Reformation, so nahe vor den gewaltigsten Fortschritt gestellt, den entscheidenden Schritt nicht gethan hat. Allein erwägt man, dass die hervorragendsten Antitrinitarier keine Ahnung von dem Glaubensbegriff Luther's und Zwingli's besessen haben und sich zum Theil im schlimmsten Moralismus ergingen, so muss man urtheilen, dass die Toleranz gegen

hatte sich selbst einst eine sehr despectirliche Aeusserung über das Nicäno-Konstantinopolitanum erlaubt'. Allein er hat doch nicht gegen seine Ueberzeugung gehandelt, als er die schroffste Haltung wider die Antitrinitarier einnahm. Ist ihm auch eine Verengung seines Standpunkts durch den Gegensatz gegen die Genfer „Libertiner" aufgezwungen worden, so musste ihn doch die Consequenz seiner Glaubenslehre selbst zu den schärfsten Massregeln nöthigen. Er hat Servede verbrennen lassen, und er hat durch sein mächtiges Wort die übrigen schweizer Cantone, in denen man (besonders in Basel) ursprünglich weitherziger urtheilte, vor der Toleranz bewahrt und zur Strenge seines Princips bekehrt. Die Antitrinitarier hatten unterdess in Polen und Siebenbürgen eine Freistätte gefunden. Der Zug der Italiener nach Polen erklärt sich nicht nur aus der grossen Freiheit, welche daselbst in Folge der permanenten Anarchie (Souveränetät der Grossgrundbesitzer) herrschte; vielmehr hat man daran zu erinnern, dass es vielleicht kein zweites Land in Europa im 16. Jahrhundert gegeben hat, dessen Städte so italienisch waren, wie Polen. Polen hat keine eigene Renaissance erlebt wie Deutschland; aber der directe Verkehr zwischen Italien und Polen war der lebhafteste: italienische Baumeister haben die Prachtgebäude in Krakau, Warschau u. s. w. ausgeführt, und wie rege der geistige Verkehr zwischen Polen und Italien gewesen ist, das haben uns die neueren Publikationen über polnische Humanisten gezeigt. Diesen Beziehungen ist es mit zu verdanken, dass die italienischen Reformer nach Polen gekommen sind; nach Siebenbürgen zogen sie wohl lediglich desshalb, weil es an den Grenzen der Christenheit lag und ihnen dort die allgemeine Unordnung zu Gut kam. So sind sie ja auch nach England gegangen in den Tagen Eduard's VI., als die Religionsverhältnisse dort in völliger Auflösung zu sein schienen.

In Siebenbürgen und Polen entstanden antitrinitarische Gemeinden; ja in Siebenbürgen gelang es dem energischen Blandrata, das antitrinitarische Bekenntniss als viertes christliches Bekenntniss zur förmlichen Anerkennung zu bringen. Innerhalb der Anarchie fand sie im 16. Jahrhundert wahrscheinlich die Auflösung des evangelischen Glaubens, zunächst im Gebiete des calvinischen Einflusses, bedeutet hätte. Calvin schützte durch seine drakonischen Massnahmen gegen die Antitrinitarier den Glauben — Luther's.

'S. Köllner, Symbolik I S. 48: „patres Nicaenos fanaticos appellat — s. Nicaenum battologias arguit carmen cantillando magis aptum, quam confessionis formulam."

2 Ueber Blandrata besitzen wir in unserer Litteratur noch keine Monographie; seine „confessio antitrinitaria" hat Henke 1794 neu herausgegeben, vgl. Heberle i. d. Tüb. theol, Ztschr. 1840 IV. Eine italienische Monographie: Malacarne, Com

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