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Katechismus auch nicht. Er begnügt sich damit, die Rechtfertigung auf drei Zeilen irgendwie inventarisirt zu haben. Kein weiteres Wort über dieselbe hält er für nöthig; denn die zwei Seiten, die sonst noch der Rechtfertigung gewidmet sind, beschäftigen sich mit der gleichgiltigen Frage, ob schon die vorchristlichen Väter gerechtfertigt worden sind.

4. Die Kürze der nun noch folgenden Sectionen (de munere Christi sacerdotali p. 320-331, de munere Christi regio p. 331-339, de ecclesia p. 340–355) ist an sich ein Beweis, dass die Religionslehre mit der Darstellung des prophetischen Amtes Christi („praecepta et promissa dei") im Grunde beendigt ist. Da aber jene Titel aufgenommen werden mussten (gemäss der hl. Schrift), so ist auch Manches ausgeführt worden, was sich in die Lehre nicht einfügt, sondern als biblischer Stoff dieselbe durchkreuzt. Dies ist namentlich in dem Abschnitt über das hohepriesterliche Amt deutlich. Hier hat der Katechismus nicht nur auf Grund des Hebräerbriefs das fortdauernde Priesterthum Christi betont (p. 320 sq.), sondern ist auch auf den Gedanken der fortdauernden expiatio peccatorum per Christum in caelis eingegangen (p. 321 sq.): „Jesus in caelis expiationem peccatorum nostrorum peragit, dum a peccatorum poenis nos liberat virtute mortis suae, quam pro peccatis nostris ex dei voluntate subiit. Victima enim tam preciosa tantaque Christi obedientia perpetuam coram deo vim habet, nos qui in Christum credimus et Christo commortui sumus, ne peccatis vivamus, a peccatorum poenis defendendi (wie im Katholicismus ist die Strafe, nicht die Schuld die grösste Last); porro dum potestate sua, quam a patre plenam et absolutam consecutus est, perpetuo nos tuetur et iram dei, quam in impios effundi consuevit, intercessione sua a nobis arcet, quod scriptura interpellationem pro nobis appellat; deinde ab ipsorum peccatorum servitute nos liberat, dum nos sibi mancipat, partim morte itidem illa sua quam pro nobis perpessus est, partim in sua ipsius persona nobis ostendendo, quid consequatur is qui a peccando destitit." Dass Christus erst durch die Auferweckung der himmlische Priester im vollen Sinn geworden sei, wird ausdrücklich betont. In dem Abschnitt über das königliche Amt wird zuerst gezeigt, dass Christus sich nicht selbst erweckt habe (p. 333 sq.). Dieser Nachweis beansprucht höchst bezeichnend den meisten Raum; es folgen dann nur gleichgiltige Ausführungen über die Art des Auferstehungsleibes Christi, die Himmelfahrt und das Sitzen zur Rechten Gottes. Mit wenigen Worten wird dann die Herrschaft Christi über alle Wesen und Dinge beschrieben. Der letzte Abschnitt endlich über die Kirche zerfällt in vier kurze Capitel. In dem ersten wird die sichtbare Kirche definirt (p. 340) als „coetus eorum hominum, qui doctrinam salutarem tenent et pro

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fitentur", d. h. als Schule. Ausdrücklich wird jedes andere Merkmal abgelehnt: nihil est, cur de notis ecclesiae quaeras" (excepta salutari doctrina). Auf die Frage, welches die wahre Lehre sei, wird mit dem Hinweise auf diesen Katechismus in seinem ganzen Umfange geantwortet1. In dem zweiten Capitel wird von der Kirchenleitung gehandelt (p.342): „ordo is situs est in officiis personarum, quibus ecclesia Christi constat, et in accurata animadversione et observatione, ut singulae personae officiis suis fungantur." Nach der Schrift werden nun Apostel, Propheten, Evangelisten, Doctoren, Pastoren (Bischöfe), Presbyter und Diakonen unterschieden. Bei der Ausführung wird das Amt der Doctoren, Bischöfe und Presbyter als eines behandelt und von den Aposteln, Evangelisten und Propheten gesagt, dass sie aufgehört haben, weil die Ursache ihrer Existenz weggefallen sei. Somit bleiben nur Pastoren und Diakonen. Die Lehre von der bischöflichen Succession wird (p. 346) bekämpft; von der Ordination wird geschwiegen. Im dritten Capitel („de disciplina ecclesiae Christi") folgt eine biblisch wohl begründete Darlegung der Grundsätze der Kirchenzucht, gipfelnd in der Ausführung, dass das Recht zu binden und zu lösen zu fassen ist als das „ius declarandi et denunciandi secundum dei verbum, qui sit dignus, qui non, ut sit in ecclesia seu membrum ecclesiae" (p. 351). Der Katechismus schliesst mit dem Capitel „de ecclesia invisibili“ (p. 352 sq.). Hier ist wiederum die katholische Betrachtung sehr auffallend. Die Ausführung beginnt damit, dass die hl. Schrift „vix uspiam“ einen coetus vere piorum hominum von der sichtbaren Kirche unterscheide, da alle wahrhaft Frommen auch zur sichtbaren Kirche gehören; dennoch sei zuzugestehen, dass von dieser öfters so gesprochen werde als sei sie in jeder Hinsicht das, was sie sein soll, während sie es in Wirklichkeit nicht ist. Somit könne man den Begriff einer Kirche bilden als quaedam hominum vere piorum multitudo ac eorum inter sese coniunctio, quam per similitudinem quandam et metaphoram ecclesiam appellare liceat, nam vere pii hinc inde dispersi vel etiam latentes, si modo vera pietas latere sinat (!), nonnisi improprie ecclesia dici possunt." So verclausulirt wird der Begriff der unsichtbaren Kirche acceptirt. Von ihr wird behauptet, dass sie, d. h. alle, die Christo wahrhaft glauben und ihm gehorchen, den Leib Christi in vollkommenster Weise darstellt. Unsichtbar aber sei diese Kirche, weil der Glaube und wahre Frömmigkeit nicht mit körper

1 Die landläufige orthodoxe Vorstellung von der Kirche im Protestantismus und die socinianische sind also identisch.

2 Wenn freilich jeder vere pius ein Schulmeister sein muss, ist es unwahrscheinlich, dass er in der Verborgenheit bleiben kann.

lichen Augen geschaut werden können; aber auch aus den „factis exterioribus" liesse sich nur feststellen, dass Jemand kein Glied Christi sei, nicht aber das Gegentheil. Damit schliesst der Katechismus, die Ermahnung anfügend (p. 355): „Iam omnia quae a me compendio dici hac de re potuere tibi exposui: tuum est ut iis probe perceptis atque cognitis ea menti infigas et secundum eorum praescriptum vitam instituas."

In dem modernen Katholicismus stellt sich die Neutralisirung, in dem Socinianismus die Selbstzersetzung des Dogmas dar: die vorstehende Ausführung wird gezeigt haben, dass dieser seinem Grundwesen nach nichts Anderes ist, als die nominalistische Doctrin in der Consequenz ihres Princips. Wie die Wiedertäufer und die pantheistischen Mystiker des 16. und 17. Jahrhunderts mittelalterliche Erscheinungen sind, wenn auch nicht unberührt von dem Geist einer neuen Zeit, so sind auch die Socinianer nicht „Ultra's der Reformation", sondern die Nachkommen der Scotisten.

Aber die Entwickelung des Dogmas in der nominalistischen Linie ist hier zu ihrem Ende gekommen: das Dogma ist aufgelöst. Allerdings fehlen, wie bei jeder Zersetzung, Restproducte nicht. Adoptianische, arianische, pelagianische Motive und Lehren, die vom Dogma überwunden zu sein schienen, tauchen wieder hervor, und das strenge Festhalten an der hl. Schrift als Quelle und Autorität des Glaubens und der Glaubenslehre giebt dem Socinianismus sogar eine scheinbar sehr conservative Haltung. Dennoch ist der Bruch mit der Geschichte und dem, was bisher Dogma hiess, offenbar. Der Nominalismus hielt die lebendige Autorität der Kirche fest, ja in diesem Festhalten brachte er seine religiöse Ueberzeugung zum Ausdruck, deren Geltung er sich freilich durch den Verzicht auf eine einheitliche Gottesund Weltanschauung erkaufen musste. Der Socinianismus hat den aus religiösen Nöthigungen stammenden Skepticismus des Nominalismus überwunden; er ist nicht mehr in sich zwiespältig wie dieser er ist sogar dogmatistisch; aber mit der Abschüttelung der Autorität der Kirche und Tradition hat er auch das Verständniss und den Sinn für das, was Religion ist, verloren: seine so sicher hingestellten „Glaubenslehren“ sind, soweit sie einheitlich und streng gebildet sind, nichts Anderes als der Dogmatismus des sog. gesunden, d. h. des religiös uninteressirten Menschenverstandes, der sich die Bibel, wenn sie vernünftig behandelt wird, gefallen lässt.

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Dennoch ist der Socinianismus keineswegs lediglich eine mittelalterliche oder gar nur eine pathologische Erscheinung; vielmehr erweist Harnack, Dogmengeschichte III.

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er sich auch als Product des 15. und 16. Jahrhunderts und bezeichnet einen gewaltigen Fortschritt in der Religionsgeschichte, wenn auch nur einen indirecten. Man kann das, was er geleistet hat, in folgende Thesen zusammenfassen: er hat 1) den Muth gewonnen, die Frage nach dem Wesen und Inhalt der christlichen Religion zu vereinfachen, die Last der Vergangenheit, trotz Katholiken, Lutheranern und Reformirten, abzuwerfen und dem Individuum die Freiheit zurückzugeben, in dem Streit um die christliche Religion lediglich die klassischen Urkunden und sich selber zu befragen; er hat 2) das enge Verhältniss von Religion und Welterkennen, wie es von der altkirchlichen Ueberlieferung geschlossen und vom Dogma sanctionirt worden war, gelockert und an die Stelle der Metaphysik als Folie der Religion die Ethik zu setzen versucht. Allerdings ist ihm das schlecht gelungen: in Wahrheit hat er nur die Metaphysik verdünnt, aber nicht verbessert oder verdrängt. Indessen ist er doch ein gewaltiger Gegner des Platonismus der Kirchenlehre gewesen und hat an seinem Theile dazu beigetragen, die Herrschaft desselben zu brechen; er hat 3) die Einsicht vorbereiten helfen, dass die Religion nicht in unverständlichen Paradoxien und in Widersprüchen ihren Ausdruck finden darf, sondern dass sie es zu gesicherten und deutlichen Aussagen bringen muss, die ihre Kraft an ihrer Klarheit haben; er hat 4) endlich das Studium der hl. Schrift von dem Bann des Dogmas befreit und selbst einen guten Anfang mit einer gesunden, geschichtlichen Exegese gemacht. Allerdings ist es nicht schwer, in Bezug auf alle diese hier aufgeführten Verdienste des Socinianismus auch das Gegentheil nachzuweisen, d. h. zu zeigen, wie er vielmehr in denselben Richtungen alte Irrthümer bestärkt hat. Allein es genügt, sich zu vergewissern, dass ihm jene Verdienste wirklich zukommen. Dass er selbst ihre Kraft gehemmt und theilweise aufgehoben hat, darf nicht davon abhalten, sie ihm zuzusprechen. Hauptsächlich durch das Medium des Arminianismus, aber auch direct, hat er die Aufklärung im guten und im schlimmen Sinn des Worts im Protestantismus herbeiführen helfen.

In der Religionsgeschichte - den Ausdruck im strengsten Sinn genommen ist der Socinianismus dagegen lediglich ein Rückschritt; denn weit entfernt, dass er hier mit dem Protestantismus zusammenzustellen wäre, hat er vielmehr noch den Katholicismus, selbst in der dürftigsten Gestalt desselben, unterboten. Dass die christliche Religion Glauben ist, dass sie ein Verhältniss von Person zu Person ist, dass sie darum höher ist als alle Vernunft, dass sie lebt, nicht von Geboten und Hoffnungen, sondern von der Kraft Gottes und in Jesus Christus den Herrn Himmels und der Erde als den Vater ergreift,

davon weiss der Socinianismus nichts. Mit dem alten Dogma hat er im Grunde das Christenthum als Religion beseitigt: Schuld und Busse, Glauben und Gnade sind Begriffe, die nur in Folge glücklicher Inconsequenzen um des NT.'s willen nicht ganz ausgeschieden sind. In diesen Inconsequenzen liegt die Christlichkeit des Socinianismus beschlossen.

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Viertes Capitel: Die Ausgänge des Dogmas im Protestantismus.

1. Einleitung.

Am Schlusse des 1. Capitels dieses Buchs ist angegeben, in welchem Sinne und Umfang im Rahmen der Dogmengeschichte die Reformation zu behandeln ist als ihr Ausgang und zwar als ihr legitimer Ausgang. In den beiden Ausgängen, die wir bisher behandelt haben, sind die eigentlich religiösen Interessen, die einst zur Entwerfung und Ausgestaltung des Dogmas mitgewirkt haben, verkümmert: im Katholicismus, sofern sie gänzlich überwuchert sind von der Herrschaft der empirischen Kirche, im Socinianismus, sofern sie nahezu aufgesogen sind durch den Moralismus. Dort ist das Dogma conservirt, aber der persönliche bewusste Glaube, der ihm entsprechen soll, durch die Unterwerfung unter die Kirche gelähmt; hier ist das Dogma abgethan, aber mit ihm ist zugleich die Eigenart des religiösen Glaubens verkannt. Der nachtridentinische Katholicismus und Socinianismus sind in vieler Hinsicht moderne Erscheinungen, aber auf ihren religiösen Kern gesehen sind sie es nicht, vielmehr Consequenzen des mittelalterlichen Christenthums. Die Reformation, wie sie sich in dem Christenthum Luther's darstellt, ist dagegen in vieler Hinsicht eine altkatholische, resp. auch eine mittelalterliche Erscheinung, dagegen auf ihren religiösen Kern beurtheilt, ist sie es nicht, vielmehr Wiederherstellung des paulinischen Christenthums im Geiste einer neuen Zeit.

In diesem Satze ist der Reformation (dem Christenthum Luther's) ihre Stellung in der Geschichte angewiesen und zugleich ihr Verhältniss zum Dogma bestimmt. Von hier ergiebt sich auch, warum die Reformation nicht lediglich nach den Ergebnissen, die sie in den ersten zwei Menschenaltern ihres Bestehens errungen hat, beurtheilt werden kann. Wie kann man es denn leugnen, dass der Katholicismus, seitdem er sich zur Contrareformation aufgerafft, und der Socinianismus mehr als ein Jahrhundert hindurch in einem viel innigeren Verhältniss zur neuen Zeit gestanden haben, als der lutherische

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