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III.

Die Kirche, das Reich Gottes".

Vornehmlich zur Verständigung über de civ. Dei lib. XX, cap. IX.

1. Das Wort,, die Kirche ist das Reich Gottes" lesen wir, soweit bisher unsere Kenntnis der altchristlichen Litteratur reicht, zuerst bei Augustin. Ich überschätze die Bedeutung dieser Thatsache nicht. Denn der dogmatische Gedanke ist längst vor ihm geneigt gewesen, die Gleichung beider Begriffe zu vollziehen. Gegenüber dem Montanismus mit seinen Zukunftshoffnungen und seinen Erwartungen des tausendjährigen Reiches in seiner Transcendenz wird von den Vertretern der kirchlichen Richtung der Blick beziehungsweise auf die Gegenwart gewendet 1) und in der Kirche die Sphäre gesehen, in welcher das Reich Gottes in der Gegenwart eine relative Verwirklichung finde. Bei Irenäus ist auch nach meiner Meinung diese 2) Würdigung der Kirche nicht zu verkennen 3), obschon sie

1) Lipsius in v. Sy bel's hist. Zeitschr. Bd. XXVIII, S. 261, vgl. S. 252. 253.

2) Ziegler, Irenäus, d. Bischof von Lyon (Berlin 1871), S. 284. 3) Die Thatsache, dafs Irenäus das zukünftige Reich Gottes, das Reich der Herrlichkeit im Unterschiede von der Kirche auffafst, steht selbstverständlich der obigen Behauptung nicht entgegen. Uber die Vorstellung einer Entwickelung der Kirche, weiter einer Entwickelung, welche während der Dauer des Milleniums selbst (adv. haeres. lib. V, c. XXXII, § 1) stattfindet, s. die scharfsinnige Erörterung bei Schmidt, Die eschatolog. Lehrstücke, Jahrbb. für deutsche Theologie Bd. XIII, S. 590. 591.

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nirgends ausdrücklich Reich Gottes genannt wird. Von Cyprian ward die Neigung zur Gleichsetzung beider nicht gestärkt. Und das könnte befremdlich erscheinen bei einem Autor, welcher die Kirche als organisiertes Institut und dieses wieder als die Sphäre der Seligkeit gefeiert hat, wie kein abgesehen von dem Verfasser der Clementinen anderer vor ihm. Ad regnum pervenire non poterit, qui eam (eccl.), quae regnatura est, derelinquit, heilst es in der Stelle 1), de unitate. Die Kirche und das Reich Gottes. (der Zukunft) stehen in einem wesentlichen Zusammenhange; ja jene wird dereinst dieses werden. Die Mitgliedschaft an der einen bedingt die an dem anderen. Das ist ein Gedanke, welcher in überaus ähnlicher Weise an manchen Stellen wiederholt worden ist; aber weder in den angeführten Worten, noch sonst sind von dem Bischof von Karthago beide Gröfsen irgendwie identifiziert. Das ist erst von Augustin geschehen.

Man könnte sich für berechtigt erachten zu dem Urteil, dafs dieses uns erkennbare litterarische Faktum keine Gewähr dafür gebe, der letztgenannte habe zuerst so gelehrt, wie wir in dem angeführten Kapitel lesen. Darf man nicht vermuten, dafs bereits in dem dritten Jahrhundert dieser oder jener denselben Gedanken geäussert hat, sei es litterarisch in einer Schrift, welche nicht auf uns gekommen ist, sei es mündlich? Diese Frage mag denjenigen Fachgenossen als verwunderlich erscheinen, die noch immer der Zuversicht leben, ja die Voraussetzung als eine selbstverständliche betrachten, dafs die Quellen so beschaffen sein müssten, dafs eine sichere (exakte) Erkenntnis des christlichen Altertums zu ermitteln sei. Wir" sollen die Wissenden werden; folglich müssen die Quellen so reich und so eingerichtet sein, dass dieser Forderung Genüge geleistet werden kann. Diese Gedanken sind wohl niemals in dieser Schärfe ausgesprochen worden; aber sie scheinen mir gewissermassen die verborgenen Motoren mancher Ansprüche

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1) Bei Rothe, Die Anfänge der christl. Kirche, S. 641.

und Urteile zu sein 1). Ich kann es daher nicht für überflüssig halten, an die - allerdings recht triviale -- Wahrheit zu erinnern, dass die alten Autoren doch keineswegs zu dem Zwecke litterarisch gearbeitet haben, um einen unseren Bedürfnissen entsprechenden Quellenapparat darzubieten. Wie viele haben nichts geschrieben, welche schreiben konnten; wie vieles von dem ist verloren, was geschrieben ist! Und wie manche Verfasser haben sich nicht bewogen gefühlt, über das sich zu äussern, über was sie nach dem Urteile mancher Wissenden in unserer Zeit sich äussern müfsten"! Das alles sind so viel mir bekannt ist von allen Seiten in thesi zugestandene Sätze; aber das wirkliche Verfahren der Forscher steht nicht immer damit im Einklang.

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Noch neuerlich hat man sich mit der Frage beschäftigt, wann die Formel zaohizỳ xzλnoía aufgekommen sei. Dafs man imstande sein müfste, dieselbe in aller Bestimmtheit zu beantworten, scheint manchen selbstverständlich zu sein; denn im entgegengesetzten Falle hätten wir ja kein Wissen. Und wie wäre das erträglich! Nun findet sich das berühmte Wort in der bekannten Stelle der Ep. Ignat. ad Smyrn. c. VIII, in dem Martyrium Polycarpi. Aber die Zeit der Entstehung beider Urkunden ist ja fraglich. Einige behaupten, dieselbe, sei es ungefähr, sei es genau zu kennen; aber die, welche gleichmässig das behaupten, stimmen nicht überein. Die einen sehen in dem letztgenannten Dokument nicht nur die früheste Quelle, aus welcher wir die Kenntnis des Sprachgebrauches zu schöpfen hätten, sondern scheinen auch anzunehmen, dafs das Martyrium Polycarpi thatsächlich den Titel za9oz zuerst gebraucht habe 2). Andere, welche dasselbe in die Periode der Decischen Verfolgung meinen verlegen zu müssen, urteilen, Clemens von Alexandrien 3) sei der erste Zeuge für

1) S. z. B. die Erörterung Keims, Aus dem Urchristentum (Zürich 1878), S. 116.

2) Ebendas. S. 114-118.

3) Lipsius, Über den Märtyrertod Polycarps in Hilgenfeld, Zeitschrift f. wissenschaftl. Theologie, Jahrg. 1874, S. 201. 213.

diesen Sprachgebrauch, natürlich mit der (nicht immer ausgesprochenen) Einschränkung, unter den Autoren, deren Werke wir übrig haben. Denn dafs nicht in einer der hundert 1) litterarischen Urkunden u. s. w., welche wahrscheinlich in den mittleren Decennien des zweiten Jahrhunderts abgefasst worden, uns aber verloren gegangen sind, das Wort vorgekommen, also nicht früher vorgekommen sein könne als bei Clemens, darf doch kein verständiger Kritiker behaupten. Und doch wird nicht selten von diesem sehr möglichen Falle abgesehen, infolge dessen die naive Voraussetzung befestigt, alle dogmatischen Gedanken einer gewissen Periode müfsten in den noch vorhandenen Schriften, welche ihr angehören, ausgeprägt sein. Das ist aber doch ein so offenbarer Grundirrtum, dafs zur Verdeutlichung desselben ein weiterer Beweis nicht nötig ist. Angenommen, es verhalte sich wirklich so inbezug auf Clemens, wie soeben angegeben ist, so folgt doch daraus ganz und gar nicht, dafs dieser Schriftsteller das Wort zuerst litterarisch verwendet hat; noch viel weniger, dass dasselbe in dem persönlichen Verkehr der Christen, im Gespräch nicht früher gebraucht worden, als in der gleichzeitigen Litteratur. Wie man diese Sätze bestreiten könnte, ist mir unfassbar. Nichtsdestoweniger geschieht dies thatsächlich. Die Illusion, welche die Vorstellung bereitet, die Litteratur sei die sichere Beurkundung des ganzen Geisteslebens jener Generation, die abergläubige Vergötterung ihres Wertes führt nicht wenige Forscher in die Irre. Aber die damaligen Christen waren ja (Gott sei Dank!) nicht so schreiblustig als die heutigen; sie hatten an viel Wichtigeres zu denken, als daran Bücher 2) abzufassen. Warum

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1) So schreibe ich jetzt statt tausend" (in dem ersten Druck in der Zeitschrift f. Kirchengeschichte IV, 509) in Betracht der Einwendung Harnacks, Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Litteratur, drittes Heft: Die Altercatio Simonis Judaei et Theophili Christiani und die Acta Archelai. Leipzig 1883. S. 115.

2) Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte Bd. I, Freiburg im Breisgau, S. 99, Anm. 1.,, Man darf den Umfang, den die christ

könnte also die Phrase ή καθολικὴ ἐκκλησία nicht in den Gemeinden längst vor Clemens üblich gewesen, vielfach gebraucht sein? Dafs die Kritiker das nicht wissen können, ist ja deutlich, denn sie können nur auf Grund litterarischer oder monumentaler Überlieferung wissen; aber was sie nicht wissen, kann darum sein 1).

Ich bitte die Leser um Entschuldigung für diese Digression. Denn so mufs ich die kurze Erörterung darum nennen, weil sie nicht dazu bestimmt ist, die Bedeutung einer Prämisse zu haben, aus welcher unmittelbare Folgerungen inbezug auf die Beurteilung des Falles gezogen werden sollen, der mich in dieser Studie beschäftigen wird. Mit dem Augustinischen Sprachgebrauch steht es höchst wahrscheinlich anders als mit jenem oben bemerkten. Wenn dieser Autor sagt ecclesia jam nunc est regnum (Dei), so darf man schwerlich vermuten, er spreche hier einen sonst schon vulgären Gedanken aus. Die Anschauung von der Kirche als dem bereits gegenwärtigen Reiche Gottes ist, wie ich wiederhole, nach meinem Dafürhalten, längst vor Augustin in der Christenheit verbreitet gewesen, aber wahrscheinlich nicht in einer Formel präcisiert, sondern nur von dem unmittelbaren Glauben vollzogen, vielleicht bis dahin eine schwankende geblieben. Erst er ist wie man vermuten darf der Producent der Formel geworden.

Um so auffallender ist es, dafs in den neueren dogmen

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liche Litteratur gehabt hat, nicht überschätzen.“ Was wirksam geworden ist (aber der Erfolg bedingt doch keineswegs stets den Wert einer Schrift!), kennen wir höchst wahrscheinlich den Titeln nach vollständig, und der gröfsere Teil ist uns auch durch sehr verschiedene Vermittelungen erhalten." Die letztere Behauptung ist mir teils unklar, teils fraglich.

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1) Zur rechten Zeit erscheint Vischer, Über die Grenzen des historischen Wissens, Preufs. Jahrbb. Jahrg. 1880, Bd. XLVI, S. 55. Aber diese Vorstellungen scheinen die kirchenhistorische Schriftstellerei nicht irre zu machen. Sie treibt ihr Geschäft weiter wie zuvor. Da, wo sich aber gar nichts wissen läfst, meint man doch zu wissen, wie die allmählich geradezu widerlich werdende Litteratur über die Διδαχὴ τῶν δώδεκα ἀποστόλων abermals gezeigt hat.

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