33. Mangelnde Gegenliebe. An Albius Tibullus. Form. Nr. 10. Anlass. Albius Tibullus, der Elegiker, an den Horaz auch/Epi. I 4 gerichtet hat, findet bei Glycera (Od. I 19. 30; ; III 19) keine Gegenliebe und Horaz tröstet ihn damit, daß es anderen Leuten nicht selten ebenso ergehe. Zeit. Unbestimmbar. Inhalt. I. Gräme dich nicht, daß du keine Gegenliebe findest. Str. 1. II. Venus treibt gar oft mit der Liebenden Herzen ihr Spiel. Str. 2-3. III. Ich selbst habe einst die Liebe eines würdigen Mädchens um der Neigung zu einer losen Freigelassenen willen verschmäht. Str. 4. 1. Albi, ne doleas plus nimio memor immitis Glycerae, neu miserabilis 2. insignem tenui fronte Lycorida 3. quam turpi Pholoe peccet adultero. 4. ipsum me melior cum peteret Venus, grata detinuit compede Myrtale curvantis Calabros sinus. 5 10 15 Q. Horatius Flaccus. 6 34. Des alten Sünders Bekehrung. Form. Nr. 15. Diese Anlass. Es würde der Götter Seligkeit stören, wenn sie um den Lauf dieser tollen Welt sich kümmern und in die Geschicke der Menschen eingreifen müßten. Drum wissen sie nichts und wollen sie nichts von uns. Lehre Epikurs hat unser Dichter allezeit verfochten. Da fährt einmal aus heiterm Himmel ein gewaltiger Blitzstrahl zur Erde nieder und der Donner rollt, während doch die Sonne am Himmel lacht. Das war, da man sichs nicht zu erklären wußte, für Kinder und Altgläubige ein „Wunder" und scherzend meint der Dichter, nun werde auch er wohl wieder zum Glauben seiner Kinderjahre zurückkehren und an das willkürliche Walten launischer Götter glauben müssen, deren Dienerin die Fortuna ist. Zeit. V. 14 (apex = Tiάoa) weist vielleicht auf die Zeit der parthischen Thronstreitigkeiten, 29-25, hin. Inhalt. I. Ich muß mich bekehren; Str. 1. II. denn ein Wunder geschah vor meinen III. Also giebt es Götter, die nach Willkür 1. Parcus deorum cultor et infrequens consultus erro, nunc retrorsum vela dare atque iterare cursus 2. cogor relictos: namque Diespiter, plerumque, per purum tonantis 3. quo bruta tellus et vaga flumina, 5 10 sedes Atlanteusque finis concutitur. valet ima summis 4. mutare et insignem attenuat deus, sustulit, hic posuisse gaudet. 15 35. Das unabwendbare Schicksal. Form. Nr. 15. Anlass. Im Jahre 27 ließ Augustus zu zwei Feldzügen, dem gegen die Britannier und dem gegen die Araber rüsten. Der Kaiser selbst begab sich nach Gallien, um den ersten Feldzug zu leiten. Der Aufstand der Cantabrer hinderte ihn daran. Der Feldzug gegen Arabien mißglückte 24. Angesichts dieser Kriege gegen äußere Feinde denkt Horaz an die Greuel der Bürgerkriege und bittet, daß Fortuna fortan Rom seine Waffen nur gegen seine auswärtigen Feinde möge kehren lassen. Das 34. Lied ist keineswegs eine Einleitung oder Vorbereitung zu dem vorliegenden, wie viele glauben. Vielmehr steht unser Gedicht im schneidendsten Gegensatze zu jenem. Horaz hat es im 34. Liede scherzend abgelehnt, durch ein sogenanntes Wunder sich wieder zum naiven Götterglauben bekehren zu lassen, nach dem Zeus launisch waltet, Moira und Erinys ihm untergeordnete Wesen sind, die seiner Willkür dienen müssen (Ilias XIX, 87–90): Im 35. Liede giebt er bei ernster Gelegenheit seiner wirklichen religiösen Überzeugung Ausdruck. Er stellt die beiden Gedichte gerade darum neben einander, um zu zeigen, daß man auch ohne den naiven kindlichen Götterglauben ein herzlich frommer und tief religiöser Mann sein könne. An Der olympische Götterhimmel ist verschwunden. Iuppiters Stelle ist Fortuna getreten, und die Stelle der übrigen olympischen Gottheiten nehmen Necessitas, Spes, Fides ein, ebenso wie schon Od. I 24 Pudor, Iustitia, Fides, Veritas als Gottheiten bei gleich ernstem Anlaß erwähnt werden und Od. I 31 statt des angerufenen Apoll (V. 1. 18), der nur noch eine poetische Figur ist, Fortuna (V. 10) des Lebens Güter verleiht. Fortuna ist die allmächtige und allweise Gottheit, das allmächtige Schicksal. Ihr voran schreitet Necessitas, d. h. Fortuna schaltet nach ewigen, unabänderlichen Gesetzen, nach denen wir alle ,,unseres Daseins Kreise vollenden" müssen. Ihr folgen die Gottheiten Spes, Fides, Pudor, Iustitia, Veritas, Temperantia u. a., lauter Personi. fikationen lobenswerter menschlicher Eigenschaften und Tugenden, d. h. wir Menschen können lediglich der Fortuna Walten in frommer Ergebung hinnehmen und uns fähig machen, uns ihr willig und würdig zu fügen. Des SchicksalsWillen brichst du nicht, ruft der Dichter uns zu. Was du thun kannst, liegt in dir,,,in deiner Brust sind deines Schicksals Sterne." Du kannst der Fortuna Macht verkennen, dann bist du ein Kind (Od. I 34); du kannst dich dagegen aufbäumen (Od. II 9. 10), dann bist du ein Thor und machst dich unglücklich; du kannst dein Glück in wertlosem, äußeren Tand suchen (Od. I 28; II 3. 14), aber das befriedigt dich nicht und mit dem Tode ists mit diesen Herrlichkeiten vorbei. Das einzige, was dir bleibt, ist: die Gegenwart zu genießen, die Hoffnung nicht zu verlieren, bescheiden, gerecht, treu, wahrhaft zu sein, dadurch dir höhere, wirkliche, unvergängliche Güter zu eigen zu machen und durch sie gefeit zu sein gegen des Schicksals Schläge. Wer dagegen einwirft, daß bei solchen Anschauungen der Dichter nicht mehr beten (Str. 8-10), nicht darum bitten könne, daß Fortuna ein Unheil abwende, Heil bringe, der verkennt den Unterschied zwischen religiöser Überzeugung und religiöser Praxis. Die pantheistisch gerichteten Mystiker haben bekanntlich am glühendsten gebetet und der Gottesdienst hat keineswegs den Zweck, den Hörern in endlosen Reden immer und immer wieder vorzuführen, was sie schon wissen. Er soll nicht lehrhaft sein, sondern soll erheben und bedarf deshalb einer Form, in der die Gottheit als Person erscheint, weil nur mit einer solchen dem Menschen ein Verkehr durch die Rede möglich ist. Darum erscheinen auch bei Horaz immer wieder die alten Gottheiten, von deren Nichtvorhandensein er doch überzeugt war. Darum auch hat Sokrates noch Opfer dargebracht. Selbst bei streng theistischer Auffassung Gottes gebietet das Christentum ein gleiches Verhalten. Im Gebete seine Nöte und Bedürfnisse vortragen, damit Gott sie erfahre, wird von Jesus in der Bergrede (Matth. VI 7. 8) geradezu für heidnisch erklärt. Wir beten nicht um der Unwiss enheit Gottes willen, auch nicht, um ihm damit einen Dienst zu erweisen oder des Allweisen und Allgütigen unabänderlichen Willen zu brechen, sondern um unsere Zuversicht zu ihm, zu seiner Güte und Liebe zu kräftigen, uns aus dem Staube des gemeinen Lebens zu ihm zu erheben. Zeit. Das Jahr der Rüstungen 27. Inhalt. I. Der Fortuna Macht über Arm und Reich, Str. 1-4. II. Der Fortuna Wesen. Str. 5-7. 1. Die unabänderliche Notwendigkeit in ihrem Walten. Str. 5. 2. Die Forderung, ihr fromme Ergebenheit zu weihen. Str. 6-7. |