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Transscendente Spekulation

über die

anscheinende Absichtlichkeit

im

Schicksale des Einzelne n.

Τρ εἰκὴ οὐκ ἐστι ἐν τῇ ζωῇ, ἀλλὰ μία ἁρμονία καὶ τάξις.

Plotin. Enn. IV, L. 4, c. 35.

Ueber

die anscheinende Absichtlichkeit

im

Schicksale des Einzelnen.

Obgleich die hier mitzutheilenden Gedanken zu keinem festen Resultate führen, vielleicht eine bloße metaphysische Phantasie genannt werden könnten; so habe ich mich doch nicht entschließen können, sie der Vergessenheit zu übergeben; weil sie Manchem, wenigstens zum Vergleich mit seinen eigenen, über denselben Gegenstand gehegten, willkommen seyn werden. Auch ein Solcher jedoch ist zu erinnern, daß an ihnen Alles zweifelhaft ist, nicht nur die Lösung, sondern sogar das Problem. Demnach hat man hier nichts weniger, als entschiedene Aufschlüsse zu erwarten, vielmehr die bloße Ventilation eines sehr dunkeln Sachverhältnisses, welches jedoch vielleicht Jedem, im Verlaufe seines eigenen Lebens, oder beim Rückblick auf dasselbe, sich öfter aufgedrungen hat. Sogar mögen unsere Betrachtungen darüber vielleicht nicht viel mehr seyn, als ein Tappen und Tasten im Dunkeln, wo man merkt, daß wohl etwas dasei, jedoch nicht recht weiß, wo, noch was. Wenn ich dabei dennoch bisweilen in den positiven, oder gar dogmatischen Ton gerathen sollte; so sei hier ein für alle Mal gesagt, daß dies bloß geschieht, um nicht durch stete Wiederholung der Formeln des Zweifels und der Muthmaaßung weitschweifig und matt zu werden; daß es mithin nicht ernstlich zu nehmen ist.

Der Glaube an eine specielle Vorsehung, oder sonst eine übernatürliche Lenkung der Begebenheiten im individuellen Lebenslauf, ist zu allen Zeiten allgemein beliebt gewesen, und sogar in

denkenden, aller Superstition abgeneigten Köpfen findet er sich bisweilen unerschütterlich fest, ja, wohl gar außer allem Zusammenhange mit irgend welchen bestimmten Dogmen. Zuvörderst

läßt sich ihm entgegensetzen, daß er, nach Art alles Götterglaubens, nicht eigentlich aus der Erkenntniß, sondern aus dem Willen entsprungen, nämlich zunächst das Kind unsrer Bedürftigkeit sei. Denn die Data, welche bloß die Erkenntniß dazu geliefert hätte, ließen sich vielleicht darauf zurückführen, daß der Zufall, welcher uns hundert arge, und wie durchdacht tückische Streiche spielt, dann und wann ein Mal auserlesen günstig ausfällt, oder auch mittelbar sehr gut für uns sorgt. In allen solchen Fällen erkennen wir in ihm die Hand der Vorsehung, und zwar am deutlichsten dann, wann er, unsrer eigenen Einsicht zuwider, ja, auf von uns verabscheuten Wegen, uns zu einem beglückenden Ziele hingeführt hat; wo wir alsdann sagen tunc bene navigavi, cum naufragium feci, und der Gegensatz zwischen Wahl und Führung ganz unverkennbar, zugleich aber zum Vortheil der letzteren, fühlbar wird. Eben dieserhalb trösten wir, bei widrigen Zufällen, uns auch wohl mit dem oft bewährten Sprüchlein „wer weiß wozu es gut ist", welches eigentlich aus der Einsicht entsprungen ist, daß, obwohl der Zufall die Welt beherrscht, er doch den Irrthum zum Mitregenten hat und, weil wir Diesem, eben so sehr als Jenem, unterworfen sind, vielleicht eben Das ein Glück ist, was uns jezt als ein Unglück erscheint. So fliehen wir dann von den Streichen des einen Welttyrannen zum andern, indem wir vom Zufall an den Irrthum appelliren.

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Hievon jedoch abgesehn, ist, dem bloßen, reinen, offenbaren Zufall eine Absicht unterzulegen, ein Gedanke, der an Verwegenheit seines Gleichen sucht. Dennoch glaube ich, daß Jeder, wenigstens Ein Mal in seinem Leben, ihn lebhaft gefaßt hat. Auch findet man ihn bei allen Völkern und neben allen Glaubenslehren; wiewohl am entschiedensten bei den Mohammedanern. Es ist ein Gedanke, der, je nachdem man ihn versteht, der absurdeste, oder der tiefsinnigste seyn kann. Gegen die Beispiele inzwischen, wodurch man ihn belegen möchte, bleibt, so frappant sie auch bisweilen seyn mögen, die stehende Einrede diese, daß es das größte Wunder wäre, wenn niemals ein Zufall unsere Angelegenheiten gut, ja, selbst besser besorgte, als unser Verstand und unsere Einsicht es vermocht hätten.

Daß Alles, ohne Ausnahme, was geschieht, mit strenger Nothwendigkeit eintritt, ist eine a priori einzusehende, folglich unumstößliche Wahrheit: ich will sie hier den demonstrablen Fatalismus nennen. In meiner Preisschrift über die Freiheit des Willens ergiebt sie sich (S. 62; 2. Aufl., S. 60) als das Resultat aller vorhergegangenen Untersuchungen. Sie wird empirisch und a posteriori bestätigt, durch die nicht mehr zweifelhafte Thatsache, daß magnetische Somnambule, daß mit dem zweiten Gesichte begabte Menschen, ja, daß bisweilen die Träume des gewöhnlichen Schlafs, das Zukünftige geradezu und genau vorher verkünden*). Am auffallendesten ist diese empirische Bestätigung meiner Theorie der strengen Nothwendigkeit alles Geschehenden beim zweiten Gesicht. Denn das vermöge desselben, oft lange vorher Verkündete sehn wir nachmals, ganz genau und mit allen Nebenumständen, wie sie angegeben waren, eintreten, sogar dann, wann man sich absichtlich und auf alle Weise bemüht hatte, es zu hintertreiben, oder die eintreffende Begebenheit, wenigstens in irgend einem Nebenumstande, von der mitgetheilten Vision abweichen zu machen; welches stets vergeblich gewesen ist; indem dann gerade Das, welches das vorher Verkündete vereiteln sollte, allemal es herbeizuführen gedient hat; gerade so, wie sowohl in den Tragödien, als in der Geschichte der Alten, das von Orakeln oder Träumen verkündigte Unheil eben durch die Vorkehrungsmittel dagegen herbeigezogen wird.

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*) In der Times vom 2. Dezember 1852 steht folgende gerichtliche Aussage: Zu Newent in Glocestershire wurde vor dem Coroner, Mr. Lovegrove, eine gerichtliche Untersuchung über den im Wasser gefundenen Leichnam des Mannes Mark Lane abgehalten. Der Bruder des Ertrunkenen sagte aus, daß er, auf die erste Nachricht vom Vermißtwerden seines Bruders Markus, sogleich erwidert habe: „dann ist er ertrunken: denn dies hat mir diese Nacht geträumt und daß ich, tief im Waffer stehend, bemüht war, ihn herauszuziehen.“ In der nächstfolgenden Nacht träumte ihm abermals, daß sein Bruder nahe bei der Schleuse zu Orenhall ertrunken sei und daß neben ihm eine Forelle schwamm. Am folgenden Morgen ging er, in Begleitung seines andern Bruders, nach Oxenhall: daselbst sah er eine Forelle im Wasser. Sogleich war er überzeugt, daß sein Bruder hier liegen müsse, und wirklich fand die Leiche sich an der Stelle. Also etwas so Flüchtiges, wie das Vorübergleiten einer Forelle, wird um mehrere Stunden, auf die Sekunde genau, vorhergesehn!

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