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Fragmente

zur

Geschichte der Philosophie.

Schopenhauer, Parerga. I.

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Fragmente

zur

Geschichte der Philosophie.

§. 1.

Ueber dieselbe.

Statt der selbsteigenen Werke der Philosophen allerlei Darlegungen ihrer Lehren, oder überhaupt Geschichte der Philosophie zu lesen, ist wie wenn man sich sein Essen von einem Andern fauen lassen wollte. Würde man wohl Weltgeschichte lesen, wenn cs Fedem freistände, die ihn interessirenden Begebenheiten der Vorzeit mit eigenen Augen zu schauen? Hinsichtlich der Geschichte der Philosophie nun aber ist ihm eine solche Autopsie ihres Gegenstandes wirklich zugänglich, nämlich in den selbsteigenen Schriften der Philosophen; woselbst er dann immerhin, der Kürze halber, sich auf wohlgewählte Hauptkapitel beschränken mag; um so mehr, als sie alle von Wiederholungen stroßen, die man sich ersparen kann. Auf diese Weise also wird er das Wesentliche ihrer Lehren authentisch und unverfälscht kennen lernen, während er aus den, jezt jährlich zu halben Dußenden erscheinenden Geschichten der Philosophie bloß empfängt, was davon in den Kopf cines Philosophieprofessors gegangen ist und zwar so, wie cs sich daselbst ausnimmt; wobei es sich von selbst versteht, daß die Gedanken eines großen Geistes bedeutend einschrumpfen müssen, um im drei-pfund-Gehirn so eines Parasiten der Philosophie Play zu finden, aus welchem sie nun wieder, in den jedesmaligen Sargon des Tages gekleidet, hervorkommen sollen, begleitet von

seiner altklugen Beurtheilung. - Ueberdies läßt sich berechnen, daß so ein geldverdienender Geschichtsschreiber der Philosophie kaum den zehnten Theil der Schriften, darüber er Bericht erstattet, auch nur gelesen haben kann: ihr wirkliches Studium erfordert ein ganzes, langes und arbeitsames Leben, wie es ehemals, in den alten, fleißigen Zeiten, der wackere Brucker daran gefeßt hat. Was hingegen können wohl solche Leutchen, die, abgehalten durch beständige Vorlesungen, Amtsgeschäfte, Ferienreisen und Zerstreuungen, meistens schon in den frühern Jahren mit Geschichten der Philosophie auftreten, Gründliches erforscht haben? Dazu aber wollen sie auch noch pragmatisch seyn, die Nothwendigkeit des Entstehens und der Folge der Systeme ergründet haben. und darthun, und nun gar noch jene ernsten, ächten Philosophen der Vorzeit beurtheilen, zurechtweisen und meistern. Wie kann es anders kommen, als daß sie die älteren, und Einer den Andern, ausschreiben, dann aber, um Dies zu verbergen, die Sachen mehr und mehr verderben, indem sie ihnen die moderne Tournüre des laufenden Quinquenniums zu geben bestrebt sind, wie sie denn auch nach dem Geiste desselben solche beurtheilen. Sehr zweckmäßig dagegen würde eine von redlichen und einsichtigen Gelehrten gemeinschaftlich und gewissenhaft gemachte Sammlung der wichtigen Stellen und wesentlichen Kapitel sämmtlicher Hauptphilosophen seyn, in chronologisch - pragmatischer Ordnung zusammengestellt, ungefähr in der Art, wie zuerst Gedicke, und später Ritter und Preller es mit der Philosophie des Alterthums gemacht haben; jedoch viel ausführlicher: also eine mit Sorgfalt und Sachkenntniß verfertigte große und allgemeine Chrestomathie.

Die Fragmente, welche nun ich hier gebe, sind wenigstens nicht traditionell, d. h. abgeschrieben; vielmehr sind es Gedanken, veranlaßt durch das eigene Studium der Originalwerke.

§. 2.

Vorsokratische Philosophie.

Die Eleatischen Philosophen sind wohl die ersten, welche des Gegensatzes inne geworden sind, zwischen dem Angeschauten und dem Gedachten, paivousva und voovueva. Das Lettere allein war ihnen das wahrhaft Seiende, das ovτwg ov. - Von diesem behaupten sie sodann, daß es Eines, unveränderlich und unbe

weglich sei; nicht aber eben so von den parvoμevolg, d. i. dem Angeschauten, Erscheinenden, empirisch Gegebenen, als von welchem so etwas zu behaupten geradezu lächerlich gewesen wäre; daher denn einst der so mißverstandene Satz, auf die bekannte Art, vom Diogenes widerlegt wurde. Sie unterschieden also eigentlich schon zwischen Erscheinung, pavouevov, und Ding an sich, ovtws ov. Letzteres konnte nicht sinnlich angeschaut, sondern nur denkend erfaßt werden, war demnach voovμevov. (Arist. metaph. I, 5, p. 986 et Scholia edit. Berol. p. p. 429, 430, et 509.) In den Scholien zum Aristoteles (p. 460, 536, 544 et 798) wird des Parmenides Schrift ta xata doğav erwähnt: das wäre also die Lehre von der Erscheinung, die Physik, gewesen: ihr wird ohne Zweifel ein anderes Werk, ta xat aλy Jelav, die Lehre vom Ding an sich, also die Metaphysik, entsprochen haben. Von Melissos sagt ein Scholion des Philoponos geradezu: ev τοις προς αληθειαν ἐν είναι λεγων το ον, εν τοις προς δοξαν δυο (mite beigen πολλα) φησιν ειναι. -- Der Gegenfat der Eleaten, und wahrscheinlich auch durch sie hervorgerufen, ist Herakleitos, sofern er unaufhörliche Bewegung aller Dinge lehrte, wie sie die absolute Unbeweglichkeit: er blieb demnach beim parvop.evov stehn. (Arist. de coelo, III, 1, p. 298. edit. Berol.) Dadurch nun wieder rief er, als seinen Gegensatz, die Ideenlehre Platons hervor; wie dies aus der Darstellung des Aristoteles (Metaph. p. 1078) sich ergiebt.

Es ist bemerkenswerth, daß wir die leicht zu zählenden HauptLehrsäge der vorsokratischen Philosophen, welche sich erhalten haben, in den Schriften der Alten unzählige Mal wiederholt finden; darüber hinaus jedoch sehr wenig: so z. B. die Lehren des Anaxagoras bout νους μας δεν ὁμοιομερίαι, die des Empedokles von die des Demokritos

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φιλια και νεικος μηδ en vier Clementent, und Leukippos von den Atomen und den sɩdwdog, die des Herakleitos vom beständigen Fluß der Dinge, -die der Eleaten, wie oben auseinandergesezt, die der Pythagoreer von den Zahlen, der Metempsychose u. s. f. Indessen kann es wohl seyn, daß dieses die Summa alles ihres Philosophirens gewesen; denn wir finden auch in den Werken der Neueren, z. B. des Kartesius, Spinoza, Leibniz und selbst Kants die wenigen Fundamentalsäße ihrer Philosophien zahllose Male wiederholt; so daß diese Philo

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