Vorwort zur ersten Auflage. Hiermit übergebe ich dem Publicum den ersten Theil meiner neuen Bearbeitung der Dogmatik, enthaltend das, was man früher demonstratio christiana und catholica, dann Generaldogmatik" und in der neuesten Zeit Apologetik und Polemik genannt hat. Daß ich durch Wiederaufnahme der eben antiquirten Benennung Generaldogmatik“ mir den Vorwurf regressiver Tendenzen zuziehen werde, glaube ich nicht befürchten zu müssen. Denn wer kann im Ernste dafür halten, der Fort- und Rückschritt einer Disciplin sey von einer alten oder neuen Ueberschrift bedingt? Wenigstens denkt so Keiner von den Verständigen, um deren Urtheil es mir allein zu thun seyn kann. Einen hinreichenden Grund, den Namen „Generaldogmatik" zu rehabilitiren, glaubte ich eben in deren Inhalte zu finden, welcher nicht mehr und nicht weniger als die Erörterung der Frage seyn kann: was ist Dogma, was ist im Allgemeinen das Materiale und Formale, wodurch ein Dogma als dieses constituirt wird? wie der sogenannten Specialdogmatik im Gegensatz zu ihr diese Bezeichnung gegeben worden und zu vindiziren ist, weil hierin die Frage zu be antworten steht: welche sind die Dogmen, welche sind die Religion, Offenbarung, Christenthum und Katholicismus in ihrer Grundlosigkeit erscheinen. Der Anstoß, welchen Manche daran nehmen könnten, daß an dem Christenthume, was sonst nur der Kirche beigelegt zu werden pflegte, die Merkmale der Einheit, Katbolicität, Apostolicität, Heiligkeit u. s. w. nachgewiesen wurden, könnte, wenn er außer der Gewohnheit noch einen Grund hätte, nur davon herrühren, daß man bis zum Verständniß der innern Einheit des Christenthums und der Kirche nicht vorgedrungen ist und nicht einsicht, daß die Kirche alle diese Merkmale eben nur darum hat, weil das Christenthum sie hat; daß sie dem Christenthum und der Kirche zugleich zugesprochen oder abgesprochen werden müssen. Daß sie aber dem Christenthum so austrücklich zugelegt werden, soll darauf aufmerksam machen, wie sie an der Kirche keine von aussen hinzugekommene Zufälligkeiten, sondern aus ihrem innern Wesen hervorgebende Qualitäten sind, mit denen die ganze Wirklichkeit und Wahrheit der Kirche und des Christenthums steht und fällt. Daß die Lehre von der Kirche in die Generaldogmatik gehört, kann von Niemanden bezweifelt werden, indem ja von der authentischen Entscheidung der Kirche die Erkenntniß der Dogmen als solcher, so das Material der eigentlichen oder sogenannten Specialdogmatik bedingt ist. Wie dieselbe hier als Mittlerin der Erkenntniß göttlicher Wahrheit betrachtet werden muß, so hat die Specialdogmatik in der Heiligungslehre hinwiederum deren Function als Mittlerin der Gnade Christi und Ausspenderin seiner Sakramente besonders in Betracht zu ziehen. Daß aber auch auffer dem streng katholischen Standpunct die Lehre von der Kirche grade so zu ordnen, sie vor allen übrigen Doctrinen und als deren Erkenntnißfundament zu betrachten und zu behandeln sey, und nicht anderswo, und wenn man will, selbst am Ende des Ganzen ihre Stelle finden könne; dieses zu behaupten, kann Niemand in den Sinn kommen. Daß die Lehre von der Hierarchie wesentlich zu der von der Kirche gehört, kann wiederum nicht in Frage gestellt werden, und welcher da meinte, sie gehöre ausschließlich dem Kirchenrechte an, dürfe demnach in der Dogmatik keine Stelle finden; der hätte sich ein unbegreifliches, keiner ernsten Widerlegung fähiges Versehen, zu Schulden kommen lassen. Allerdings hat auch das Kirchenrecht die Hierarchie zu besprechen, aber in anderer Beziehung und auf eine andere Weise, wie denn das Nämliche auch von der Kirche gilt; darum ist aber die Hierarchie so wenig als die Kirche nur ein kanonistisches Object. Die Generaldogmatik hat an der Kirche die von Anfang gesezte organische Gliederung und Besonderung in Gemeinde und Vorsteherschaft, die Lehrauctorität und potestas veridictionis der legtern nachzuweisen, wie die Specialdogmatik ihre sakramentalische Eigenschaft und Function zu besprechen, das Kirchenrecht die äußerlichen Rechtsverhältnisse, jurisdictionellen Pflichten und Befugnisse zu behandeln hat. Die Lehre von dem Primat habe ich verhältnißmäßig um so weitläufiger behandeln zu müssen geglaubt, als hierüber immer noch die ungründlichsten Ansichten und voreingenommene Meinungen aller Art von so Manchen, die wissen, was sie thun, und Andern, die es nicht wissen, als ausgemachte Wahrheit, als non plus ultra von historischer und kanonistischer Weisheit, mit hochweiser vor nehmer Miene immer wieder vorgebracht und in höheren und niederen Kreisen in Cours gehalten werden, versteht sich, mit mehr oder minder naivem oder schnödem Ignoriren alles dessen, was von so Vielen so oft und gründlich mit solcher historischen und logischen Evidenz auseinandergesezt und dargethan worden ist. Die historische Würde der heiligen Schriften, ihre Authentie, Unverfälschtheit und Glaubwürdigkeit sicher zu stellen gehört nicht zum Ressort der Dogmatik, sondern ist die Sache einer eigenen, in neuerer Zeit mit so außerordentlichem Fleiße cultivirten und zu einem so hohen Grade der Vollkommenheit entwickelten Disciplin, der sogenannten historisch-kritischen Einleitung nämlich. Dagegen muß die höhere kanonische Dignität und den theopneustischen Charakter der Schrift darzustellen, Sache der Dogmatik, näher der Generaldogmatik, bleiben. In Beziehung auf die Specialdogmatik kann ich gleichfalls nicht umhin, einige zur Orientirung und Rechtfertigung, die übrigens in der Sache selbst schon liegt, dienende Bemerkungen zu machen. Obgleich die Dogmatik den Glauben an Gottes Daseyn, Einheit und das, was man seine Eigenschaften zu nennen pflegt, streng genommen vorausseßt, so konnte und mußte doch dieses hier wiederum im Lichte der Offenbarung Gottes und der ihr folgenden menschlichen Vernunft betrachtet werden. Wird nicht im alten und neuen Testament, obgleich eben deren Existenz den Glauben an Gott schon vorausseßt, dennoch dieses Dogma fort und fort verkündet, und wird nicht in allen Symbolen der Kirche, deren Existenz ebenfalls den Glauben an Gott zur ersten und wesentlichsten Voraussetzung hat, dennoch dieses Urdogma wieder vorne an gestellt? |