3) aus dem Begriff der wahren Buße, aus der Idee Gottes und der Natur der Creatur. Anmerkung. Wenn aber einerseits anzuerkennen ist, daß mur das in und von Gottes Gnade Gewirkte ein Heiliges und zum Heil führendes (opus theologice bonum, bonum ad salutem, salutare) seyn kann, wie ethisch (ethice, politice bonum) vollkommen es (abgesehen von der Gottesbeziehung als höchster ethischer Qualität) übrigens seyn mag, so muß andererseits auch das entgegengeseßte Extrem vermieden werden, worin Alles, was vor dem Glauben und außer dem Zustand der heiligmachenden Gnade geschieht, für Sünde und zwar zum Tode erklärt1) wird. Die Unstatthaftigkeit dieser Ansicht liegt klar zu Tage. 1. Die ägyptischen Hebammen, welche Gott fürchteten und die israelitischen Knäbchen nicht tödteten (Exod. I, 17. 21.), hatten, so gewiß thaten sie also daran nicht Sünde, Gottes zeitlichen Segen (20.). Die Rahab that durch die Beherbergung der israelitischen Späher (Jos. II.) nicht Sünde, sondern erwarb sich dadurch Gottes Segen (Jac. 11, 25.). So waren auch des Cornelius Gebete und Almosen vor seiner Bekehrung zum Christenthume nicht Fluch und Sünde, sondern Segen und Vorbereitung zum Heile (Act. X.). Paulus lobt die Humanität der Melitenser gegen ihn und Barnabas (Act. XXVIII, 1 sq.), und es kann demnach die Vorstellung nicht Plag greifen, daß ihre Gastfreundschaft in Gottes Augen ein Verbrechen gewesen sey. Christus, weit entfernt die Sünderin, welche seine Füße mit ihren Thränen benegt und mit ihren Haaren trocknet, darum für noch fündiger anzusehen, erklärt vielmehr, daß ihr darum die Sünden sollen erlassen werden (Luc. VII, 38 sq.), ftellt den Publikan, der zu Gott betet, darum nicht als Sünder dar (Luc. XVIII.), und schildert den verlornen Sohn, der zu seinem Vater zurückgehen will, nicht als einen um so strafbarer gewordedenen (Luc. XV.). Was Paulus von den Heiden sagt, daß sie 1) C. Trid. Si quis dixerit, opera omnia, quae ante justificationem fiunt, quacunque ratione facta sint, esse peccata, vel odium dei mereri, aut quanto vehementius quis nititur se disponere ad gratiam, tanto eum gravius peccare, anathema sit. Sess. VI. de justif. can. VII. durch Natur das Gesegliche thun (Rom. II.), ist das grade Gegentheil von der Meinung, wonach all ihre Werke Todsünde seyen1). II. Die Kirche hat nie die Vorstellung gehegt, daß alle vor dem Glauben und der Gnade vollbrachten Werke ohne Unterschied fluchwürdig und Verderben bringend seyen, und in neuerer Zeit sich feierlich für das Gegentheil ausgesprochen. III. Nach der Meinung der Gegner wäre also die scrupulöseste Beobachtung aller natürlichen oder positiver Gebote und Verbote für die außer dem Zustande des christlichen Glaubens oder der Gnade Befindlichen durchweg nur Verbrechen. — Liebe der Eltern Todsünde, Unterstügung der Nothleidenden - Todsünde; und Almosen nicht besser als Raub, Treue nicht besser als Ehebruch, Alles nichts weiter als Todsünde. Und wie mehr ein Solcher die Werke der Pietät gegen den Gatten, die Eltern, Kinder, und die Werke der Barmherzigkeit gegen den Nächsten häufte, um so höher würde er die Sünde über seinem Haupte aufthürmen, und einen Uebergang zur Gerechtigkeit, eine Vorbereitung zur Bekehrung könnte es nimmermehr geben. Der Entschluß, der Sünde zu entsagen, wäre dann wiederum Sünde, das Bestreben, sein Leben zu bessern, zielte dann nur darauf ab, noch gottloser zu werden. Man sage nicht, bei den Ungläubigen fehle die Richtung der Handlung auf Gott, darum seyen sie Sünde, denn es folgt daraus nur, daß sie nicht vollkommen, nicht für das ewige Leben von Werth find. Man sage nicht, bei dem Sünder als solchem fehle die Liebe, und so ermangeln ihre Handlungen und Unterlassungen der nothwendigen Form, denn darum kann ihnen, wie gesagt, der Charakter der theologischen Vollkommenheit wohl, keineswegs aber die natürliche Güte, die rein sittliche Qualität im Allgemeinen abgesprochen werden. Ja das an und für sich Gute, z. B. Liebe der Eltern c., hat schon, nach der Objectivität der Handlung, eine gewisse Beziehung auf Gott den Quell und das Ziel alles Guten und aller Ordnung, und diese bleibt, wie lange der Mensch nicht positiv durch eine schlechte Intention die Tendenz einer solchen Handlung alterirt. 1) Rom. II, 14. 15. Testimonium reddente illis conscientia ipsorum et inter se invicem cogitationibus accusantibus aut etiam absolventibus. Anmerkung. Rom. XIV, 23. wird nur gesagt, daß, was wider das Gewissen geschieht, Sünde ist '). C. Mit- und Austheilung der Gnade. Freiheit ist die wesentliche Form der Gnade, ihrer Mit- und Austheilung. I. Das lehrt die heil. Schrift 2) und die Ueberlieferung. II. Wenn es in Gott eine Nothwendigkeit oder Pflicht, die Gnade zu ertheilen, gäbe, so könnte von Gottes Gnade nur sehr uneigentlich die Rede seyn, und ein Dank von Seiten der Creatur für die empfangene Gnade, die keine ist, und ein Gebet für Gnade, die keine ist, müßte als baarer Ueberfluß erscheinen. Gnade wird also nicht auf Grund der Verdienste gegeben. 1) Das erhellt aus den klaren Aussprüchen der Schrift'), worin die Vorstellung, als seyen die Werke Grund der Gnade und ihrer Mittheilung, verworfen wird. 2) Dasselbe erhellt aus der kirchlichen Tradition*), welche selbst Pelagius anerkannte 3). 1) S. Chrys. Theod. Ambr. Theophyl. Oecum. Hugo S. Victor. Cfr. Conc. Later. IV. can. XLI. 2) Rom. IX, 16. Non volentis neque currentis, sed miserentis est dei. 18. Cujus vult miseretur, et quem vult indurat. Jac. I, 18. Voluntarie enim genuit nos verbo veritatis, ut simus initium aliquando creaturae ejus. I Pet. I, 3. Qui secundum misericordiam suam magnam regeneravit nos in spem vivam. 3) Rom. XI, 5. Reliquiae secundum electionem gratiae salvae factae sunt. 6. Si autem gratia, jam non ex operibus; alioquin gratia jam non est gratia. 4) Mar. Victorin. Omnis enim virtus in Christum credentis in gratia est dei. Gratia autem non ex meritis, sed ex dei pietate est. In Gal. V, 4. Aug. de grat. et lib. arbitr. V. n. 10. Greg. M. Quibus verbis (I Tim. I, 13.) aperte declarat, quod gratia non pro meritis tribuatur, dum ex seipso docuit, et quid de malitia meruit, et quid de benevolentia accepit. 5) Aug. Quam sententiam catholicam Pelagius ipse sic timuit, ut eos, qui dicunt gratiam dei secundum merita nostra dari sine dubitatione 3) Dasselbe erhellt aus der Betrachtung, daß 1) anders Gottes Gütigkeit und Machtvollkommenheit in ihrer Verleihung, so der Begriff der Gnade aufgehoben wäre, indem, wo ein eigentliches strenges Verdienst, da auch ein eigentliches strenges Pflichtsund Rechtsverhältniß eintritt, und nicht Gnade, sondern Recht und Eigenthum gefordert und gegeben wird; weil 2) Gnade Grund und Bedingung alles Verdienstes ist, so nicht unter das Verdienst fallen kann (principium meriti non cadit sub meritum); weil 3) Gott nach der heil. Schrift1) und Erfahrung auch den Unwürdigen Gnade gibt; weil 4) das biblische Ariom, daß vor Gott kein Ansehen der Person gilt, nach seiner ganzen Völle und Ausdehnung genommen, eine solche Erception durchaus nicht aufkommen läßt; indem, wie darin einerseits ausgesprochen ist, daß Gott Niemanden von seiner Gnade ausschließt, so andererseits auch damit vers fündet wird, daß vor ihm Alle dieselben, näher: keine Rechtsansprüche haben, Alle gleich arme und elende, der Gnade und Schonung bedürftige Menschen sind, in welchem doppelten Sinne auch Paulus dasselbe gefaßt hat. Frei gibt Gott seinen Geist 2), die Gnade des Glaubens, der Vater die Gnade der Erkenntniß des Sohnes (Matth. XI, 25. 26.), der Sohn die Erkenntniß des Vaters 3), das Leben*), frei ertheilt der Geist alle göttlichen Gaben (I Cor. XII.). Gott will aber Allen Gnade geben, wie viel nothwendig und hinreichend ist zum Erkennen, Wollen und Vollbringen, zum Glauben, zur Liebe, zum Leben, damit alle zum Leben gelangen können. Das lehrt die heil. Schrift damnaret, ne a catholicis judicibus damnaretur. Epl. CCXVII. ad Vitalem. c. VI. n. 18. 1) Matth. XI, 20. Tunc coepit exprobrare civitatibus, in quibus factae sunt plurimae virtutes ejus, quia non egissent poenitentiam etc. Matth. XXIII, 37. Luc. XIV, 16. Act. VII, 31. II Cor. VI, 1. Jes. V, 1 sq. Prov. I, 24. (Cf. Jes. I, 19. 20. Deut. XXX, 19 sq.) 2) Luc. XI, 13. Clem. Οὗ (θεοῦ) ἡ πνοὴ αὐτοῦ ἡμῖν ἐστιν, καὶ ὅταν θέλῃ ἀνέλει αὐτὴν. 1 Cor. XXI. 3) Matth. XI, 27. cf. XIII, 11. 4) Joan. V, 21. Filius quos vult vivificat. indirect, wo sie von Einem Gott und Vater Aller 1) redet, der alle zum Himmelreich einladet 2), wo sie von Christus als Erlöser der Welt3) redet, der alle zur Theilnahme an seinem Heile auffodert*), wo Gottes Fürsorge und Liebe als allgemeine bezeichnet wird), und direct, da sie sagt, daß es Gottes Wille ist, daß alle Menschen selig werden und zur Erkenntniß der Wahrheit gelangen), und daß er nicht will, daß einer zu Grunde gehe 7). Und wie könnten die Früchte aus dem Tode Christi mit den Folgen aus der Sünde Adams verglichen werden, wenn Chrifti Gnade nicht für alle ist ")? Den Gerechten wird die Gnade, die Gebote zu halten, nicht versagt. 1) Wie die heil. Schrift versichert, ist Chrifti Joch süß und seine Bürde leicht (Matth. XI, 30.), find Gottes Gebote nicht schwer ), wird Niemand über die Kräfte versucht†), der Gerechte nicht verlassen ††). 1) Rom. III, 29. An Judaeorum tantum deus? Nonne et gentium ? Imo et gentium. 30. Quoniam quidem unus est deus, qui justificat circumcisionem ex fide et praeputium per fidem. I Cor. VIII, 6. Col. III, 11. Eph. IV, 6. Act. X, 34. 35. 2) Matth. XX, 1 sqq. XXII, 1 sq. 3) Matth. XVIII, 11. Venit filius hominis salvare quod perierat. cfr. 12. 13. 4) Matth. XXVIII, 19. Marc. XVI, 15. cfr. Apoc. III, 20. Ecce sto ad ostium et pulso; si quis audierit vocem meam, et aperuit mihi januam, intrabo ad illum, et coenabo cum illo, et ipse mecum. 5) Sap. VI, 8. Pusillum et magnum ipse fecit, et aequalis est illi cura de omnibus. 6) I Tim. II, 4. Qui vult omnes homines salvos fieri, et ad agnitionem veritatis pervenire. II Pet. III, 9. Patienter agit propter vos, nolens aliquos perire, sed omnes ad poenitentiam reverti. 7) Matth. XVIII, 14. Sic non est voluntas ante patrem vestrum, qui in coelis est, ut pereat unus de pusillis istis. 8) Rom. V, 15. Si enim unius delicto multi mortui sunt, multo magis gratia dei et donum in gratia unius hominis Jesu Christi in plures abundavit. 9) I Joan. V, 3. Haec est enim charitas dei, ut mandata ejus custodiamus, et mandata ejus gravia non sunt. |