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heiten verschaffen, und andererseits zugleich eine unabhängige Stellung bewahren konnten. Daher beginnt nun die Periode der klassischen Jurisprudenz, die sich etwa bis zur Zeit der beiden Severe (bis zum Anfang des 3. Jahrh. n. Chr.) erstreckt. Wir wissen noch, dass unter Constantin ein nicht näher bekannter Innocentius, der mit dem gleichnamigen Agrimensor nicht zu verwechseln ist, das jus respondendi erhielt. Jedoch seit dieser Zeit scheinen sich die Respondentes verloren zu haben, 1) weil seit Diocletian und Maximian (283 nach Chr.) überhaupt alle Rechtsstreitigkeiten regelmässig nur mehr durch die inzwischen an Zahl bedeutend vermehrten Magistrate entschieden wurden und keine Privatrichter mehr fungirten (vgl. unten §. 108.); 2) weil man nun mehr und mehr beim Kaiser über zweifelhafte Rechtsfragen Rescripte. einholte; 3) weil der wissenschaftliche Sinn mehr und mehr sank, und man sich 4) auch gewöhnlich schon an die Responsa der verstorbenen grossen Respondentes halten konnte.

III. In dem sogenannten Citir gesetze, wie es Hugo (vgl. unten §. 33.) zu Anfang dieses Jahrhunderts genannt hat, welches die Kaiser Theodos II. und Valentinian III. 426 n. Chr. von Ravenna aus an den Senat erliessen, bestimmten dieselben, bei Controversen in den juristischen Werken (jus nannte man in der letzten Periode des röm. Rechts den Inhalt derselben im Gegensatze zu den leges d. h. den kaiserl. Gesetzen) sollten sich die Richter an die Ansichten des Papinian, Ulpian, Paulus, Modestinus (vgl. über diese vier u. §. 27. nr. VI. 5.), bei welchen vier grossen Juristen keinerlei Hinneigung zu einer der beiden in den beiden ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit sich gegenüber gestandenen Rechtsschulen (vgl. unten §. 27. Nr. V. 7.) mehr hervortritt, und an die Schriften des Gaius (vgl. unten §. 27. Nr. VI. 4.), ausserdem aber auch an die in den Schriften dieser 5 Juristen richtig citirten Ansichten der anderen Juristen halten. Es solle dann die Ansicht gelten, für welche die meisten Stimmen vorhanden seien; bei Stimmengleichheit solle die Ansicht des Papinian den Ausschlag geben. Zugleich bestimmten obige zwei Kaiser, wie schon im J. 321 Constantin gethan hatte, es sollten die notae des Paulus, Ulpian und Marcian zu den Schriften des Papinian wegen ihrer grossen Spitzfindigkeit gar nicht gelten. (Erst Justinian brachte durch Aufnahme in seine Pandekten wieder einige dieser Noten zur Geltung). Endlich sollten nach dem Citirgesetze die Receptae Sententiae des Paulus (vgl. oben §. 3. S. 7.) ohne Weiteres gelten.

Heutzutage gibt es keine für die Richter verbindliche responsa prudentium mehr. Allerdings ist auch unsere Jurisprudenz sehr productiv, und

sind viele Rechtssätze in ihrer näheren und technischen Ausbildung nicht aus dem Volke, sondern von den Männern der Wissenschaft ausgegangen. Jedoch haben die Meinungen und Ausführungen der Rechtsgelehrten an sich nur insoweit eine Bedeutung, als sie den Richter von ihrer richtigen Uebereinstimmung mit dem geltenden positiven Rechte zu überzeugen vermögen. Verbindliche Rechtskraft haben die Meinungen der Rechtsgelehrten, auch die sog. communis doctorum opinio nur, soweit sie von dem Bestehen eines Gewohnheitsrechts oder eines Gerichtsgebrauchs (s. §. 20 f.) Zeugniss geben, oder sie durch das jus scriptum zur Geltung gelangen.

§. 19. Das heutige Gesetzesrecht.

Das Gesetz ist eine Rechtsnorm, welche 1) von dem gesetzgebenden Organ des Staates ausgegangen, und 2) als Gesetz öffentlich bekannt gemacht (promulgirt oder publicirt) ist. In unseren constitutionellen Staaten gehört also zum verfassungsmässigen Zustandekommen eines Gesetzes der Beirath und die Zustimmung der Landstände, und eine Publication des Gesetzes als solchen durch den Regenten unter Hervorhebung der erfolgten Zustimmung der Landstände und unter Contrasignatur mindestens eines Ministers. Ist die Publication ohne diese letztere Erwähnung erfolgt, so liegt kein gültiges Gesetz vor. Gewöhnlich geschieht jetzt die Publication durch Einrückung in ein amtliches Blatt oder eine Gesetzsammlung oder auch durch öffentlichen Anschlag oder Verkündigung von der Kanzel; gemeinrechtlich ist über die Art und Weise der Bekanntmachung nichts vorgeschrieben. Ob der Richter im einzelnen Streitfalle auch zu prüfen habe, ob die Organe, unter welche die gesetzgebende Gewalt getheilt ist, in verfassungsmässiger Weise zusammengewirkt haben, und ob darnach eine gültige Rechtsnorm vorliege oder nicht, ist streitig. Aus dem Rechtsgrunde, dass die Richter die von der Regierung bestellten Justizorgane sind, und dass die Regierung die öffentliche Beglaubigung und Publication der Gesetze zu besorgen hat, sowie auch aus Zweckmässigkeitsgründen, namentlich um eine grössere Unsicherheit des Rechtes zu verhüten, wird am Besten (mit Linde, Stahl, Zöpfl u. A.; vgl. die Lit. bei Zöpfl, Staatsr. 5. Aufl. §. 451.) die Frage verneint. Aus dem Rechtsgrunde, dass der Richter nur nach wirklichen Gesetzen urtheilen soll, wollen Einige (z. B. Vangerow §. 12, Anm. 1, bei dem auch die Literatur angegeben ist, Puchta, Pand. §. 15, Keller, Pand. §. 2.) die Frage bejahen. Dieser Grund würde in Betracht kommen, wenn die Staatsverfassung vom Princip der Volkssouveränität ausgeht und darnach der Richter eine Stellung als Vertreter des Volkes in Betreff der Handhabung der Justiz einnimmt, wie die röm. Magistrate sie bis in die Kaiserzeit hinein hatten. Aber eine solche Beaufsichtigung der Re

gierungsgewalt in Betreff der Gültigkeit und Verfassungsmässigkeit der von der Regierung gehörig publicirten Normen steht unseren jetzigen zur Entscheidung von Privatrechtsstreitigkeiten berufenen Gerichten nicht zu. Durchweg bestimmen auch die deutschen Verfassungs Urkunden (vgl. die Preuss. v. J. 1850, §. 106.) ausdrücklich, dass Gesetze wie Verordnungen verbindlich sind, wenn sie in der vom Gesetze vorgeschriebenen Form publicirt sind und dass nicht die Behörden, sondern nur die Kammern die Rechtsgültigkeit prüfen können. Verordnungen, d. h. Bestimmungen über die Art des Vollzuges von Gesetzen, und nach manchen Landesverfassungen auch (zur Aufrechthaltung der öffentlichen Sicherheit" oder zur ,,Beseitigung eines ungewöhnlichen Nothstandes") provisorische Anordnungen mit Gesetzeskraft bis zum nächsten Zusammentritt der Kammern darf jedoch der Regent auch allein unter Zuziehung des verantwortlichen Ministeriums erlassen. (Vgl. Preuss. Verfassungs-Urkunde Art. 63, 106.)

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§. 20. Das Gewohnheitsrecht.

Dig. I. 3. de [legibus, Sctis et] longa consuetudine, Cod. VIII. 53. quae sit longa consuetudo; X. und in VIto. De consuetudine I. 4.

I. Die Quelle, der innere Grund des Gewohnheitsrechtes und seiner Bildung beruht auf dem nationalen Rechtsbewusstsein; die Gewohnheit selbst ist die äussere Form in der es sich kundgibt, wie das Gesetzesrecht durch die Publication. Der äussere Rechtsgrund für die Geltung des Gewohnheitsrechtes ist nach den verschiedenen Staatsverfassungen verschieden. Bei den Römern galt ursprünglich das Princip der Volkssouveränität und desswegen war es, wie Julian 1. 32. h. t. sagte, einerlei, utrum „populus voluntatem suam suffragio declaret, an rebus ipsis et factis," d.h. es hatte das bloss durch thatsächliche Anwendung, nicht durch ausdrücklichen Beschluss in der Volksversammlung vom Volke festgesetzte Recht dieselbe Geltung wie das Gesetzesrecht. Seit Constantin hatte sich das Princip der Volkssouveränität ganz verloren. Seit dieser Zeit beruht bei den Römern, ebenso wie in unseren modernen Staaten, wo die gesetzgebende Gewalt an ein Zusammenwirken von Regent und Landständen geknüpft ist, der äussere Rechtsgrund der Gültigkeit des Gewohnheitsrechtes auf der stillschweigenden Einwilligung der gesetzgebenden Gewalt, dass sich ein Gewohnheitsrecht bilden dürfe. Ein Gesetz kann freilich die Clausel enthalten, dass sich gegen dieses Gesetz keine entgegenstehende Gewohnheit bilden dürfe.

Constantin 1. 2. Cod. h. t. :,,Consuetudinis ususque longaevi haud vilis auctoritas est, sed non usque adeo sui valitura momento, ut rationem vincat aut legem."

Abgesehen von dieser etwaigen besonderen Clausel kann ein Gesetz auch durch eine entgegenstehende Gewohnheit, consuetudo contra legem, desuetudo aufgehoben werden. Am häufigsten aber dient das Gewohnheitsrecht zur Ausfüllung von Lücken der Gesetzgebung. (consuetudo praeter legem), oder zur näheren Feststellung des Inhaltes und der Art der Anwendung eines Gesetzes (Usualinterpretation oder consuetudo secundum legem).

II. Um ein Gewohnheitsrecht annehmen zu können, werden folgende Erfordernisse vorausgesetzt:

1) Eine Mehrheit von Handlungen und eine längere Zeit (consuetudo, usus longaevus). Wie viele Handlungen und wie lange Zeit vorliegen müssen, hängt von dem Ermessen des Richters ab; je häufiger die Handlungen und in je kürzerer Zeit sie auf einander folgen, desto eher wird der Richter die Ueberzeugung eines daraus hervorgehenden Gewohnheitsrechtes gewinnen.

Unrichtig ist die Meinung, dass nach canon. Rechte (unter anderen Stellen besonders nach c. ult. x. h. t.) der Ablauf einer Verjährungszeit (s. u. §. 100) für den Rechtsbestand eines Gewohnheitsrechtes nöthig sei. Consuetudo heisst im canon. Recht auch die Ausübung eines subjectiven Rechtes und zwar öffentlichen Rechtes, bei welchem das röm. Recht noch keine juris quasi possessio (§. 136 am E.) zuliess, und die betreffenden canon. Stellen besagen daher nur, dass zum Erwerbe eines derartigen Rechtes durch Ersitzung, eine rationabiliter, d. h. bona fide geschehene Quasi possessio, d. h. Ausübung desselben während der canonischen Verjährungs-Zeit von 40 Jahren erforderlich sei. Vgl. Schulte, Kirchenrecht Bd. I. §. 38.

2) Die consuetudo muss tenaciter servata sein, d. h. in den ver-
schiedenen auf einander folgenden Handlungen muss sich
stets dieselbe Rechtsnorm abspiegeln.

3) Die Handlung muss opinione juris sive necessitatis vorge-
nommen sein, d. h. die Handelnden mussten die Ueber-
zeugung haben, dass sie aus einer rechtlichen Nothwendig-
keit und nicht etwa blos aus Gefälligkeit, Höflichkeit oder
sonstiger freier Willkür so handelten, wie sie handelten.
4) Die consuetudo muss rationabilis sein, d. h. sie darf nicht
der gesunden Vernunft und dem gemeinen Wohle wider-
streiten.

III. Es ist die Aufgabe des Richters, sich ex officio wie dié Rechtskenntniss überhaupt, so auch die Kenntniss des Gewohnheitsrechtes zu verschaffen (jura novit curia). Wenn aber der Richter dennoch ein Gewohnheitsrecht nicht kennt, so muss ausnahmsweise die Partei, welche sich auf das Gewohnheitsrecht beruft, die Existenz desselben beweisen. Der Beweis hat sich dann auf

die Thatsachen zu richten, aus denen der Richter die Ueberzeugung vom Bestande des Gewohnheitsrechtes gewinnen soll. Nur durch obrigkeitliche Bescheinigungen kann schon nach röm. Recht, und nach heutiger Praxis überhaupt durch Urkunden und Schriften rechtsverständiger Personen je nach dem Ermessen des Richters unmittelbar der Bestand des Gewohnheitsrechtes bezeugt werden.

§. 21. Der Gerichtsgebrauch.

Dieser ist eine Rechtsnorm, welche sich in der gleichförmigen, längere Zeit fortgesetzten Handlungsweise eines Gerichtes manifestirt. Bezieht sich der usus fori auf die prozessualische Form, so nennt man ihn formellen Gerichtsgebrauch (mos judiciorum). Dagegen, wenn der Inhalt der richterlichen Erkenntnisse in der Anwendung eines Rechtssatzes längere Zeit hindurch gleichförmig war, so spricht man von materiellem Gerichtsgebrauch (auctoritas rerum perpetuo similiter judicatarum).

Der Gerichtsgebrauch hat nur in so weit eine zwingende Auctorität, als er zur Auslegung und zur Ausfüllung von Lücken eines Gesetzes dient. (L. 38. de legib.; 1. 13. Cod. de sent. et interloc. VII. 45.: „,non exemplis, sed legibus judicandum"). Ein Gerichtsgebrauch contra legem hat nicht an sich, sondern nur in sofern sich in ihm ein Gewohnheitsrecht ausprägt, eine zwingende Auctorität. Ein Gerichtsgebrauch hat auch stets nur für dasjenige Gericht eine verbindliche Kraft, bei dem er erweislich vorkommt, nicht auch für andere Gerichte, seien diese nun coordinirte, subordinirte oder gar übergeordnete Gerichte. Nur in einigen Ländern ist particularrechtlich vorgeschrieben, dass die Untergerichte an den Gerichtsgebrauch der oberen Gerichte gebunden sein sollen, und es werden daher in diesen Ländern die Entscheidungen der obersten Gerichte in Praejudicienbüchern bekannt gemacht. Sonst muss der Unterrichter, wenn er die Entscheidung des Oberrichters für unrichtig hält, stets in seinen Urtheilen seine abweichende Ueberzeugung geltend machen, sollten auch seine Urtheile noch so oft in der höheren Instanz abgeändert werden.

§. 22. Die Anwendung der Gesetze in Ansehung der Personen. I. Im italischen Alterthum hatte jedes Volk sein nationaleigenthümliches Recht (jus civile), welches nur für die Bürger und Glieder dieses Volkes galt. (Vgl. o. §. 7 und u. §. 51.) Bei den Römern verlor sich dieser Gegensatz der verschiedenen nationaleigenthümlichen Rechte, je mehr sich der römische Staat zu einem Universalstaate ausbildete, und vollends, als im justinianischen Rechte der Unterschied zwischen cives Romani und peregrini ganz aufhörte

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