Obrázky na stránke
PDF
ePub

Druck von David Bürkli.

Das kleine Museum zu Avenches (Aventicum) in der Schweiz enthält viele merkwürdige römische Alterthümer von grösserem oder kleinerem Umfange, die meist aus dem ersten und zweiten Jahrhundert der Kaiserzeit herstammen. Sie zeigen uns, mit welcher Fülle schöner architectonischer Verzierungen Tempel und Häuser ausgestattet waren, und welch mannigfachen Schmuck an Vasen, Geräthschaften und Luxusgegenständen der römische Haushalt selbst in kleinen Provinzialstädten entfaltete, und sind ein Beweis jener angeborenen Liebe und Neigung zu Kunstgegenständen, die jeder Römer, der niedere wie der hohe, besass, und die auch heutzutage noch im Volke Italiens mehr als in irgend einem andern fortlebt. In Aventicum zumal sind ausser den vielen kleineren Kunstgegenständen auch noch grössere Ueberreste von Architectur und Sculptur vorhanden, die den Freund des Alterthums fesseln, und über die einstige Bedeutsamkeit dieser gallischen Stadt, der Hauptstadt der Helvetier, wie Tacitus berichtet (Hist. I. 68) uns belehren können.

Es ist indessen nicht der Zweck dieser Mittheilung, über die Geschichte und die Alterthümer von Avenches im Allgemeinen zu berichten; denn schon vor mehrern Jahren hat dieselben, und weit besser als ich es vermöchte, Herr Friederich Troyon beschrieben, der mit warmer Begeisterung die Alterthümer der westlichen Schweiz aufzufinden und zu erhalten und durch seine öffentlichen Vorträge und Schriften über die verschiedenen Perioden derselben Licht zu verbreiten bemüht ist. 1) Auch Herr Theophil Burckhardt hat eine lehrreiche Abhandlung über Aventicum geschrieben und in den baselschen Beiträgen zur vaterländischen Geschichte 2) herausgegeben.

Es ist vielmehr nur eine kleine Bronze, die in Aventicum im Januar 1845 3) gefunden wurde, welche nach dem Wunsche des Präsidenten der antiquarischen Gesellschaft, des Herrn Dr. F. Keller, in unsern Mittheilungen abgebildet und mit kurzem Kommentar begleitet werden soll. Kein ähnliches Stück scheint in der Schweiz vorhanden zu sein: denn zwei andere, die erwähnt werden, sind verschwunden und Niemand weiss, wo dieselben jetzt aufbewahrt sind. 4) So klein und geringfügig aber auch dasselbe Manchem erscheinen mag, so wird doch der seltsame Bilderschmuck und die bedeutungsvolle Geberde dieser Hand bei näherer Prüfung die Aufmerksamkeit jedes Alterthumsfreundes in hohem Grade fesseln. Man empfindet gleich beim ersten Anblick, dass etwas Geheimnissvolles in diesem Gebilde ruht, eine geheimnissvolle Handlung angedeutet wird, und dass dasselbe auf religiösen Kult sich bezieht, aber die volle Deutung wird selbst dem gewandtesten Mythologen nicht geringe Schwierigkeit darbieten. Was ich hier zur Erklärung mittheile, ist ein Versuch, den andere ergänzen und berichtigen mögen. Nur Dem wird es gelingen, den Schleier völlig zu lüften, der in den religiösen Mysterien der römischen Kaiserzeit eingeweiht ist und mit dem Glauben und Aberglauben der alten Welt sich recht vertraut gemacht hat.

Diese Bronze ist, um dem Gegenstande gleich den ihm gebührenden Namen zu geben, eine Votivhand, manus votiva: drei Finger derselben sind wie zum Schwur erhoben, und sie trägt auf beiden Seiten, der inneren und der äusseren, allerlei Bilder von Göttern und Thieren. Sie ist das Exvoto einer Wöchnerin, das sie nach glücklicher Entbindung einem Tempel oder einer Kapelle

geweiht hatte. Wir erblicken nämlich die Wöchnerin selbst unten an der Hand, mit dem Kinde an der Brust, abgebildet. Und jene feierliche Erhebung dreier Finger, die bei religiösen Ceremonien der Römer üblich war und aus dem römischen Kult auch in den christlichen aufgenommen wurde, kann wohl nichts anderes bezeichnen, als dass die Mutter ihr geliebtes Kind dem Schutze und der Fürsorge der Götter angelegentlich empfiehlt, ihnen dasselbe gleichsam angelobt.

Aber welchen Göttern weiht die Mutter ihr Kind? Man sollte denken, dass wenn dieselbe eine Römerin war, die zu Aventicum lebte, sie Götter und Göttinnen des römischen Kultes angerufen hätte, oder wenn sie eine Tochter Galliens war, dass sie die Gottheiten, welche dieses Volk anbetete, und welche in Aventicum ebenfalls Altäre und Tempel hatten 5), zum Schutze des Säuglings erkoren hätte. Dieses ist aber nicht der Fall. Andere, fremde Götter sind hier den römischen beigesellt und werden mit ihnen gemeinsam angerufen.

Es gab nämlich eine Zeit, in welcher die Staatsreligion erschüttert und der kindliche heitere Glaube an die heimatlichen Götter entschwunden war, in welcher die Gemüther lebhaft fühlten, dass das staatliche Leben zerfalle und dass dem kolossalen Römerreiche durch das Eindringen wilder Völker und durch das immer mehr überhandnehmende Elend, sowie auch durch die öftern Verheerungen der Pest 6) Verderben und Untergang drohe. Niemand vertraute mehr der Macht der Landesgötter, sondern die meisten suchten anderwärts Hülfe und Rettung, in fremdem Aberglauben, bei fremden Göttern. Diesen Spuren begegnen wir überall in der Geschichte der drei ersten Jahrhunderte nach Chr. 7) Der männliche Geist, der im griechischen Volke sowohl als auch im römischen lange Zeit so Grosses und Unsterbliches gewirkt hatte, der selbst nach grossen Unglücksfällen und Niederlagen immer wieder verjüngt emporstieg und Neues schuf, war allmälig erloschen, und die entnervte Bevölkerung suchte nun bei phrygischen, syrischen und ägyptischen Dämonen und in wüstem Aberglauben den Trost des Lebens, den die Väter im heitern Kult der olympischen Götter gefunden hatten. Das Studium des Aberglaubens jener Zeit ist ein Studium von grossem psychologischem Interesse, aber für den Freund der Kulturgeschichte sehr betrübend, da er bald wahrnimmt, dass damals so viele Errungenschaften des menschlichen Geistes, die männliche Freiheit und die klare Ruhe des Gemüthes, unwiederbringlich verloren gingen. Fürwahr nur die Schattenseite des Alterthums blieb übrig ! Noch lange bedrückte die Menschheit ein trübes Dasein; die Einen waren in den Sumpf des Aberglaubens hineingerathen, gänzlich vom rechten Wege abirrend, und hingen den thörichtsten Kulten an. Andere fielen in den Abgrund des Unglaubens, welchen namentlich viele Philosophen verbreiteten, und wurden verbittert und hassten Himmel und Erde, Götter und Menschen. Beides aber, der Aberglaube sowohl als auch der Unglaube, besass fortwährend eine unselige Schöpfungskraft; denn immer entstanden wieder neue Kulte und neue philosophische Secten, schnell auftauchend, um ebenso schnell wieder vergessen zu werden. Höchst merkwürdig ist in dieser Beziehung eine Aeusserung des Philosophen Themistius 8), der unter Valens lebte, und in einer Ansprache an den Kaiser mit Rücksicht auf die vielen Streitigkeiten der Christen bemerkt, er dürfe sich über den Zwiespalt der Meinungen derselben nicht verwundern, da dieser im Heidenthum noch weit grösser sei, es gebe ja mehr als 300 verschiedene Lehren über die heidnischen Götter.

Das Christenthum hatte damals das Heidenthum noch nicht überwunden, sondern es trug vielmehr noch den Character einer zähen jüdischen Secte, die den antiken Menschen nicht anziehen und befriedigen konnte. Auch die neu auftretenden christlichen Schriftsteller genügten Dem, der

mit der schönen massvollen hellenischen Litteratur vertraut war, keineswegs. Das Christenthum hatte überhaupt seine schönste Blüthe noch nicht entfaltet, wodurch es späterhin der Träger der höchsten Cultur der Menschheit geworden ist. Der Geist des Paulus war noch nicht in die Herzen seiner Bekenner eingedrungen. 9)

In der römischen Kunst äusserte sich ebenfalls allmälig diese Vermischung fremder und einheimischer Götter. Es sind nämlich ziemlich viele Kunstwerke des ersten, zweiten und dritten Jahrhunderts erhalten, in welchen die fremden Götter theils für sich allein, theils in Verbindung mit den alten Landesgottheiten dargestellt sind. 10) Und was zunächst die Votivhände betrifft, die uns hier beschäftigen, und deren bereits vierzehn aufgefunden wurden und in verschiedenen Sammlungen aufbewahrt sind, wie Herr Professor Otto Jahn 11) berichtet, so sind beinahe alle fremden Göttern gewidmet, die einen phrygischen, die andern ägyptischen.

Unsere Votivhand ist, wie wir unten zeigen werden, phrygischen Göttern angelobt, und übertrifft alle andern an Reichthum und Mannigfaltigkeit des Bilderschmuckes. Wir wollen nun denselben näher betrachten. Bevor ich aber die Beschreibung mittheile, liegt mir ob, auf die vorzügliche Schönheit dieser Bronze aufmerksam zu machen; fürwahr jeder Kenner wird den Ciseleur, den Erzarbeiter, preisen, dem es gelungen ist, eine so anmuthige Hand zu verfertigen. Es ergibt sich aber aus der eigenthümlichen Zierlichkeit und Weichheit der Finger und ihrer Gelenke, dass dieses Kunsstück eine Frauenhand darstellt. Diese Bronze gewinnt daher noch höhern Werth, da Jedermann weiss, wie oft Bildhauer, Erzgiesser und Maler vergebens darnach ringen, eine Frauenhand in natürlicher Schönheit und Feinheit der einzelnen Theile darzustellen. Auch ist bekannt, dass aus dem Alterthum nur sehr wenige Hände erhalten, und die meisten an den vorhandenen Statuen ergänzt oder ganz neu sind, wie die steifen oder geschwollenen Finger, die wir an so vielen erblicken, leicht verrathen. Die Vorzüge, welche Lucian 12) an den Händen einer Statue der Venus von Alkamenes bewunderte, καρπῶν τὸ εὔρυθμον, καὶ δακτύλων τὸ εὐάγωγον, ἐς λεπτὸν ἀπολήγον, vermissen wir auch an unserer Bronze nicht.

Es ist wahrscheinlich, dass nicht bloss unsere Votivhand, sondern auch alle übrigen eine Frauenhand darstellen sollen, allein ich kann dieses nicht verbürgen, weil die Berichterstatter von diesem Umstand schweigen, und weil die sämmtlichen Abbildungen zu ungenügend sind, um dieses erkennen zu lassen. Ich glaube nämlich, dass die Hand symbolisch die Hand der Mutter bezeichnet, welche das Exvoto den Göttern geweiht hat. Sie drückt gleichsam die Sehnsucht aus nach einer höheren Hand und möchte diese erfassen. Auch die Erhebung der drei Finger passt zu diesem feierlichen Act, und kommt auch sonst in ähnlichen Fällen vor, wie wenigstens Professor Furtwängler (Idee des Todes p. 141) behauptet, indem er ein Votivrelief erwähnt, auf welchem sich dem Serapis sieben Personen nahen, Männer und Frauen, alle die rechte Hand in solcher Weise ausgestreckt. 13) Ich füge zugleich bei, dass auch unsere Hand die rechte, nicht die linke darstellt, aus dem leicht erklärlichen Grunde, weil die rechte die Schwurhand ist.

Ich wende nach dieser allgemeinen Betrachtung mich nun zu der genauen Beschreibung unserer Bronze, und werde dieser dann einige weitere Bemerkungen folgen lassen. Die Hand ist ungefähr 4" hoch und ruht auf einer runden Basis. Drei ihrer Finger, der Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger, sind wie zum Schwur erhoben; auf dem Daumen findet sich aufrechtstehend ein Pinienzapfen. Die zwei übrigen Finger sind eingezogen, und tragen vereint auf der Seite der Einbiegung einen

jugendlichen beflügelten Merkuriuskopf. An der äussern Seite der bezeichneten Finger hinter Hermes tritt zwischen beiden ein Widderkopf hervor.

An den Zeigefinger und Mittelfinger lehnt sich an der äussern Seite das Brustbild des Dionysus oder Bacchus, dessen Stirne mit Weinlaub und Trauben bekränzt ist: den rechten Arm hat er behaglich über das Haupt gelegt, und die Chlamys bedeckt den untern Theil seiner Brust und die Schultern. An der innern Seite des Zeige- und Mittelfingers ragt das Brustbild eines alten, bärtigen, mit der phrygischen Mütze bedeckten Gottes hervor, des Sabazius, wie Herr Prof. Gerhard denselben gedeutet hat. 14)

Der viertheilige runde Gegenstand, der unter der Brust dieses Gottes sich befindet, ist einem Opferkuchen ähnlich, und ist das gleiche unbekannte Ding, das auch auf Vasenbildern oft vorkommt. Auf der äussern Fläche der Hand sehen wir zunächst dem Widderkopf einen aufwärts steigenden Frosch, unter ihm seitwärts eine emporklimmende Schildkröte, neben derselben einen zweihenkligen Becher, schräg unter ihm eine aufwärts steigende Eidechse. Da, wo der Daumen aus der Mittelhand hervortritt, findet sich das bekleidete Brustbild der Cybele, an der Mauerkrone leicht erkennbar, und neben dem Haupte derselben erscheint ein Tympanum, das übliche Attribut dieser asiatischen Göttin. Den untern Theil der Hand umschlingt eine Schlange zwiefach so, dass der Kopf derselben bis mitten in die innere Hand hineinragt. An der innern Seite, unter dem Kopf der Schlange, befindet sich eine Klingel oder Schelle. Den äussersten Rand der innern Hand ziert ein Eichenbaumast, durch Eicheln und Laub leicht zu erkennen.

Unterhalb der Schlange, auf der äussern Seite der Hand, liegt eine Frau, ganz eingehüllt und ausgestreckt, mit dem Kinde an der Brust, und mit dieser lieblichen Figur schliesst sich der ganze Bilderkreis.

Est ist nicht unwahrscheinlich, wie ich schon oben bemerkte, dass die Mutter hier abgebildet ist, welche ihr neugebornes Kind durch dieses Votivgeschenk mehrern Gottheiten weihte und zugleich durch beigefügte Amulete gegen Zauber und Behexung zu schützen suchte. Auch auf andern Votivhänden wiederholt sich dieses Bild, und befindet sich stets unten an der Handwurzel, ausserhalb dem übrigen Bilderkreis. Dieses ist die Ursache, warum ich diese Figur nicht für eine Gottheit halten kann, sondern für die Stifterin des Weihgeschenkes. Auf der Votivhand zu Leiden ist an dieser Stelle statt der Wöchnerin Mann und Frau dargestellt, die über dem Altar sich die Hände reichen, also ein Exvoto für eine glückliche Ehe, wie 0. Jahn sagt.

- Auf allen übrigen mir bekannt gewordenen Votivhänden sind nicht so viele Gottheiten dargestellt, sondern nur eine einzige, nämlich Serapis, Sabazius oder Merkur, wohl aber sind mancherlei Attribute anderer Götter ebenfalls hinzugefügt, was Gori veranlasste, diese Weihgeschenke manus Pantheas zu benennen 15), nicht anders als wie es signa Panthea gibt, d. h. Götterbilder aus Attributen von vier oder mehrern Gottheiten zusammengesetzt. 16) Dazu kommen noch einige Thiere, die auf allen sich wiederholen, und die ich für Amule te halte; namentlich umwindet eine Schlange alle als Sinnbild des nie endenden Naturlebens 17) und als Symbol der Heilkraft oder der Heilgötter. Auch die übrigen Thiere sind ein merkwürdiges Zeugniss für den Aberglauben, der in der römischen Welt herrschte.

Wenn wir nun diese bunte Bilderreihe ins Auge fassen, die hier zu einem Exvoto vereinigt ist, so werden wir bald wahrnehmen, dass sie einem eigenthümlichen religiösen Ideenkreise und einer

« PredošláPokračovať »