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EINLEITUNG.

ERSTES CAPITEL.

Herausgabe der Episteln.

Mit welchem Namen Horaz selbst die von den meisten, aber nicht den ältesten Grammatikern so genannten Episteln bezeichnet habe, steht keineswegs fest. Entscheidend hierfür ist natürlich nicht, wenn er dem Florus II 2, 22 erklärt, ihn schon vor dessen Abreise auf seine Säumigkeit vorbereitet zu haben: 'dixi me pigrum proficiscenti tibi ... ne mea saevus iurgares ad te quod epistula nulla veniret? Wo er sonst von der Gattung redet, bedient er sich des unbestimmten Namens 'sermones', der nur den Gegensatz gegen höhere Poesie ausdrückt: ep. II 1, 251 'nec sermones ego mallem repentis per humum quam res componere gestas' (vgl. 4 'si longo sermone morer'), wie er auch von den Satiren (sat. I 4, 42) sagt, dafs sie 'sermoni propiora' seien; und ep. II 2, 59 f., wo er alle Gattungen seiner litterarischen Thätigkeit aufzählt: 'carmine tu gaudes, hic delectatur iambis, ille Bioneis sermonibus et sale nigro', fafst er Satiren und Episteln unter demselben Namen zusammen, höchstens dafs man das 'sal nigrum' vorzugsweise der erstern Gattung zuschreiben mag. Beiderlei kann er auch gemeint haben, wenn er I 4, 1 den Tibull anredet: 'Albi nostrorum sermonum candide iudex'. Die Bezeichnung 'satira' dagegen findet sich nur in den Satiren: II 1, 1 'sunt quibus in satira videor nimis acer', und II 6, 17 'quid prius inlustrem satiris musaque pedestri?' Dessenungeachtet begreifen gerade die älteren Zeugen

auch die Episteln unter dem Namen satirae. Quintilian in seiner Litteraturübersicht X 1, 93 ff. kennt Horaz nur als Vertreter des iambus, der Lyrik und der satira. Wenn Sueton (geboren etwa 77 n. Chr., seine ersten Publicationen nach 105: Mommsen Zur Lebensgesch. des jüngern Plinius in Hermes III 43) in der vita p. 47, 6 R. berichtet, derselbe sei von Statur kurz und fett gewesen, 'qualis et a semet ipso in satiris describitur', so meint er epist. I 20, 24 und 4, 15; kurz vorher p. 46, 8 erwähnt er 'sermones quosdam', womit wahrscheinlich Satiren gemeint sind. Und mit demselben Namen (satirae) fafst noch im 5. Jahrhundert Sidonius Apollinaris carm. IX 223 beides zusammen, obwohl er die Sondertitel bereits kennt: 'non quod per satiras, epistolarum sermonumque sales, novumque epodon, libros carminis ac poeticam artem ... voluit sonare Flaccus'. Es ist dies dieselbe Unterscheidung, von der unsre Scholiasten behaupten, sie sei vom Dichter selbst ausgegangen: 'quamvis satiram esse opus hoc suum Horatius ipse confiteatur, cum ait [sat. II 1, 1], tamen proprios titulos ei voluit accommodare, hos priores duos libros sermonum, posteriores epistularum inscribens' sagt Porphyrion zu sat. I 1, 1 zu Anfang des dritten Jahrhunderts, wenn O. Keller's (symb. philol. Bonn. 491 ff.) Zeitbestimmung das Richtige trifft.

In der That konnten alle diese Sachen unter den allgemeinen Begriff jener freien, stillosen Mischgattung satura zusammengefasst werden, welche in der Form zwischen Poesie und Prosa stehend Raum für jeden pikanten Ergufs geistreicher Laune bot, mochte derselbe erzählend, belehrend, reflectirend und discutirend, spottend oder einfach plaudernd sein. Insofern nun dergleichen Mittheilungen am liebsten sich an eine bestimmte Person wendeten, deren besonderes Interesse heranzuziehen, in gleichsam improvisirten Dialogen eine Debatte einzuleiten liebten, wie ja die satura schon in ihrer ältesten Gestalt diesen dramatischen Charakter hatte, kam ihnen auch der Name sermones zu als zwanglosen Plaudereien, Unterhaltungen, Causerieen. Nur dafs die von uns im engeren Sinne 'Satiren', in den Handschriften

'sermones' genannten Stücke zum gröfseren Theile nicht an ein wirkliches Individuum gerichtet sind, sondern in poetischer Einkleidung an ideale Persönlichkeiten, seien es Typen wie Davus, Tiresias u. s. w. oder das Römische Publicum im Allgemeinen. Eben dadurch unterscheiden sich die beiden andren Bücher, dafs jede ihrer Nummern an eine bestimmte Adresse gerichtet ist; und insofern eine beträchtliche Zahl derselben auch wirklich persönliche An- oder Aussprachen enthält, so ist der Titel 'epistulae' selbst im strengeren Sinne a potiori gerechtfertigt, und wohl möglich, dafs Horaz ihn bei Herausgabe des ersten Buchs selbst gewählt hat. Dafs in allen Fällen die Wahl der Adresse auf individuellen Beziehungen des Inhaltes zu Stellung und Denkart des Empfängers beruht haben, dafs manche Wendung durch bestimmte, mündliche oder schriftliche Aeufserungen desselben hervorgerufen sein wird, können wir unbedenklich annehmen. Nur mufs man sich hüten, bei der Erklärung des Einzelnen Hypothesen über dergleichen Zusammenhänge in die Luft zu bauen, die, weitgefehlt ein tieferes Verständnifs zu eröffnen, durch nicht methodische, sondern pedantische Klügelei den besten Duft freier Laune von diesen liebenswürdigen Mittheilungen abstreifen ').

Briefe im engeren Sinne sind I 3. 4. 8 die Billets an Florus, Tibullus, Celsus Albinovanus, I 5 die Einladung an Torquatus, I9 und 12 die Empfehlungsschreiben an Tiberius und Itius, I 11 der Trost für Bullatius, I 15 die Erkundigung bei Vala, und obwohl für Augustus, nicht für den Adressaten bestimmt I 13 die Instruction für Vinius. Was aber sonst beigefügt ist, und das sind grade die bedeutenderen Sachen, könnte dem Inhalt nach ebensogut unter den sermones stehen. Das sind die eigentlichen 'sermones Bionei, Unterhaltungen philosophischer Art in bequemer, launiger Form, wie sie jener оlúτqoños xaì σοφιστὴς ποικίλος, Bion vom Borysthenes hinterlassen haben mochte, von dem Eratosthenes sagte, dafs er zuerst der Philo

1) So kann ich mich mit Kolsters letzter Schrift „über die Episteln des Horaz, welche ersichtlich Antwortschreiben sind" (Meldorfer Progr. 1867) ganz und gar nicht einverstanden erklären.

sophie ein blumiges, d. h. das Satyrgewand angelegt habe. Zu dieser Gattung wird man vorzugsweise ep. I 1. 2. 6 zu rechnen haben, in weiterem Sinne auch 17 und 18. Aber ich wüsste nicht, warum sat. I 3 II 2. 3. 7 aus dieser Kategorie auszuschliefsen wären. Zu den persönlichen Auseinandersetzungen mit Mäcenas ep. I 7 ist das Gegenstück sat. I6; die Beschreibung des Gutes ep. I 16, die Zurechtweisung des vilicus I 14, endlich das Lob des Landlebens I 10 sind zu vergleichen mit sat. II 6. Und ebensowenig kann ich einen specifischen Unterschied erkennen zwischen den Abhandlungen über Litteratur, welche in Satiren und Episteln verstreut sind: sat. I 4. 10 II 1 epist. I 19 II 1.2, um von der Poetik abzusehen. Den Satiren allein bleiben reine Erzählungen, Schwänke und Sittengemälde im Ton des Lucilius.

Uebrigens ist nur die zufällige zeitliche Verschiedenheit der Abfassung entscheidend gewesen für die Aufnahme der oben aufgezählten einzelnen Eklogen unter die sermones oder unter die epistulae. Und dieser zeitliche Abstand hat freilich auch in Ton, Haltung, Auffassung, formaler Behandlung den verschiedenen Sammlungen ihren besonderen Charakter aufgeprägt. Der Verfasser der Episteln ist eben ein Mann in gesetzten Jahren, der die Petulanz und Leidenschaft der Jugend überwunden hat und vorzugsweise den ernsteren Interessen des Lebens, litterarischen und philosophischen zugewendet ist, ein Mann, dem es Freude macht mit väterlicher Weisheit jungen Leuten den rechten Weg zu weisen, die Früchte reifer Erfahrung mit ihnen zu theilen, den aber die Thorheiten und Laster der Menge ohne persönlichen Anlafs nicht mehr zum Angriff reizen. Daher kein persönlicher Spott mehr; der Sarkasmus, der nicht fehlt, ist kühler, vornehmer geworden. Nur über Verderber der Litteratur und Feinde des guten Geschmacks ereifert er sich noch, wo es sich um Aufgabe und Frucht seines ganzen dieser Sache gewidmeten Lebens handelt.

Bei der Anordnung der Episteln des ersten Buchs ist das Princip einer angemessenen Abwechselung mafsgebend ge

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