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carmen saeculare, epistulae, satirae), ist nicht ermittelt. Jedenfalls scheint sie bereits im 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung bestanden zu haben. Wahrscheinlich ist schon im fünften, als Sidonius Apollinaris carm. IX 223 ff. schrieb, die Poetik von den Episteln losgerissen gewesen, da er bei der Aufzählung der horazischen Schriften dieselben so ordnet: Episteln, Sermonen, Epoden, carmina und ars poetica.

Das einzig brauchbare Fundament für die Zeitbestimmung des Briefs an die Pisonen ist, abgesehen von indirecten Schlüssen aus der Zeitfolge der übrigen horazischen Schriften, die Notiz des Porphyrio, der durch den Nachweis der Poetik von Neoptolemus aus Paros als Quelle für Horaz verräth, dafs er hier aus einem gelehrten Commentar, vielleicht des Scaurus, schöpft: hunc librum, qui inscribitur de arte poetica, ad Lucium Pisonem, qui postea urbis custos fuit, eiusque filios misit. Die Charakteristik dieses L. Calpurnius Piso bei Tacitus ann. VI 10 'nullius servilis sententiae sponte auctor, et quotiens necessitas ingrueret sapienter moderans' empfiehlt ihn als Genossen des horazischen Kreises, zumal da seine Trinkliebe erst unter Tiberius ausgeartet zu sein scheint (Plinius n. h. XIV 22, 145 Sueton Tib. 42 Seneca ep. 83, 14). Er mag in Thrakien den Grund dazu gelegt haben und zur Zeit des Horaz nur ein Freund fröhlicher Gelage gewesen sein wie Andere. Im Jahre 739 war er Consul. Wenn er nun 32 n. Chr. im 80. Lebensjahre gestorben wäre (Tacitus ann. VI 10), so müsste er 706 geboren und ungesetzlicher, ja unerhörterweise im 33. Lebensjahre bereits zum Consulat gelangt sein. Diesem Bedenken hilft Riese's Vermuthung (Jahrbb. 1866 S. 480) ab, bei Tacitus statt 'aetas ad LXXX annum processit zu schreiben 'LXXXX', so dafs seine Geburt 696, sein Consulat in das legitime 43. Lebensjahr fällt. Aber auch seine beiden Söhne konnten 'iuvenes patre digni' (V. 24) schwerlich als 19-20jährige Jünglinge heifsen, und doch kommt man mit der Annahme, dafs der Vater 706 geboren sei, höchstens soweit, dass sie 745 und 746 jenes Alter erreicht haben konnten. Geben wir jenem 10 Jahre mehr, so wird der Spiel

raum für diese sehr erweitert. Bedenkt man, dafs Horaz junge Leute von 18-20 Jahren noch 'puer' zu nennen pflegt (carm. I 5, 1. 9, 16. 13, 11. 27, 20. IV 1, 15. sat. II 1, 60. epist. I 2, 68. 18, 55), so wird man den 'maior iuvenum', der die Poesie und zwar das Drama zu seinem Beruf erwählt hat, für jünger als 23-24 Jahre schwerlich ansehen dürfen. So heifst im Jahre 739 der 23jährige Drusus (carm. IV 4, 24), im Jahre 734 der 22jährige Tiberius (epist. I 8, 14) 'iuvenis'. Der Brief an die Pisonen konnte also, wenn der Vater frühstens etwa 716 geheirathet hatte, nicht vor 740 oder 741 geschrieben sein. Wenn er aber nicht schon 740 fertig war, so ist er in den Jahren 741-743, als L. Piso die Thrakischen Völkerschaften bekriegte, ihm schwerlich zugestellt worden, sondern erst nach seiner Rückkehr. Denn dafs sein Kriegsruhm und das erworbene decus triumphale in diesem Litteraturbrief, der alles Persönliche bei Seite läfst, nicht ausdrücklich erwähnt wird, kann keinen Unbefangnen Wunder nehmen. Was hätten Siege über die Thraker mit Anweisungen über dramatische Poesie zu thun gehabt? Dafs aber die Poetik in eine Zeit fällt, wo Horaz auf eigene poetische Production verzichtet hat, beweist seine Erklärung V. 303—306 = 89-92: da nun das vierte Buch der Oden noch 741 erschienen ist, so kann er an diese Epistel schwerlich vor 744 gegangen sein.

Wenig braucht uns das Alter des V. 387 empfohlenen Kunstrichters Sp. Maecius Tarpa zu kümmern. Derselbe war 699 eine grofse Auctorität für Beurtheilung von Dramen (Cic. ep. ad fam. VII 1), und könnte immerhin auch 744-746 noch gelebt haben als ein Greis zwischen 70 und 80 Jahren. Er kann aber auch, wie schon Nipperdey im Jenenser Programm (Sommer 1858) bemerkt hat und wahrscheinlicher ist, hier nur als Typus eines strengen und einsichtigen Kritikers genannt sein. Vor 725, als Horaz sat. I 10, 38 (46) schrieb, war er jedenfalls noch im höchsten Ansehn.

Auf sehr schwachen Füssen aber steht Riese's Versuch (Jahrbb. 1866 S. 476 ff.) die Abfassung des Briefes in das Jahr 733 zurückzuverlegen. Der Vers epist. I 19, 11 soll eine Parodie

von a. p. 269=297 f. sein, und da nun der 19. Brief spätestens 734 geschrieben sei, in welchem Jahre Horaz das erste Buch der Episteln herausgegeben habe, so müsse die Poetik jedenfalls vor diesem Jahre erschienen sein. Wenn von bewufster Anspielung die Rede sein soll, so wüfste ich nicht, warum das Verhältnifs nicht umgekehrt werden könnte. Da der Anklang höchstens für einen sehr bewanderten Leser des Horaz hörbar war, so konnte derselbe, ohne dafs darum an sich der Ton jener Ermahnung niedriger oder derber würde, allenfalls verstehen: „, anstatt nocturno certare mero, putere diurno, wozu ich ehemals die Dichter sollte angeregt haben, vos exemplaria Graeca nocturna versate manu, versate diurna." Dagegen konnte keinem Leser von epist. I 9, 11 einfallen, dem Verfasser folgenden Sinn unterzuschieben: „,sobald ich einmal öffentlich erklärt hatte, forum putealque Libonis mandabo siccis, adimam cantare severis, hörten die Dichter nicht auf nocturno certare mero, putere diurno, anstatt, wie ich ihnen in der Poetik empfohlen hatte, exemplaria Graeca nocturna versare manu, versare diurna." Eben diese Mahnung war hier direct zu wiederholen, wenn die Parodie zu ihrem Recht kommen sollte. Ganz nichtig ist der andere Einwand Riese's, der in V. 136 210 ff. ausgesprochene Tadel des kyklischen Dichters wegen des anspruchsvollen Einganges zu seinem Epos würde auch die Aeneis des Vergil getroffen, also ihn oder sein Andenken verletzt haben, wenn dieses Gedicht oder der Anfang desselben damals schon bekannt gewesen wäre. Also fordre die Delicatesse anzunehmen, dafs die Poetik jedenfalls vor dem Tode Vergils (735), oder vielmehr vor Bekanntwerden des ersten Buches der Aeneis geschrieben sei. Da nun dasselbe bereits im Januar 727 in den Hauptsachen vollendet war und Properz jedenfalls im Jahre 728 oder 729 eben jenen Anfang 'arma virumque cano' gekannt hat (III 34, 63 f. und meine prolegg. S. 64 f.), so müsste, was Riese unbemerkt gelassen hat, die Pisonenepistel sogar vor dieser Zeit geschrieben sein. Aber jene zarte Rücksicht ist in der That ganz überflüssig. Horaz tadelt, dafs der Kykliker in seiner Verheifsung den Mund so voll nimmt: fortunam Priami

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cantabo et nobile bellum, nicht dafs er die Muse anzurufen unterlässt. Dies zum Gesetz zu machen ist niemals Einem eingefallen. Aufserdem aber wird ihr ja wirklich in V. 7 alle Ehre angethan: Musa, mihi causas memora. Auch an den wirklichen Fehlern jenes Verses leidet der Anfang der Aeneis nicht. Schon cano ist leiser als cantabo; es fehlt jedes klingende Beiwort wie nobile, der Name wird vermieden: arma virumque cano, Troiae qui primus ab oris u. s. w. hat viel mehr Aehnlichkeit mit dem der Odyssee, wie ihn Horaz übersetzt und als Muster aufstellt: dic mihi, Musa, virum, captae post moenia Troiae qui mores hominum u. s. w. Dafs er den homerischen Eingang als Beispiel vorzieht und den seines Freundes übergeht, kommt einfach daher, weil eben auch Vergil an jener Quelle geschöpft hat und die ganze Tendenz des Briefes auf die Empfehlung der griechischen Vorbilder hinzielt.

Es bleibt also dabei: die Poetik ist keinenfalls vor 740 oder 741, wahrscheinlich erst nach 743 geschrieben, ja es kann mit Sicherheit nicht einmal behauptet werden, dafs sie vor dem Tode des Verfassers 746 bereits definitiv vollendet oder veröffentlicht sei.

Mag aber auch jede dieser drei Episteln noch bei Lebzeiten des Horaz an ihre Adresse gelangt und in engeren Kreisen gelesen sein, so kann doch eine Sammlung oder Herausgabe derselben sehr wohl einstweilen unterblieben sein. Wenn Publicationen aus seinem Nachlasse stattfanden, so war die Versuchung zu Fälschungen, wie sie Sueton erwähnt (venerunt in manus meas et elegi sub titulo eius et epistola prosa oratione quasi commendantis se Maecenati'), um so näher. Objective Kriterien, wie z. B. die Beglaubigung eines authentischen Exemplars letzter Hand, scheinen schon damals gefehlt zu haben, da er nur subjective Gründe der Verwerfung hat: sed utraque falsa puto; nam elegi vulgares, epistola etiam obscura, quo vitio minime tenebatur.'

ZWEITES CAPITEL.

Die Ueberlieferung.

Dafs der Text der Episteln zu irgend einer Zeit des Alterthums einem Leser in wesentlich anderer Gestalt und Anordnung vorgelegen habe als uns, läfst sich nicht erweisen; aber auch das Gegentheil nur in einem wichtigen Fall. Aus Charisius p. 202, 28 K., d. h. aus den aqoquai des Iulius Romanus (p. 190, 8 K.) geht nämlich hervor, dafs schon Q. Terentius Scaurus. V. 75 der jetzigen ars poetica in derselben gelesen hat. Die übrigen Citate sind zum allergröfsten Theil jung: die meisten bei Priscian und Servius, die übrigen bei Charisius, Diomedes, Donat und anderen jüngeren Grammatikern. Sie sind kurz, meist von kritisch unverfänglichen Stellen, etwas bedeutendere Abweichungen auf Gedächtnifsfehler oder Absicht zurückzuführen, namentlich bei Priscian und seinem Schüler Eutyches. Das Wichtigste noch ist, dass V. 65 der Poetik der Fehler diu palus auch von Priscian und Servius anerkannt wird. In unseren erbärmlichen Scholien1) sind so ziemlich alle Spuren alter Textüberlieferung und Kritik verwischt, so dafs dahingestellt bleiben mufs, wie weit die durchgreifende Thätigkeit des Valerius Probus den horazischen Briefen zu Gute gekommen sein mag. Auch von dem umfangreichen Commentar des eben genannten Scaurus liegt uns so gut wie Nichts vor. Unsere besseren Handschriften, sowohl die erhaltenen, von denen die ältesten durch fast ein Jahrtausend von der Zeit des Verfassers getrennt sind, als auch die verschollenen, deren weder vollständige noch durchweg zuverlässige Kunde wir Jacob Cruquius verdanken (darunter die älteste blandinische aus einem der ersten 5 Jahrhunderte), geben einen im Ganzen sehr übereinstimmenden Text, der auf die Auctorität irgend eines nicht eben glücklichen Diorthoten zurückzuführen ist. Schon bevor

1) Die dadurch nicht werthvoller werden, dafs Usener kürzlich im Rhein. Mus. XXIII 491 die älteste Spur des Namens Acron für den einen der Scholiasten in einem mittelalterlichen Glossar nachgewiesen hat.

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