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[Viertes Stück. ]

Vorbericht des Ueberseters.

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Wir haben die Uebersetzung dieses Stücks unsern Lesern schon im vorhergehenden Stücke versprochen. Es ist nun in diesem Jahre in Paris auf sieben und einen halben Bogen in Octav herausgekommen; und verdienet wegen der vielen vortrefflichen Anmerkungen, die es ungeachtet seiner Kürze enthält, daß wir es ganz mittheilen. Der ältere Riccoboni, der Vater unsers Verfassers, hat sich schon um die Schauspielkunst durch seinen Tractat von der Declamation, und sein italienisches Gedichte von der Kunst zu agiren sehr verdient gemacht, und wir werden nicht ermangeln, ehestens beydes, in einer deutschen Kleidung, auch in unsre Beyträge einzurücken.

[III.]

Beschluß der Critik über die Gefangnen des Plautus.

Ich komme zu der andern Art von Fehlern, die man häufig bey dem Plautus finden will, und deren mein Gegner auch einige in seinen Ge= fangnen aufgetrieben hat. Diese sind seine nichts bedeutenden Scherze, deren Grund meistentheils ein Wortspiel ist. Ich gebe es zu, die Lustspiele des Plautus sind davon voll, nur das kann ich nicht zugeben, daß man daraus auf den übeln Geschmack dieses Dichters schließen will. Ich muß mich geschwind deutlicher erklären, denn ich bin sonst in Gefahr, daß meine Leser mir selbst einen sehr nichtswürdigen Geschmack zuschreiben werden. Ich rede gar nicht dem eingeschränkten Wiße das Wort, welcher seine Scherze und Einfälle bloß aus dem Gleichlaute, oder der Zweydeutigkeit der Worte nimmt. Dieser kindische Weg sinnreich zu scheinen

1 S. S. 86 Anmerk. 1. Die hierauf folgende Ueberseßung hat den Titel: „Die Schauspielkunst, an die Madame *** durch den Herrn Franciscus Riccoboni, den jüngern. Aus dem Französischen überseßt. Vergl. Th. Danzel, G. E. Lessing sein Leben und seine Werke. S. 178. Die Anmerkung.

v. M.

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ist allen Schriftstellern eine Schande, besonders aber dem Dichter, als bey dem die wahre Scharfsinnigkeit am meisten gesucht und am leichtesten vermißt wird. Ich muß gleich meine Einschränkung hinzusehen, damit ich mir nicht zu widersprechen scheine: Wortspiele, behaupte ich also, beschimpfen den Dichter, als Dichter, nicht aber als Nachahmer geringer Personen. Alle Gedichte, wie bekannt ist, theilen sich in zwey Arten; in Gedichte wo der Dichter redet, und in Gedichte, wo er andre reden läßt. Man kann, wenn man will, die dritte Art hinzu setzen, welche die beyden vorigen Fälle verbindet. In der ersten Art, wohin besonders Oden und Lehrgedichte zu rechnen sind, ist der geringste Schein eines Wortspiels unerträglich. In der Ode ist es, wo er die Sprache der Götter reden, und das Erhabne in Gedanken, Ausdruck und Ordnung herrschen lassen soll. Das Menschliche will ihm schon darinne nicht anstehen, geschweige das Pöbelhafte. Und was ist pöbelhafter als Wortspiele? In den Lehrgedichten muß er die Vernunft mehr mit Gedanken zu überschütten, als das Ohr zu küzeln suchen. Man tadelt ihn schon, und das mit Recht, wenn er uns wenig denken läßt; wie vielmehr wird er zu tadeln seyn, wenn er uns gar nichts denken läßt. Und was kann man bey einem Wortspiele gedenken? Ganz anders aber ist es in der Art von Gedichten, wo der Dichter Personen von verschiedner Gattung redend aufführet; ich mehne in den dramatischen. Hier ist es seine vornehmste Pflicht, die Personen zu schildern, wie sie sind, und sie dasjenige sagen zu lassen, was sie nach ihrem Stande und nach ihrer Gemüthsart sagen können. Diejenigen von den dramatischen Gedichten aber, die zu meinem Zwecke gehören, etwas näher zu betrachten, was für Personen hat denn ein komischer Dichter in seinen Stücken zu schildern? Von was für Stande, und von welcher Gemüthsart sind sie meistentheils? Hierauf muß man mit Unterschied antworten. Die Alten führten in ihren Lustspielen durchgängig Leute vom niedrigen Stande auf, die, in dem ersten Alter der griechischen Komödie, alle entweder strafbar oder lächerlich seyn mußten; gute und ernsthafte Personen waren gänzlich davon ausgeschlossen, ihre Stelle aber vertrat dann und wann der Chor, wenn es der Dichter nämlich für nöthig hielt, den Zuschauern eine Moral beyzubringen, die in dem Munde einer strafbaren oder lächerlichen Person ihren Werth_ver= lohren hätte. Da aber in den letztern Zeiten die Komödie den Chor abschaffen mußte, weil er sich allzu viel Freyheit angemaßt hatte, so wurden Lessing, sämmtl. Werke. III.

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die Dichter genöthiget in ihre Stücke auch gute und ernsthafte Charaktere zu mischen, weil sie sonst unmöglich ihren lezten Zweck, die Besserung der Zuschauer, würden erhalten haben. Wir finden dergleichen Charaktere häufig bey dem Plautus und Terentius, die einzigen Muster die uns das Alterthum von dem verbesserten Schauspiele hinterlassen hat; und bey dem lettern noch häufiger als bey dem ersten. Wenn man aber alle, die uns sowohl bey dem einen als bey dem andern vorkommen, genau betrachtet, so wird man finden, daß sie sich niemals, so gut und ernsthaft sie auch sind, über den Stand komischer Personen, welches aufs höchste bey den Alten der mittlere Stand war, erheben; das ist, sie sind so beschaffen, daß weder ein erhabner Geist noch ein edles Herz dazu erfodert wird, als wahre Muster von dem, was wir im gemeinen Leben gute Leute zu nennen pflegen. Diese nun, und alle geringre Sorten von Menschen, muß man sich vorstellen, wenn man die Muster des komischen Ausdrucks und des komischen Scherzes haben will. Der letztere gehört vor jezo zu meinem Zwecke. Wie scherzen Leute, welche Glück und Auferziehung an die niedrigste Stelle gesezt hat? Nicht selten strafbar, oft grob und fast allezeit mit Wortspielen. Und eben so scherzen des Plautus Knechte. Ist er aber zu tadeln, daß er seine Urbilder allzuwohl getroffen hat? Oder würde er nicht vielmehr zu tadeln seyn, wenn er ihnen seinen Wit ge= liehen hätte, und sie Artigkeiten sagen ließe, die kein Römer von seinen Knechten zu hören gewohnt war? Ich will es durch ein Beyspiel erläutern. Vt pictura poesis erit. Wer kennt nicht die saubern Gemälde auf den

1 Daß die Alten in der That diejenigen Stücke, worinne Leute von Stande vorkamen, ob gleich ihr Inhalt vollkommen komisch war, gleichwohl nicht Komödien genennt, ist aus dem Vorredner des Amphitruo deutlich zu beweisen.

Faciam ut commista sit Tragico-comoedia:
Nam me perpetuo facere ut sit Comoedia,
Reges quo veniant et Dî, non par arbitror.

Quid igitur? Quoniam hic servos quoque partes habent,
Faciam ut commista sit Tragico-comoedia.

Es würde sich nicht schicken, spricht Plautus, wenn ich dieses Stück, worinne Götter und vornehme Leute (denn so ist das Wort Reges hier zu überseßen) vorkommen, eine Komödie nennen wollte; es würde sich aber auch nicht schicken, wenn ich ihm den Namen einer Tragödie beylegte, weil auch Personen vom geringen Stande darinne auftreten; ich will es also, um weder auf der einen noch auf der andern Seite zu verstoßen, eine Tragikomödie nennen. Wie sehr weicht folglich die Bedeutung, die wir jezo diesem Worte geben, von der ab, welche die Alten damit zu verbinden pflegten. Ich will aber damit nicht sagen, als ob die Neuern nicht Grund gehabt hätten in Benennung ihrer Stücke mehr auf den Inhalt als die Personen zu sehen; sondern ich will nur zeigen, daß die Alten Leute von Stande und wichtigen Bedienungen durchaus aus ihren Lustspielen ausgeschlossen, und sich die niedrigsten Sorten von Menschen darinne aufzuführen begnügt haben.

französis. Spielkarten? Gesezt es kömmt einem Künstler ein, einen König daraus in aller feiner Herrlichkeit in einem Quodlibet anzubringen; und es giebt allerdings große Künstler, die ein Vergnügen finden in Nachahmung gewisser Kleinigkeiten ihre Stärke zu zeigen. Nicht wahr wir loben ihn, wenn er eben die groben Züge, eben die unförmliche Zeichnung, und eben die Aufeinanderkleckung widriger Farben desto ähnlicher herausbringt, je mehr Zwang er seiner Hand und seinem Geschmacke bey der Arbeit hat anthun müssen? Lächerlich aber würde er seine Geschicklichkeit machen, wenn er uns einen majestätischen Körper, eine erhabne Gesichtsbildung, und einen gewählten Schmuck auf einem Blatte vorstellte, das seine ganze Schönheit von der Aehnlichkeit erlangt, und nothwendig schlecht seyn muß, wenn es ähnlich seyn soll. Warum urtheilt man also nicht auf gleiche Art von dem komischen Dichter? Warum lobt man nicht den Plautus, dessen Knechte denken und reden, wie Knechte denken und reden können? Und warum tadelt man nicht einen Marivaux, dessen Bediente zwar Bediente sind, aber Bediente aus einer marivaurischen Welt, nimmermehr aber aus der unsrigen? Ja, wendet man ein, gesezt auch, Plautus habe in dieser genauen Nachahmung viel Kunst erwiesen, so ist er doch deswegen zu tadeln, daß er sich so schlechte Vorbilder gewählt hat. Doch hierinne entschuldiget ihn genugsam die damalige Einrichtung des Lustspiels, nach welcher er der Knechte unmöglich entbehren konnte, die, theils als gebohrne Sklaven, theils als gefangne oder erkaufte Barbaren, noch weit unter unsre Bediente zu sehen sind, und alsó auch das Recht haben, noch gröber zu denken und noch ungeschickter zu scherzen. Nach den Knechten hat Plautus besonders noch eine andre Art von Personen, die oft nicht weniger abgeschmackt spaßen und größtentheils durch Wortspiele wißig seyn wollen; dieses sind die Schmarußer, Leute denen ihre Einfälle statt der Renten waren, und die von ihren Possen leben mußten. Allein in diesen Charaktern sind die schlechten Scherze des Plautus nicht nur zu entschuldigen, sondern so gar zu loben. Es war seine Absicht diese Lustigmacher verhaßt zu machen. Würde er sie aber erreicht haben, wenn er ihnen einen wahren Wig und einen feinen Geist beygelegt hätte? Nimmermehr. Ihre Verdienste waren, daß sie Ohrfeigen leiden konnten, daß sie sich zu den schimpflichsten Verrichtungen brauchen ließen, daß sie von wunderbarer Gefräßigkeit waren, und Leute dann und wann zu lachen machen konnten, die bey feinen Scherzen gegehnt hätten. Wäre es also nicht

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strafbar gewesen, wenn er ihnen durch eine feine Art zu denken bey seinen Zuschauern eine Art von Hochachtung zuwege gebracht hätte, die sie gar nicht verdienten? Zum Exempel ein Maler wollte einen Affen malen, der über die Farben seines Herrn gerathen, und mit dem Pinsel eben das zu machen suchte, was er oft hat machen sehen. Würde der Maler wohl unter der Pfote des Affen das Gesichte eines liebenswürdigen Frauenzimmers entstehen lassen? oder würde er nicht vielmehr durch das, was er den Affen malen läßt, auszudrücken suchen, daß es in der That ein Affe gemalt habe?

Wenn man also aus den Lustspielen des Plautus die Knechte und Parasiten wegnimmt, so werden in der That wenig oder gar keine schlech= ten Scherze übrig bleiben. Es ist nicht wahr, daß er sie bey aller Gelegenheit anzubringen sucht, er weis seine Personen vortrefflich zu unterscheiden, und legt niemals einem Freygebohrnen Reden in den Mund, die man nur einem Knechte zu gute halten würde. Seine lächerlichen Alten nehm ich aus, wenn ihnen eine ausschweifende Liebe das Vorrecht giebt närrischer als andre ihres gleichen zu denken und zu handeln. Mit was für Ernst hat er nicht, zum Erempel, in dem Lustspiele Trinummus, einen vernünftigen Vater in dem Philto, einen gehorsamen Sohn in dem Lyfiteles, einen uneigennützigen Freund in dem Callicles geschildert? Mit was für Anständigkeit sind die Muster getreuer Weiber Panegyris und Pinacium in dem Stichus, mit was für Vorsichtigkeit die Tochter des Parasiten in der Persianerinn gebildet? In diesen und dergleichen Cha= rakteren, deren in seinen meisten Stücken einige vorkommen, zeige man mir das geringste Abgeschmackte, den geringsten anstößigen Scherz, und alsdann will ich es einräumen, daß Plautus nichts als ein ungeschickter Lustigmacher ist, der zu seinen Poffen weder Zeit noch Personen zu wäh len weis. Wenn aber sein Wit nur da seichte ist, wo er seichte seyn muß, wenn er nicht damit zu prahlen sucht, und ihn nicht, der Natur zum Truz, an unwürdige Gegenstände verschwendet, so muß man ihn nothwendig, wenn man billig urtheilen will, den meisten neuern Dichtern unendlich vorziehen, die in allen Kleinigkeiten so viel Geistiges anbringen, daß sie das Körperliche ihres Gedichts gar darüber außer Acht lassen.

Wenn mein Gegner geglaubt hat, daß ich, die seichten Scherze des Plautus zu entschuldigen, einen nach dem andern vornehmen und etwas schönes daraus zu erzwingen suchen würde, so hat er sich sehr geirrt. Ich

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