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[II. ] 1

Critik über die Gefangnen des Plautus.

Gleich als ich im Begriff war die meinem Leser versprochene und mir sehr angenehme Arbeit zu unternehmen, nämlich mich über die Schönheiten des Plautus mit ihm etwas umständlich zu besprechen; so erhalte ich von einem Freunde unserer Arbeit einen Brief, dessen Inhalt mit meinem Vorhaben allzuviel Verwandtschaft hat, als daß ich ihn nicht mit Vergnügen bekannt machen sollte. Er ist zwar mehr wider als für mich. Doch daraus mag man schließen, was ich für ein Vertrauen zu meiner gerechten Sache und zu der Billigkeit meines Gegners habe. Der ganze Inhalt bezieht sich auf drey Stücke. Erstlich macht er überhaupt über unser Vorhaben einige Anmerkungen. Zum andern beurtheilet er meine Ueberseßung des plautischen Lustspiels. Endlich tadelt er den Plautus selbst. Was die ersten zwey Stücke angeht, darauf werde ich ihm in beygefügten karzen Anmerkungen antworten. Das lezte ist das wichtigste, und verdienet also eine besondre Antwort. Mein Gegner zeigt überall eine wohlangebrachte Belesenheit, welche ich, wie seine Einsicht in die Regeln der dramatischen Dichtkunst, nicht wenig loben würde, wenn er nicht mein Gegner wäre. Denn seine Gegner zu loben ist eine sehr küßliche Sache. Alles Gute, das man ihnen beylegt, entzieht man sich, und Doch ohne längre Vorrede, hier ist der Brief.

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Mein Herr,

Ich bin einer von denen, die Ihnen sehr verbunden sind, daß Sie zur Aufnahme des Theaters, durch eine der artigsten Monatsschriften unserer Zeit, den guten Geschmack und die Liebe zu den Werken des Wiges ausbreiten wollen. Ich habe von Jugend auf ein großes Vergnügen an der dramatischen Dichtkunst gefunden, und wenn mich die Natur einen Dichter hätte lassen gebohren wer= den, so würde ich vielleicht in keiner andern als dieser Art der Dichtkunst meine Kräfte versucht haben. Was Wunder also, daß Ihre Monats= schrift meinen Beyfall erhalten hat?

1 Drittes Stüd.

Die Vorrede Ihres ersten Stücks hat mich in eine Verwunderung gesezt, welche dem Erstaunen sehr nahe war. Ich sahe die fast unendliche Reihe von Dingen, welche alle zu erreichen Sie sich vorgesezt, und welche alle zu erfüllen Sie sich anheischig gemacht hatten. So gleich aber fiel mir ein: sollte wohl alles dieses so leicht seyn, als man es sich einbildet? und wird nicht dieses schöne Vorhaben vielleicht ein bloßzer schöner Vorsatz bleiben? Nicht, daß ich an Ihren Kräften zweifelte; nein, ich versprach mir vielmehr viel davon. Der Geist, den man in Ihrer Vorrede wahrnimmt, zeiget von Ihrer Stärke in Dingen dieser Art. Allein ich hatte an einem andern Orte gelesen, daß eine Gesellschaft, die wie die Ihrige ist, und beynahe ein gleiches Absehen gehabt hat, gestehen müssen, daß sie nicht eher begriffen habe, wie schwer es sey, in Dingen dieser Art etwas mehr als trockne Namen anzuführen, als bis sie Hand an das Werk gelegt. Die Gedanken hierüber sind so schön, daß ich mich nicht enthalten kann solche hier anzuführen. Sie befinden sich in der Vorrede des ersten Theils der Histoire du Theatre françois depuis son origine >>jusqu'à present etc. Amsterdam, 1735, 8. »>Il est de certains >>tableaux, qui, considerés dans l'eloignement, presentent aux yeux >>des plaines charmantes, des coteaux rians, des montagnes super>>bement elevées, des rivieres larges, profondes et remplies d'une >>eau argentine, enfin tous les agremens d'une belle campagne. >>Aproche-t-on de cette perspective? tout disparoit, et des traits >>couchés grossierement sur une muraille prennent la place des »objets enchanteurs, que l'oeil trompé par l'art du peintre regar>>doit avec admiration. Voila la juste comparaison de ce qui arrive »à ceux qui forment le dessein de donner une histoire du Theatre

...

... Tout semble leur promettre une carriere aisée et brillante, »pieces singulieres, auteurs célèbres, faits anecdotes interessans, >>>Comediennes et Comediens renommés dans leur art. Mais ces >>>flateuses idées se trouvent totalement confondues lorsqu'on con>>sulte les histoires . . . A l'égard des acteurs, le talent qu'ils ont >>exercé ne les a point tirés du néant dont ils sortoient, et ils y >>sont rentrés si parfaitement qu'on n'en retrouve que peu de ves»tiges. . . . Ces difficultés sont sans doute rebutantes, et nous ne >>doutons point qu'elles ne soient la cause pour laquelle jusqu'à >>ce jour le personnes qui possedent le plus de cette maniere, se

>>sont refusés au pénible et dangereux emploi de remplir les sou>>haits du public en lui donnant un ouvrage qu'il s'imagine pouvoir >>être exécuté dans toutes ses parties.<< 1

Doch vielleicht finden alle diese Schwierigkeiten bey Ihnen eine Ausnahme, und man darf hoffen, daß Sie so schöne Versprechungen nicht werden gethan haben, ohne zu wissen, daß es Ihnen leicht seyn werde, solche zu erfüllen. Wie viel Ehre werden Sie sich dadurch erwerben? Wie viel werden wir und unsre wißigen Nachkommen Ihnen schuldig seyn? Und wie reizend ist diese Aufmunterung?

Wenn alle diejenigen, so heut zu Tage Vorreden schreiben, so viel lehrreiches darinne anbrächten, als Sie in der Ihrigen, so würden die Vorreden öfters mehr scharfsinniges enthalten, und mehr Nachdenken erfodern, ja selbst lesenswürdiger seyn, als manche Werke selber. Was Sie unter andern darinnen von der Declamation sagen, scheint mir wahr zu seyn, nicht nur vielleicht darum, weil ich derselben Meynung bin, sondern weil es mit der Vernunft, der Erfahrung, und der Empfindung verständiger Kenner übereinstimmt. Dieses Theil der Beredsamkeit ist eines von Dingen, an welchen ich von der Zeit an, da ich denken gelernt, einen großzen Gefallen gehabt, und worinne ich mich bey aller Gelegenheit aus einer natürlichen Neigung geübt. Ungeachtet ich niemals das Glück ge= habt öffentlich zu reden, so habe ich es doch gewiß dieser Uebung allein zu danken, daß ich von einer sehr schwachen Stimme, die ich von Natur hatte, zu einer männlichen gesetzten Aussprache gelangt bin. Ich weis die Regeln davon, und kann also meinen Reden allen Nachdruck geben, wodurch ich mir öfters mehr Beyfall erwerbe, als andre durch die ausgesuchtesten Ausdrücke.

Mein damaliger Aufenthalt an einem Orte, wo ein gekrönter Weltweise das prächtigste der Schauspiele, oder wie andre sagen, das ungereimteste Werk, so der menschliche Verstand jemals

1 Die Schwierigkeiten, welche die Verfasser der Historie des französischen Theaters vor sich gefunden, treffen uns nur zum Theil. Jene wollten eine aneinander hangende Geschichte liefern, uns aber ist dieses niemals in Sinn gekommen. Wir haben nur versprochen, die wichtigsten Nachrichten zu sammeln, und demjenigen, der es einmal wagen möchte, eine vollständige Historie des Schauplazes bey allen Völkern zu unternehmen, die Arbeit in etwas zu erleichtern. Bey den angeführten französischen Verfassern wäre durch einen jeden beträchtlichen Umstand, den sie übergangen, oder nicht allzu hinlänglich vorgetragen hätten, die ganze Kette ihrer Erzählungen zerrissen worden. Bey uns aber fällt dieses weg; weil wir uns niemals zu der geringsten Ordnung oder Vollständigkeit anheischig gemacht haben. Man sehe unsre Vorrede.

erfunden, die Oper einem Volke zeigte, so bisher dergleichen kaum dem Namen nach kannte; gab mir noch mehr Gelegenheit hierauf zu denken. Ein jeder sagte seine Meynung von Arien und Recitativen, als von den allergemeinsten Sachen, so daß die Oper der Vorwurf aller Unterredungen ward. Ich befand mich bey einer derselben, wo, nachdem verschiedenes von dem Natürlichen und dem Wahrscheinlichen der Oper war geredt worden, einer von der Gesellschaft in die Worte eines Dichters unserer Zeit ausbrach: die Vernunft muß man zu Hause lassen, wenn man in die Oper geht; mithin, sezte er hinzu, müsse man nicht viel Vernunft da suchen, wo keine anzutreffen sey, sondern sich an der Wollust begnügen, die man durch das Gehör und das Gesicht empfände. Denn allerdings sey nichts widersinnischer, als zwey Helden vor sich zu sehen, welche von den allerwichtigsten und oft sehr heftig bewegenden Sachen fich fingend besprechen. Ich sagte hierauf, daß man diesem Unnatürlichen abhelfen könne, wenn man nur die Arien singen ließe, und das Recitativ declamiret würde. Dieses könne der Oper, anstatt ihr etwas von ihrer Pracht zu benehmen, einen neuen Zierrath verschaffen, indem dieses liebenswürdige Schauspiel dadurch dem Natürlichen näher kommen würde. Meine Gedanken fanden damals Beyfall, wenigstens wurde ihnen nicht widersprochen. Allein mir selbst fiel hernach ein, daß sich zu der rechten Decla= mation feine italienische Castratenstimme schicke. Indessen suchte ich in meiner und meiner Freunde Büchersammlungen. etwas über diesen Vorwurf nachzulesen. Unter allen aber gefiel mir nichts besser als des Grimarest Traité du Recitatif dans la lecture, dans l'action publique, dans la declamation, et dans le chant, 1740, 8.

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Dieses kleine Werk ist gewiß eines der vortrefflichsten in seiner Art, und enthält so vieles, so zu ihrem Vorhaben dient, daß ich hoffen darf, Sie werden wenigstens einer Uebersetzung des 7 und 8ten Hauptst., darinne yon der theatralischen Declamation und dem Singen eines Schauspielers gehandelt wird, einmal einen Play in ihren Beyträgen vergönSie verdienen es so wohl als die Abhandlungen des Corneille, und vielleicht ist der Nußen davon allgemeiner. Es scheint übrigens nicht,

nen.

1 Wir werden ehestens zeigen, daß wir guten Rath anzunehmen wissen. Gleichwohl scheinet mir auch dieser Schriftsteller von der theatralischen Declamation nicht zureichend gehandelt zu haben. Das beste, was ich mich über diese Materie jemals entsinne gelesen zu haben, ist das schöne italienische Gedicht des Herrn Ricoboni von der Kunft zu agiren; vornehmlich aber das ganz neue Werk: le Comedien.

als habe der Verfasser der deutschen Dichtkunst dieses Buch gesehen, wenn er da, wo von dem Vortrage und der Aussprache der spielenden Personen gehandelt wird, verschiedene Schriftsteller anführt; die meines Erachtens lange nicht so ausführlich davon gehandelt haben, als dieser.

Doch ich entferne mich allzuweit von meinem Zwecke und komme eilends zu dem Plautus, den Sie sich zu Ihrem Helden erwählt haben; worinne Sie so glücklich gewählt, als eine Dacier und ein Limiers, obschon Horaz gesagt:

Daß seiner Väter Mund des Plautus Scherz und Kunst
Im Lustspiel sehr gelobt, allein aus blinder Gunst.

G.

Ihre Ausdrücke aber, deren Sie sich bedienen, so oft Sie Ihres Dichters gedenken, sagen deutlich genug, daß Sie sich vorgenommen haben, ihn nur zu loben. Ihrem angenommenen Sate selbst: wider die Gewohn= heit der Künstrichter mehr zu loben als zu tadeln, ist dieses vollkommen gemäß. Verzeihen Sie es also meiner Gemüthsart, welche zum Unglücke keine einzige von den Eigenschaften hat, die einen Lobredner ausmachen. Ich werde den Plautus nur tadeln. So wenig es aber vernünftig seyn würde, wenn man sagte, Sie behaupteten, daß Plautus ganz ohne alle Fehler, und alles an ihm lobenswürdig sey: eben so unbillig wäre es, wenn man mir Schuld geben wollte, als wenn ich alles an Ihrem Dichter für tadelhafte Mängel hielte.

Sie haben in dem ersten Stücke Ihrer Beyträge versprochen: in einer eignen Abhandlung von dem Vortrefflichen sowohl als dem Tadelhaften in den Schauspielen des Plautus zu handeln; und ich habe mit Verlangen diese Abhandlung erwartet. Da ich aber sahe, daß Sie in dem zweyten Stücke Ihr Wort halb zurück genommen und uns nur die Hoffnung gemacht, die Schönheiten Ihres Dichters im dritten Stücke zu entwickeln, so habe ich gemuthmaßt, daß es Ihnen vielleicht leid geworden, an Ihrem Helden Fehler

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1 Wie aber, wenn sie falsch gemuthmaßt hätten? Ich glaube nimmermehr, daß man die Schönheiten eines Schriftstellers in ihr gehöriges Licht sezen könne, ohne zugleich das, was an ihm anstößig zu sehn scheinet, anzuführen, dabey aber so viel wie möglich zu entschuldigen. Diesen lezten Punkt muß man besonders bey den alten Dichtern beobachten: denn theils waren die Fehler, die man ihnen hin und wieder vorwerfen kann, zu ihren Zeiten keine Fehler; theils aber waren sie selbst von einem viel zu erhabnen Geiste, als daß sich ihre Sorgfalt zu den Kleinigkeiten hätte können hernieder lassen, welche unsre Kunstrichter alsobald in Harnisch bringen. Ich habe allezeit geglaubt, daß Plautus gewisse Fehler habe; allein diese Fehler sind

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