Ueberall zeigt sich demnach ein auffallendes Streben nach dem offenen Laute, der mit seiner Kraft und Tonfülle das so entschieden Klang liebende und Klang suchende Ohr des Italieners auch bei Weitem mehr befriedigt als der schwächere geschlossene. Nicht nur herrscht der offene Laut in allen (wirklich, nicht bloss scheinbar) geschlossenen Sylben, betonten wie unbetonten, ohne Ausnahme, sondern er kann, von unmittelbarer Nachbarschaft andrer Vocale unterstützt oder nicht unterstützt, durch die Stärke der Betonung und des rhetorischen Bedürfnisses auch in allen betonten offenen Sylben hervorgerufen werden. Schwerlich dürfte daher auch jene Behauptung, an welche oben (S. 18) erinnert worden, haltbar seyn, dass nämlich der geschlossene Laut häufiger vorkomme als der offene. Eine Vergleichung des hier entwickelten physiologischen Lautgesetzes mit dem entgegenstehenden etymologischen lehrt, dass zu einem Theile beide in einander aufgehen, zum andern. aber nicht. Wo sie nicht in einander aufgehen, scheint mir das physiologische darum im Vortheil zu seyn, weil es Gleiches oder Gleichgewordenes gleichmässig auffasst, während das etymologische Unterschiede gelten lässt und selber geltend macht, die keine mehr sind. Gegen den Einwurf jedoch, dass das physiologische Gesetz mehrfach mit dem bestehenden Gebrauche in Widerspruch trete, nehme ich nicht Anstand zu behaupten, dass dieser Widerspruch nicht dem Gesetze, welches in seiner natürlichen Nothwendigkeit gerecht und wohlbegründet ist, sondern dem Gebrauche zur Last falle, welcher dem Wandel, der Willkür, dem Belieben unterliegt, deshalb nach Ort und Zeit sich selber verschieden erweist und aus seiner Unstetigkeit und Unsicherheit eben auf ein festes, bestimmtes Gesetz zurückgeführt zu werden bedarf. Und weil das etymologische Gesetz auf einem Bewusstseyn beruht, welches im Laufe der Jahrhunderte erloschen und nicht wieder herstellbar ist: so bleibt für den vorliegenden Fall kein anderes Gesetz übrig als das physiologische, das sich nach eigener Nothwendigkeit von selbst vollzieht und hierbei nur gegen den Zutritt falscher und fehlerlerhafter Gewöhnung in Schutz genommen seyn will. Als falsche und fehlerhafte Gewöhnung der Aussprache aber muss alles das bezeichnet werden, was nicht in der Natur der Sache begründet ist, sondern eben mit dieser in Widerspruch steht. Zu meinem Bedauern habe ich hierbei nicht umhin gekonnt, selbst dem hochverehrten Diez, dessen schätzbaren, unübertroffenen Forschungen und Nachweisungen das Studium der romanischen Sprachen mehr als irgend einem Andern verdankt, mit einer dissentirenden Meinung entgegenzutreten. Vielleicht aber findet dieselbe auch bei Ihm diejenige Beachtung, die sie, dünkt mich, doch wohl verdient. Und Herr Mussafia, der mir zu dieser Ausführung den nächsten Anlass gegeben, wolle aus derselben ersehen, dass das hier entwickelte physiologische Lautgesetz immerhin erwägenswerth und wohl nicht so ganz verwerflich ist. Denn das zur Zeit Bestehende, das Thatsächliche, auf welches sich Herr Mussafia in der erwähnten Recension beruft, hat keine beweisende, keine entscheidende Kraft, sobald es sich, wissenschaftlich genommen, als ein fehlerhaftes, irrtümliches zu erkennen giebt, sollte auch die Nation selbst noch lange dabei beharren. Die Macht der Gewohnheit kann wohl widerstehen, aber nicht widerlegen. G. L. Staedler. Sitzungen der Berliner Gesellschaft für das Studium der neueren Sprachen. Dritter Bericht an die Gesellschaft für das Studium der neueren Sprachen in Berlin über die in Italien befindlichen provençalischen Liederhandschriften. Rom, im Mai 1863. 5. Die dritte Handschrift der Laurenzianischen Bibliothek in Florenz, Plut. XC inf. cod. 26, ist eine saubere und leicht lesbare Handschrift des 15. Jahrhunderts, auf starkem Papier, in kl. Quart, Caroli Arotii, wie am Anfange bemerkt ist. Die Seiten sind mit rothen Linien versehen, die Verse nicht abgesetzt, wohl aber die Strophen. Der Text ist meist rein, aber von keinem urkundlichen Werth, da er aus jüngerer Zeit stammt und kaum ein Lied aufweist, das sich nicht in älteren Quellen fände. Die Handschrift ist unvollendet, denn von den ungefähr 150 Blättern sind nur 90 beschrieben; auch fehlen die Initialen noch, sind aber am Rande angedeutet. Der Inhalt ist folgender. fol. 1 a: Girald de Burnell. Siem sentis fidels amics. fol. 1 b: id. A ben chantar conuen amars. fol. 2 a id. Qant la bruna aura ses lucha. fol. 2 b: id. Jois et chanz e solaz. fol. 3 b: id. Per solaz reueillar. fol. 4 a: id. Ges aissi del tot non lais. fol. 5 a: id. De cantar me for entromes. (unvollendet). bez ueramen. Per deu amors ben sa fol. 6 b: id. A qan gent uenç et ab qant pauc dafan. fol. 8 a: id. Tant mabelis lamoros pensamen. id. Cantan uolgra mon franc cors descobrir. fol. 12 b: id. Chantar mi torn ad afan. fol. 13 b: id. Si tot me soi atard aperceubuz. fol. 14 a id. Ja non cuit hom qeu change mas chansos. fol. 15 b: id. Pois entremes me soi de far gaia chanson. fol. 16 a: id. Qan cuit chantar eu plang et plor. fol. 16 b: id. Ma bella donna per uos de esser gais. fol. 17 b: id. Donna eu pren comiat de uos. (Epistel.) fol. 23 a: id. Domna genser qeu non sai dir. (Epistel.) fol. 29 b: id. Mout eran dolç mei consir. fol. 33 a: id. Aissi com cel qe anc non ac consire. fol. 35 a: id. Franqesa et noirimenz. fol. 35 b: id. Hom diz qe gauz non es senes amor. fol. 37 a: Arnald Daniel. Sim fos amor de ioi donar tant larga. fol. 37 b: id. Aissi com cel qa la lebre caçada. fol. 38 a: id. Lo ferms uolers qel cor mintra. fol. 38 b: id. Canson dolç motz son plan et prim. fol. 39 a: id. Ar nei uermeilh uertz blaus blancs gruecs. fol. 39 b: id. Anc eu non lac mais ella ma. fol. 40 a: id. Ans qel cims reston dels branchas. fol. 40 b: id. Al resplan la flors enuersa. fol. 41 a: id. Los braid els cric. per fol. 42 a: id. Tos temps serai seruentz deseruir. fol. 42 b: Arnaud de Qintenach. bel mes. fol. 44 a: NAimerig de Pegugnan. per sobre carçar. comenz La ioi Aissi com larbres qe fol. 44 b: id. En greu pantais ma tenguç loniamen. fol. 45 b: id. Destreiç coiços desamaz amoros. fol. 49 a: id. Pois ma mala enemia. fol. 49 b: id. Nuls hom non sap qe ses gauç ni dolors. fol. 50 a: id. Per solatz dautrui chant souent. fol. 50 b: id. Chantar uuilh per qem iam pladz. fol. 51 a: id. Qi sofrir sen pogues. fol. 51 b: id. En amor trob algues en qem refrang. fol. 52 a: id. Tot hom qaiso brasma qe deu laudar. fol. 52 b: id. Ab tant de sen cum dieus ma donat (darüber: dat). fol. 53 a: id. Anc mais de ioi ni de chan. fol. 54 a: id. Per raçon natural. fol. 55 a: NAimerig de Bellinui. cuia fuir. fol. 55 b: id. Eran destreing amor. Aissi col pres qe sen id. Fins et leials et senes tot enian. fol. 57 a: Peire Uidal. Aiostar et laisar. id. Sim lasciaua de chantar. fol. 60 b: id. Mout uiu agran dolor. fol. 61 a: id. Qant hom es en autrui poder. fol. 62 a: id. Anc no mori per amor ni per al. fol. 62 b: id. Bels amics qars uaisen uer uos estius. fol. 63 a: id. Sieu fos en cort on hom tengues dreitura. fol. 64 a: id. Baron ihesus qen croiz fo mes. |