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so sollte man das Perf. fecit erwarten; wenn nun der Dichter vielleicht des Metrums wegen eine andere Form gebrauchte, so ist der Conj. Perf. fecerit (den Ribbeck und Weidner auch in den Text aufgenommen haben) immerhin wahrscheinlicher als das Plusquamperf. fecerat, das sich mit dem Präsens feratur nicht gut verbinden lässt. Ueber die Verse 73-80:

aude aliquid brevibus Gyaris et carcere dignum,
si vis esse aliquid. probitas laudatur et alget,
criminibus debent hortos praetoria mensas
argentum vetus et stantem extra pocula caprum.
quem patitur dormire nurus corruptor avarae,
quem sponsae turpes et praetextatus adulter?
si natura negat, facit indignatio versum,
qualemcunque potest, quales ego vel Cluvienus

75

80

gehen die Ansichten von Teuffel, Ribbeck und Weidner weit auseinander. Teuffel glaubt nämlich, dass die Verse 77-80 eine nachträgliche Einschaltung oder eine Variante zu den vorausgehenden vier Versen von Juvenal selbst herrührend seien; die zweiten vier seien vielleicht bestimmt gewesen an die Stelle der ersten vier zu treten, seien aber aus Versehen der Abschreiber (oder weil man auch sie der Erhaltung für würdig geachtet) daneben stehen geblieben (Anm. zur Uebers. S. 172 f. Rhein. Mus. XX. S. 153 f.). Ribbeck (S. 137) ist der Ansicht, dass der Dichter den Inhalt der Verse 73-76 unmittelbar nach V. 68 gebracht habe, um dann „die Reihe häuslicher Unthaten, Vergiftungen und Verführungen ununterbrochen fortzuführen"; möglicherweise sei die jetzige Stellung der Verse durch ein Versehen des Abschreibers herbeigeführt worden. Weidner endlich nimmt, die Ansicht von Teuffel bekämpfend, an, dass die Verse 73-76 nur eine untergeordnete Bemerkung enthalten, veranlasst durch die Worte matrona potens im grellen Gegensatz zu ihren Verbrechen; dann aber müsse in V. 77-78 eine Steigerung

zu 64-72 enthalten sein. Ich glaube, dass man bei Prüfung dieser Stelle vor allem die Schreibweise Juvenals im allgemeinen etwas mehr ins Auge fassen müsse; es. zeigt sich nämlich auch in andern Satiren, dass der Dichter, nachdem er eigentlich den Gegenstand vollständig erschöpft zu haben scheint, plötzlich noch einen Gedanken hineinwirft, als ob er es sich nicht versagen könnte, jeden oft zufälligen Einfall für seine Zwecke zu verwerten. Es ist dies eine entschiedene Schwäche unsers Dichters, der sowohl in stilistischer als auch in metrischer Beziehung nicht immer die gehörige Feinheit beobachtete. Treffend charakterisiert ihn nach jener Seite hin Teuffel (S. 164): Zu einem wahren Künstler fehlt dem Juvenal die Geuialität, die leichte geschmackvolle Gruppierung des Stoffes, die Formbeherrschung; keuchend kommt er daher, und kaum hat er, von der Natur überwältigt, einen Augenblick Pause gemacht, so rafft er sich von neuem auf, um seinen mühseligen Weg fortzusetzen. Denn was seinen Ton betrifft, so ist dieser einförmig eifernd, erregt, predigend, scheltend, abkanzelnd.... Juvenal wird beredt, ja redselig, und will doch zugleich alles Einzelne energisch und bezeichnend ausstatten; er spricht lange und viel, ohne darum weniger laut und pathetisch zu sprechen, und ermüdet dadurch sich selbst und seine Hörer". Dass sein Stil breit und gedehnt ist, werden wol alle Leser des Dichters fühlen, und selbst C. Fr. Hermann, der sich doch bemüht, die Vorzüge Juvenals in das hellste Licht zu stellen, muss dieses zugeben (praef. p. XI): unum illud jam singularum satirarum argumenta per quinque libros persecuturi monemus, rhetoricam hominis disciplinam, quam ne in vehementissimo quidem poetici ardoris impetu aut abiicit aut dissimulat, inprimis etiam hoc artificio censeri, quod pleraeque satirae in summa libertatis specie ad certae dispositionis formam partesque numero definitas descriptae sunt, quarum accurata observatione, etiam ubi longissime exspatiari videtur, tamen semper velut sponte sua in viam redit neque unquam tam licenter excurrit, ut non omnia aequabili inter se tenore jungantur. Intra singulas modo partes hoc sibi indulget, ut semel

rem dixisse non contentus eandem variis vel exemplis vel imaginibus illustret, quumque jam omnia exhausisse videatur, veterem sententiam novarum argutiarum luminibus inflammet, immo vel fortuitae mentionis opportunitate ad longioris declamationis aculeos abutatur etc. Es ist aber durchaus kein Grund vorhanden, solche Stellen, die in das Bereich der Erweiterungen oder auch Abschweifungen gehören, sofern sie nur mit dem Ganzen congruieren und sonst keinen Anstoss geben, dem Juvenal abzusprechen und auf Rechnung des Interpolators zu setzen; denn wollte man diesen Weg betreten, so würde der Umfang der Satiren sehr zusammenschrumpfen und noch kleiner werden, als ihn bereits O. Ribbeck gestaltet hat. Wer gibt uns aber Garantie, dass wir dann den echten Dichter vor uns haben? Viel wahrscheinlicher ist doch gewiss die Annahme, dass Juvenal sich durch seine eigentümliche Anlage und seinen Redefluss habe verleiten lassen, viele Verse, die eigentlich wegbleiben konnten, dem Ganzen zu liebe einzuschalten, als dass der anfangs strikt und knapp gehaltene Umfang der Satiren durch eine Unzahl von Interpolationen zur jetzigen Gestalt herangewachsen sei.

Um nun auf obige Stelle zurückzukommen, so ist allerdings der Verdacht der Interpolation nicht erhoben worden. *) Aber es

*) Doch hat in neuester Zeit (s. Philol. 37. Bd. 2. H. S. 293 ff.) H. Wirz in Zürich V. 77 f. für unecht erklärt; aber die Gründe, die er für seine Behauptung aufstellt, sind nach meiner Ansicht nicht durchschlagend genug, um die erwähnten Verse dem Juvenal mit Recht abzusprechen. Vor allem erfordert das in V. 79 folgende Wort indignatio gerade unmittelbar voraus einen möglichst starken Ausdruck, der gewiss durch sponsae turpes (die von Madvig Opusc. I p. 40 sq. diesen Worten gegebene Deutung erscheint als sehr gesucht und dem kräftigen Stil dieser Stelle durchaus nicht entsprechend) und praetextatus adulter, nicht aber durch die in V. 73-76 enthaltene allgemeine Bemerkung gegeben ist. Herr Wirz findet in V. 79 gar keine Verbindung mit 78 angezeigt und in V. 77 die Worte quem patitur dormire matt und schwächlich; ich finde, dass der Dichter Abwechslung im Ausdruck gesucht hat und dass diese Worte sich den lebhaften Fragen in V. 45: quid referam und 63: nonne libet medio ceras implere capaces quadrivio würdig anschliessen; was aber den Zusammenhang des V. 79 mit 78 betrifft, so ist dieser durch die Beziehung von indignatio auf sponsae turpes und

.

fragt sich, ob die von Teuffel, Ribbeck und Weidner angegebenen Behauptungen stichhaltig sind. Teuffels Vermutung findet aus der oben gegebenen Charakteristik Juvenals ihre Widerlegung. Wenn Ribbeck die Verse 73-76 an V. 68 anreiht, so ist dagegen zu erinnern, dass es einen schwer ankommt, sie aus ihrer bisherigen Stellung, wo sie trefflich passen, zu reissen, zumal da der Vorteil, welcher durch die Umstellung erzielt wird, wieder dadurch aufgewogen wird, dass der Dichter nach dem scheinbaren Abschluss, der durch die VV. 73-76 gegeben ist, von neuem anhebt, um statt eines Beispiels der Entsittlichung deren zwei aufzustellen, die aber gänzlich unvermittelt neben einander stehen. Auch Weidners Ansicht, dass die VV. 73-76 als Parenthese zu betrachten seien und dass in V. 77-78 eine Steigerung zu 64-72 enthalten sei, kann ich nicht teilen. Die Steigerung der Begriffe ist durch kein äusseres Zeichen angedeutet; V. 63 f. enthält eine ebenso lebhafte Frage wie 77 f. Hinsichtlich der Parenthese glaube ich, dass auch ihre Annahme sich nicht rechtfertigen lässt, indem die vier Verse entschieden einen Abschluss des Vorausgehenden enthalten und nur eine Fortsetzung erfahren, weil dem Dichter die folgenden, allerdings sehr wirksamen Gedanken zu wichtig erschienen, um sie zu unterdrücken. Es wird also wol die bisherige Stellung der VV. 69--80 beibehalten, ihre gleiche Geltung anerkannt und durch die oben charakterisierte Eigentümlichkeit der Schreibweise Juvenals erklärt werden müssen. Vgl. I 137 f. II 102 f. III 114–118. VI 133—135. VIII 54 f. ebend. 134. 140 f. XI 161. ebend. 176-178.

praetextatus adulter (desshalb ist nicht geleugnet, dass indignatio sich auf alles Vorausgehende erstreckt) zwanglos hergestellt. Ferner meint Herr Wirz, „die blosse Constatirung von Ehebruchsfällen und geheimen Sünden im häuslichen Leben gehöre nicht in diese Reihe, sondern allenfalls in den folgenden Theil, wo das heutzutage massenhafte Vorkommen aller möglichen Laster besprochen wird, 87 ff.“. Aber ist denn nicht die ganze Schilderung von V. 22 angefangen eine mehr oder weniger detaillierte Aneinanderreihung von Sünden und Lastern? Ob aber diese sich auf der Strasse oder im Hause abspielen · darauf scheint mir kein Nachdruck gelegt werden zu dürfen.

Indem Ribbeck (S. 116 f.) die VV. 137-138:

nam de tot pulchris et latis orbibus et tam

antiquis una comedunt patrimonia mensa

für interpoliert erklärt, hat er nicht beachtet, dass alle Fehler, die er hier tadelt, sich auch in andern Satiren des Juvenal finden; so ist, was den Plural comedunt betrifft, (Lupus p. 27) zu vergleichen IX 104-106:

claude fenestras,

vela tegant rimas, junge ostia, tollite lumen,

e medio face eant omnes.

III 298: feriunt pariter, vadimonia deinde irati faciunt:
beide von Ribbeck nicht beanstandet. Auch II 166 f.:

aspice, quid faciant commercia: venerat obses;
hic funt homines.

'Haec'

und VII 229-237-242: sed vos imponite exigite
inquit 'curas' etc. können, obschon sie keine so schlagende Beweis-
kraft wie die beiden vorausgehenden Stellen haben, wol aber von
einer gewissen Unregelmässigkeit und Freiheit des Stiles zeugen,
angeführt werden. Vgl. auch III 92 f.:

haec eadem licet et nobis laudare, sed illis

creditur. an melior, cum Thaida sustinet etc.

Ribbeck tadelt, dass durch den Versschluss et tam der Begriff antiquis allzusehr ins Gehör falle; ganz richtig; aber hat unser Dichter nicht auch sonst im Bau der Verse sehr oft das Feingefühl verletzt, so dass wir unwillkürlich an seinen eigenen Ausspruch erinnert werden:

si natura negat, facit indignatio versum,

qualemcunque potest, quales ego vel Cluvienus ?

Ribbeck macht (S. 64 ff.) selbst darauf aufmerksam, dass die dem Juvenal unzweifelhaft angehörigen Satiren keineswegs gleichmässig gebaut seien, und dass man sich daher vor übereilten Schlüssen zu

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