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Neunzehnter Abend.

Aufführung des „Don Juan“.

Man giebt den Don Juan.

Nach mehreren Tagen Abwesenheit erscheine ich im Orchester.wieder. Eigentlich wollte ich diesen Abend nicht hinkommen; aber Corsino und einige seiner Gefährten besuchten mich, und drückten mir ihr Bedauern darüber aus, daß sie, indem sie meine Kritik der Grausamkeit beschuldigten, mich verlegt hätten; ich lachte, war entwaffnet, und begleitete sie nach dem Theater. Die Musiker empfingen mich mit lebhafter Herzlichkeit; sie wollten mich mein Mißvergnügen, das sie für baare Münze nahmen, vergessen machen; aber beim ersten Bogenstrich der Ouverture verstummten Alle. Mit religiöser Ehrfurcht lauschte Alles dem von Chor und Orchester würdig aufgeführten Meisterwerke Mozart's. Beim Schluß des ersten Acts frug mich Bacon mit einer Miene nationalen Stolzes: Was halten Sie von unserm Bariton Don Juan? Ich meine, daß er den Monthyon'schen Preis verdient. Was ist das, was ist das? sagte er, sich umwendend zu Corsino. (Corsino.) Das ist der Tugendpreis. (Bacon, erst erstaunt, dann geschmeichelt, erwidert mit süßer Befriedigung:) O! das ist wahr, K. . . . ist ein sehr braver Mann,

Berlioz, gesammelte Schriften, III.

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Zwanzigster Abend.

Anfführung des „Barbier von Sevilla“.

Man führt den Barbier von Sevilla von Rossini auf. Das ganze Orchester ist stumm. Corsino begnügt sich am Schluß der Oper mit der Bemerkung, daß der Darsteller des Almaviva in diesem funkensprühenden Meisterwerke ganz gut zum Bürgermeister passen würde, und Figaro ein vollendeter Kirchenthürsteher wäre.

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Man führt eine Oper auf u. s. w. u. s. w.

Alle Welt ist im Gespräch begriffen. Corsino erzählt Anekdoten. Ich komme gerade in dem Augenblicke wo er folgende beginnt:

Am 9. Februar 1807 fand ein großes Hofconcert bei Napoleon statt. Die Versammlung war glänzend, Crescentini sang. Zur bestimmten Stunde kündigte man den Kaiser an; er tritt ein, nimmt Plaz; das Programm wird ihm vorgelegt. Das Concert beginnt; nach der Ouverture öffnet er das Programm, liest es, und während des ersten Gesangsstücks ruft er mit lauter Stimme den Marschall Düroc, um ihm einige Worte ins Ohr zu sagen. Der Marschall durchschreitet den Saal, tritt ar Grégoire heran, welchen sein Amt als Secretair der kaiserlichen Musik zur Abfassung der Concertprogramme verpflichtet, und redet ihn mit strengem Tone folgendermaßen an:

Herr Grégoire, der Kaiser trägt mir auf, Ihnen zu sagen, künftig in Ihren Programmen nicht wißig sein zu wollen. Der arme Secretair steht wie betäubt, da er nicht

begreift, was der Marschall hat sagen wollen, und wagt nicht die Augen aufzuschlagen. Während der Pausen zwischen den Musikstücken fragt ihn jeder mit leiser Stimme, wodurch er sich diese Kränkung zugezogen, und der unglückliche Grégoire, mehr und mehr in Unruhe versest, antwortet stets: „Ich weiß es eben so wenig wie Sie, ich begreife es nicht." Er erwartet, andern Tags seine Entlassung zu erhalten, und waffnet sich bereits mit dem nöthigen Muthe, um eine ihm unvermeidlich scheinende Ungnade, obgleich er den Grund nicht kennt, zu ertragen.

Nach beendigtem Concert läßt der Kaiser das Programm auf seinem Sig liegen; Grégoire eilt hinzu, ergreift es, liest es, liest es fünf oder sechs Mal von neuem, ohne das geringste Tadelnswerthe darin zu entdecken, und überreicht es Lesueur, Rigel, Kreuzer, Baillot, welche gleichfalls Nichts darin bemerkten, was Anstoß hätte erregen können. Die abgeschmackten Wige der Musiker begannen bereits über den unglücklichen Secretair sich zu ergießen, als eine plögliche Eingebung ihm den Schlüssel zu diesem Räthsel verschaffte, und seinen Schreck verdoppelte. Das Programm (wie üblich Manuscript) begann mit den Worten:

Kaiserliche Musik.

Statt nun, wie gewöhnlich, darunter eine einfache Linie zu ziehen, hatte irgend welcher Einfall Grégoire verleitet, eine Reihenfolge von Sternen zu zeichnen, welche allmählich bis zur Mitte der Seite an Größe zunahmen, und von da bis zum Schlusse wieder abnahmen. Konnte man denken, daß Napoleon, damals auf dem Gipfel seines Ruhmes, in dieser unschuldigen Verzierung eine Anspielung auf seine Vergangenheit, seine Gegenwart und Zukunft erblicken würde! eine Anspielung, welche ebenso unangenehm für ihn wie unverschämt von Seiten des Unglückspropheten war, da sie durch die beiden unmerklichen Sterne am Ende der Linie ebensowohl wie durch die übermäßige Größe des mittelsten Sternes zu verstehen gab,

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