Obrázky na stránke
PDF
ePub

von ihnen singt dabei in irgend einem indischen Dialekt eine niedliche Melodie in Moll, vom Umfange einer Sexte (E bis C), und, ungeachtet ihrer lebhaften Bewegung, von so traurigem, schmerzlichem, muthlosem, niedergedrücktem, vereinsamtem, hoffnungslosem Ausdrucke, daß man sich beim Anhören derselben von einem Anfalle von Heimweh ergriffen fühlt. Auch da giebt es keine Drittel-, Viertel-, Achtel- Töne; aber es ist doch Gesang.

Nach den Instrumenten indeß zu urtheilen, welche Indien zur allgemeinen Weltausstellung gesandt hat, kann die Musik der Ostindier sich nicht viel von der der Chinesen unterscheiden. Von diesen kindischen Instrumenten habe ich mir Mandolinen zu vier oder drei Saiten, sogar zu einer Saite, angesehen, deren Griffbrett durch Kämme gleich wie bei den Chinesen eingetheilt ist; einige sind von kleinem Umfange, andere dagegen von maßloser Länge. Es gab große und kleine Trommeln, deren Ton sich wenig von demjenigen unterscheidet, welchen man hervorbringt, wenn man mit den Fingern auf einem Hutdeckel trommelt; ein Blasinstrument mit doppeltem Mundstück, von der Art unserer Hoboen, dessen Rohr keine Löcher hat und nur einen Ton von sich giebt. Der Anführer der Musikanten, welche in Paris vor mehreren Jahren die Bajaderen aus Calcutta begleitete, bediente sich dieser urweltlichen Hoboe. So ließ er zwei ganze Stunden lang fortwährend ein A ertönen, und diejenigen, welche an diesem Ton besonderes Wohlgefallen empfinden, hatten genug für ihr Geld. Außerdem enthielt die Sammlung der orientalischen Instrumente auf der Ausstellung Querflöten, welche ganz genau der des Musikmeisters der schmalfüßigen Dame glichen; eine ungeheure und plump gemachte Trompete, deren Form sich von unsern europäischen nur wenig unterscheidet; ferner mehrere Bogeninstrumente, eben so albern und abscheulich wie jenes, dessen sich der chinesische Teufel auf der Dschunke bediente, von der ich Ihnen vorhin erzählt habe; eine Art Hackebrett, dessen

über einen langen Kasten gespannte Saiten mit Schlägeln geschlagen zu werden scheinen; eine lächerliche kleine Harfe, deren zehn oder siebzehn Saiten, ohne Wirbel, um sie zu spannen, am Instrument befestigt sind, und daher stets mit einander disharmoniren müssen; endlich ein großes Rad, beladen mit Gongs oder Tamtams von kleinem Umfange, deren Gelärm, sobald es in Bewegung gesezt wird, ungefähr ebenso wirkt, wie das von großen an den Hälsen von Fuhrmannspferden befestigten Schellen. Bewundern Sie dieses Arsenal!! Um kurz zu sein, ich schloß daraus, daß die Chinesen und Indier eine der unserigen ähnliche Musik haben würden, wenn sie überhaupt eine besäßen; daß sie in dieser Hinsicht indeß noch in der tiefsten Finsterniß der Barbarei und in einer kindischen Unwissenheit sich befinden, wo sich kaum einige unbestimmte und machtlose Instincte entwickeln; noch mehr, daß die Orientalen Musik nennen was wir Charivari heißen, und daß bei · ihnen, wie bei den Heren in Macbeth, das Schreckliche für schön gilt.

Dreiundzwanzigster Abend.

Aufführung der „Iphigenie in Tauris“.

Man führt Gluck's Iphigenie in Tauris auf.

[ocr errors]

Das ganze Orchester, von religiöser Hochachtung für dies unsterbliche Werk durchdrungen, scheint in der Besorgniß zu schweben, daß es nicht auf der Höhe seiner Aufgabe stehe. Ich bemerke die tiefe und anhaltende Aufmerksamkeit, mit welcher die Blicke der Musiker den Bewegungen ihres Dirigenten folgen, die Genauigkeit ihrer Einsäße, ihr lebhaftes Gefühl für die ausdrucksvollen Accente, die Bescheidenheit ihrer Begleitung, die Mannigfaltigkeit, welche sie in ihre Nüancirungen zu legen wissen.

Sogar der Chor zeigt sich tadellos. Die Scythenscene im ersten Acte erregt den Enthusiasmus des Special - Publicums, welches sich im Saale drängt. Der die Rolle des Orest spielende Darsteller ist ungenügend, fast lächerlich; Pylades singt wie ein Lamm. Nur Iphigenie ist ihrer Rolle würdig. Als die Arie: „ unglückselige Iphigenie!" herankommt, deren antikes Colorit, feierlicher Accent, ebenso edle wie schmerzliche Melodie und Begleitung an die Erhabenheit Homer's, an die einfache Größe des heroischen Zeitalters erinnern, und das Herz mit jener unergründlichen Traurigkeit erfüllen, welche immer aus der Erinnerung an eine berühmte Vergangenheit entsteht, erbleicht

Corsino, und hört auf zu spielen. Er stüßt seine Elbogen auf seine Knie, und verbirgt sein Gesicht zwischen beiden Händen, wie versunken in ein unaussprechliches Gefühl. Ich bemerke, wie sein Athem allmälig immer beschleunigter wird, wie das Blut nach seinen Schläfen strömt, fie röthet, und beim Eintritt des Chors der Priesterinnen auf die Worte: Ihr leidet wie ich, so weint und klagt auch ihr!“ in dem Augenblicke, wo der lange Klageruf der Priesterinnen sich mit der Stimme der königlichen Waise vereinigt, und mitten im Widerstreit der zerreißenden Klänge des Orchesters erschallt, entstürzen zwei Thränenströme heftig seinen Augen. Er bricht derart in Schluchzen aus, daß ich genöthigt bin, ihn aus dem Saale zu führen.

Wir treten heraus. . . . ich bringe ihn nach Hause... Beide, in dem bescheidenen, nur vom Mondeslicht erhellten Zimmer sizend, bleiben wir lange Zeit unbeweglich. Corsino erhebt einen Augenblick die Augen zur Büste Gluck's, welche auf seinem Piano steht. Wir sehen uns einander an . . . . der Mond geht unter. . . . er seufzt heftig . . . . wirft sich auf sein Bett. . . . ich entferne mich . . . . nicht ein Wort haben wir mit einander gesprochen.

[ocr errors]

Vierundzwanzigster Abend.

Gluck und die neapolitauischen Conservatoriften.

Ein Ausspruch Durante's.

Man führt eine u. s. w. u. s. w.

Das Orchester scheint noch von der gestrigen Aufregung zu spüren; Niemand spielt, trogdem wird wenig gesprochen. Man ruft sich den gestrigen Abend zurück. Man denkt über das Erhabene nach. Corsino naht sich mir, und streckt mir feine Hand entgegen. „Mein armer Freund, sag' ich zu ihm, mir ging es wie Ihnen. Aber die brutale Unempfindlichkeit des Publicums, inmitten dessen ich so lange gelebt habe, hat mein Herz zermalmt; es hat gegenwärtig nicht mehr die Ausdehnungskraft wie das Ihrige, und während die erhabene Kunst des Ausdrucks Sie ergreift, wie gestern Abend, empfinde ich blos noch eine schmerzliche Bangigkeit. Denken Sie, mein Lieber, daß ich, als ich vor kaum zwei Jahren in einem Concerte die Aufführung derselben Scene aus der Iphigenie, mit einer der Ihrigen ähnlichen Entzückung dirigirte, die dem Orchester nahsigenden Zuhörer die tiefste Langeweile äußern sehen mußte; darauf hörte ich die Sängerin, voll Verzweiflung über ihr mißlungenes Auftreten, das Werk und seinen Urheber verwünschen; eine Menge von Musikliebhabern und selbst von ausgezeichneten Künstlern machten mir Vorwürfe darüber, daß ich diese Rhapsodie wieder ausgegraben habe!!!....

« PredošláPokračovať »