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Aber durch diese harte und legte Probe erlangte ich die Ueberzeugung von einer gegenwärtig unbestreitbaren Thatsache: das Publicum von drei Viertel in Europa ist heutigen Tages für das Gefühl des musikalischen Ausdrucks ebenso unzugänglich, wie die chinesischen Matrosen. Um zu erfahren was ihnen mißfällt, giebt es kein sichereres Mittel, als das zu prüfen, was uns entzückt, und umgekehrt. Was wir anbeten, verlästert es, was wir verwerfen, findet es schmackhaft.

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Bewundern Sie jezt das Mißgeschick der Harmonieregeln, welche Gluck auf so kühne Weise in dem Schluß dieser Arie in der Iphigenie verlegt hat. Gerade an dem Orte, wo der Zusammenstoß der Töne, welche die Theoretiker ohne Vorbehalt verworfen haben, stattfindet, offenbart sich auch der größte und dramatischste Effect. In dieser Hinsicht erzählt man, daß eines Tages die Nachbeter eines Conservatoriums, welche als Plagiatoren natürlicherweise Gluck verabscheuen mußten, erfreut darüber, diese angeblich fehlerhaften Harmoniefolgen zu finden, ihrem Lehrer Durante diese Stelle in der Partitur des Asino tedesco zu zeigen sich beeilten, ohne den Namen des Componisten zu nennen. Durante prüfte lange die Stelle, und erwiderte einfach: Allerdings rechtfertigt keine Regel diese Zusammenstellung von Tönen; wenn dies aber ein Fehler ist, so kann nur ein Mann von seltenem Genie ihn begangen haben!" (Dimsky): Gut gesprochen! mit diesem einzigen Worte hat Durante bewiesen, daß er ein wahrer Meister und braver Mann ist. - Das ist um so bemerkenswerther, als keiner seiner Landsleute je ein Meisterwerk der Gluck'schen Schule begriffen hat. Auch ist ihnen die Gelegenheit dazu durch den Mangel an Sängern verwehrt, welche im Stande wären sie in ihrem wahren Stile vorzutragen. Haben wir etwa Grund auf die unsrigen stolz zu sein? antwortete Corsino. Ausgenommen Mad. M..., wüßte ich keinen unter den Sängern von gestern Abend, der erträglich wäre. (Sich gegen mich wendend:) Gab es je in Paris welche, die ihren

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Rollen würdig waren? - Ja, Dérivis der Vater, obgleich kein Sänger, verstand doch den Orest Gluck's eindringlich darzustellen; Mad. Branchu war eine unvergleichliche Iphigenie und Adolph Nourrit hat mich in der Rolle des Pylades oft elektrisirt. Die lächerliche Weichlichkeit Ihres ländlichen Tenors konnte Ihnen keinen Begriff von der heroischen Exaltation der Arie: „Divinité des grandes âmes" geben, in welcher Nourrit nie seines Gleichen hatte. D, gewiß, wir haben Vieles darin errathen müssen, aber wie schwer ist es auch, dergleichen Werke angemessen aufzuführen? ..... Indeß wird man die Wirkung, welche Iphigenie bei uns hervorgebracht hat, wenigstens nicht den Decorationen und der Ausstattung zuschreiben können. — Gewiß, riefen mehrere Musiker aus, dies Mal hat die Knickerei unseres Theaters, welche bei alten Meisterwerken sich stets geltend macht, es bis zur Unerträglichkeit, bis zum Cynismus getrieben! Wie viel kosten die Decorationen des elenden Stücks, welches man heute Abend darstellt? Biertausend Thaler!.... Sehr wohl. Die Häßlichkeit braucht Schmuck, nur den Göttinnen ziemt die Nacktheit.

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Fünfundzwanzigster Abend.

Aufführung der „Hugenotten“.

Man führt die Hugenotten auf.

Die Musiker hüten sich weder zu lachen noch zu sprechen. Noch ein Musikabend, äußere ich zu einem Nachbar in einem Zwischenacte, dies wird für mich der lezte sein; ich kehre nach Paris zurück. Schon? In drei Tagen. In diesem Falle, und um so mehr, da man übermorgen das Theater wegen nothwendiger Reparaturen schließt, müssen wir Alle zusammen speisen. Gern; da übermorgen als Vergeltung das Theater geöffnet ist, und uns mit jener langweiligen und unverdaulichen, neulich aus Italien gekommenen Oper regaliren will, so wird Freund Corsino die Gefälligkeit haben, unsere literarische Abendunterhaltungen mit der Vorlesung einer kürzlich von ihm vollendeten Novelle zu beschließen, von welcher ich heimlicherweise einige Seiten bei ihm durchlaufen habe. Abgemacht! Stille! hören wir diesen wunderbaren Chor und das nicht minder wunderbare Duett an!...

Sechsundzwanzigster Abend.

Euphonia, oder die musikalische Stadt. Zukunfts-Novelle.

Man spielt u. s. w. u. s. w.

Kaum sind die ersten Accorde der Ouvertüre, erklungen, als Corsino sein Manuscript aus einander rollt, und mit Begleitung von Posaunen und großer Trommel Folgendes vorliest. Dennoch können wir ihn Dank der Energie und dem eigenthümlichen Klange seiner Stimme verstehen.

Es handelt sich, meine Herren, sagte er, um eine Novelle der Zukunft. Die Handlung wird, mit Ihrer Erlaubniß, im Jahre 2344 vor sich gehen.

Euphonia

oder

die musikalische Stadt.

Personen:

Xiles, Componist, Dirigent der Singstimmen und der Saiten- Instrumente

in der Stadt Euphonia.

Shetland, Componist, Dirigent der Blas - Instrumente.

Mina, berühmte dänische Sängerin.

Mad. Happer, ihre Mutter.

Fanny, ihr Kammermädchen.

Erster Brief.

Sicilien, den 7. Juni 2344.

Xilef an Shetland.

Ich bade mich im Aetna! O, mein theurer Shetland, welche köstliche Stunde habe ich verbracht, indem ich schwimmend diesen schönen, frischen, stillen, reinen See durchfurchte! Sein Becken ist ungeheuer, aber seine perpendiculäre Form und die Steilheit seiner Ufer tragen den Klang so weit, daß meine Stimme ohne Anstrengung vom Mittelpuncte nach dem entferntesten Theile des Ufers gelangen konnte. Ich bemerkte es, als ich sicilianische Damen applaudiren hörte, welche mehr als eine halbe Stunde von dem Orte entfernt, wo ich mich wie ein Prinz ergößte, im Ballon umherspazierten. Ich sang schwimmend eine Melodie, welche ich gerade an diesem Morgen auf ein altes französisches Gedicht von Lamartine componirt hatte, und die der Anblick der Oertlichkeit, wo ich mich befand, mir ins Gedächtniß rief. Diese Verse machen auf mich einen hinreißenden Eindruck. Du sollst selbst urtheilen; Enner hat versprochen „den See“ ins Deutsche zu überseßen. Warum bist Du nicht hier! wir würden zusammen ausreiten; ich fühle mich voll schwellender Jugendlust, voll Kraft, Lebhaftigfeit des Geistes und Frohsinn. Die Natur ist so schön um mich her! Die Ebene, wo Messina stand, ist ein Zaubergarten; überall Blumen, Orangenwälder und ihr anmuthiges Haupt neigende Palmen. Es ist die duftende Krone des himmlischen Kelchs, in dessen Grunde heut zu Tage der See, welcher über das Feuer des Aetna gesiegt hat, träumt. Seltsam und furchtbar muß dieser Kampf gewesen sein! Welcher Anblick! Die Erde in schrecklichen Convulsionen erbebend, der gewaltige Berg in sich selbst zusammenstürzend, der Schnee, die Flammen, die kochende Lava, die Explosionen, das Geschrei, das Röcheln des im Todeskampfe liegenden Gebirgės, das höhnende Zischen der Wogen, welche auf tausend unterirdischen

Berlioz, gesammelte Schriften, III.

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