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die Kunst sein, welche mich verliert? .... Es scheint mir in der That, daß ich sie nicht mehr liebe. Aber höre noch.

Gestern, an einem glühenden Sommertage, schwebten wir, sie und ich, in den höchsten Lüften. Mein Schiff, ohne Leitung geblieben, folgte dem leisen Wehen des Osts. Verloren in einander geschlungen, todesberauscht von Liebe, ausgestreckt auf dem weichen Polster eines mit Wohlgerüchen erfüllten Nachens, berührten wir die Schwelle des Jenseits, ein einziger Schritt und wir konnten sie überschreiten! „Nadira!" sagte ich zu ihr, indem ich sie an mein Herz zog. Theurer! „Sieh, es giebt nichts mehr für uns auf dieser Welt, wir sind am Ende, sollen wir hinabsteigen? Laß uns sterben!" Sie blickte mich mit überraschter Miene an. Ja sterben," fügte ich hinzu,,,wir wollen uns, einander umschlingend, aus dem Schiffe werfen; unsere Seelen, in einem legten Kusse verschmelzend, werden gen Himmel sich erheben, bevor unsere Körper, in der Luft herumwirbelnd, von Neuem die prosaische Erde erreicht haben. Willst Du? Komm!" - Später antwortete sie mir, laß uns noch leben! Später, später! Aber werden wir später, dachte ich, einen ähnlichen Augenblick wieder finden?.... Oh! Nadira, wärest Du weiter nichts als ein gewöhnliches Weib!

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Ich bleibe also, weil sie bleiben will. .... Leb' wohl, mein Freund; seit den zwei Stunden, welche ich darauf verwende, Dir zu schreiben, habe ich sie nicht gesehen, und während der ganzen Zeit, die ich entfernt von ihr zubringe, wähne ich eine eiskalte Hand zu fühlen, welche mir langsam das Herz aus der Brust reißt.

Shetland.

Das Schreiben von Madam Happer, in welchem diese ehrenwerthe Matrone auf cynische Weise an Xilef erklärte, daß

ihre Tochter ihn seines Versprechens entbinde und ihm entsage, kündigte auch die Abreise Mina's nach America an, wohin sie vortheilhafte Anerbietungen eines Theaterdirectors und die Freundschaft eines reichen Rheders riefen. Man vermag sich kaum einen leisen Begriff von der Erschütterung, der Zerriffenheit, der Entrüstung, dem Schmerze, der unendlichen Wuth einer zugleich zärtlichen und schrecklichen Seele wie die Filef's zu machen, als er ein solches Meisterwerk der Brutalität, der Frechheit und der Hinterlist las. Er schauderte vom Kopf bis zu den Füßen; zwei Thränen und zwei Flammen entsprangen zugleich seinen Augen; und der Gedanke einer des Verbrechens würdigen Strafe bemächtigte sich alsbald seines Geistes. Er beschloß sogleich, nachdem er Shetland von dem, was ihm begegnet war, in Kenntniß gesezt hatte, nach America abzureisen, wo er seine ungetreue Geliebte anzutreffen sich schmeichelte. Er zerriß daher alle Bande, welche ihn an Euphonia fesselten, er gab seine Stelle auf, er vernichtete mit demselben Schlage seine Gegenwart und Zukunft! Aber was fümmerte es ihn! Blieb für Xilef ein anderes Lebensinteresse, als das der Rache? .... Der Brief Shetland's und die dabei befindliche Beschreibung Euphonia's gelangten in dem Augenblicke in seine Hände, wo er Palermo zu verlassen im Begriff war; und er hatte nur noch Zeit, dieses Document der sicilianischen Akademie nebst einigen Zeilen zuzusenden, in welchen er sich entschuldigte, daß es ihm nicht möglich gewesen sei, ihr dasselbe persönlich zu überreichen und vorzulesen, wie er es versprochen hatte.

Hier folgt nun das Manuscript. Shetland's, wie es der Präsident der Akademie in öffentlicher Sigung vorlas; Xilef hatte Nichts daran geändert.

Beschreibung Euphonia's.

Euphonia ist eine kleine Stadt von 12,000 Seelen, an der Rückseite des Harzes, in Deutschland gelegen.

Berlioz, gesammelte Schriften, III,

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Man kann es als ein großes Musikconservatorium betrachten, weil die Ausübung dieser Kunst der einzige Gegenstand der Arbeiten ihrer Bewohner ist.

Alle Euphonier, Männer, Weiber und Kinder, beschäftigen sich ausschließlich damit, zu singen, Instrumente zu spielen, und mit Allem, was sich unmittelbar auf die musikalische Kunst bezieht. Die Meisten sind zugleich Instrumentalisten und Sänger. Diejenigen, welche nicht spielen, widmen sich der Fabrikation der Instrumente, dem Stich und Druck musikalischer Werke. Andere wieder liegen akustischen Forschungen und dem Studium aller Naturerscheinungen, welche mit der Erzeugung des Tons in Verbindung stehen, ob.

Die Instrumentisten und Sänger sind nach Kategorien in den verschiedenen Stadtvierteln eingetheilt.

Jede Stimme und jedes Instrument hat eine Straße, welche ihren Namen trägt, und blos von dem Theile der Bevölkerung bewohnt wird, welcher der Ausübung dieser Stimme oder dieses Instruments obliegt. Es giebt Straßen der Soprane, der Bässe, der Tenore, der Alte, der Violinen, der Hörner, der Flöten, der Harfen u. s. w. u. s. w.

Es ist wohl unnöthig hinzuzuseßen, daß Euphonia unter einer despotischen Militärherrschaft steht. Daraus entspringt die musterhafte Ordnung in den Studien, daraus entstehen die wunderbaren Resultate, welche die Kunst erlangt hat.

Der Kaiser von Deutschland thut übrigens alles Mögliche, um das Loos der Euphonier so glücklich wie möglich zu machen. Seinerseits verlangt er als Entgelt Nichts mehr, als daß ihm jährlich zwei oder drei Mal einige tausend Musiker zu den Musik-Festen gesandt werden, welche er an verschiedenen Orten seines Reichs veranstaltet. Nur selten sezt sich die ganze Stadt in Bewegung.

Bei den Musik- Festen sind es vielmehr die Zuhörer, welche von allen Seiten herbeiftrömen, um die Euphonier zu hören.

Ein, ziemlich denen des griechischen und römischen Alterthums gleichender Circus, aber von viel besseren akustischen Verhältnissen, dient zu diesen monumentalen Aufführungen. Er vermag auf der einen Seite 20,000 Zuhörer und auf der andern 10,000 Spieler zu enthalten.

Dem Minister der schönen Künste liegt es ob, aus der Bevölkerung der verschiedenen Städte Deutschlands die 20,000 mit dem Vorrecht, diesen Musikfesten beizuwohnen, ausgestatteten Zuhörer auszuwählen. Bei dieser Wahl giebt stets das größere oder geringere musikalische Verständniß und die Bildung der · Individuen den Ausschlag. Ungeachtet der außerordentlichen Neugierde, welche diese Zusammenkünfte in dem ganzen Reiche erregen, würde doch keinerlei Rücksicht die Zulassung eines durch seine Ungeschicktheit dessen für unwürdig Befundenen gestatten.

Die Erziehung der Euphonier geschieht folgendermaßen: Die Kinder werden frühzeitig in allen rhythmischen Combinationen geübt; in wenigen Jahren gelangen sie dahin, spielend alle Schwierigkeiten der bruchweisen Eintheilung der Tactzeiten, der synkopirten Formen, der Vermischungen einander widersprechender Rhythmen zu überwinden; dann gehen sie zum Studium der Solfeggien, parallellaufend dem der Instrumente, über, etwas später zu dem des Gesangs und der Harmonie. Beim Eintritt der Mannbarkeit, dieser Zeit der Entfaltung des Lebens, wo die Leidenschaften sich bemerklich machen, sucht man in ihnen das richtige Gefühl des Ausdrucks, also des schönen Stils zu erwecken.

Diese so seltene Fähigkeit, sei es in dem Werke des Componisten, oder in der Ausführung seiner Dolmetscher, die Wahrheit des Ausdrucks zu würdigen, gilt bei den Euphoniern als das Höchste.

Wer überführt worden, dessen gänzlich beraubt zu sein, oder an der Aufführung von Werken vollständig fälschen Ausdrucks Gefallen zu finden, wird unerbittlich aus der Stadt

gewiesen, hätte er sonst ein noch so hervorragendes Talent oder eine noch so ausnehmende Stimme; er müßte denn einwilligen, zu irgend einer niedrigen Beschäftigung sich herbeizulassen, wie zur Fabrikation der Darmsaiten, der Bereitung der Paukenfelle.

Den Professoren des Gesangs und der verschiedenen Instrumente sind verschiedene Unterlehrer beigegeben, welche in Specialitäten, in denen sie als besonders geschickt anerkannt sind, Unterricht zu ertheilen haben. So giebt es in den Classen der Geigen, der Bratsche, des Violoncellos und des Contrabasses außer dem Hauptprofessor, der die allgemeinen Studien des Instruments leitet, Jemand, welcher ausschließlich das Pizzicato lehrt, ein anderer, der in den Flageolettönen, wieder einer, der im Staccato u. s. w. unterrichtet. Es giebt Preise für die Gewandtheit, für die Reinheit, für die Schönheit und selbst für die Dünne des Tons. Dadurch entstehen die so wunderbaren Nüancirungen des Piano, welche in ganz Europa blos die Euphonier hervorzubringen verstehen.

Das Zeichen zu den Stunden der Arbeit und der Ruhe, der Zusammenkünfte der Viertel, Straßen, der Proben von kleineren oder größeren Massen u. s. w., wird vermittelst einer gigantischen Orgel gegeben, welche sich oben auf einem, alle Gebäude der Stadt überragenden Thurme befindet. Diese Orgel wird mit Dampf getrieben, und ihre Klangkraft ist der Art, daß man sie ohne Mühe vier Stunden weit hört. Es ist fünf Jahrhunderte her, als der sinnreiche Verfertiger, Herr Sax, welchem man die kostbare Familie der Blechinstrumente mit Rohrblatt verdankt, die seinen Namen trägt, den Plan zu einer ähnlichen Orgel faßte, welche dazu dienen sollte, auf musikalischere Weise die Stelle der Glocken zu vertreten. Man hielt ihn für närrisch, gleich wie jenen Unglücklichen, der zuerst von der Anwendung des Dampfes auf die Schifffahrt und die Eisenbahnen sprach, gleich wie man es noch mit denen machte, welche vor 200 Jahren sich bemühten die Mittel zu entdecken,

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