Obrázky na stránke
PDF
ePub
[ocr errors]

00000483

schuhe und allen Schmud auf, den sie. sich hatten zu eigen Venedig erschien er so wunderlich, daß es anfangs schwer machen können, fehlte er ganz, so wurde er geliehen. In war, nicht zu lachen: und ich vermuthe, irgend ein Bild einem kleinen Stück von Favart, les amours de Ba- von einem venetianischen Kapitän hatte ihn zu dieser Sons stien et Bastienne, versuchte es 1953 die Frau des derbarkeit verleitet. Noch später sab ich in Berlin ein Stück, Dichters zuerst, ohne gehörigen Schmuck ganz als naive das zu den Zeiten der Medicåer spielte. Der Herzog, ein Bauerinn aufzutreten, ja sie ging im Nachahmen der Nas ernster, ja würdiger Charakter, erschien in einer so eigenen türlichkeit gleich so weit, daß sie in Holzschuhën ging. Ob Müge, daß ein Fremder, der unsere Sprache nicht verstand, die übrige Kleidung diesen Schuhen genau entsprochen habe, ihn leicht für den Lustigmacher in den ersten Scenen hals wird uns nicht erzählt, doch zweifle ich daran. Im Jahre ten konnte. Ich habe manches Porträt der Medicåer gesehn 1755 warf die berühmte Clairon auch als Heldinn in aber diese Kleidung war mir völlig unbekannt; doch bin ich Voltaire's Orphelin de la Chine, den Reifrock weg, fest überzeugt, daß es irgendwo eine ähnliche Abbildung ließ das hochauffrisirte Haar fallen, und ging in wahren gibt, denn es erlaubt sich nicht leicht jemand dergleichen aus chinesischen Kleidern. Die Favart hatte noch Widerspruch er, eigener Phantasie zu veranstalten. fahren, aber ihre Bewunderer hatten die neue Manier durchs Ich kannte vor Jahren einen Schauspieler, der nicht gefochten, die Clairon und Le Kain, der ihr in dieser Ver, ohne Talent war, der sich aber mehr geschmeichelt fühlte, befferung benstand, hatten nicht viel zu kämpfen, und im wenn man sein Kostüm, als wenn man sein Spiel Jahr 1761 wurde in Soliman II., oder die drey Sultas lobte. Er war immerdar mit Kupferstichen und Zeichnuns ninnen, das strenge türkische Kostüm mit ungetheiltem gen umgeben, und je fonderbarer ein Bild auffiel, um so Beyfall aufgenommen; man hatte die neuen Kleider wirk. lieber wurde es von ihm nachgeahmt, obne je Einrede oder lich in Constantinopel machen lassen, und die Clairon nahm Tadel anzunehmen. In Koßebues Trauerspiel fab er als fie nachher zum Muster ihrer Tracht. Rolla ganz so aus, wie wir etwa in Bertucs Bilderbü.

Die Deutschen folgten spåter dieser Reform, so wie chern oder alten Reisebeschreibungen die Kaziken wahrneh. die Engländer, und endlich war man in Deutschland um das men. Die langen Ohrgehänge, und all jener entstellende Jahr 1790 auf den meister Theatern so lestümirt, daß man Schmuck hinderten ihn nachher sehr, um seine gut europäis es geschmackvoll nennen konnte. Niemand wurde gestört, sche und moderne Verzweiflung auszudrücken. Als Graf von wenn Ritter, Knappen und Fräulein nicht genau der Beit Savern trug er, mit bunten Schnüren befestigt, einen nach gekleidet waren, weil man jene frühern Zeiten fast großen Hut auf dem Rücken. Es half nichts, ihm zu bes nur aus den dramatischen Gedichten kannte. Selbst in jenen merken, daß so etwa die Gemsenjäger in den Alpen sich Tagen, als zu viele Ritter und ihre Fehden und derben trügen, denen es oft wichtig war, sich mit einem Zug der Gesinnungen unsere Bühne faßt erdrückten, fiel es keinem Schnur den Hut auf das Haupt sehen, oder ihn wieder ab, ein, die Kleider fonderlich zu mustern, man sprach nur werfen zu können, ohne daß er ihnen verloren ging. Er über Spiel und Ausdruck. Der Literat schüttelte mehrmahl berief sich auf sein Bild, und so war der Proceß gegen ihn wohl etwas den Kopf, wenn die felten auftretenden Griechen verloren. — So wurde auch in Dresden vor einigen Jah, und Römer sich im Anzuge zu sehr vergriffen, indessen hat, ren Antonio im Kaufmann von Venedig mit einem langen ten doch die Ariadnen und Medeen die Reifröcke abgelegt, Gewande gesehn, seltsam, fast orientalisch geschnitten, und und selbst die englische Königinn Elisabeth erschien zulegt in einer frembartigen Müge: weil man einen Kupferstich ohne diesen. aus Dürer's Zeit gefunden hatte, unter welchem mit deuts

So viel ich weiß, war Iffland, und auch nur in seinen lichen Worten stand: „ein Kaufmann von Venedig.” Man spätern Lagen, der Erste, der eine genauere Nachahmung hätte eben so gut die Maske des Pantalon nehmen können, ber wirklichen Trachten beabsichtigte. Bwar spielte er selbst denn dieser Alte ist recht ausdrücklich der Kaufmann von Be. feinen Pygmalion in einem feidenen Mantel, für einen nedig. Daß Shakespeares Dichtung völlig dagegen ist, und Bildhauer ein doppeltes Vergeben: aber, wenn er auch oft daß um 1598 diese Kaufleute sich wie die Fürsten trugen, noch fehl griff (und das wird in diesem Felde dem Gelehrs wurde nicht beachtet, oder man vergaß es. sesten begegnen), so habe ich ihn und seine Mitspieler nach, Manche Directionen haben seitdem diese Liebhaberey ber oft in so seltsamen Kleidungen gesehen, daß sie gewiß für ein gelehrtes Kostüm bis an die Gränze des Möglichen den Beiten und Ständen nachgeahmt seyn mußten, weil getrieben. Wenn man erst Kleinigkeiten untersucht, nach. man sonst gar nicht begriffen þåtte, woher sie gekommen schlägt, deshalb correspondirt, Tich aus fernen Gegenden bèr and was fie bedeuten sollten. 216 Pierre im geretteten lebren läßt, ob ein Soldat damahls diese oder jene Nuance

einer Farbe getragen habe, so liegt es als Nothwendigkeit damit gewonnen? Unser Theater hat nun in einem durch. -es hat oft gepres ganz nahe, sich das wirkliche lederne Koller zu verschaffen, laufenen Zeitraum allerhand versucht, in welchem Gustav Adolph fiel, oder Wallenstein ermordet digt, gegen Fürsten, Adel und Geistlichkeit gekämpft, Feh. wurde, und Carl der Kühne und seine Ritter müssen sich den und Turniere dargestellt, gegen Brown, Gall und aus der Schweiz erst die Helme und Rüstungen verschreiben, den Magnetismus polemisirt, die Häuslichkeit empfohlen, die dort aufbewahrt werden. Dieß Wichtig nehmen Spieler und Betrüger an den Pranger-gestellt, Malefikan. des Unwesentlichen ist ein Spiel mit dem ten bestraft, Lebensrettungen, haarbreit von dem Unters Spiel, die eigentliche Darstellung kann nun nicht mehr gange, anziehend und spannend vorgetragen, Hunde ihre so beachtet werden, wie sie sollte. Das Publicum wird ver. Künste und Pferde ihre Erercitien machen lassen; foll wöhnt, und ist es an manchen Orten schon; die Kleider es nun auch noch eine Musterkarte von den Trachten der werden mehr als das Gedicht beachtet, die Zuschauer unters verschiedensten Völker in allen Jahrhunderten werden? Ist suchen mit ihren Gläsern, ob auch an Sammt oder Spigen die Bühne etwa dadurch ein Spiegel der Beit," alles ächt sey, die Schauspielerinnen nehmen jede Gelegen, wenn man uns viele und mannigfaltige Röcke kennen heit wahr, sich umzukleiden, mögen die störenden Pausen lehrt?

auch noch so lange dauern; die Männer, vorzüglich die jun

Vieles, was ehemahls und noch gegenwärtig getragen gen, ahmen ihnen nach, und sind fast stärkere Koketten als und durch die Mode gerechtfertigt wird, ist unschön, oft jene, und es ist nicht unmöglich, wenn die Liebhaberey an sogar þáßlich. Sehr vieles Fremde oder Alte ist nach unsern vielen und neuen Kleidungen erst recht allgemein geworden eingewohnten Begriffen, von denen wir uns nicht so schnell ist, daß die Regie für ihr Repertoir die Stücke verzieht, losmachen können, lächerlich. Soll etwa in der Athalie der in denen recht viel Gold und Seide zur Schau getragen Hohepriester mit klingenden Schellen erscheinen? Oft legt wird. Nun überfüllt sich nach Jahren die Garderobe, vieles, man den Darstellern, die sich rasch und kräftig bewegen folo das trefflich und poetisch ist, kann nicht gebraucht werden; len, so schwere Mäntel um, daß sie wie Dante's Hypokris will man es nun nicht ungenußt verderben lassen, so fånde ten, nicht wie jene auf der Bühne der heitern Griechen, ich den legten Vorschritt nicht verwerflicher als die vorigen, nur langsam und matt sich bewegen können. etwa einen Dichter zu berufen (und es gibt ja Gelegenheits, Die Damen können und mögen sich auch niemahls dies dichter aller Art) und ihm aufzugeben, sich an den vielen reis fem Schulzwange fügen. Oft stehen sie sogar im seltsamsten chen und mannigfaltigen Kleidungsstücken zu begeistern, um Widerspruche mit demselben. So sah ich vor Jahren die eine Tragödie oder ein großes Schauspiel zu erschaffen, in keusche römische Octavia in so durchsichtigem Gewande, daß welchem aller dieser Prunk wieder ins Leben treten könnte. Kleopatra ihr gegenüber jüchtig erschien, und es war (auch Die Vollendung, die wir auf diesem Wege zur Wahr ohne die Dichtung) ein komischer Auftritt, als sie ihren beit suchen, ist eine ganz unerreichbare, und wir wür. Schleger zwischen Antonius und dessen Kinder breitete. In den uns täuschen, wenn wir uns dieß nicht redlich geständen. Brüssel sah ich eine so leicht drapvirte Phädra, daß ich bey Mögen wir Chroniken, Kupferstiche und Bildergallerien ihrem wüthenden und ausdrucksvollen Spiel für den armen plündern, so viel wir wollen, so bin ich überzeugt, daß Hippolyt fürchtete. Aber freplich mag man vielleicht glau uns jeder Schneider aus dem 14. oder 15. Jahrhundert ver. ben, daß die Bekleidung in jener frühern: Heroenzeit keine lachte, wenn er unsere aufgepußten Modelle sehen könnte. sonderliche gewesen sey. Die Clairon, die man als die Stifs Ben Jonson, der jeden Gegenstand, den er erwählt, auf terinn des richtigen Kostüms ansehen kann, warnt in ihren die gründlichste Art erschöpft, läßt in seinem Lustspiel Cyn- Memoiren sehr verständig, teine Tracht irgend eines Beits thias Revels en Beaus seiner Tage auftreten, die vor alters oder eines Volkes zu genau und buchstäblich nachzu, Rennern eine Art Turnier in Stuberkünften mit ihrem An. ahmen, und nicht ins Kleinliche und Häßliche zu verfallen. zuge, ihren Bändern, Schleifen, Farben u. f. w. halten. Keine Dame, wenn sie etiva eine Geliebte von 1740 spie. Hier kann man lernen, wie wenig bey diesen dargestellten len sollte, würde sich in einer leidenschaftlichen tragischen feinen Geistern dazu gehörte, um sich im Anzuge lächerlich Rolle bewegen lassen, jeßt in jenen ungeheuren Reifröcken, zu machen; es sind so zarte Delikatessen, daß auch ein auf den mit Pomade hoch aufgethürmten Haaren, mit Puder Pug und Schicklichkeit eingeübtes Auge weder den Verstoß, geweißt, mit Schënpflästerchen das Gesicht gesßwärzt, aufs noch das Richtige erkennen und unterscheiden würde. zutreten, und sie hätte Recht, sich zu widerfaßen, wenn Sehen wir aber den fast unmöglichen Fall, unsere die Direction es etwa aus übertriebener Liebe zur Wahrheit Bemühungen drängen dennoch hindurch was hätten wir verlangen sollte.

[ocr errors]

www

Jebe Kunst hat ihre eigenthümliche Wahrheit, und Recht, so müßte die Tragödie von Wallenstein nur aus kennt jene wirkliche, außenliegende gar nicht; sle bes Reden bestehn, die dieser General wirklich gesprochen. Es ist traurig, daß auch in dieser Hinsicht die Verir. wegt sich in ihrem eigenen Elemente, und nimmt keine Kenntniß davon, wenn man ihr etwas Fremdartiges auf, rung unserer Tage so hoch gestiegen ist, daß man Worte drängen will. Die Farbe ist schön und reizenb, aber der darüber verlieren muß. Bildhauer, wenn er kann, wehrt sich dagegen, wenn man

Darum hatte auch Madame Favart, als sie die Poschen ihm seine Bildsäulen anstreichen will, um ihnen eine größere und langen Handschuhe als Bauermädchen ablegte, gewiß Wahrheit zu geben. Er wird den verlachen, der ihn auf die Unrecht, Holzschuhe anzuziehen, und mich wundert, daß Wirklichkeit hinweiset, wo keine Figur ohne Farbe erscheint, der Mann diese Übertreibung der Natur duldete, da er So täuscht die Statue, ohne zu täuschen; der Kunstgenuß doch recht gut wissen mußte, daß er dergleichen Schuhe in ist nur möglich, indem ich weiß, daß ich mich vor einer seine naiven Koketten und lüsternen Verse nicht hinein ge. Statue befinde. Der Mahler verschmäht die Erhöhung sei dichtet hatte. Hier, im unbedeutenden Nebenwerk, grobe ner Figuren im Roum; aus der Fläche sollen sie sich beben, Wahrheit, und dort, in der Hauptsache, die reißende und and ibn kümmert es wenig, ob die Apostel und die Junge titelnde Lüge. Nicht, daß ich die Operettchen Favarr's, frau die Gewande zu ihrer Zeit wirklich getragen haben, von denen die besseren recht anmuthig sind, anfeinden die er ihnen umlegt. Er kann Stellungen erfinden, die beym möchte; ist aber der Joyllendichter kokett und ganz im Bildhauer lächerlich seyn würden, mit Licht und Schatten Geiste seiner vornehmen Zuschauer üppig in Scherz und spielen und zaubern. Das größte, das höchste Leben bewegt Schilderung, so mögen sich seine Weiber, da sie so man. fich freylich im aufgeführten Drama vor unsern Augen, aber ches Ein- und Zweyteutige auszusprechen haben, auch nur die Schönheit darf auch hier nicht verlebt werden, um sie kolett und reißend kleiden.

einer ganz unwahren Wahrheit aufzuopfern. Weg also mit Es ist dasselbe mit der französischen Tragödie. Treten allem, was das Auge beleidigt, oder den Spielenden hemmt. die Spieler zu einfach und kostümgerecht auf, so fürchte ich Jene Helme mit Greifenflügeln, von denen wir noch vor sehr, daß sie sich nicht so darstellen, wie der Dichter fie in zwanzig Jahren nichts wußten, jene fangen Ärmel, jene seiner Phantasie gesehn hat. In den. Versen, Gesinnungen Mantel mit hohen Kragen mögen wieder verschwinden, so und Leidenschaften ist ja doch dieselbe Unnatur geblieben, wie alle die falsche Gelehrsamkeit in Schilden, Schwertern, die zu jener Beit mit dem Widernatürlichen der Kleidung Kragen, stachlichten Knieschienen u. dgl., die auf das Thear recht gut harmonirte. Darum konnten auch die Zeitgenossen ter gar nicht hingehört. Je mehr der Zuschauer dieselben an, an dieser keinen Anstoß nehmen, und es hob sie eine Dare ständigen Kleidertrachten wieder sicht, die er schon gewohnt stellung, die uns jest als Maskerade und gespenstisch ers ist, desto weniger wird er im Genuße der Poesie und des scheinen würde. Die Schauspieler verfielen auch auf diese Spieles gestört; desto leichter wird es dem Spieler, vor. Abänderung nur, als die Moden, die unter Ludwig dem trefflich zu feyn, weil er in jenen Trachten, die er kennt, Vierzehnten immer noch etwas mahlerisch gewesen waren, schon eingeübt ist. Es gibt mit einem Wort, ein Theater, sich drenßig bis vierzig Jahre nach seinem Tode bis zur wikostüm, wie es ein Mahler- und Bildhauerkostüm gibt; derlichsten Thorheit gesteigert hatten: auf dieser leßten Höbe von diesem wird der verständige Schauspieler nur wenig ab. meldete sich der Trieb schon, sich der Natur wieder zu nás weichen, um dieses und jenes Bolk, oder einen scharfge, hern, und man huldigte ihm auf der Bühne zuerst. Mit einem poetischen Poeten, wie mit Shakes zeichneten Charakter zu nuanciren ;` diese · Modifikationen werben aber auf einem allgemeinen Elemente ruhn, auf speare, müffen die Kostüm studirenden in die größte einer poetischen und mahlerischen Theatertracht, die in fol. Verlegenheit gerathen; mit ihm, der in den meisten seiner chen Hüten, Mänteln, Wämmsen und Stiefeln vielleicht Compositionen Raum und Zeit ganz als etwas unwes niemahls so getragen wurde; wie ich vom guten Schaur sentliches behandelt. Wenn er in seinen Bürgerkriegen spieler verlange, daß setne edle Individualität durch die ungefähr noch das Zeitalter mit Richtigkeit behandelt, und Nachahmung durchschimmere, damit ich nicht einen wirklis in feinen römischen Tragödien beynahe strenge zu nennen chen Betrunkenen, Verbrecher oder Galeerenstlaven vor ist, so verfährt er in seinen mythischen, wie Macheth, Lear und Hamlet, desto willkührlicher, und die meisten mir zu sehen glaube.

[ocr errors]

Wie macht es denn auch jeder Dichter? Wenigstens seiner Luftspiele, stehn auch nur in poetischem Raum bio jezt? Hätte jene gerügte Bestrebung nur einigermaßen und phantastischer Beit.

[ocr errors]

Wenn man nun den Lear in der Chronik, in jener Durch diese kühnste Figur und Umkehrung in der Dicıkunst fäbelhaften Heidenzeit, lange vor Christi Geburt aufsuchte, wird das Interesse lebendiger gesteigert, die Empfindung und bildete sich, vielleicht nicht ganz unrichtig, die Klei, bis auf den tiefsten Grund ergriffen und erschüttert, und dung eines brittischen Häuptlings der Tage aus: wie ganz andere Bedingungen, Gesetze, Formen, eine ganz müßte er auftreten? Und wie vertrüge sich sein Äußeres mit andere Natur und Wahrheit treten ein, als beym Erzähler. dem Inhalt und den Gesinnungen des Stücks, den neuen Beil ich selbst mit in der Begebenheit stehe, verlange ich Verhältnissen, dem Hof und der Etikette, den Anspielun. vom Dramatiker eine ganz andere Wahrheit, als von jenem. gen auf die neuesten Begebenheiten, kurz, mit der stille Dem Erzähler glaube ich manches auf sein Wort, manches soweigenden Vorausseßung, daß alle Figuren des Schaus Unglaubliche wird durch den Schleyer der Ferne nicht so spiels alles wissen und kennen, und von allen jenen Lebens, verlegend ins Auge fallen: der Dramadichter soll seine Wun Elementen umgeben sind, wie der Dichter selbst? Wöllte der verständig, begreiflich einrichten, er soll mir von allem man deu Hamlet als jenen alten Dänen - Prinzen heraus- Rechenschaft geben, je tiefer er motivirt, um so besser, 216. fugen, von dem uns Saxo Gramaticus so Wunderliches sprünge, Launen, bloße Zufälle, die in der Erzählung mich aus einer wunderlichen Fabelzeit erzählt, man müßte dann so wenig stören, daß fie ihr im Gegentheil neue Reize ge doch ohne Zweifel über den Prinzen lachen, der so zart ben können, sind im Drama verleßend, und heben das In. und modern empfindet, der das Theater liebt, ganze tereffe und die Täuschung auf. Diese unerläßlichen Forder Rollen auswendig weiß und repetirt, und der in einem rungen, die die Nähe des Drama erzeugen und die Phan. Spielduell auf Stoßklingen umkommt. Theseus, als grie. taste und Laynen zu beschränken scheinen, werden aber reichs chischer Heros, den Handwerkern und ihrem Piramus ge. lich aufgewogen burch jene Kübnbeit der Abkürzung und der genüber, müßte sich seltsam ausnehmen. Der zarte Cal. Verlängerung des Stoffes, durch Verschweigen und Her, deron, der immerdar das Fernste mit dem Ullernächsten ausheben der Gegenstände, durch keckere Laune und geisti verknüpft, und zwar immer auf dieselbe Weise, indem er gere Ironie, durch die unmittelbare Erregung der Leiden. auf Raum und Zeit noch weit weniger Rücksicht nimmt, schaft (der poetischen), durch den Loumel des enthusiasti. als Shakespeare, müßte, scheinbar gelehrt kostümirt, als schen Baubers, in welchen der große Eragiker und Komiker Parodie von sich selbst erscheinen. uns verfeßt, daß er wieder kühn eine Menge von Wider.

Wie kommt es denn aber, daß Dichter von so großem sprüchen und Unwahrscheinlichkeiten uns biethen darf, die Geist und Sinn etwas aus der Acht gelaffen haben, das wir dem Erzähler ganz anders nachrechnen würden, die wir schwächeren Kräften so leicht zu erreichen ist, und welches aber, von einem höhern Intereffe fortgeriffen, gern aus viele für so nothwendig halten? die Ursache davon liegt der Acht lassen und vergeffen, oder, von unzeitigen Kriti. im Kunstwerke selbst, in seiner Form und Bedingung. kern daran erinnert, nur deren Kleinmüthigkeit belächeln. Wenn uns der Erzähler eine sonderbare Geschichte oder ein Daber kommt es, daß der achte dramatische Dichter Mährchen vorträgt, so gewinnt er unsere Einbildung oft (jeder Poet, nur der Dramatiker mehr als alle) wenn und stimmt sie im voraus für den Eindruck, wenn er uns er Fremdes, Seltnes, Unverstandenes und Vorzeit auf. die Zeit der Begebenheit in eine ferne, fast unkenntliche gibt, wieder seine sæönsten Kräfte und poetischen Elemente Zeit verlegt, wenn er uns in entlegene Räume und son aus seiner Gegenwart nimmt. Ohne diese würde er derbare Umgebungen verseßt. Dann wirkt oft, wenn es weder verständlich, feyn, noch weniger aber große Wirkun. sein Zweck so erfordert, das Nahe der allgemein verstånd gen hervorbringen können. Wie er aber seine Gegenwart lichen Gesinnungen um so mehr Leid und Freude, kurz das benußt und kennt, wie sehr er sich ihrer bemächtigt, indem Menschliche wird auf dem Grunde des Fremdartigen und er über ihr steht und sie dadurch mit erhobenem Instinkt mis Wunderbaren um so glänzender hervor geboben. So wie Vorzeit und der fernsten Zukunft verknüpft, das eben ist der Dichter aber dieselbe Begebenheit selbst handelnd und es, wodurch er erst zum wahren, zum großen Dichter sich vollendend, d. h. in Dialog und Drama, vorträgt, wird: ist er nicht über seiner Zeit, mißversteht er sie wohl so verlangt er, daß wir sie nicht mehr durch das Medium gar und ist ihr nicht gewachsen, sondern wird selbst von eines Dritten genießen und verstehen sollen; sondern wir einem schwachen Rieseln ihrer Fluth mit hingeriffen: so ge befinden und selbst unmittelbar unter den handelnden und hört er eben zu jenen schwachen Geistern, über die die Nach. sprechenden Figuren. Alle Bauber eines fernen Raums, welt und meist schon ihre Mitwelt das richtige Urtheil spricht. einer alten Zeit kann er nun nicht mehr brauchen, denn in Es ist im Sophokles groß, wie er die Tragödie auf unserm Zimmer geschieht ja alles, als eben jegt entstanden. seine Zeit bejieht, und die ferne Begebenheit seinen Bu

schauern ganz nahe rückt, ohne ihr baburch ihre Würde zu bel ganz als Deutscher nahm, und sle auf seine eigenthüm. nehmen, wie Athén, das Vaterland, seine Religion und liche Weise noch schöner auslegte.

Bitte immer durchklingt. Der Chor wird größtentheils mit Dieses Gefühl von der Wichtigkeit der nächsten Gegen. dazu gebraucht, das nächste Gefühl über das Vorgefallene wart im Drama ist ja auch die Ursache, daß, als es sich ju erregen, so wie er in Hymnen die Götter preift, und klein und krankhaft ausbildete, und die Poesie gänzlich fal, Naturschilderung, Gebeth, Verehrung austönt, ober fern. len ließ; es in Frankreich und weit mehr in Deutschland liegende Mythen und ihre Wunder berührt, oder felbft jene linzahl von Kleingemåhlden und weinerlichen Bogatel. Elagt und weint. Diese Gegenwart regt sich im Euripides len hervorgebracht hat, nebst jener armseligen polemischen schon zu bestimmt, oft auf ganz moderne Weise sophistisch Richtung gegen Wissenschaft, Kunft und Geschichte in so nur bestechend. Aber er fühlte richtig, wie unentbehrlich sie vielen falsch empfindsamen Schauspielen. Diese demagogische dem dramatischen Dichter seyn muß. Fähigkeit des Theaters hat auch veranlaßt, daß es immer

Bom Shakespeare ist hierüber schon angedeutet, wie einer strengern Aufsicht, als die andern Künfte unterwor fehr er seine Beit und Bildung, ja seine Umgebung in seine fen war.

Werke hineinspielen ließ. In jedem seiner Gedichte auf an. Hat also die dramatische Poesie selbst nun ihre dere Weise, denn in jedem wird eine neue Welt er eigene Wahrheit, so auch das Theater, und die schloffen. Calderon und alle Spanier verfahren auf dieselbe Schauspielkunft. Darum, um auf den Gegenstand zurück. Weise. Nur mischen sie schon weit mehr eine feststehende zukommen, woven wir ausgingen, ist ein poetisches all. Convention ein, eine künstlich gebildete Galanterie und gemeines Theaterkostüm die Grundlage, auf die sich mit Ehre, eine Hoffitte und Höfgesinnung, die zuweilen schon geschmackvollen Modifikationen alles gründen muß, was ber Natur scharf und verlegend entgegen tritt. Hier be, für die äußere Bier geschehen soll. Das sogenannte Mittelwingt ein vorübergehendes Vorurtheil schon sehr oft die und Ritteralter kann ungefähr in allen Jahrhunderten das. Wahrheit und die ächte Poefle; nicht nur der dargestellte felbe seyn, die sogenannte spanische Tracht wird, neben Gegenstand leidet bey Calderon zuweilen, sondern das jener Kleidung, für alle poetischen Darstellungen so ziem. menschliche Gefühl felbft. lich aushelfen, und wenn man noch auf die Zeit des dreys

Viel schlimmer ist es freylich noch bey den Franzosen. ßigjährigen Krieges, so wie auf die Peters des Großen Ihre Hofgallanterie und das bunte Flämmchen ihrer Liebe eine billige Rücksicht nimmt, ist man dabey nur einiger. parodirt faft immer die dargestellte Geschichte, weil sie maßen der griechischen und römischen Kleidung gewiß, obne biese nicht poetisch und wunderbar so hoch hinauf rücken, zu arg zu verstoßen, so hat, die neuesten Kleider hinzuges wie Caldéron, sondern sie in einer gewissen classischen rechnet, jedes Theater wohl, was es braucht. Kälte mit vornehmen Bewußtseyn wollen stehen lassen. So war es auch unter Schröders und Engels Direc. Ob diese Art und Weise, wo eine zu überwiegende tion, die mir auch in dieser Hinsicht noch jeßt als eine mus Gegenwart eine ohnmachtige Poesie völlig er sterhafte erscheint.

drückt, National Gesinnung und Bedürfniß sey, ist schwer Jst man mit mir in den obigen Bemerkungen einig, auszumitteln: daß aber die französische Bildung von den Py. so fällt auch das Lächerliche ganz weg, wenn man hört, daß renåen bis zum Rhein darin besteht, sich diese Convention, Garrick den Hamlet einigemahl in moderner Kleidung ge die aller Natur und Schönheit widerspricht, anzugewöhnen spielt hat. Wo der Dichter die Personen so ganz nabe an und anzueignen, ist bekannt genug. uns rückt, ist es dem Schauspieler wohl auch erlaubt. Er

Aus obiger Betrachtung erklärt sich leicht, warum es thut nichts, als was Dürer und viele italienische Mahler immer ein ungenügendes, mehr mühsames als erfreuliches gethan haben, die alte Geschichten in den Trachten ihrer Spiel war, Griechen und Römer ganz auf ihre Weise nach. Tage mahlten, um sie recht vertraulich nahe zu bringen. zudichten. Alle diese classisch seyn sollenden Tragödien der Beym Hamlet wird es freylich immer besser feyn, jene all. Italiener, vom Speroni bis zu den Neuern herab, so man- gemein poetische, oder sogenannte spanische Kleidung anzus che Versuche der Deutschen, von Apel und andern, was legen, weil eine zu bestimmte Wirklichkeit in den Rebens können sie uns als Gedicht bedeuten? Darin zeigt sich fachen dem Adel der Hauptsache schaden könne. auch die Größe unfers deutschen Dichters, und daß er als Als Eckhof den Canut in einer Lockenperücke und einem Port geboren ward, daß er in seiner Iphigenia sich nicht modernen Sammtkleide spielte, stand er dem Richtigen når unnüg bestrebte, griechisch zu seyn, sondern die schöne Far þer, als mancher Held jegt in seinem bizarren Kostüm, denn

« PredošláPokračovať »