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Reden wir von einer Vernunft in der Welt, so wird sie in der Regel analog der menschlichen Vernunft gedacht, und es wäre das einfachste, auch bei Heraklit eine solche Analogie anzunehmen. Nur wäre keine Intelligenz in der Welt, wie wir gesehen, zu finden, sondern der Weltprocess gienge in der Weise von Statten, dass ihn unsere Vernunft approbierte, und er uns dadurch als vernünftiger offenbar würde. Es findet sich dies allerdings nicht ausgesprochen, aber es liegt Urtheilen, wie dem, dass die verborgene Harmonie besser sei als die offenbare zu Grunde. Es muss, um dies Urtheil zu Stande zu bringen, das innerste Wesen der Dinge von dem Menschen erkannt und dem höchsten, was er in sich hat, entsprechend gefunden worden sein. Ist nun dies höchste der Logos, so ist es natürlich, dass auch das höchste und erste in der Natur der Dinge mit diesem Namen bezeichnet wurde. Und zwar wählte Heraklit nicht die Ausdrücke vous oder poýv, die sonst für den geistigen Sinn im Menschen bei ihm vorkommen, weil in diesen das subjective Erkennen als erstes entgegentritt, während in λóyos dies Moment gänzlich fehlen kann. Dass aber λóyos schon in den ältesten Zeiten der griechischen Philosophie für die Vernunft im Menschen vorkommt, zeigt deutlich Parmenides; nur ist darunter natürlich das begriffliche Denken nicht verstanden, da dieses erst durch Sokrates gelehrt wurde.

Mit dieser Vermuthung, die keinen Anspruch darauf macht, bewiesen zu sein, aber doch auch nicht unwahrscheinlich ist, bleiben wir wenigstens auf griechischem Boden, und Heraklit wäre dann verständlicher, als wenn wir bei der Erklärung seines Hauptbegriffs in den Parsismus hinübergreifen müssten.

Zweites Capitel.

Von Heraklit bis zur Stoa.

Auf Heraklit folgte ein langer Zeitraum, in welchem die Philosophie den Begriff des Logos als eines kosmischen Princips nicht weiter ausbildete. Anaxagoras trug allmählich den Sieg davon. Es überwog die Anschauung, nach welcher das höchste Princip nicht in der Welt aufgieng und sich nicht mit ihr deckte, sondern ausserhalb derselben stehend mehr oder weniger Einfluss auf sie ausübte. Es wurde nach und nach die eine Seite der heraklitischen Philosophie, der allgemeine Process des Werdens, als besonders fruchtbar anerkannt und aufgenommen; doch konnte sich das speculative Bedürfniss mit diesem reinen Werden nicht befriedigt finden und verlangte nach einem festen Punkt, von dem aus man zum Sein und zum Wissen gelange, und dieser wurde die absolute Intelligenz, nur in verschiedener Weise ausgedrückt.

Es könnte freilich scheinen, als ob sogar Leukippos, oder wohl richtiger Demokrit in seinem Werke πεì vοv den Logos als weltbewegendes Princip annähme, wenn es daselbst heisst: οὐδὲν χρῆμα μάτην γίνεται, ἀλλὰ πάντα ἐκ λόγου καὶ vπ' ůváyzŋç1). Allein aus der ganzen atomistischen Anschauung und besonders aus der Gegenüberstellung von μáTηy geht hervor, dass unter λóyos nicht eine vernünftige Kraft oder ein vernünftiges Gesetz zu verstehen ist, sondern

1) Stob. Ekl. I, 160.

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nur ein Grund, ohne den nichts geschieht, im Gegensatz zu dem Zufall, der von Demokrit geleugnet wurde.

Bei den unmittelbaren Nachfolgern des Heraklit finden wir ebenfalls in den Ansätzen zu einer Erkenntnisstheorie den Logos öfter erwähnt. So lehrt Parmenides, der wenigstens die Philosopheme Heraklits kannte und gegen sie polemisierte: Um zur Wahrheit zu gelangen solle man nicht „dem blöden Auge folgen, nicht dem schallenden Gehör oder der Zunge, sondern mit der Kraft des Denkens müsse man prüfen"), und es hat den Anschein, als käme bei ihm wie bei Heraklit die allgemeine Vernunft in dem Menschen zum Bewusstsein, wie dies auch Lewes in seiner Geschichte der alten Philosophie 2) annimmt. Auf die Vernunft als „constitutives Princip" ist auch die riorios iozós, die nicht zulassen wird, dass ausser dem seienden noch etwas anderes sei 3), und die лioris anys, durch die Werden und Vergehen verdrängt sind 4), zurückzuführen, und leicht könnte man versucht sein, den Satz, dass Denken von dem Sein nicht verschieden ist 5), in hegelschem Sinne zu deuten. Aber doch kann von einer Offenbarung der Vernunft in der Welt bei Parmenides nicht die Rede sein, da die Vielheit aufgehoben, und jede Entwickelung geleugnet wird. Ist auch das parmenideische Sein keineswegs rein metaphysische Abstraction, da es wenigstens von dem Raum nicht losgelöst wird, so ist doch andererseits jegliche Physik bei dem στασιώτης τοῦ ὅλου unmöglich

1) V. 35 Stein, 55 Karsten: xoīvaι dè λóyw roλúdyqıv ëλeyzov. Vgl. Aristokles b. Euseb. Praep. ev. XIV, 17. 756, b, der von allen vier Eleaten und den Megarikern sagt: οἴονται γὰρ δεῖν τὰς μὲν αἰσθήσεις καὶ φαντασίας καταβάλλειν, αὐτῷ δὲ μόνον τῷ λόγῳ πιστεύειν.

2) Deutsche Uebersetzung 182.

3) V. 73 St. 67. K.

4) V. 88. St. 82 K. Vgl. auch Schneidewin, Die Keime erkenntnisstheoretischer und ethischer Philosopheme bei den vorsokratischen Denkern in,,Philos. Monatsh." B. II, 264.

5) V. 50 St. 40 K. Vgl. 96 St. 93 K.

gemacht, und Aristoteles nennt ihn mit Recht &quorzos1), da er das Princip für jegliche Physis, die Bewegung aufhebt. Von einem Bewusstwerden des allgemeinen Logos kann demnach auch nicht die Rede sein, und Denken ist blos deshalb nicht von dem Sein verschieden, weil es nichts giebt als das seiende. Zugleich ist das Denken aber selbst, da es nur als Bewegung gelten kann, unmöglich gemacht, und so fallen in dieser Beziehung alle etwaigen Berührungspunkte zwischen dem Ephesier und dem Eleaten wegen der Grundverschiedenheit ihrer Anschauungen weg.

Anders könnte es mit Empedokles stehen, der die Lehre Heraklits, theilweise wenigstens, in seiner Speculation weiter zu führen gesucht hat. Der Streit ist von ihm aufgenommen, aber von dem allwaltenden Logos in der Welt finden wir nichts bei ihm. Es wird alles ersetzt durch seine beiden wirkenden Principien. Allerdings ist bei Sextus 2) davon die Rede, dass im Gegensatz zu der bekannten materialistischen Erkenntnisstheorie des Empedokles andere sagten, das Kriterium der Wahrheit bestehe nach ihm nicht in den Sinnen, sondern in dem ogòs λóyos, und zwar sei dieser theils göttlich, theils menschlich. Letzterer lasse sich durch die Sprache mittheilen, ersterer nicht. Es ist richtig, dass Empedokles auf das denkende Erkennen gegenüber den Sinnen mehr Werth legte3), ganz in der Art der übrigen älteren Philosophen. Aber Zeller) spricht ihm mit Recht eine Erkenntnisslehre im späteren Sinne ab, die ihm blos aus Missverständniss einiger an die Skepsis anklingender Verse zugelegt worden ist. Es findet sich in den uns erhaltenen Bruchstücken keine Spur, die uns ein Recht gäbe, eine solche an

1) Sext. Math. X, 46 S. 641.

2) Math. VII, 122 S. 396.

3) V. 81 St. 82 Mullach, wo es von der pilótns heisst:
τήν συ νόῳ δέρκεν, μηδ ̓ ὄμμασιν ἦσο τεθηπώς.
4) I, 652.

zunehmen, und so werden wir auf das weitere Verfolgen des angegebenen Unterschiedes in dem ogos óyos verzichten, wenn uns auch das eine möglich scheint, dass Empedokles den Ausdruck odos kóyos selbst gebraucht habe, um die Uebereinstimmung des Denkens mit der Wirklichkeit auszudrücken.

Wohl vertraut mit heraklitischen Sätzen war bekanntlich Epicharmos, der Komödiendichter, dem ja sogar Alkimos 1) die Priorität in der Ideenlehre zuschrieb. Es heisst in einem der erhaltenen Fragmente von den Menschen, sie seien der ewigen Veränderung unterworfen 2), und es ist gar nicht unwahrscheinlich, dass die letzten Worte in dem Zwiegespräch zwischen dem scheinbaren Eleaten und Herakliteer, wonach der fortwährende Wechsel immer geschieht nach demselben Logos, den heraklitischen Begriff im Auge haben, wenn auch dies nicht mit Bestimmtheit behauptet werden kann, da sich der Logos hier leicht anders erklären lässt. Auch möchten die Verse 3), worin die Ansicht ausgesprochen, alle lebenden Wesen hätten Vernunft (γνώμαν und τὸ σοφόν), eher folgerichtig aus der heraklitischen Lehre gezogen sein, als auf die Pythagoreer hinweisen, wie Zeller meint). Trotzdem dass Epicharmos also sich bekannt mit Heraklit zeigt und sogar dessen Logos in seinen Dialogen wahrscheinlich erwähnt hat, müssen dem Dichter doch andere Verse, in welchen der Logos ausführlicher behandelt wird, und die ihm Clemens zuschreibt, ab

1) Diog. III, 13 ff.

2) Diog. III, 11:

ἐν μεταλλαγᾷ δὲ πάντες ἐντὶ πάντα τὸν χρόνον.

ὃ δὲ μεταλλάσσει κατὰ φύσιν κοἔποκ ̓ ἐν ταὐτῷ μένει,
ἕτερον εἴη κα τόδ ̓ ἤδη τῷ παρεξεστακότος.

καὶ τὸ δὴ κἀγὼ χθὲς ἄλλοι καὶ νὺν ἄλλοι τελέθομες,
καὖθις αλλοι κοὔποχ ̓ ὠυτοὶ καττὸν αὐτὸν αὖ λόγον.

3) Diog. a. a. O. 16.

4) A. a. O. 430.

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