D. IUNII IUVENALIS SATURARUM LIBER QUINTUS SATURA XIII. Exemplo quodcumque malo committitur, ipsi quid sentire putas homines, Calvine, recenti Sat. XIII. Die Satire enthält die Lehre Juvenals von der Macht und Strafe des bösen Gewissens, angeknüpft an einen Verlust, welchen sein Freund Calvinus dadurch erlitten hatte, dass ihm ein Gut, welches er einem Freunde anvertraut hatte, von diesem abgeleugnet wurde. Der mildere Ton der Satire lässt erkennen, dass sie vom Dichter in höherem Alter verfasst worden ist. Vgl. zu V. 17. 1. Exemplum von eximere ist etwas was aus einer Reihe von Dingen hervorragt. Jedes hervorragende Ereigniss wird für den Nachahmer ein massgebendes Beispiel im Guten wie im Bösen. Hier = jede von Sitte und Recht abweichende That, jedes Verbrechen quodcumque ita conmittitur ut malo sit exemplo, cf. Näg. Stil. § 9, 1. = = improbi ho 3. improba gratia minis gratia, der Einfluss, die Macht des Ungerechten. 10 6. sed] Sinn: der Verbrecher entgeht also der verdienten Strafe doch nicht, während du über den Verlust dich wenigstens trösten kannst etc. 8. mergat] Der Beschädigte wird verglichen mit einem Schwimmer, welchem eine Last aufgelegt wird, die aber für ihn nicht so schwer ist, dass sie ihn in die Tiefe, d. h. in den Bankerott hinabziehen kann. · Die Last ist für Calvinus weder materiell noch (moralisch) psychisch zu gross. videmus = erleben. 10. acervus fortunae ist die der Fortuna eigenthümliche Masse von Erlebnissen, die Masse des Schicksalswechsels e medio fortunae ludibrio, e media fortunae varietate et vicissitudine. = particulam vix ferre potes, spumantibus ardens 17. Ein C. Fonteius Capito war im Jahr 812 (59) Consul mit C. Vipstanus Apronianus. Aber auch im Jahr 820 findet sich ein Consul Fonteius Capito, der als kaiserlicher Legat das Jahr darauf auf Galba's Befehl oder mit seinem Wissen in Germania inferior getödtet wurde. Da nun aber der zweite Fonteius in den beiden Consularpaaren die erste Stelle einnimmt und man bei einer solchen Zeitangabe immer nur den ersten Consul nannte, eine Regel die nicht nur die Senatsconsulte bei den Juristen sondern auch die Inschriften aus derselben Zeit bestätigen, so ist es kaum zweifelhaft, dass hier Juv. an den Fonteius von 820 denkt. Borghesi. 18. an nihil] Sinn: Kann über solche Erscheinungen ein Mann ausser Fassung gerathen, welcher schon 60 Jahre auf dem Rücken hat? Oder sollte eine so vieljährige Erfahrung den Menschen gar nicht eines Bessern belehren können? Die Gegenfrage ist also wohl berechtigt und die Lesart ac nihil ein schlechter Verbesserungsversuch. 19. Magna quidem] Sinn: Es ist zwar etwas Grosses um die Philosophie, aber auch das Leben ohne Philosophie kann den Menschen zur Ruhe des Gemüths und dadurch zur Glückseligkeit führen. sacris libellis in Büchern die der Gottheit würdig sind, gegenüber dem profanen Treiben der Welt. 20. In früheren Jahren erklärte Juv. den Glücklichen für den Inhaber aller Vorzüge des Körpers und Geistes, cf. VII 190, wenn auch schon damals nicht ohne Ironie; jetzt hat sich seine Anschauung geändert. Vgl. Ribbeck 17 sq. 22. iactare iugum, vor Ungeduld wie das widerstrebende Zugvieh. 23. cessare = unterlassen, poetische Umschreibung der Negation. 24. omni ex crimine quaesitum mit jeder Art Gewinn. Vgl. Naeg. Stil. § 30, 2. = 26. rari quippe boni Es gibt eben wenig redliche Leute in der Welt, das lässt sich nun einmal nicht ändern. 27. Ueber die Zahl sieben vgl. Macrob. Somn. Scip. I, 6. 28. nunc aetas] Da aetas u. saecula durch que zu einer begrifflichen Einheit verbunden sind, so ist auch zu aetas das Epitheton temporibus, quorum sceleri non invenit ipsa peior zu denken. Hesiod. "Eoya 109 sqq. nennt das goldene, silberne und eherne und eiserne Zeitalter. Die späteren Dichter haben die Zahl willkührlich vermehrt. Für frühere Zeitalter gab es bereits kein Metall mehr, wonach jedes hätte benannt werden können: um wie viel weniger ist dies für unser Zeitalter möglich! Es ist dies natürlich eine passende satyrische Hyperbel. 29. sceleri = Ruchlosigkeit, cf. Halm zu Cic. p. Sest. 22, Naeg. 17, 1. 31. Zu clamore ist tanto zu ergänzen, cf. X 13. 32. Faesidius ist ein Sachwalter, causidicus, dem, wenn er plaidirt, die umstehenden Clienten (sportula) ihre Bravo's zuschreien. vocalis sportula die lautrufende Clientenschaar, die er als patronus ernährt. Heinrich versinnlicht die kecke Metonymie durch die Uebersetzung: die brüllenden Couverts. Etwa: der brüllende Tisch. Eine Schilderung solcher Vorgänge bei Plin. Ep. II, 14. 33. bulla, cf. zu 14, 5. u. 5, 164. senior, Demin. der Theilnahme: guter alter Mann. So ist Hor, II, 7,9 parmula nicht der kleine Schild, sondern der liebe, werthe, theure Schild. 30 35 40 36. An die Heiligkeit des Eides und die Existenz eines Gottes zu glauben, gilt in unserer Zeit für bejammernswerthe Dummheit. 37. arae rubenti = dem blutgerötheten Altar. Man vergiesst das Opferblut, ohne mehr an die Gottheit zu glauben. = = 38. indigenae simpeln Altvordern, deren Charakter noch nicht durch fremde Sitten und Anschauungen gefälscht war. Vgl. VI 1 sq. 40. fugiens als Verbannter. virguncula = Backfisch. Juvenal zieht die triviale doctrina fabularum ins Lächerliche, weil er zwischen dem wahren Wesen der Gottheit und ihrer anthropomorphischen Gestaltung in der Sage zu unterscheiden weiss. Vgl. XIV 271. 41. Vor der Dynastie der Olympier herrschten die Titanen, an ihrer Spitze Kronos. Als dieser die Weltregierung an Zeus verlor, wandte er sich nach Italien und widmete sich dem Ackerbau. Diese Sage kennt die Einkerkerung der Titanen in die Unterwelt nicht. (?) 44. et iam, wozu aus dem Vorausgehenden die Negation zu denken ist; Herculis uxor u. Vulcanus brachia tergens bilden nämlich eine komische Einheit. Vgl. Bentl. ad Hor. epod. 16, 6; Sat. I 6, 68, brachia Vulcanus Liparaea nigra taberna. credebant quo grande nefas et morte piandum, Ruhnk. Vell. 2, 45. Dagegen ist zu beachten Juv. 15, 125. Ovid. met. 10, 92: nec fagus et innuba laurus, nec coryli fragiles et fraxinus utilis hastis enodisque abies etc. siccare nectar Nectarpokale leeren. Vgl. Hom. Σ 410 sq. 46. sibi quisque: der Dativ ist nicht etwa ein ethicus, sondern ein dat. conmodi. Quint. 6, 3, 16: quae nunc iuvenum vel sibi ludentium exercitatio est. 47. talis ut müsste in der guten Latinität wenigstens talis qualis, hier aber tanta quanta heissen. Im Laufe der Zeit haben sich nicht nur die Familienverbindungen der Götter vermehrt, sondern es geht auch durch das ganze Alterthum ein gewisser Deificationsprozess (cf. 1, 113), worin besonders die Römer Unglaubliches leisteten Vgl. Augustin. de civ. dei. IV 8. sidera sind hier nicht die einzelnen Sterne oder Sternbilder, sondern synekdochisch der Himmel, cf. 11, 63. Ovid. met. 1, 180. 45 50 55 60 50. torvus, cf. Schiller: Wo sie mit dem finstern Gatten etc. Es ist der finstere, strenge Blick. 51-52. Es gab auch noch keine Strafen der Unterwelt, wie sie das XI Buch der Odyssee schildert. 55. Wie der iuvenis vor dem senex, so musste vor dem iuvenis der puer sich respectvoll erheben. Vgl. Censorin. de die nat. 14. 56. licet verliert in der guten Latinität nie seine Präsensbedeutung; in der silbernen Latinität erstarrt es allmählich zur Conjunktion wie quamvis, und von Seneca an wird es sogar wie quamvis mit dem Particip verbunden. Aber während quamvis in der silbernen Lat. ganz gewöhnlich mit dem Indicativ wie quamquam erscheint, ist dies doch bei licet nirgends der Fall. si reddat veterem cum tota aerugine follem, culmine delubri, tamquam in mare fluxerit amnis summam, quam patulae vix ceperat angulus arcae? 61. aerugo nach Hor. A 330 verächtlich für aes oder argentum; ebenso follem wie XIV 281. = 62. Tusci libelli: libri Etruscorum oder Etruscae disciplinae volumina, welche die Litteratur der etruskischen ἱεροσκοπία u. procuratio bilden. Vgl. Marq. 4, 361 sq. 63. lustrari procurari. coronata, als Opferthier. 64. bimembri, cf. Liv. 41, 21, 12. 66. piscibus, cf. Liv. 42, 2. fetae mulae, weil das Maulthier sonst unfruchtbar ist, cf. Liv. 37, 3, 3. 68. longa uva = in langem traubenförmigem Gehänge. Zur Sache Liv. 21, 46, 2: et examen apum (üblichere Genetivform) in arbore praetorio inminente consederat. Plin. n. h. 11, 18, 55: ubicumque ille (rex apum) consedit, ibi cunctarum castra sunt. tunc ostenta faciunt privata ac publica, uva dependente in domibus templisve. Liv. 24, 10; 27, 23. Tac. 12, 64. Grimm. Deutsche Mythol. LXXXIV u. 160. = 69. amnis, i. e. Tiberis. miris prodigiosis, unnatürlich, cf. Hor. |