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1701.

Ganz Europa erschrak bei der Nachricht von Wilhelms Tode; nur in Frankreich faßte man von neuem Hoffnung Jakob III werde in England hergestellt, oder doch seine jest 38jährige Schwester Anna dem Systeme ihres Schwagers untreu werden. Diese Hoffnungen täuschten. Anna wollte trok aller Liebe für ihren Bruder, keineswegs der, ihr durch Parlamentsschluß zugesicherten Herrschaft entsagen, und eben so wenig durch eine Umstellung des politischen Systemes, ihren Gegnern in die Hånde arbeiten. Abgeneigte trösteten sich damit, daß sie wenigstens keine Fremde, und ihr Anspruch besser begründet sey, als der Wilhelms. Soll die Geburt (ohne Rücksicht auf Religion, Grundsäße, Parlamentsschlüsse, Staatsrecht, Schuld oder Unschuld, Weisheit oder Thorheit) allein und immerdar über die Schicksale der Völker entscheiden; so genügte ihre Legitimitåt so wenig, als die Marias und Wilhelms. Reicht aber ein bloßer Begriff sehr oft nicht hin über alle jene Verhältnisse obzufiegen und sie zu vernichten; so gab Wilhelms persönliche Größe ein weit besseres Anrecht, oder einen weit besseren Ersah, als Annas unbedeutende Natur. Ihr Gemahl Prinz Georg von Dänemark war so wenig geneigt als fähig an der Regierung Theil zu nehmen 1), und so mußten Andere die Königinn leiten: zunächst der Herzog und die Herzoginn von Marlborough. Deren Rathe gemäß erklärte man den 15ten Mai 1702, den Krieg wider Frankreich 2).

In den nächsten dreizehn Jahren treten ganz andere Månner auf den Schauplah, als die wir früher haben kennen lernen, weshalb einige Worte zu ihrer Charakterisirung hier Plaß finden mögen.

1) Georges est fort gras, aime les nouvelles, la bouteille et la Reine. Macky Mém. 40. Er war milde und wohlthätig. Hamilton 106. Belsham II, 174.

2) Vie de la Reine Anne I, 24. Lamberty II, 65. Parliam. Hist. VI, 16. Ühnlicherweise erklärten Holland und Österreich den Krieg. Klinkhamer de bello successionisets.

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Anna, Chamillart, Lorcy.

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Die Trennung der Behörden für den Krieg und die 1701. Finanzen, hatte zu so manchem Streite Veranlassung gegeben, daß Ludwig XIV, als Barbesieur (Louvois Sohn) starb, beide Departements im Jahre 1701 dem Parlamentsrathe Chamillart übergab '). Er war dem Könige zuerst als ein trefflicher Billardspieler und als Intendant von St. Cyr bekannt geworden. Ein einfacher, rechtlicher, fleißiger, verständiger Mann; aber kein Mann von überlegenem Geiste und Charakter. Diesen Mangel glaubte der König durch seine eigene Kraft und Erziehungskunst ersehen zu können; bald aber ergab sich daß Chamillart jener doppelten Last und den immer schwieriger werdenden Verhältnissen nicht gewachfen war. Die Maintenon brachte Voisin an seine Stelle, welcher so wenig als sein Vorgänger der Schwierigkeiten und Unfälle Herr werden konnte. 2)

Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Marquis von Torcy (ein Sohn Colbert Croissis, ein Neffe Col berts) war ein so rechtlicher, als geschickter Mann, der seinem Amte bis zum Tode Ludwigs XIV, troß der ungünstigsten Verhältnisse, in einer Weise vorstand, welche ihm selbst die Achtung der Feinde Frankreichs gewann 3). — Seigs nelai, (Colberts Sohn) der Minister des Seewesens und Handels), kam seinem Better an Einsicht und Adel des Charakters nicht gleich. Denn obgleich man seine Thätigkeit rühmt, nennt man ihn doch andererseits eitel, stolz, heftig, unduldsam und den Vergnügungen ergeben.

1) S. Simon V, 33; IX, 80. Fénélon corresp. I, 289. Maurepas Mém. I, 72. Villars II, 9. Maurepas I, 72. Maintenon et Ursinus lettr. I, 66. Auvigni vies d'hommes illustres VI, 293. Er starb 1721, 70 Jahre alt. Argenson essais 362. Barbesteur starb den 5ten Januar 1701. Dangeau II, 234.

2) S. Simon XII, 129.

Bresson Hist. des Finances I,

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Maintenon et Ursinus lett. III, 97.
376.

3) Argenson essais 195. Maurepas IV, 151. Spanheim V,.

95. Flassan IV, 412. Petitot Mém. de Richelieu II, 8.

4) Spanheim V, 101. La Fare 241.

1701.

Von Villars, Catinat und Vendome ist bereits die Rebe gewesen '). So ausgezeichneten Feldherren ward, durch Ludwigs XIV Eigensinn, Villeroi an, die Seite gestellt. Er verstand zu tanzen, zu fechten, zu schwahen, Geld auszuge ben, den Damen den Hof zu machen, und durch die Manieren eines großen Herrn, kleinen Leuten zu imponiren. Das Prachtstück eines am Hofe erzogenen Pedanten, aber ohne Kenntnisse, Geist und Tiefe, ohne Muth des Charak ters, und troß aller persönlichen Tapferkeit kein Feldherr).

Der Herzog von Noailles), ein Mann von Anlagen und vielerlei Kenntnissen. Ihm fehlte jedoch Festigkeit des Entschlusses und Beharrlichkeit der Ausführung; weshalb er (obwohl er Alles wußte und oft Alles leitete) doch zuleht nur wenig zu Stande brachte. Fromm mit der Maintenon', unkeusch zur Zeit des Regenten; dem Besseren überall geneigt, sofern es nicht mit der herrschenden Mode des Tages in Widerstreit gerieth und keine Aufopferung ko ftete. - Bauban, unter einem rauhen Äußeren, doch der mildeste Mann), durchaus rechtlich, bescheiden und tugendhaft; deshalb bisweilen zurückgesezt, jedoch der erste Inge nieur seiner Zeit. - Berwick, ein Sohn Jakobs. II und der Arabella Churchill"). Ein ernster, nachdenkender Mann der seine Erfolge meist seinem Charakter zu danken hatte.

Es läßt sich nicht leugnen daß, Alles zu Allem gerech net, die thätigen Staatsmänner und Feldherren während der zweiten Hälfte von Ludwigs Regierung, denen der ersten

1) Seite 128.

2) Mémoires de Louis XV, 6. Maurepas I, 236. Voltaire siècle de Louis XIV, XX, 500. S. Simon VIII, 25, 85. Duclos I, 162. Caractères de la famille royale 21.

3) Duclos I, 163, 235. St. Simon XI, 45. Noailles VI, 278. Flassan V, 346.

4) St. Simon XI, %%

5) Berwick Mem. I, 4. Maurepas IV, 25. Arabella war die Schwester Marlboroughs. S. Simon III, 320.

Heinsius. Marlborough. Eugen.

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Hälfte nachstehen; doch blieb der König für Alle ein vereis 1701. nender Mittelpunkt, welcher, insbesondere nach Wilhelms III Tode, den Verbündeten fehlte. Desto merkwürdiger ist die Erscheinung, daß durch die freiwillige Verständigung dreier Månner, auf mehre Jahre hinaus die Einigkeit dreier Staaten erhalten ward. Diese Männer sind der Rathspensio nar Heinsius, der Herzog von Marlborough und der Prinz Eugen von Savoyen.

Heinsius, ein Zögling Wilhelms III, und sein Nachfolger im Hasse wider Frankreich 1). Als aber dieser Haß, oder Einflüsse anderer Art, den Rathspensionar über Wilhelms ursprüngliche Absicht hinaus am Kriege festhalten lie= ßen, reichte Gewandtheit, Beredsamkeit, Redlichkeit, Erfahrung und Kraft des Geistes nicht mehr hin, seiner Beliebtheit Dauer zu geben und seine Wirksamkeit für die Nieders lande heilsam zu machen.

Der Herzog von Marlborough (geboren den 24ften Junius 1650) 2) war mit so wenig Sorgfalt erzogen und gebildet worden, daß er weder englisch richtig schrieb, noch fremde Sprachen geläufig reden lernte. Diese Mångel wurden jedoch durch andere, selten vereinigte Eigenschaften, mehr als erseht: Marlborough war nåmlich zu gleicher Zeit der schönste, feinste, wißigste, gewandteste Hofmann, und der kühnste siegreichste Feldherr seiner Zeit. Das Bedenken: ob jene Virtuositat in Kleinigkeiten sich mit einem wahrhaft großen Charakter vertrage, würde man gern zur Seite schieben; wenn nur nicht glaubhafte Zeugnisse erwiesen, daß der Hers zog zwar nie den Feinden seines Vaterlandes gegenüber zum Berråther ward), wohl aber (wie Villars) seine großen

1) Faucher vie de Polignac II, 86. S. Simon X, 60. Er starb den dritten August 1720. ib. XVIII, 258.

2) Lediard life of Marlborough. Coxe Mem. of Marlb. Burnet III, 1309. Macpherson History II, 514. Clarendon corresp. I, 141.

3) Doch verrieth er 1694 an Jakob II, Wilhelms Plane gegen Brest. Clarke II, 522.

1701. Thaten überall durch Geiz und Habsucht verunreinigte und in den Schatten stellte. Sein Benehmen gegen Jakob II und Wilhelm III, ja selbst gegen Anna, unterliegt schon in sofern gerechtem Tadel, als es großentheils aus Egoismus hervorging. Deshalb sagt ein, sonst sehr billig urtheilender Geschichtschreiber 1): „Marlboroughs Leben bietet ein solches Gemälde von Niedrigkeit und Betrügerei (treachery), daß man Verdienste im Kriege sehr hoch anschlagen muß, um vor seinem Andenken irgend Achtung zu behalten."

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Ein reinerer Charakter und ein nicht minder großer Feldherr war Prinz Eugen von Savoyen (geboren den 18ten Oktober 1663), ein Sohn Morikens von Savoyen und der Olympia Mancini 2). Als ihm Ludwig XIV (seiner Mutter Olympia halber 3), oder auf Louvois Betrieb, oder weil man den Prinzen für unbedeutend hielt) eine Anstellung verweigerte, trat Eugen in kaiserliche Dienste, nahm 1683 (unter Karl von Lothringen und Ludwig von Baden) am Türkenkriege und spåter an den Feldzügen wider Frankreich mit solcher Auszeichnung Theil, daß ihn Kaiser Leopold im Jahre 1693 zum Feldmarschall ernannte. Der große Sieg bei Bentha (1697) über die Türken bestätigte seine Feldherrngröße dergestalt, daß er (trok der Anklagen seiner Feinde) nicht bloß an der Spiße der kaiserlichen Heere blieb, sondern 1703 auch Präsident des zeither nur zu oft hemmenden Hofkriegsrathes ward. Eugen besaß außerordentlichen Scharfsinn, richtiges Urtheil, große Verschwiegenheit und eine seltene Geschicklichkeit die Gesinnungen derer zu entdecken, mit welchen er zu thun hatte. Er sprach wenig, aber was er fagte, war

1) Hallam III, 169, 298.

2) Vie du Prince Eugene par L. C. D. C. Londres 1739. Mauvillon Histoire du Prince Eugene. La Fare 263. Flassan IV, 271.

3) Eugen bekümmerte sich wenig um seine Mutter, die im Prozeß der Brinvilliers vorgefordert ward, aber nach den Niederlanden entwich. S. Simon XII, 34.

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