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Drittes Hauptstü đ.

Ludwig XIV und sein Hof.

Tros des gerechten und mächtigen Widerstandes, den Ludwig XIV besonders während der zweiten Hälfte seiner Regierung in Europa fand, wirkte er und die französische Entwickelung doch hinaus über die Gränzen seines Reiches und kein anderer König, sowie kein anderes Volk, darf sich in jener Zeit eines ähnlichen Einflusses rühmen. Daher haben seine Bewunderer von einem Jahrhunderte Ludwigs XIV gesprochen, und selbst Gegner sich diesen Ausdruck gefallen lassen. Vergleichen wir indeß die ähnlicherweise bezeichneten Jahrhunderte des Perikles, Augustus und der Medicåer, mit dem Ludwigs XIV; so finden wir daß jene in einer noch mannigfaltigeren und umfassenderen Weise weltbestimmend gewesen sind; wogegen dieses theils der Schattenseiten gar viele zeigt, theils von dem früher grånzenlos Gerühmten und Bewunderten, nach dem Ablaufe nur eines Jahrhunderts fast Nichts mehr ungetadelt und unangetastet geblieben ist. Verfassung und Verwaltung, Sitten und Geseze, Religion und Kirche, Kunst und Wissenschaft u. s. w. haben eine ganz andere Gestalt angenommen, und wenn die frühere allgemeine Betrachtungsweise die meisten Berichtserstatter fast unwiderstehlich zu übertriebenen Lobpreifungen fortriß; so kostet es jeho Mühe gerecht zu bleiben, jene Zeit mit ihrem eigenen Maaßstabe zu messen und in ihrem untrennlichen Zusammenhange zu begreifen.

Ungeachtet dieses Zusammenhanges und dieses Ineinandergreifens aller Gegenstände, müssen wir diese doch der

bequemeren Übersicht halber in drei Abschnitte zerfällen: der erste handelt von Ludwig XIV und seinem Hofe, der zweite von der Gesetzgebung und Verwaltung, der dritte von Wissenschaft und Kunst, Religion und Kirche 1).

Wenn man die umständlichen Nachrichten in den Memoiren Laportes über die Erziehung Ludwigs XIV unpar teiisch erwägt, so ergiebt sich daß seine Mutter Anna bisweilen zu zärtlich, der Hofmeister Villeroi wohlmeinend aber schwach und einseitig, und der Kammerdiener Laporte vorlaut war, oder sich in Dinge mischte die ihn Nichts angingen. Irrig aber ist die Behauptung als habe Anna, und insbesondere Mazarin, des Königs Erziehung aus unreinen Gründen vorsätzlich vernachlässigt. Sie glich der fast aller Prinzen, daß heißt: es ward gar Vieles begonnen und versucht; aber es fehlte Ordnung, Zusammenhang und Ausdauer im Lernen und Arbeiten. Man behauptet: Ludwig habe spanisch und italienisch verstanden 2), auch allerhand aus dem Cåsar überseht; wichtiger und gewisser ist es, daß er sich mündlich in seiner Muttersprache so würdig, als leicht und gewandt auszudrücken wußte 3). Auch mit Zeichnen und Guitarrenspiel gab er sich eine Zeitlang ab. Er war ge= schickt in allen Liebesübungen und verlangte von Andern dasselbe, oder daß sie ganz davon wegblieben. Die Schüch

1) Dem Vorwurfe: es sey Unrecht das, was sich von 1643 bis 1715 allmålig entwickelte, hier in der Mitte der eigentlichen Erzählung zusammenzudrången, dürfen wir entgegnen: daß es, bei dem Plane und dem Umfange unseres Werkes, noch größere übelstände mit sich führen würde, wenn wir alle jene Dinge vor dem Anfange, oder nach dem Schlusse der äußeren Regierungsgeschichte Ludwigs XIV behandelt, oder das Zusammengehörige auseinandergerissen und die Bruchstücke an verschiedenen Stellen nach Jahrgången eingeschaltet hätten.

2) Maintenon et Ursini lettres III, 89. Motteville Mem. XXXVII, 170. Orleans Anekdoten 83 u. f. S.

8) Nach Beaumelle mem. de la Maintenon VI, 222 schrieb er jedoch nicht orthographisch. — St. Pierre annales politiques I, 69.

Ludwigs Persönlichkeit.

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ternheit Ludwigs'), von welcher Anfangs die Rede ist, verlor sich gewiß bald; auch gab ihm einst seine Mutter zwei Tage Stubenarrest 2), weil er geflucht hatte (juré). Nur während seiner ersten Jugend las er Romane, Gedichte und Schauspiele; spåter erwähnte er in vielen Jahren nur ein einziges Buch), die Geschichte Frankreichs von Daniel, weil es die Ansprüche königlicher Bastarde hervorhob und zu begründen fuchte. So blieb sein Wissen höchst mittelmäßig, weshalb unter Anderen die Herzoginn von Orleans bezeugt *): der Kd= nig und seine Race (meinen Sohn ausgenommen) haffen das Lesen. Dies hat ihn ignorant gemacht und er schämte fich darüber.

Bei diesen Verhältnissen ist es ein um so größerer Beweis natürlichen Verstandes und ungemeiner Gewandtheit, daß Ludwig seine lange Regierung hindurch den König meisterhaft darzustellen wußte. Alles, bis auf die kleinste Bewegung, das geringste Wort hinab, war an ihm gemessen, schicklich, höflich, edel, groß, majestätisch, und doch ungesucht und natürlich. Nie hat ein Mann durch Mittel solcher Art so ge= wirkt, so imponirt. Er besaß aufs Höchste die Kunst durch Kleinigkeiten zu belohnen und zu bestrafen: schon ein Blick seiner Augen, ein Zeichen seiner Hand, ward gesucht und bemerkt, machte glücklich oder unglücklich. Nach Verschiedenheit der Personen zeigte sein Benehmen die mannigfaltigsten Abstufungen; doch waren selbst seine Zurechtweisungen milde), und er wußte das Herbeste in höfliche Formen einzukleiden. Nur gegen seine Bedienten ließ er sich bisweilen freier gehen, und sie waren dann nicht ohne Einfluß. Zeigten auch seine Äußerungen und Urtheile faft nie von eigentlichem Tiefsinn, so sprach er doch immer einneh

1) Le roi timide et nullement savant. Mottev. XXXIX, 380. 2) Choisy Memoir. 43.

3) S. Simon XI, 23.

4) Orleans Unekdoten 83.

5) S. Simon I, 102-118. Sevigné VII, 855.

mend, zweckmäßig, verständig und nicht selten wißig '). Er war arbeitsam, brachte die größte Regelmäßigkeit in die Ges schäfte, und zeigte sich mehr als je ein König eifersüchtig darauf daß er selbst herrsche, und nicht beherrscht werde 2). Glaubte er diese Unabhängigkeit (etwa durch geheime Vers abredungen) gefährdet, so widersprach er standhaft; dann gab er, beruhigt über jenen Hauptpunkt, in hundert Dingen nach und ward oft da von außen bestimmt, wo er es am wenigsten vermuthete. Sofern er aber an seinem höchs sten Entscheidungsrechte und seiner Entscheidungskraft niemals zweifelte, ließ er sich bisweilen offenen Widerspruch gefallen, wenn derselbe nur nicht mit Anmaßung verknüpft

war.

Ludwigs Versuch Freunde zu haben, mußte mißglücken, da er seine Zuneigung nur mittelmäßigen und zweideutigen Männern zuwandte3) (so dem Marquis Vardes und dem Herzoge von Lauzun), und die nothwendige Wechselseitigkeit des Verhältnisses ganz fehlte. Glücklicher war er, mindestens während der ersten Hälfte seiner Regierung, in der Wahl seiner Minister; spåter erhob er Leute von weniger Geist, in der Meinung er könne fie leiten, erziehen und seine Überlegenheit desto bequemer zeigen. Zuleht aber blieben auch diese in ihren Geschäftskreisen fast_unumschränkt, der König konnte ihre Unfähigkeit nicht überwiegen und indem er es für seine Pflicht hielt sie überall zu unterstüßen und zu erhalten *), beraubte er sich oft des Beistandes der Bef= seren und Klügeren. Rechtfertigen läßt es sich hingegen (ob

1) Torcy Mem. III, 249. Mottev. XL, 108. Caylus Souvenirs 99. Choisy Mem. I, 22. Voltaire siècle de Louis XIV, Oeuvres XXI, 180. Ludwig hielt täglich Rath, und arbeitete selbst oft Nachmittags und Abends. Dangeau Mem. I, 73.

2) S. Simon I, 1 – 85; II, 73, 79; VI, 96. Pelisson lettres III, 41. Louis XIV, Oeuvres III, 6.

III,

3) Voltaire XXI, 10. Spanheim rélation de la cour de Françe

195.

4) La Fare 306 - 307.

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gleich der hohe Abel darüber klagte) daß er den Ministern nebst ihren Frauen den Zutritt bei Hofe verstattete. Trat aber hiebei ganz zufällig und unverschuldet, das geringste Versehen gegen Hofgebrauch und Rangordnung ein, so ge= rieth der König wohl in solchen Zorn, daß er nicht reden und nicht essen konnte ").

Andererseits war dieses Hofleben nichts weniger als aus einem Stück, sondern neben der lächerlichsten Genauig keit, den kleinlichsten mit Leidenschaft verfochtenen Ansprůchen, stand oft Gleichgültigkeit gegen das Wichtigere, und neben der strengsten Regel die unanständigste Willkür. So erhob sich z. B. großer Streit darüber wer dem Könige beim Aderlassen das Kamisol anziehe2); ob ihm, wenn er purgire (und dies geschah alle Monate) der Kammerherr oder der Arzt die Brühe überreiche; welche Dame d'atour der todten Dauphine das Hemd anziehe und dergl. Während der König sich frisiren und barbieren ließ3), machten ihm die vornehmsten Leute ihre Aufwartung; ja er und der Herzog von Bourgogne hatten (wie die Herzoginn von Orleans erzählt) Gesellschaft, selbst Damengesellschaft zum Entreteniren bei sich, wenn sie auf dem Nachtstuhle saßen *). Hingegen nahm es Ludwig sehr übel, als seine Schwägerinn den Wunsch äußerte in Gegenwart der Königinn auf einem Lehnstuhle zu sizen, und seine Minister mußten bei den långsten Berathungen immerwährend stehen. Ja als Chamillart dies aus Schwäche nicht mehr aushalten konnte ), bewilligte man ihm keinen Stuhl, sondern er mußte wegbleiben. So hielt die Etikette zuleht den König selbst in einer Art von künstlicher Gefangenschaft, und die Schlichtung und Ent

1) S. Simon VI, 85.

2) Dangeau Mem. I, 312; III, 10, 281, 287. Brienne fils Mem. I, 88.

3) Spahheim V, 28.

4) Orleans Anekdoten 260. Oeuvres de Louis XIV, II, 50-60.

5) S. Simon, nouvelle édition V, 281.

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