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Vorwort.

Der Geschichtsorschung obliegt neben ihrer eigentlichen Aufgabe, der objectiven Darstellung der Geschicke der Völker, auch die Pflicht der Rehabilitation solcher Charaktere, welche durch ihren Kampf und ihre Selbstaufopferung für die höchsten Ideen der Menschheit bestimmend in die Leitung der Nationen eingegrissen, die aber durch die von diesen Ideen abgefallene Wissenschaft der Folgezeit mishandelt worden sind. Vor Allem hat die Kirche sich über eine solche Mishandlung ihrer größten, reinsten Persönlichkeiten durch das Misurtheil der Geschichtschreiber von der Kirche abgefallener Bekenntnisse zu beklagen. In dieser Richtung ist namentlich die Geschichtschreibung seit drei Jahrhunderten vielfach zur schuldhaften Lügnerin geworden. Unsere Zeit, welche wieder auf urkundliche Forschungen eingeht, hat so auf diesem Gebiet Vieles gut zu machen und die Buße wird ihr wesentlich dadurch erleichtert, daß jedes Archiv, welches sich erschließt, zum Apologeten der Geschädigten wird. Von jener falschen Richtung hat einer der größten Blutzeugen der Geschichte, der heil. Thomas von Canterbury, theils durch Unwissenheit, theils durch Schuld Arges erlitten. Die anglicanische Geschichtschreibung hat an ihm schwer gesündigt. Aber auch für ihn ist der Tag der sühnenden Gerechtigkeit angebrochen. Eine gütige Vorsehung hat uns die geschichtlichen Urkunden über seinen denkwürdigen Kampf mit dem König Heinrich II. in fast lückeloser Abfolge aufbewahrt. Der schlichteste Blick in diese Urkunden wird für den vielgeschmähten Erzbischof-Martyrer zum unwiderlegbaren Schußredner.

Schon diese Lage der Sache hat mich zu dieser Arbeit eingeladen.

Diese Einladung ward aber zur dringenden Aufforderung durch ein zwingendes Interesse der Gegenwart.

Kirche und Staat vollführen, sich theils zu- theils abgewandt, neben einander den Wandelgang ihrer Entwicklung; die Kirche weiß, daß, wie sie die Erstgeborene, so auch in ihrer Entfaltung durch die Größe ihrer Principien immer dem Staat voran ist. Dieser aber wähnt meistens, die Kirche im Fortschritt überflügelt zu haben und glaubt dann deren Sagungen aus dem Grund verleugnen zu dürfen, weil diese mit dem angeblichen Fortschritt der weltlichen Gefeßgebung nicht mehr verträglich sei. So sezte sich in der Mitte des zwölften Jahrhunderts der König Heinrich II. von England durch seine auf dem Reichstag von Clarendon anerkannten königlichen Gewohnheiten über das gemeine canonische Recht hinweg, wie dieses Gesezgebungen europäischer Staaten in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts thun. Natürlich gelingt es der Staatsgewalt, solchen Gesezen einige Zeit hindurch Geltung zu erzwingen, nach deren Ablauf sie sich auf ein Herkommen berufen zu können, glaubt und selbst mit der Kirchengewalt ausdrücklich vereinbarten Concordaten die Giltigkeit abspricht. So ward es in dem Streit zwischen Heinrich II. und dem Erzbischof Thomas so späterhin und so wird es jezt gehalten.

Darum ist dieser englische Kirchenstreit für solche Conflicte der Folgezeit vorbildlich geworden; vorbildlich für alle Zukunft ward aber auch der Erzbischof Thomas als Blutzeuge der Principien. In solchen schweren Reibungen der beiden höchsten Gewalten ankert die Kirche sicher nur auf ihren Principien; in der Uebung mag sie Manches nachgeben: wahrt sie nur ihre Grundsäge, so ist sie sicher geborgen; läßt sie aber von den Grundsägen ab und sich auf von ihren Grundlagen absehende und abgelöste Vereinbarungen ein, so ist sie geschädigt.

Schon die Uebereinstimmung der kirchlichen Streitigkeiten in zwei sonst so tief verschiedenen Zeitaltern hat für die wissenschaftliche Forschung etwas übermächtig Anziehendes. Dieser Reiz aber wächst, weil wir von allen in dem Kirchenstreit des mittelalter

lichen Englands wirkenden Parteien den reichsten Briefwechsel ihrer Häupter in so seltener Vollständigkeit besigen, daß wir den Streit des zwölften Jahrhunderts viel urkundlicher und genauer beschreiben können, als selbst die Kirchenstreitigkeiten, welche in unsern Tagen uns unter den Augen verlaufen.

Ich aber glaubte als öffentlicher Lehrer des Kirchen- und des Staatsrechts diese historische Arbeit um so mehr übernehmen zu müssen, als in dem englischen Kirchenstreit die wichtigsten canonistischen und staatsrechtlichen Begründungen sich gegen einander erhoben haben.

So einmal durch den objectiven Inhalt des englischen Kirchenstreits, sodann aber durch die gewaltige Analogie desselben mit ähnlichen Streitigkeiten der Folgezeit angezogen, hielt ich über diesen Gegenstand an der hiesigen Universität in dem Winter 185 und in dem 1853 öffentliche Vorträge vor einer zahlreichen Zuhörerschaft.

In seiner gegenwärtigen Gestalt ward aber das Buch während des Jahrs 1854 auf dem Krankenlager geschrieben., Obwohl ich eines starken Körperbau's und einer heitern Seele mich erfreue, so brach doch zulegt unter der Wucht der politischen Schwermuth über die Geschicke meines teutschen Vaterlands, unter innern und auswärtigen Kämpfen die körperliche Maschiene, wenn auch nicht der Muth der Seele, mir zusammen. In dieser Stimmung schrieb ich das Buch. Ich hoffe, dieser pathologische Zustand hat ihm nicht geschadet: im Gegentheil hat die Wehmuth, welche stets die Trümmer der Gesundheit der Nation und des Einzelnen umnachtet, mir mit unwiderstehlichem Reiz geholfen, mich in die Stimmung des großen geächteten Erzbischof's Thomas und seiner Schicksalsgenossen in lebendigster Theilnahme zu versehen.

Ich aber habe mit gewaltiger Begierde mir das Bedürfniß befriedigt, unter dem Druck der Verhältnisse, bei der systematischen Verzweiflung an der Zukunft der Freiheit, welche ungeduldige Köpfe in allen Parteien ergriffen, weil es einigen Frey

lern gefallen, dieselbe zu schänden, bei der in Teutschland wie allerwärts wachsenden Untreue gegen Grundsäge, bei dem täglich empfindlicher werdenden Mangel großer Charaktere, bei der knechtisch vergnügten Ergebung der Schwäche in Alles, was der liebe Tag bringt, aus dem Grab einen der größten Charaktere aller Zeiten zu erheben, welchen die Geschichte mit ihrem unvergänglichen Siegel zur Verehrung aller am endlichen Sieg des Rechts nicht verzweifelnden Gerechten aufgestellt. Diese Arbeit hat mich in schweren Stunden der Prüfung wunderbar gestärkt und selbst meine körperliche Gesundheit in die frühere Kraft zurückgestellt.

Wäre es mir gelungen, auch nur den kleinsten Theil der glücklichen Lust, die ich während dieser Arbeit empfunden, auf den Leser überzuleiten, so würde ich glauben, meine Aufgabe in einem der nächsten Belange gelöst zu haben.

Ich habe nach der ganzen Richtung meines öffentlichen Lebens den politischen Gewinn des Kirchensiegs des englischen Primas für die politische Freiheit seiner Nation nicht verschweigen zu dürfen geglaubt. Ich, der ich dem unerschütterlichen Glauben lebe, daß der Sieg der Kirche hauptsächlich auch meinem teutschen Vaterland politische Freiheit und nationale Größe einst ficher und wohl bald bringt, folge hierin nur meiner Kirche, die in ihren größten, reinsten Häuptern neben der Hauptsache, ihrem Erlösungswerk und seiner Freiheit, auch politische Freiheit und Größe als ihr Bedürfniß erkannt und erstrebt hat.

Freiburg, im Juni 1855.

F. J. Buß.

Quellenkunde.

I. Briefe.

Die wichtigste Quelle für die Geschichte des heil. Thomas find die von ihm und seinen Zeitgenossen über seinen Streit mit König Heinrich 11. geschriebenen Briefe, die Briefe seiner Anhänger und die seiner Gegner. Wir besißen diese Briefsammlungen jezt in erwünschter Vollständigkeit durch die Bemühungen des anglicanischen Gelehrten, Hrn. Dr. J. A. Giles, in seiner Ausgabe der Patres ecclesiae Anglicanae.

A. Die Briefe von und an Thomas.

Der ursprüngliche Sammler dieser Briefe ist der Zeitgenosse des heil. Thomas, der Mönch Alan von Canterbury, der das Leben des heil. Thomas nur als eine Vorrede zu den Briefen des Erzbischofs schrieb, die er nach einer Angabe Herbert's von Bosham gesammelt, nicht aber Johannes von Salisbury, wie Mehre geglaubt. Diese Annahme wird durch das Alter des diese Briefsammlung enthaltenden Bodleianischen MS. 937 bestätigt, welches wahrscheinlich mit Alan gleichalterig ist. Nach eigener Angabe in einigen Briefen waren authentische Abschriften derselben in dem Vatican und wohl auch anderswo von dem Erzbischof selbst hinterlegt. Viele sie enthaltende Handschriften finden sich in verschiedenen Bibliotheken Europa's; aber die Hauptsächliche Handschrift wird im Vatican aufbewahrt. In der zu Paris 1495 erschienenen Historia quadripartita, auch Quadrilogus genannt, wurden mehre Briefe zum ersten Mal aus einer Handschrift veröffentlicht; aber erst im Jahr 1682 wurden sämmtliche Briefe, welche sich im Vatican vorfanden, durch Lupus in Brüssel unter dem Titel Vita et Epistolae Sancti Thomae, mit einer Lebensbeschreibung vier alter Biographen, d. h. dem Quadrilogus, herausgegeben. Diese Briefsammlung ward in der Folioausgabe der Werke von Lupus wieder abgedruckt. Sie enthielt im Ganzen 536 Briefe, von welchen aber ungefähr 110 Arnulf von Lisieux und Johannes von Salisbury zu Verfassern haben. Diese hat Dr. Giles ausgeschieden, den Rest von 426 Briefen aber in ziemlich gleichen Theilen den von ihm besorgten Ausgaben der Briefsammlungen des heil. Thomas und Gilbert Foliot's zugetheilt.

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