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Lateinische Hymnen

des

Mittelalters,

aus Handschriften herausgegeben und erklärt

von

F. J. Mone,

Director des Archivs zu Karlsruhe.

Dritter Band.
Heiligen lieder.

Freiburg im Breisgau,
Herder'sche Verlagshandlung.

1855.

Vorrede.

Die Heiligenlieder werden am besten geordnet, wenn man der Litanei auf alle Heiligen folgt, wonach schon die alten Kirchenschriftsteller dieselben eingetheilt haben. (Sieh S. 9.) Es gehen also die Lieder auf die Gesammtheit der Heiligen voraus, darauf folgen die Klassen derselben, sodann die Reihe der einzelnen nach dem Alphabet ihrer Namen. Wenn eine Klasse durch eine bestimmte Anzahl von Heiligen abgeschlossen ist, wie z. B. die der Apostel, so ist es für den Gebrauch bequemer, die Lieder auf die Einzelnen ihrer Klasse beizufügen, was ich gethan habe. Eine solche Anordnung war für dieses Werk auch darum nöthig, weil sie es möglich machte, den grössten Theil der gesammelten Lieder in diesen Band aufzunehmen und damit das Werk zu schliessen. Da nämlich die Heiligenlieder die zahlreichsten sind, so musste ihre Erklärung abgekürzt werden, um mehr Texte in diesem Bande unterzubringen, denn die kritische Behandlung konnte nicht verändert werden. Der Commentar zu den Hymnen ist also nur bis

zum Anfang der Lieder auf die einzelnen Heiligen in der bisherigen Weise bearbeitet, von dort an nehmen die Anmerkungen ab und sind nur noch in besondern Fällen ausführlich, wo ich es nicht wol unterlassen durfte. Man könnte zwar einwenden, ich hätte nicht so viele Lieder auf einzelne Heilige aufnehmen und dadurch Raum gewinnen sollen, indem es an wenigen Proben für jeden Heiligen genüge; erhebliche Gründe bestimmten mich aber, diesen Weg nicht einzuschlagen. Denn von jenen Heiligen, die früh und allgemein verehrt wurden, bildete sich ein Liederkreis, worin die Entwicklung der Hymnologie im Kleinen sich abspiegelt, wie es z. B. in den Liedern auf die h. Katherina ersichtlich ist. Um daher diese Wechselwirkung kennen zu lernen und in der Geschichte der Hymnologie richtig zu beurtheilen, ist es nothwendig, den Liederkreis auf jeden Heiligen so vollständig zu geben, als man kann, weil nur dadurch sich jene Beziehungen deutlich herausstellen. Auch ist längst bekannt, dass die Heiligenlieder für die örtliche und landschaftliche Kirchengeschichte beachtenswerth sind und für geschichtliche Hülfsmittel gelten. Wer nicht alle Umstände kennt, welche für die topographische Kirchengeschichte von Interesse sind, der kann unmöglich eine richtige Auswahl solcher Lieder machen und thut jedenfalls besser, sie alle mitzutheilen. Hierdurch gewinnt auch die Literärgeschichte, denn in einer Reihe von Liedern auf einen Kirchenpatron wird man die Stufe der Bildung und die Beschaffenheit der geistlichen Dichtkunst des Ortes erkennen.

Da die wenigsten Heiligen Schriftsteller waren, und diese nur bei besondern Anlässen von ihren Lebensumständen sprachen, so beruht unsere Kenntniss vom Leben derselben grösstentheils auf den Berichten anderer Menschen, die entweder ihre Zeitgenossen, Augen- oder Ohrenzeugen waren, oder welche später die Ueberlieferung aufschrieben. Jene Berichte, wozu auch die Protokolle über die Hinrichtung der Märtyrer (acta martyrum) gehören, sind

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geschichtliche Quellen, die späteren Schriften (legenda sanctorum) sind Hülfsmittel, welchen eine geschichtliche Wahrheit zu Grunde liegt, die aber durch die Ungenauigkeit der Ueberlieferung theils mit andern Personen und Thatsachen verwechselt, theils mit Dichtung und Sage gemischt wurde. Diese Beschaffenheit der Legende ist längst und gründlich nachgewiesen, diese Kritik geht aber die Heiligenlieder nichts an, weil der Dichter, der ein Lied auf einen Kirchenpatron machte, entweder der allgemeinen oder örtlichen Ueberlieferung folgen musste, also keineswegs befugt war, seine subjective Kritik über die allgemeine Ansicht zu erheben. Ein solches Verfahren wäre in den meisten Fällen auch nichts weiter als die Anmassung des individuellen Irthums, mehr gelten zu wollen als die Ueberlieferung, die, wenn auch ungenau und verdorben, doch historisch begründet ist. Von diesem Fehler waren die geistlichen Liederdichter des Mittelalters frei und ebensowenig ist es unsre Aufgabe, die Legende durch die Kritik zu zerstören, sondern nachzuforschen, wie sie organisch gebildet wurde. Dadurch lässt man ihren Bestandtheilen nicht nur ihren Ursprung, sondern auch ihren lebendigen Zusammenhang, wodurch ihre Verbindung zu einem Ganzen richtig erkannt wird. Mit der blos analytischen Kritik ist dieses nothwendige Resultat nicht zu erreichen.

Zu diesem Werke wurden einige hundert Handschriften von mehr als fünfzig Bibliotheken benützt, wobei ich jedoch ausdrücklich bemerke, dass diese Quellen nicht erschöpft sind und sich daher noch viele Nachträge ergeben werden, wenn man mit grösserer Musse die Handschriften durchforscht, als mir möglich war. Eine vollständige Durchsicht scheint besonders nothwendig für die Handschriften derjenigen Klöster, die viele und eigenthümliche Hymnen enthalten, wie z. B. jene von S. Peter in Salzburg, weil ihre Lieder beweisen, dass und wie sich die Mönche mit geistlicher Dichtkunst beschäftigt haben.

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