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Neue Kieler Blätter.

Herausgegeben

von

Advocat Herrmann Carstens.

Januar L

Beim Jahreswechsel.

Neber natürliche und politische Grenzen. Von H. Biernaski.
Die Militairreform. I. Die Armeeformation.

ATIENTUM

Kiel.

Schwers'sche Buchhandlung.

A

KSE 95

HARVARD
UNIVERSITY
LIBRARY
MAR 15 1946

Cooledge fund

Die Neuen Kieler Blätter" haben sich die Aufgabe gefeßt, die Fragen der Gegenwart, soweit sie von allgemein staatsbürgerlichem Interesse sind, zunächst und vorzugsweise mit Beziehung auf die Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg, sodann aber auch unter steter Berücksichtigung der gleichartigen Zustände Deutscher Nachbarstaaten, so wie der allgemeinen Deutschen Entwicklung, zur öffentlichen Discussion zu bringen.

Sie werden durch leitende Artikel, kurze Recensionen, Notizen und Correspondenzen ihren Lesern eine vorurtheilsfreie und unbefangene, auf Kunde der Verhältnisse und Kenntniß der Bedürfnisse gegründete Be= sprechung communaler Verhältnisse, industrieller, nationalöconomischer und staatswirthschaftlicher Zeitinteressen, ju= ristischer, publicistischer und politischer Tagesfragen, päd a gogischer und kirchlicher Zustände vorführen, so wie überhaupt alle die Fragen in den Kreis ihrer Erörterung ziehen, denen ein Einfluß auf die sociale Entwicklung zugestanden werden muß.

Die Neuen Kieler Blätter" erscheinen regelmäßig zweimal im Monat, in Heften von je 2-3 Bogen; Abonnementspreis für ca. 12 bis 15 Bogen quartaliter 2 8 ß Cour. Alle Buchhandlungen, durch welche obige Zeitschrift bezogen werden kann, nehmen Bestellungen ent= gegen, und wenden sich an die Schwers'sche Buchhandlung in Kiel.

Druck von E. F. Mohr.

ATHENEUM

Beim Jahreswechsel.

Es ist eine gute Gewohnheit, den Schluß des Kalenderjahres

zugleich als einen Abschnitt zu betrachten, an welchem sich ein Blick in Vergangenheit und Zukunft rechtfertigt. Wenn die Wirklichkeit auch keinen Ruhepunct gewährt, der subjectiven Betrachtung ist es einer.

Die Verhältnisse Deutschlands bieten um die Zeit dieses Jahreswechsels keinen Abschnitt. Es ist eine und dieselbe Richtung, welche das verflossene Jahr den Deutschen Geiste hat ziehen sehen und welche in das kommende sich fortpflanzt. Dieses bemerkt, dürfen wir eine kurze Betrachtung dem Streben der Gegenwart und nächsten Vergangenheit und Zukunft zuwenden.

Es ist ein neuer Geist der sich seit zwei oder drei Jahren in Deutschen Landen kund giebt. Die Beendigung des Hannöverschen Verfassungskampfes, die Thronbesteigung des Preussischen Königs, die Französische Kriegsgefahr bezeichnen die Grenze, von wo aus die beiden Richtungen auf innere Freiheit und äußere Selbständigkeit einen neuen Inhalt erhalten haben.

Das Streben, welches das Jahr 1830 erweckte, war for: mell und äußerlich. Die Hoffnungen und Wünsche drängten sich sofort auf die lehten Ziele, Constitution und Reichseinheit. Mit welcher Energie sie sich geltend machten, das zeigt die Erringung von Constitutionen, wenigstens in den meisten Deutschen Ländern. Wir nannten es ein äußerliches Streben, deshalb, weil man damals vermeinte, es sey schon Alles erreicht, wenn eine Urkunde unter der Ueberschrift Grundgesek oder

Verfassung in einer Reihe von Artikeln die Forderungen der neuen Zeit herzählte, weil man an die beseligende Kraft eines opus operatum glaubte. Wir nannten es formell, weil man als das Erste und Nächste die Formen staatlicher Freiheit betrachtete. Es ist die Zeit des alten Liberalismus, der sich in der Religion als Rationalismus zeigte, die Zeit des guten Willens; eine Zeit wo es "Freunde der Freiheit" gab, weil sie keine Freie kannte.

Diese Aeußerlichkeit mußte von selbst ihr Ende finden. Es wäre gut gewesen, wenn dem Rechtssinne der Deutschen Nation die Ereignisse von Hannover erspart wären; der Liberalismus hatte diese Lection verdient, und er hat sie beachtet. Dem ersten Schrecken, der schon mehr als einen der schnell errichteten Verfassungstempel zusammenstürzen fah, (ihr Ruin hing nur vom Willen der Mächtigen ab) folgte ein Insichgehn. Man fing an, nicht mehr den Gegnern und ihrer Stärke, sondern sich selbst und der eignen Schwäche, die wiederholten Mißgeschicke beizumessen. Man forschte nach dem tiefern Gehalt und Wesen der Freiheit und namentlich dem Streben einer im verflossenen Jahre untergegangenen Zeitschrift verdanken wir vorzüglich die Läuterung unseres Selbstbewußtseyns. Wie man in der Erreichung von Constitutionen ein großes Feld übersprungen hatte, welches wüst und unerobert lag, so war es mit den Wünschen der nationalen Einheit, wo man gleichfalls in umgekehrter Welt das Ende zum Anfang machte. Es ist gerade diese Um: kehrung, welche wir tadeln, und daß man glaubte, mit diesem Allgemeinen werde auch das Besondere der Freiheit da seyn, daß man an der Spike des Gebäudes baute, ehe die Grundsteine da waren. Eine Verfassung mit gefeßgebenden Versammlungen wird kein Sohn dieses Jahrhunderts nicht wünschen, aber hierauf ein vorzügliches Streben und eine große Hoffnung zu stellen, das achten wir, ist eine Vergeudung edler Kräfte und bei den gegenwärtigen politischen und volklichen Zuständen Deutschlands, weil ohne Folge, deswegen aufzugeben, wie es denn auch schon geschehen ist. Berathende Stände, wenn in dem Volke Interesse

und Kraft ist, vermögen die constitutionellen der deutschen Gegenwart weit zu ersehen. Doch verlassen wir die Zeit dieser Ungeduld des Strebens.

Der Character der neueren Zeit ist die tiefere Erfassung der Freiheit, als einer ihrer selbst bewußten. Es handelt sich nicht mehr um ihre Formen, sondern in der innern, wie der nationalen um ihre materielle Füllung. Die erreicht, dann wird die Constitution, welche jest nicht mehr Postulat ist, selbstverständliches Resultat seyn, dann wird es nicht mehr, wie jest, schwerer seyn eine Constitution zu behalten als zu erhalten. Dann wird wie jest nirgends in den über zwanzig constitutionellen Staaten Deutschlands die Constitution eine Wahrheit werden, und eine bessere als die der gnadegeschenkten Charte. Dann werden Minoritätswahlen, wird ein Nachhauseschicken der Stände eine Unmöglichkeit seyn, man wird nicht mehr sehen, daß eine Kammer einem verfassungsbrüchigen Minister einstimmig ihr Vertrauen aufkündigt, er beibehalten, und erst wegen Familienverhältnisse entlassen wird. Man wird dann nicht mehr die Stände wie unartige Kinder schulmeistern und abstrafen. Wirklichkeit und Idee werden nicht mehr in ekelhafter Widerspenstigkeit existiren.

Es wird jest im ganzen Deutschland die Gerichtsreform mit einem Einklange erstrebt, welcher deutlich genug die gleichen Fortschritte des Deutschen Geisteslebens beurkundet. Der Kern dieses Strebens ist die Wiedererlangung der vom nivellirenden Staate gebeugten Persönlichkeit. Daher überall das Verlangen nach Mündlichkeit, Oeffentlichkeit und Geschwornen statt der Beamtengerichte. Wenn über diese Fragen indessen noch ein Kampf Statt findet, so ist das nur erfreulich. Denn es ist zugleich eine Frage, in der es sich um Recht und Gerechtigkeit handelt, und es ist ein schönes Zeichen des Deutschen Characters, wenn er die Gerechtigkeit der Nüglichkeit vorstellt. Der Allerweltsliberalismus genirt sich freilich nicht, ganze Legionen von Gründen aufzubringen, gute und schlechte, alles durcheinander, wenn nur das Ziel, gleichviel ob durch Ueberzeugung oder Ueber

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