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Prophetische Stimmen aus Nom,

oder

das Christliche im Tacitus

und

der typisch prophetische Charakter seiner Werke

in Beziehung auf

Rom's Verhältniß zu Deutschland.

Ein Beitrag zur Philosophie der Geschichte und zur tieferen
Würdigung des römischen Geschichtschreibers

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Hamburg und Gotha,

Bei Friedrich und Andreas Perthes.

1840.

In manchen älteren Schriften klopft ein geheimnißvoller Pulsschlag, und bezeichnet die Berührungsstelle mit der unsichtbaren Welt.

Novalis Fragm. S. 194 d. 3ten Aufl.

Vorrede. 1)

Borliegende Schrift sollte ihrem ersten Entwurfe nach die Grenzen weniger Bogen nicht überschreiten, und nur in einigen Zügen auf die tiefere Bedeutung der Werke des Tacitus in Beziehung auf das Verhältniß Roms zur germanischen Welt in zeitgemäßer Weise aufmerksam machen. Ihre eigentliche Bestimmung war, zur Erinnerung an die dritte Jubelfeier des Reformationsfestes in der Mark Brandenburg und zur richtigen Würdigung des dem ersten Befreier Deutschlands zu errichtens den Denkmals einen Beitrag zu liefern. Allein je gründlicher und umfassender das wiederholte Studium des Schriftstellers wurde, aus welchem die Materialien zu ders selben zu entnehmen waren, und je mehr sie aus dem im christlichen Glauben begründeten Bewußtsein hervorging, daß das geistige Leben der Menschheit seinem innersten Wesen nach eine durch alle Zeiten und ihre mannigfach wechselnden Ges stalten hindurchgehende Offenbarung Gottes sei, desto mehr mußte sie einen streng wissenschaftlichen Charakter und zugleich einen ausgedehnteren Umfang gewinnen. Doch damit hat sie so wenig aufgehört, auch jene Beziehungen auf Verhältnisse,

1) Daß aus dem Vorworte fast eine Abhandlung geworden ist, wird in der Eigenthümlichkeit des behandelten Gegenstandes Entschuldigung finden.

Zustände und Bestrebungen der Gegenwart zu verfolgen, daß sie vielmehr dieselben so erst in ihrem wahren Lichte darzus stellen vermag. Auf der anderen Seite aber bürgt gerade der Umstand, daß sie den unmittelbaren Anregungen, welche das Leben selbst nicht weniger als das Studium des römischen Historikers ihrem Verfasser gab, ihr Entstehen zu danken hat, um so mehr für die objective Wahrheit ihres Gehaltes, indem diese ja auf der inneren Einheit des Lebens und der Wissenschaft beruht. Wer nicht in der Lehre, im Dogma, in der Theorie, sondern im Leben, nicht in der Form, sondern im Geiste dem Zusammenhange des Heidenthums und Christenthums, des Staates und der Kirche, der Politik und Religion nachforscht, der wird, besonders wenn er noch der bewegten Zeiten des großen Freiheitskampfes gedenkt, gerade jeßt vielleicht lebendiger als je in jenem Zusammenhange die Bedingtheit der Gegenwart und Zukunft durch die Vergangenheit erkennen. So aber wird ihm auch das Zusammentreffen des Reformationsfestes in einem Lande, welches vor allen anderen als ein Hort der politischen und kirchlichen Freiheit Deutschlands angesehn wird, mit der durch Werke der Kunst und Wissenschaft großartiger als je erneuerten Erinnerung an den ersten Befreier unseres Vaterlandes von der römischen Herrschaft und an den großen König, welcher vor hundert Jahren seine glänzende Laufbahn betretend, Preußen welthistorische Bedeutung gab, kein bloßer Zufall, sondern ein von höherer Leitung der menschlichen Dinge herbeigeführtes Ereigniß sein. 1) Mahnt uns doch auch die Erfahrung gerade unsrer Lage und unsres eignen Staates, daß das stolze Rom, wenngleich so vielfach gedemüthigt, seiner Gesinnung nach noch

1) S. die Anm. S. 259. Daß uns die Geschichte nicht selten auf ein solches Zusammentreffen symbolisch bedeutsamer Ereignisse aufmerksam mache, wird in dieser Schrift wiederholentlich nachgewiesen werden.

immer nicht aufhört, Deutschland gegenüber das zu sein, was es zu Luther's, zu Arminius' Zeiten war! Ja, wie so gern möchten auch wohl von Frankreich aus, dem alten Beispiele ihrer Vorfahren und der römischen Cäsaren immer von nenem folgeud, wie in den Tagen Friedrichs des Großen und unsrer eignen Jugend, romanische Legionen und Cohorten über den Rheinstrom, über die Elbe ziehn, um ihrem unruhigen Thatendrange ein erwünschteres Ziel als Afrika's Eroberung zu geben, gewönne nicht auch hier, so scheint es, germanisches Leben und deutsche Besonnenheit bei dem edleren Theile des Volkes allmälig einen immer entschiedeneren Einfluß.

Welcher Schriftsteller Roms dürfte nun aber dem, der dies Alles tiefer erwägt, dem die Geschichte, dem das Christenthum für das Leben, und nicht nur für die Gegenwart, sons dern auch für die Zukunft Bedeutung hat, beherzigenswerther erscheinen als Tacitus! Wer nicht blos flüchtig und theilweise, sondern mit gespannter Aufmerksamkeit, im Zusam menhange und wiederholentlich seine Schriften gelesen hat, wer ihn gründlich versteht und ganz in seinen Geist, in seine Le bensanschauung eingedrungen ist, der wird, vorausgeseßt, daß er ein gläubiger Christ, daß ihm sein deutsches Vaterland kein leerer Name, daß ihm Preußens erhabene Bestimė mung nicht aus hohlen panegyrischen Redensarten, sondern aus der Geschichte klar geworden ist, gestehen müffen, daß sich kein Werk des classischen Alterthums der jeßigen Welt, namentlich der deutschen in so hohem Grade als ein prophetisch bedeutsames zu erkennen gebe. Denn er wird finden, daß ihm kein anderes im ganzen Umfange der alten Literatur sowohl über das Verhältniß Roms zu Deutschland überhaupt, als auch über das Princip, den Geist und das Wesen des römischen und germanischen Lebens, also auch des römischen Katholicismus und deutschen Protestantismus

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