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allen erscheine also soviel, daß die Ehe mit des vers storbenen Bruders Frau nirgends verboten sey, ja Christus habe die Zuläßigkeit derselben' selbst stillschweis gend anerkannt, als ihm die Sadducäer von einem Weibe, welches sieben Brüder nach einander zur Ehe gehabt, die Frage vorlegten: weßen Weib sie in der Auferstehung seyn werde? Denn indem Christus ihnen geantwortet: Ihr irret,' in der Auferstehung werden sie weder freyen, noch sich freyen las sen; sondern sie sind gleich, wie die Engel Gots tes im Himmel 97); so laße sich hieraus der sichere Schluß ziehen, daß Christus gegen die Zuläßigkeit einer solchen Ehe mit des Bruders Wittwe an sich nichts zu erinnern gefunden habe.

Es ist nicht zu läugnen, daß diese Gründe gar nicht unerheblich sind, und heut zu Tage bey der Wichtigkeit der für diese Meinung sprechenden Gutachten gewiß den Ausschlag geben würden. Ob sie aber auch dem Geiste der Mosaischen Eheverbote entsprechen, ist noch wichtigen Zweis feln unterworfen. Denn gerade der Hauptbeweis, der von der Bedeutung des hebräischen Worts Escheth hergenoms men wird, verliert alle Kraft, sobald man findet, daß dieses Wort in den mosaischen Ehegesehen eben sowohl eine Wittwe, als die Ehefrau eines noch lebenden Mannes bes deute. Man vergleiche nur 3 B. Mose XVIII, 8. 11. 14. 15. wo dasselbe Wort von des Vaters Weibe, des Vaters Bruders Weibe, und des Sohns Weibe gebraucht wird. Diese Stellen beweisen aber auch zugleich, daß der V. 16. bey dem Verbote der Ehe mit des Bruders Weibe

97) Matth. XXII, 23-30. Marc. XII, 18-25. Luc. XX, 27-36.

angeführte Grund: denn sie ist deines Bruders Schaam, noch immer sein Gewicht behält, wenn auch der Bruder nicht mehr am Leben ist. Denn dieser Grund wird auch V. 8. bey dem Verbote der Ehe mit des Vaters Weibe hinzugefügt; da doch gewiß Niemand zu behaupten sich wird einfallen lassen, daß dieses Eheverbot nur auf des Vaters Lebenszeit beschränkt sey. Die Gründe aber, aus welchen die Ehe mit des verstorbenen Bruders Wittwe wirklich von Mose verboten ist, sind gewiß nicht minder wichtig, als diejenigen, welche die Gegenparthen für das Verbot der Ehe mit des noch lebens den Bruders Weibe angeführt hat. Es beweist auch die Allegorie des Ausdrucks Nidda gewiß eben so wenig, als die vermeintliche Analogie des Eheverbots V. 18. für diese Meinung. Denn daß das Wort Nidda nach seiner araş bischen Abstammung auch noch eine andere Bedeutung und Beziehung habe, als jene von der monatlichen Unreinigkeit der Weiber, hat schon Michaelis gezeigt. Die Aehnlichkeit aber, welche man zwischen der Èhe mit des Bruders Frau und der Ehe mit der Frauen Schwester zu finden vermeint, ist offenbar nur eingebildet. Denn auch davon abgesehen, daß hier die Berechnung der Grade bey den mos faischen Eheverboten als gewiß vorausgesezt wird, welche doch aus guten Gründen (S. 223. f.) bestritten worden ist; so ergiebt sich die Verschiedenheit beyder Eheverbote schon daraus, daß Polygamie mit zwey Schwestern, welche das Gesetz 3 B. Mos. XVIII, 18. verbietet, eher möglich war, als die gemeinschaftliche Ehe zweyer Brüder mit einem Weibe. Würde aber nicht Moses, der bey der Ehe mit der Frauen Schwester so genau bes stimmt, daß sie blos bey Lebzeiten der Frau verboten seyn solle, würde er nicht auch bey dem Verbote der Ehe,

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mit des Bruders Frau das Wörtchen uns, so lange er lebt, hinzugefügt haben, wenn er unter dem Ausdruck Escheth des Bruders Wittwe nicht hätte vers stehen wollen? Soviel endlich die zur Begründung der entgegengesetzten Meinung angeführten Beyspiele von Heros des und den Sadducäern anbetrifft; so beruhen die darauf gebaueten Beweise auf schwachen Stüßen, wie die nähere Geschichte derselben beweisen wird. Herodes Antipas war mit der Tochter des Areta, eines Königs der Araber, vermählt. Allein die Untreue ihres Gemahls veranlaßte sie, ihn zu verlassen, und zu ihrem Vater zurückzukehren. Denn er lebte mit seines Bruders Philippus Ehefrau, der Herodias, im unerlaubten Einverständniß, und verführte sie, daß sie ihrem Manne entlaufen mußte, um sie zu seinem Weibe zu machen. Nun lebte damals nicht nur ihr Mann noch, welcher ihr keinen Scheidebrief gegeben hatte, sondern es war auch aus dieser Ehe eine Lochter, Salome, vorhanden, welche Philippus in der Ehe mit der Herodias gezeugt hatte, eben die Sa Iome, welche nach der Erzählung der Evangelisten durch ihren einnehmenden Tanz an dem Geburtstage des Herodes die Enthauptung des Johannes veranlaßt hatte. Herodes hatte also durch seine Verheyrathung mit seines Bruders Weibe ein mehrfaches Verbrechen begangen, einen doppelten Ehebruch, und einen doppelten Incest, welches ihm Johannes mit Recht vorgehalten hatte 98). Gesezt

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98) Man vergleiche JOSEPHUS Antiquit. Jud. Lib. XVIII. Cap. 7. EUSEBIUS Hist. Eccles. Lib. I. cap. 12. NICEPHORUS Hist. Eccles. Lib. I. cap. 19. HIERONYMUS Comm. ad Cap. XIV. Matthaei. auch noch besonders SELDENUS de iure naturali et gentium iuxta disciplin. Ebraeor. Lib. V. cap. 19- 22. Die Genealogie der

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aber auch, Herodes hätte erst nach dem Tode feines Bruders desselben Wittwe geheyrathet, so handelte er doch noch immer gegen das Leviratsgesez, weilein Kind aus dieser Ehe vorhanden war; zwar nur eine Tochter; allein das hebräische Wort bedeutet auch nicht gerade einen Sohn, wie die Vers theidiger der entgegengesezten Meinung unrichtig anneh men, sondern heißt überhaupt soviel als proles ohne Uns terschied des Geschlechts ??). Daher haben nicht nur die LXX. den allgemeinen Ausdruck oлέoua gebraucht, wenn sie die Bedingung des Leviratsgeseßes “ausdrücken, Des Leviratsgeseßes ausbrücken, σπέρμα δὲ μὴ ᾖ αυτῷ, semen vero ei defuerit, fons dern auch die Evangelisten, welche das Leviratsgesetz ans führen, bedienen sich alle des Worts Texva, welches sos viel als Kinder heißt, un exov téxva, non habens liberos. Hieraus erklärt sich denn auch, wenn Josephus won Serbes fagt, et babe ἐπὶ συγχύσει φρονήσασαν TOV TαTρίov, in contemtum morum patriorum, seines Bruders Frau geheyrathet; und Tertullian 10°) sagt gerade in- Beziehung auf das Leviratsgesetz: Ioannes retundens Herodem, quod adversus legem uxorem fratris sui defuncti duxisset, habentis filiam ex illa (non alias hoc permittente, immo et praecipiente lege, quam si frater illiberis decesserit, ut a fratre ipsius,

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Herodianischen Familie findet man in NIEMEIERI Diss. cit. de coniugio cum fratria iure divino prohibito. §. 65.

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99) NIEMEIER cit. Diss. §. 33. und PFAFF in Notis ad Matthaeum XXII. v. 24. haben dieses hinlänglich bewiesen. Man sehe auch die mehrmals angeführte nähere: Ente wickelung der vornehmsten Streitfragen die Ehen naher Blutsfr. betr. Kap. 2. §. 5.

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100) Advers, Marcionem. Lib. IV. cap. 34.

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et ex costa ipsius supparetur semen illi) conjectus in· carcerem fuerat ab eodem Herode postmodum et occisus. Das Beyspiel der Sadducäer hingegen ist von der Art, daß bey der Ehe des Weibes, welches nach einander sieben Brüder geheyrathet hatte, dem Leviratsgesetz nicht war entgegengehandelt worden, weil keiner dieser Brüder nach seinem Tode Kinder hinterlassen hatte, wie der Evangelist Marcus 1) ausdrücklich bemerkt.

2) Die Ehe mit der noch lebenden Frauen Schwester. Hierher gehört die Stelle

3 B. Mose XVIII, 18. Du sollst auch dei nes Weibes Schwester nicht nehmen, neben ihr, ihre Schaam zu blößen, ihr zuwider, weil sie noch lebet.

So nach Luther's Uebersetzung. Da jedoch diese Uebersetzung dem hebräischen Terte nicht ganz entspricht, so will ich die Uebersetzung des Michaelis 2) noch hinzufügen: Du sollst nicht eine Frau zu ihrer Schwe ster nehmen, daß sie ihre Nebenbuhlerin sey, und du ihre Blöße neben ihr aufdeckest, bey ihrem Leben. Man mag nun annehmen, welche Uebers seßung man will, so fällt es in die Augen, daß Moses hier blos die Polygamie mit zwey Schwestern verbietet. In einer solchen Ehe mit zwey Schwestern lebte Jacob. Da diese Ehe mit Kindern gesegnet war, welches der Ifraelite für ein göttliches Wohlgefallen erklärte 3); so hätte

1) Kap. XII. V. 20-22.

2) Mosaisches Recht. 2. Th. §. 116. S. 218. Man vergleiche auch die Abh. von den Eheges. Mosis. §. 77. S. 228. f. 3) 1 B. Mof. XXIX, 31. f.

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