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dey (Opusc., Berl. 1877, p. 387) erkannt. Ueber den mit H aus derselben Quelle fliessenden Vindobonensis Nr. 711, geschrieben 1466 in Rom, vgl. Huemer, Zeitschr. für österr. Gymn. 29 (1878) p. 801; Ed. Philipp, Wien. Stud. 11 (1889) p. 288; Schefczik 1. c.; Scheuer (vgl. oben § 428 bei der Ueberlieferung des Dialogus); Wuensch 1. c. p. 46. Auch der Monacensis 5307 (M), c. 1470 wahrscheinlich in Deutschland geschrieben, und der Stuttgartiensis Hist. IV Nr. 152, denen Holder und Bährens ausser dem Hummelianus noch Bedeutung zumessen, können keinen Wert für die Textkritik der Germania beanspruchen; vgl. Wuensch 1. c. p. 120; zur Beurteilung des Stuttgartiensis vgl. jedoch auch Müllenhoff 1. c. p. 74, um von den Weidenauer Programmen Holubs, 1893, 1894, 1895 zu schweigen. Nachdem der Weg, den Bährens und Holder beschritten, als Irrweg erkannt worden war, musste sich die Forschung auf die noch nicht genauer untersuchten Germaniahandschriften erstrecken, besonders zu dem Zweck, um zu ermitteln, ob ausser den zwei Abschriften des exemplar Enochianum, auf die unsere zwei Familien A B und C D zurückgeführt werden, noch eine dritte existiert, so dass wir dann eine dritte Familie erhielten. Eine Reihe von Handschriften untersuchte R. Wuensch (Hermes 32 (1897) p. 42), lehnt aber bei der Klassifizierung des Parisinus 1180 die Möglichkeit, dass sein Archetypus eine dritte Abschrift des exemplar Enochianum darstelle, als wenig begründet ab (p. 53); eine solche will dagegen Reitzenstein (Philol. 57 (1898) p. 307) gefunden haben; er zeigt nämlich, dass eine Handschrift von Rimini D IV, 112 der Bibliotheca Gambalunghiana (g), geschrieben 1476 (über welche auch Lehnerdt, Hermes 33 (1898) p. 505 handelt), ferner Vaticanus 2964 (R d) und Ottobonianus 1795 (Re) eine Familie bilden, deren Archetypus neben A B und C D eine dritte selbständige Ueberlieferung darstellen soll; über die beiden letzteren vgl. R. Wuensch, Hermes 32 (1897) p. 46. Auch Müllenhoff (1. c. p. 85) weist der Gruppe E eine selbständige, unabhängige Mittelstellung zwischen den beiden Familien an; unter E begreift er aber (p. 79), die Nürnberger Drucke (e) c. 1473 mit dem im Anfang und am Ende unvollständigen Longolianus, ferner den römischen Druck (e3) 1474 und den Vaticanus 2964 (n). Ueber eine Handschrift in Toledo vgl. § 430.

Litteratur zur Ueberlieferung. Orelli, Symbolae crit. et philol. in Tac. Germaniam a cod. praesertim Turic. denuo excusso, Zürich 1819; Ph. K. Hess, Variae lect. et observ. in Tac. Germaniam, Helmstadt 1827, 28, 34; Selling, Observ. crit. in Tac. Germaniam, acc. nova cod. Hummeliani collatio, Augsb. 1830; Tagmann, De Tac. Germaniae apparatu crit., Breslau 1847 (erste scharfe Sonderung der Familien in Gruppen); vgl. dazu Nipperdey, Opusc., Berl. 1877, p. 384.

Ausg. der Germania. Von den älteren Ausg., über die Müllenhoff 1. c. p. 87 zu vgl., erwähnen wir die des Beatus Rhenanus, Basel 1519, der zuerst die Kritik der Germania begründete; unter seinen Hilfsmitteln figuriert auch die erste Sonderausg. der Germania, Nürnberg 1473. Aus dem 18. Jahrh. verzeichnen wir die Ausg. von Joh. Kapp, Leipz. 1788; dieselbe enthält die Anmerkungen von Paul Daniel Longolius (1704—1779). Aus den Ausg. des 19. Jahrh. seien folgende erwähnt: Fr. Passow, Breslau2 1817 (es ist die erste methodische Ausg. der Germania); lat. und deutsch von G. Sprengel, mit Erl. von K. Sprengel, Halle 1819; vollst. erl. von J. Dilthey, Braunschw. 1823; Ph. K. Hess, Leipz. 1824 (eine Umarbeitung der Kapp'schen Ausg.); erl. von Joh. v. Gruber, Berl. 1832; comment. instr. G. Kiessling, Leipz. 1832; von J. Grimm, Gött. 1835; Gerlach, mit Uebers. und Erl., Basel 1835, 1837; das von W. Wackernagel angekündigte 2. H. der 2. Abt. ist nicht erschienen; vgl. auch Gerlach, Ueber die Idee von Tac. Germania (Hist. Stud. 1 (1841) p. 308); von Tross, Hamm 1841 (erste Vergleichung des Leidensis); Fr. Ritter, Bonn 1853; Massmann, Quedlinb. 1847 (hier hat Massmann den von ihm gesammelten Apparat mit vielen Irrtümern publiziert); lat. und deutsch von L. Döderlein, Erlangen 1850; M. Haupt, Berl. 1855; Germania antiqua von Müllenhoff, Berl. 1873; A. Baumstark, Leipz. 1876; Gantrelle, Paris 1877; Fr. Kritz, Berl. 1878 von W. Hirschfelder (vgl. denselben, Zeitschr. für das Gymnasialw. 31 (1877) p. 23); rec. A. Holder, Leipz. 1878; Textausg. von dems., Freib.-Tübingen 1882; Egelhaaf, Gotha 1885 (Schulausg.); erkl. von J. Prammer, Wien 1889; erl. von Schweizer-Sidler, Halle 1890 (der Commentar ist nach einem Kollegienheft Müllenhoffs bearbeitet); Tücking, Paderborn 1894; A. Th. Christ, Leipz. 1897; rec. J. Müller, Leipz.2 (Freytag); E. Wolff, Leipz. 1896; bearb. und erl. von Fr. Seiler (mit Agricola), Bielefeld 1896; erkl. von Zernial, Berl. 1897; engl. Ausg. von Furneaux, Oxford 1894. Abgedruckt und commentiert bei Marina, Romanentum und Germanenwelt in ihren ersten Berührungen miteinander, aus dem Ital. übers. von E. Müller-Röder, Jena 1900, p. 31.

Uebers. der Germania von H. W. F. Klein, München 1826; von Bülau, Weiske und K. Leutsch, Leipz. 1828 (mit Erl.); von Horkel in: Geschichtsschr. der deutschen Vorz. 1, Berl. 1849, p. 625; von Bacmeister, Stuttg. 1868; M. Weishaupt, Kempten 1875; A. Baumstark, Freib. i. Br. 1876; mit dem Agricola von C. H. Krauss, Stuttg. (Metzler) 1883; Blümel, Leipz. 1892; Fr. Seiler, Leipz. 1897; c. 1–16 von M. Haupt,

Radlkofer, Die älteste Verdeutschung

Berl. philol. Wochenschr. 1886 Sp. 1033 und 1066.
der Germania (Blätter für das bayr. Gymnasialschulw. 23 (1887) p. 1).

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Erläuterungsschriften zur Germania (in knapper Auswahl). Von den ältesten Erläuterungsschriften ist die bedeutendste das Werk: Germaniae antiquae libri tres von Philipp Cluver, Leyden 1616, welches Müllenhoff eine „Leistung von bleibendem unvergänglichem Wert" nennt. Wir reihen an: K. Zeuss, Die Deutschen und ihre Nachbarstämme, München 1837; Fr. Thudichum, Der altdeutsche Staat, mit beigef. Uebers. und Erkl. der Germania des Tac., Giessen 1862; A. Holtzmann, German. Altertümer mit Text, Uebers. und Erkl. von Tac. Germania, hsg. von A. Holder, Leipz. 1873; A. Baumstark, Urdeutsche Staatsaltert. zur schützenden Erl. der Germania des Tac., Berl. 1873 (p. VIII eine Uebersicht von Erläuterungsschriften); Ausführl. Erl. des allgem. Teils der Germania des Tac., Leipz. 1875; Ausführl. Erl. des besonderen völkerschaftl. Teiles der Germania des Tac., Leipz. 1888 (Baumstark hat seine Verdienste, allein es fehlt ihm doch die breitere germanistische Unterlage); H. Boettger, Wohnsitze der Deutschen in dem von Tac. in seiner Germania beschriebenen Lande etc., Stuttg. 1877; Waitz, Deutsche Verfassungsgesch., 1, Kiel3 1880 (Waitz ist ein sorgfältiger Forscher, aber er gibt keine lebendige Anschauung der Verfassungsverhältnisse); K. W. Nitzsch, Gesch. des deutschen Volkes 1, Leipz. 1883, p. 56 (über die wirtschaftlichen Kapitel); Ritterling, Das Priestertum bei den Germanen (Hist. Taschenb. 6. F. 7. Jahrg. 1888, p. 198); Ausführl. Erl. der c. 1-10 (mit Uebers.) von Rühs, Berl. 1821 (verständig); c. 1-10 ausführl. erkl. von L. Curtze, Leipz. 1868; Müllenhoff, Verderbte (deutsche) Namen bei Tac. (Zeitschr. für deutsches Altert. 9 (1853) p. 223); zu c. 2 extr. vgl. G. Kaufmann, Ein Missverständnis des Tac., Strassb. 1874; zu c. 12 und 13 denselben, Philol. 31 (1872) p. 490; zu c. 19 vgl. J. V. Zingerle, Pfeiffers Germania 5 (1860) p. 219. Das wichtigste Werk der Neuzeit für die Germania ist die Deutsche Altertumskunde von K. Müllenhoff, deren 4. Bd. (1. H., Berl. 1898, 2. H. 1900) speziell der Interpretation der Germania gewidmet ist. Die neuesten Erscheinungen sind folgende: J. Fr. Marcks, Kleine Studien zur tacit. Germania, 1. Die Ostgrenze Germaniens, 2. Die Entstehung der tacit. Suebia, 3. Eine Einschaltung, 4. Die german. Ethnogonie (Festschr. der 43. Philol.Vers. dargeb. von den höheren Lehranst. Kölns, Bonn 1895, p. 175); Králicek, Die Donauvölker Altgermaniens nach Corn. Tac. und Claudius Ptolemaeus, Brünn 1897. Zu c. 2 (Name Germani) vgl. Hachtmann, Fleckeis. Jahrb. 143 (1891) p. 209; Belling, Wochenschr. für klass. Philol. 9 (1892) Sp. 418; O. Hirschfeld, Name der Germanen bei Tac. und sein Aufkommen bei den Römern (Festschr. für Kiepert, Berl. 1898, p. 259); Fr. Kauffmann, Ueber den Namen Germani (Zeitschr. für deutsche Philologie 31 (1898) p. 1); Garofalo, Sul nome Germani (Bolletino di filol. class. 6 (1900) p. 157); Heller, Beiträge zur Krit. und Erkl. der tacit. Werke (Philol. 51 (1892) p. 340); Kögel, Zeitschr. für deutsches Altert. 37 (1893) p. 110; A. Gudemann, Philol. 58 (1899) p. 25; Fr. Stein, Die Völkerstämme der Germanen nach röm. Darst., ein Commentar zu Plin. n. h. 4, 28 und Tac. Germ. c. 2, Schweinfurt 1896 (vgl. dazu Litt. Centralbl. 1897 p. 956); Die Stammsage der Germanen und die älteste Geschichte der deutschen Stämme, Erlangen 1899. B. Sepp, Bemerkungen zur Germ. des Tac. (Blätter für das bayr. Gymnasialschulw. 28 (1892) p. 169); Hertlein, Philol. 57 (1898) p. 656 (über den barditus c. 3); zu c. 10 vgl. Loth, Le sort chez les Germains et les Celtes (Revue celtique 16 (1896) p. 313); Kettner, Zu Tac. Germ. 13, 14 (Zeitschr. für deutsche Philol. 18 (1886) p. 129); Wiessner, Zu Principat und Gefolgschaft in der altgerman. Verf., Interpret. von Cap. 13 der Germ. des Tac. (Deutsche Zeitschr. für Geschichtswissensch. Jahrg. 1894/95 Bd. 12 (1896) p. 312); W. Schultze, Principat, Comitat, Nobilität im 13. Cap. der Germ. des Tac. (ebenda N. F. 2 (1897/98) Vierteljahreshefte, p. 1); zu c. 26 vgl. Rachfahl, Zur Gesch. des Grundeigentums (Jahrb. für Nationalök. und Statist. 3. Folge 19. Bd. (1900) p. 177); Roediger, Zu Tac. Germ. c. 28 (Zeitschr. für deutsches Altert. 40 (1896) p. 399); H. Fischer, Die Haartracht der Sueben c. 38 (Philol. 50 (1891) p. 379); Schaufler, Zeugnisse zur Germ. des Tac. aus der altnord. und angelsächs. Dichtung, Úlm 1898.

433. Die Quellen der Germania. Zur Beurteilung der Schrift ist vor allem notwendig zu wissen, woraus der Geschichtschreiber geschöpft hat. Die lebensfrischen Schilderungen des Werkchens haben vielfach den Glauben hervorgerufen, dass dieselben zum grossen Teil auf Autopsie beruhen. Allein in der Schrift findet sich keine Stelle, welche mit Notwendigkeit die Anwesenheit des Historikers zur unbedingten Voraussetzung hätte; auch der ideale Zug, der durch manche Schilderungen hindurchgeht, verträgt sich schwer mit der Autopsie. Andererseits sollte man erwarten, dass, wenn Tacitus sich in Deutschland aufgehalten hätte, er es nicht unterlassen haben würde, dieses wichtige Moment hervorzuheben; besonders

am Schluss des ersten Teils1) musste sich der Hinweis auf die Autopsie gebieterisch geltend machen. Allein Tacitus drückt sich hier so aus, dass wir Mitteilungen anderer, seien es schriftliche oder mündliche, als Quelle annehmen müssen. 2) Solche lagen aber in reicher Fülle vor. 3) Eine stattliche Reihe von Schriftstellern hatte sich mit den germanischen Verhältnissen beschäftigt, den Reigen eröffnen Posidonius und Cäsar; auch in Sallusts Historien war, nach zwei Fragmenten zu urteilen, eine Schilderung der Sitten der Germanen geliefert,4) recht eingehend hatte auch Livius die germanisch-römischen Kriege behandelt, im 104. Buch war sogar eine geographische und ethnographische Schilderung gegeben.5) Reichen Stoff bot ferner Aufidius Bassus (§ 440, 2), der die germanischen Kriege ausführlich erzählt hatte. Weiter hatte Velleius Paterculus in seinem Abriss Germanisches berührt, und zwar konnte er als Augenzeuge berichten (§ 421); der Geograph Pomponius Mela widmete Germanien einen Abschnitt seiner Schrift (§ 443), desgleichen Strabo. Aber eine Hauptfundgrube für Germanisches scheinen die zwanzig Bücher des älteren Plinius über alle von den Römern mit den Deutschen geführten Kriege gewesen zu sein (§ 494, 3), auch Plinius hatte wie Velleius als Soldat in Germanien gestanden und war daher gleichfalls in der Lage, Schilderungen zu liefern, welche auf Autopsie beruhten. Doch waren damit die Hilfsmittel für die Erkenntnis unseres Vaterlands noch nicht erschöpft; neben der schriftlichen Ueberlieferung ging noch eine reiche mündliche einher. Der Handel hatte viele Römer mit den Germanen in Beziehungen gebracht, auch durch die Kriege kamen viele Römer nach Deutschland, darunter hochgebildete Offiziere, welche befähigt waren, geographische und ethnographische Beobachtungen zu machen,) endlich sah man auch Deutsche in Rom, wie z. B. vornehme Kriegsgefangene und römische Offiziere deutscher Abstammung, von denen man manches über Land und Leute erfahren konnte. Da Tacitus bei der Schilderung Germaniens von der Gegenwart ausgeht, wird die mündliche Ueberlieferung seine Hauptquelle gewesen sein; die historischen Werke über Germanien werden ihm vorwiegend nur zur Ergänzung und Kontrolle gedient haben.) Um ein anschauliches Bild entwerfen zu können, war eine gewisse Fülle des Stoffes notwendig.

Zur Quellenfrage. Tacitus nennt nur den Caesar (c. 28); es lässt sich aber nicht erweisen, dass Tacitus den Caesar benutzt habe, vgl. Müllenhoff 1. c. p. 17. Oefters hat er allgemeine Angaben, z. B. 2 quidam affirmant; 33 nunc narratur; 46 quidam vocant.

1) 27 haec in commune de omnium Germanorum origine ac moribus accepimus.

2) Die Autopsie nehmen an Bergk, Urlichs (De vita Tac. p. 7); G. Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit 1 p. 30. Vgl. dagegen Asbach, Röm. Kaisert. und Verf. bis auf Traian, Köln 1896, p. 145; Müllenhoff, Deutsche Altertumskunde, 4. Bd. 1. H. p. 23. Die Vertreter der beiden Anschauungen sind zusammengestellt von Lückenbach, De Germ. quae voc. Tacit. font. p. 55.

3) Vgl. die Uebersicht von L. Hoff, Die Kenntnis Germaniens im Altertum bis zum 2. Jahrh. n. Chr., Coesfeld 1890; Müllen

hoff 1. c. p. 29.

4) Diese Stellen sind fragm. 104 und 105 des 3. Buchs der Historien (Sallusti hist. rel., fasc. 2 p. 154 Maurenbrecher); vgl. auch fragm. 96 des 3. B. (p. 150 M.).

5) In der Periocha heisst es: prima pars libri situm Germaniae moresque continet. 6) Müllenhoff 1. c. p. 28.

7) Wir können einen hervorragenden mündlichen Zeugen mit ziemlicher Sicherheit annehmen, nämlich den Prokurator der Provinz Belgica, Cornelius Tacitus (Plin. n. h. 7, 76), der vielleicht der Vater des Tacitus war, s. oben p. 211.

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Der Nachweis der verlorenen Quellen kann natürlich nicht gelingen. So hat man ohne Erfolg Sallust in seinen Historien als Hauptquelle der Germania erweisen wollen. Derselbe soll, als er der Bastarner, einer germanischen Völkerschaft, in der Geschichte der von Mithridates geführten Kriege gedachte, eine Charakteristik der Germanen eingefügt haben, welche für Tacitus die leitende Quelle" wurde. (So Th. Wiedemann (Forsch. zur deutsch. Gesch. 4 (1864) p. 173 und 183; Nachträge dazu 10 (1870) p. 595), sich an R. Köpke (Deutsche Forschungen, Die Anfänge des Königtums bei den Gothen, Berl. 1859, p. 221) anschliessend. Dagegen Breuker, Quo iure Sallustius Tacito in describendis Germanorum moribus auctor fuisse putetur, Köln 1870; Baumstark, Urdeutsche Staatsaltert., Berl. 1874, p. 100; Müllenhoff 1. c. p. 34.) Für Benutzung des Pomponius Mela spricht Manitius, Zur Quellenkritik der Germania des Tac. und der Chorographia des Mela (Forschungen zur deutschen Gesch. 22 (1882) p. 417); vgl. dagegen Schweder, Philol. 56 (1897) p. 140. Schleussner, Quae ratio inter Tac. Germaniam ac ceteros primi saeculi libros, in quibus Germani tanguntur, intercedere videatur, Barmen 1886; Schuhmacher, De Tac. Germ. geographo, Berl. 1886 (nichts Neues); Lückenbach, De Germ. quae voc. Tac. fontibus, Marb. 1891 (Revision der Frage); Münzer, Bonner Jahrbücher H. 104 (1899) p. 84 (über Tacitus und den älteren Plinius).

434. Charakteristik der Germania. Viel hat man darüber gestritten, was der Autor mit seiner Schrift bezweckte. Sicherlich wollte er zunächst nichts anderes als eine Geographie und Ethnographie Germaniens liefern. Auf diesen Gegenstand musste der Historiker durch seinen Plan, die Geschichte seiner Zeit zu schreiben, geführt werden; denn ein grosser Teil der Ereignisse hat seinen Schauplatz in Germanien. Er hätte, wie er es bei anderen Völkern that, ehe er zur Darstellung der germanischen Kriege schritt, in einem Exkurs seines Geschichtswerks Land und Leute schildern können. Dass er dies nicht that, sondern die Form der Monographie wählte, mochte wohl in der Wichtigkeit des Gegenstands und der dadurch bedingten grösseren Ausführlichkeit seinen Grund haben. Den einsichtsvollen Leuten konnte es damals gewiss nicht entgehen, welche Gefahr dem römischen Reich von jenem nordischen Land drohte; es werden daher viele Augen dahin gerichtet gewesen sein. Besonders in dem Jahre, in dem die Monographie erschien, stand Germanien im Vordergrund des öffentlichen Interesses. Traian befand sich in Köln, als Nerva starb; obwohl er mit Ungeduld in Rom erwartet wurde, verschob er doch seine Rückkehr bis zum Jahre 99; er wollte erst die germanischen sowie die Verhältnisse an der Donau konsolidieren,1) so wichtig dünkte ihm Germanien. Während des Verweilens Traians in Deutschland erschien also die Broschüre des Tacitus. Dass aber der Historiker keine politische Tagesschrift schreiben wollte, ergibt die Monographie aufs unzweideutigste; denn dann hätte der politische Gedanke, den er zur Geltung bringen wollte, hervortreten und den Mittelpunkt der Schrift bilden müssen. Allein dies ist nicht der Fall, nur einmal tönt, wie es scheint, auch die Stimme des Historikers, der sich übrigens ja auch an dem Staatsleben beteiligte und als Sachwalter einen grossen Ruf genoss, in den Lärm des Tages hinein. Als er auf die Cimbern zu sprechen kommt (c. 37), wirft er einen Rückblick auf die Geschichte der Kriege Roms mit den Deutschen; dieser Rückblick zeigt klar, welche gefährliche Gegner die Römer an den Deutschen hatten. Von selbst ergibt sich aus dieser Thatsache die Schlussfolgerung, dass die Defensiv- und Friedenspolitik, welche Traian eingeschlagen, die beste ist. Sonst ver

1) Er hob die militärische Zucht, schloss Friedensbündnisse mit den freien Germanen, legte Heerstrassen an, verstärkte den Limes

und begann den Ausbau desselben in seiner ganzen Ausdehnung" (Asbach, Röm. Kaisert. und Verf. bis auf Traian p. 139).

meidet es die Monographie, die Politik zu berühren. Dagegen stellen sich dem Autor unwillkürlich bei Betrachtung der germanischen Zustände Gegenbilder aus der römischen Welt dar, und er unterlässt es in der Regel nicht, diese Gegensätze zu markieren. Dadurch verleiht er seinen Schilderungen einen ungemeinen Reiz, denn es klingt durch dieselben etwas von Sehnsucht nach dem einfachen Naturzustand, wie wir sie bei allen Völkern mit überfeinerter Kultur finden.1) Auch sonst hat Tacitus dafür gesorgt, dass der Leser gepackt wird; er verfügt frei über die verschiedenen Mittel, welche geeignet sind, eine pathetische Rede zu erzeugen; Antithesen, prägnante Kürze, welche an passenden Stellen auch eine gewisse Fülle des Ausdrucks nicht ausschliesst, poetischer Schimmer, Kühnheit der Phraseologie geben die Farben zu dem Gemälde. Schillernde Sentenzen schliessen regelmässig die einzelnen Abschnitte. Es ist nicht zu leugnen, dass mancher Pinselstrich aus dem Streben, Effekt zu erzielen, hervorgegangen ist. Auch war nicht ganz zu vermeiden, dass sich halbwahre, schiefe und unrichtige Angaben einschlichen; um eine nach allen Seiten hin stichhaltige Darstellung zu liefern, dafür waren die Verhältnisse des ausgedehnten unwirtlichen Landes noch zu wenig erforscht. Allein im grossen Ganzen ist doch eine richtige Zeichnung und dazu eine von grosser Anschaulichkeit gegeben worden. Wir Deutsche müssen es als ein grosses Glück betrachten, dass zur Zeit, wo unser Volk noch in seinen Anfängen stand, ein hochgebildeter Römer diesem fast kulturlosen Volk eine geistreiche Schrift widmet, und wir verzeihen es dem kalten Mann, der kein Herz für das allgemein Menschliche hatte, dass er in den Wunsch ausbrach (c. 33): Mögen die Deutschen stets fortfahren, sich zu hassen; denn wenn das Verhängnis unseres Reiches herannaht, kann uns das Geschick nichts Besseres gewähren, als die Zwietracht unserer Feinde."

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Der Zweck der Schrift. Die verschiedenen Ansichten über die Idee der Schrift lassen sich auf drei zurückbringen (vgl. die nützliche Zusammenstellung von Ign. Weinberger, Die Frage nach Entstehung und Tendenz der tacit. Germania, Olmütz 1890 und 1891, und die Uebersicht bei Marina, Romanentum und Germanenwelt in ihren ersten Berührungen miteinander, aus dem Ital. übersetzt von E. Müller-Röder, Jena 1900, p. 17):

a) Die Germania ist ein Sittenspiegel für die Römer. Allein dem widerspricht, dass Tacitus auch die Fehler der Germanen in drastischer Weise schildert. Auch würde einem solchen Zweck die Völkertafel wenig entsprechen, und viel anderes Material, das gegeben wird, wäre nutzlos.

b) Die Germania ist eine politische Broschüre. So hatte Fr. Passow (Verm. Schr., Leipz. 1843, p. 54) als den Zweck der Schrift bezeichnet: einen ernstlichen Feldzug gegen die germanischen Völker als ein Wagnis von den äussersten Schwierigkeiten und dem zweifelhaftesten Erfolge darzustellen". S. dagegen Brunot, Un fragment des Histoires de Tacite, Étude sur le De mor. Germ., Paris 1883. Verwandt ist damit die Anschauung Haases (Tac.Ausg. 1, Leipz. 1855, p. XX), der glaubt, dass Tacitus damit die hätte treffen wollen, welche im Verlangen nach Revanche für den unter Domitian an der Donau erlittenen Schimpf leichte Triumphe über die Germanen erhofften, also die Schwierigkeit der von Traian zu lösenden Aufgabe verkannten. Viel tiefer erfasst die Idee von der Germania als

1) Vgl. A. Riese (Die Idealisirung der Naturvölker des Nordens in der griech. und röm. Litt., Frankf. a. M. 1875, p. 6), der diesen Zug als einen allgemein menschlichen betrachtet wissen will und meint (p. 35), dass die Idealisirung der nördlichen Naturvölker aus uralter Zeit stammt, aber in den unbe

haglichen Verhältnissen des 1. Jahrh. n. Chr. besondere Stärke und Ausdehnung gewann.“ Ueber ähnliche Anschauungen bei Lucan und Seneca vgl. denselben p. 33 und 43; Schmekel (Die Philosophie der mittleren Stoa, Berl. 1892, p. 452) weist hin auf Sen. epist. 90.

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