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zosen herausgegeben worden, so von Bernier, Paris 1896; Joly, Paris 1896 (mit Uebers.); Aubé, Paris 1897; Thamin et Levrault, Paris 1897.

Uebers. von Olshausen, Kiel 1811 (unvollendet).

7) Die verlorenen Schriften.

468. Uebersicht über die verlorenen Schriften Senecas. Nicht wenige Schriften Senecas sind uns verloren gegangen, und wir sind hier auf Fragmente oder selbst auf blosse Citate angewiesen. Es sind verschiedene Gebiete, denen diese verlorenen Schriften angehören; wir hören von Reden und Briefen, von historischen und geographischen Monographien, von Büchern und Abhandlungen über Moral und von Traktaten über physikalische Gegenstände. Als Redner hatte sich Seneca schon in seiner Jugend versucht. Auch als Minister Neros fand er Gelegenheit, seine rhetorische Kunst zu bethätigen; seinem kaiserlichen Herrn fehlte nämlich die rhetorische Anlage, er sprach nach den Konzepten, die ihm Seneca entworfen hatte; obwohl der gewandte Stilist sich wahrscheinlich alle Mühe gab, sich mit seinen Elaboraten in die fremden Anschauungen zu versetzen, entging aufmerksamen Zuhörern doch nicht, dass eine fremde Hand den Griffel führte; so stark war die Individualität ihres Verfassers. Von den verlorenen Briefsammlungen heben wir nur die hervor, welche die Briefe an Novatus umfasste und aus mindestens zehn Büchern bestand; eine Trostschrift war der Brief an Marullus, der einen Sohn durch den Tod verloren hatte. Als Historiker versuchte sich Seneca in der biographischen Gattung; er schrieb eine Lebensgeschichte seines Vaters, von der uns durch einen Palimpsest Fragmente erhalten sind, und verfasste eine Lobschrift auf Messalina. Als Früchte seines Aufenthalts in Aegypten müssen wir die Monographien über Indien und Aegypten ansehen; wir bedauern den Verlust dieser Schriften schon darum, weil sie uns zeigen würden, ob und inwieweit Tacitus in seiner Germania sich an die Komposition seines Vorgängers angeschlossen.1) Auch der Schwerpunkt der verlorenen Schriften lag auf Seite der Moralphilosophie; es begegnen uns allgemeine Schriften, wie die moralphilosophischen Bücher, die Pflichtenlehre und die Ermahnungen. Von dem letzten Werk gewinnen wir durch Lactantius eine annähernde Vorstellung; Seneca hatte in dieser Schrift die Philosophie als die rechte Führerin des Lebens gepriesen; auch hier blieb er seiner Manier treu, einen Gegner zu Wort kommen zu lassen, und aus den Fragmenten vernehmen wir dessen Stimme in der Schmähung der Philosophen und in der Darlegung, dass die Philosophie erst im Laufe der Zeit entstanden sei; gewiss hat Seneca den Hortensius Ciceros nicht unbenutzt gelassen. 2) Nicht minder wandte sich Seneca in den untergegangenen Schriften speziellen Problemen der Moral zu; er handelte über frühzeitigen Tod, über Aberglauben, über Ehe, über den Bestand der Freundschaft; von der letzten Schrift sind durch einen Palimpsest Ueberreste auf uns gekommen. Von den Schriften über den Aberglauben und über die Ehe liegen uns bei Kirchenvätern reiche Excerpte vor; die Abhandlung über den Aberglauben warf interessante Streiflichter auf das religiöse Leben des Altertums; besonders scharf wurde die rohe Bilder1) Vgl. oben p. 246. | Cic. Hortensius (Archiv für Gesch. der Philos.

2) Vgl. Diels, Zu Aristot. Protrept. und 1 (1888) p. 478).

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verehrung gegeisselt und ergötzlich geschildert, wie diesen Götterstatuen von eigenen Dienern aufgewartet wurde. Auch in dieser Schrift kam ein Gegner zum Worte; ihm werden wir die Opposition gegen einen körperlosen Gott zuteilen; nicht bloss die Römer, auch andere Völker, wie z. B. die Juden, waren in den Kreis der Betrachtung gezogen worden; nur von den Christen schwieg der Philosoph; Augustin meinte, dass Seneca die Christen weder lobend erwähnen wollte, um nicht den nationalen Kultus zu schädigen, noch tadelnd, um nicht gegen seine eigene Ueberzeugung zu verstossen.1) Sehr interessant war das Thema der Abhandlung über die Ehe; Aristoteles und Theophrast hatten bereits über dasselbe geschrieben und lieferten dem Römer reichen Stoff. Hieronymus beutete diese Abhandlung in seiner Schrift gegen Jovinianus in ergiebiger Weise aus, allerdings nicht direkt, sondern durch Vermittlung eines anderen kirchlichen Schriftstellers.

a) Reden und Briefe.

1. Orationes. Quintil. 10, 1, 129 et orationes eius et poemata et epistulae et dialogi feruntur. a) Reden für Nero; vgl. Tacit. annal. 13, 11 (ausgeschrieben oben § 452 Nero und Seneca). Wir verzeichnen folgende: 1. Die Rede beim Tode des Kaisers Claudius; Tacit. annal. 13, 3 postquam ad providentiam sapientiamque flexit, nemo risui temperare, quamquam oratio a Seneca composita multum cultus praeferret. 2. Die Rede an die Prätorianer; Dio Cass. 61, 3 ἐς τε τὸ στρατόπεδον ἐσῆλθε, καὶ ἀναγνοὺς ὅσα ὁ Σενέκας ἐγεγράφει, ὑπέσχετο αὐτοῖς. 3. An den Senat; Dio Cass. l. c. τοσαῦτα δὲ καὶ πρὸς τὴν βουλήν, πρὸς τοῦ Σενέκου καὶ αὐτὰ γραφέντα, ἀνέγνω; 4. Für Plautius Lateranus; Tacit. annal. 13, 11. 5. Schreiben des Nero an den Senat über den Tod seiner Mutter Agrippina; Tacit. annal. 14, 11 Seneca adverso rumore erat, quod oratione tali confessionem scripsisset; Quintil. 8, 5, 18 qualis (geminatio) est Senecae in eo scripto, quod Nero ad senatum misit; occisa matre, cum se periclitatum videri vellet: salvum me esse adhuc nec credo nec gaudeo; Dio Cass. 61, 14. Ueber andere Reden Neros vgl. oben p. 12. 3) Von rednerischer Thätigkeit Senecas zeugen ferner Dio Cass. 59, 19; Tacit. annal. 13, 42. H. Meyer, Orat. rom. fragm., Zürich2 1842, p. 582.

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2. Epistulae. 1. Priscian. de figuris numerorum (Gramm. lat. 3 p. 410, 6) Seneca in X epistularum ad Novatum. 2. Sen. epist. 99, 1 epistulam, quam scripsi Marullo, cum filium parvulum amisisset et diceretur molliter ferre, misi tibi. 3. Aus Martial. 7, 45, 3 wird auf Briefe von Seneca an Caesonius (Caesennius) Maximus (epist. 87, 2) geschlossen; vgl. Friedländer z. St.

b) Historische und geographische Schriften.

3. De vita patris (vgl. oben § 334). In dem Palimpsest Vaticanus-Palatinus 24 s. V/VI (s. unten Nr. 13) wird die Schrift eingeleitet mit Incipit eiusdem Annaei Senecae de vita patris feliciter scribente me Niciano die et loco supra scriptis. Die Ueberreste sind von Studemund, L. Ann. Sen. librorum quomodo amicitia continenda sit et De vita patris quae supers. (Breslauer philol. Abh. 2. Bd. 3. H. (1888) p. XXIII) nach neuer Lesung herausgegeben worden; vgl. dazu Rossbach ebenda p. 161.

4. Lobschrift auf Messalina. Dio Cass. 61, 10 τοὺς κολακεύοντάς τινα διαβάλλων αὐτὸς οὕτω τὴν Μεσσαλῖναν καὶ τοὺς τοῦ Κλαυδίου ἐξελευθέρους ἐθώπευεν ὥστε καὶ βιβλίον σφίσιν ἐκ τῆς νήσου πέμψαι ἐπαίνους αὐτῶν ἔχον, ὃ μετὰ ταῦτα ὑπ ̓ αἰσχύνης απήλειψε.

5. De situ Indiae. Serv. zu Verg. Aen. 9, 30 (2 p. 312 Thilo) Ganges] fluvius Indiae est, qui secundum Senecam in situ Indiae novem alveis fluit; auf diese Schrift führt auch Lucan Plinius n. h. Index zu lib. 6 und 6, 60 Seneca etiam apud nos temptata Indiae commentatione LX amnes eius prodidit, gentes duodeviginti centumque. Aus Plin. n. h. 6, 87 3, 240; 6, 54 10, 141 folgert Hosius, Lucanus und Seneca 3, 248 (9, 539); 6, 66 (Fleckeis. Jahrb. 145 (1892) p. 354), dass Lucan ebenfalls aus Senecas Schrift de situ Indiae schöpfte.

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2 p. 33, 24 Th. 6. De situ et sacris Aegyptiorum. Serv. zu Verg. Aen. 6, 154 (vgl. auch Comm. Bern. zu Lucan. 10, 323 p. 328 Us.) Seneca scripsit de situ (so die libri;

1) de civ. dei 6, 11 Christianos, iam tunc Judaeis inimicissimos, in neutram partem commemorare ausus est, ne vel laudaret contra

suae patriae veterem consuetudinem vel reprehenderet contra propriam forsitan voluntatem.

ritu vulgo) et de sacris Aegyptiorum_ (unnötig Teuffel-Schwabe: Aegypti; vgl. Tacit. annal. 4, 33). Weyman (Deutsche Zeitschr. für Geschichtswissensch. hsg. von Quidde 11 (1894) p. 152) weist auf Lucan. 10, 176 f. hin, wo der ägyptische Priester Achoreus von Caesar zur Schilderung seines Heimatlandes aufgefordert wird, und erblickt in den Versen eine Anspielung auf die Schrift Senecas über Aegypten; nach den Andeutungen in den Versen vermutet er als Titel derselben de primordiis (origine?), situ, moribus et sacris Aegyptiorum". Unrichtig erachtet Glöckner (Rhein. Mus. 33 (1878) p. 156) die Schrift als einen Teil der Abhandlung de superstitione.

c) Moralphilosophische Schriften.

7. Moralis philosophiae libri. Sen. epist. 106, 2 scis me moralem philosophiam velle complecti et omnes ad eam pertinentes quaestiones explicare; 108, 1 libros, quos cum maxime ordino continentes totam moralem philosophiae partem; 109, 17 persolvi id, quod exegeras, quamquam in ordine rerum erat, quas moralis philosophiae voluminibus complectimur. Lactant. div. inst. 1, 16, 10 Seneca in libris moralis philosophiae; vgl. 6, 17, 28; 2, 2, 14 Seneca in libris moralibus. Vgl. noch oben § 454. Hilgenfeld (Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 17 (1890) p. 673) stellt die Behauptung auf, dass diese moralis philosophiae libri noch vorhanden seien und zwar in den Büchern 14-20 der epistulae morales. Allein diese Ansicht ist nicht richtig; dagegen spricht schon, dass Lactantius durchweg libri citiert, nicht epistulae. Wenn weiterhin Hilgenfeld die von Lactantius citierten Stellen, welche sich nicht in unseren epistulae morales finden, den verlorenen Büchern der Briefe zuweisen will, so wäre dies ein merkwürdiger Zufall, aber doch immerhin zu erklären, wenn sich alle Stellen auf eine Materie erstrecken würden; allein die Stelle 6, 17, 28 mit dem ausdrücklichen Citat libri moralis philosophiae hat einen anderen Charakter als die übrigen Fragmente und kann nicht in dem Abschnitt gestanden haben, in dem diese sich befanden.

Die Fragmente sind herausgegeben von Haase 3 p. 419. F. Osann, De L. Ann. Sen. scriptis quibusdam deperditis, Giessen 1846, 47, 48.

8. De officiis. Diom. (Gramm. lat. 1 p. 366, 14) Seneca de officiis. Ueber das Verhältnis dieser und der folgenden Schrift zu der formula honestae vitae vgl. unten § 470.

9. Exhortationes. Lactant. div. inst. 1, 7, 13 quod Seneca, homo acutus, in Exhortationibus vidit. Lactantius hat die Schrift in seinen Divinae institutiones benutzt. Hartlich, De exhortationum a Graecis Romanisque scriptarum historia et indole (Leipz. Stud. 11 (1888) p. 305).

10. De immatura morte. Lactant. div. inst. 3, 12, 11 in eo libro, quem de immatura morte conscripsit; vgl. noch 1, 5, 26; 5, 13, 20.

11. De superstitione. Diom. (Gramm. lat. 1 p. 379, 19) apud Senecam in dialogo de superstitione; Augustin. de civ. dei 6, 10 in eo libro, quem contra superstitiones condidit. Von der Schrift erhalten wir eine Vorstellung durch die Auszüge, welche Augustin in seiner Schrift de civ. dei 6, 10 und 11 gibt. Agahd, M. Ter. Varronis antiqu. rer. div. lib. 1, 14, 15, 16 (Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 24 (1898) p. 35).

12. De matrimonio. Hieronym. adv. Jovinian. 1, 49 (2 p. 318b Vall.) scripserunt Aristoteles et Plutarchus et noster Seneca de matrimonio libros, ex quibus et superiora nonnulla sunt, et ista quae subicimus. Ferner wird bei Hieronymus 1, 47 (2 p. 313b Vall.) ein aureolus Theophrasti liber de nuptiis angeführt. Felix Bock, Aristoteles, Theophrastus, Seneca de matrimonio, Accedit scriptoris Christiani liber nuptialis (Leipz. Stud. 19 (1898) H. 1 p. 7) sucht in seiner scharfsinnigen Dissertation nachzuweisen, dass ausser Plutarchs yauxà пaqayyέkuara Hieronymus die Schrift eines Christen, wahrscheinlich Tertullians ad amicum philosophum de angustiis nuptiarum (vgl. § 701, 8), benutzt habe, in der wieder Senecas Abhandlung de matrimonio ausgeschrieben war; Seneca hat aber den Aristoteles frei, den Theophrast wörtlich herangezogen (p. 50).

13. Quomodo amicitia continenda sit. Dies stellt als urkundlichen Titel fest Studemund, L. Ann. Sen. librorum quomodo amicitia continenda sit etc. (Breslauer philol. Abh. 2. Bd. 3. H. p. V). Reste dieser Schrift mit der bereits (oben Nr. 3) besprochenen De vita patris haben sich in dem genannten Palimpsest erhalten und sind herausgegeben von Niebuhr, Cic. orat. pro M. Fonteio et pro C. Rabirio fragm. ed., Rom 1820, p. 99, und nach neuer Lesung von Studemund p. XXVI. Eine Schrift Senecas de vera amicitia wird aus dem 13. Jahrh. in Canterbury verzeichnet; vgl. Manitius, Rhein. Mus. 47 (1892) Ergänzungsh. p. 47.

Ueber de fortuitis und de remediis fortuitorum vgl. unten p. 318.

d) Physikalische Schriften.

14. De motu terrarum. nat. quaest. 6, 4, 2 quamvis aliquando de motu terrarum volumen ediderim iuvenis; aus dem Worte iuvenis muss man folgern, dass die Schrift unter Tiberius oder Caligula verfasst wurde. Jonas, De ordine librorum L. Ann. Sen. philosophi, Berl. 1870, p. 23.

15. De lapidum natura wird erschlossen aus Plin. n. h. Index zu lib. 36.

16. De piscium natura wird erschlossen aus Plin. n. h. Index zu lib. 9 und aus 9, 167; Jonas (p. 60) deutet die Möglichkeit an, dass diese und die vorhergehende Schrift aus Senecas naturales quaestiones und zwar ,ex amissis tertiae partis libris" genommen seien; doch vgl. Gercke, Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 22 (1896) p. 105; 130.

17. De forma mundi. Cassiodor de artib. ac disciplinis liberal. litt. cap. 7 (de astronomia) vol. 2 p. 559b Garet: librum Seneca consentanea philosophis disputatione formavit, cui titulus est: „de forma mundi“, quem vobis item relinquimus relegendum. Schultess (De L. Ann. Sen. quaest. nat. et epist., Bonn 1872, p. 24) hält diese Schrift für einen verlorenen Teil der naturales quaestiones; zu dieser Ansicht neigt sich auch Gundermann, Fleckeis. Jahrb. 141 (1890) p. 353; doch vgl. Gercke 1. c.

469. Seneca im Altertum. Ueber Seneca wurden schon im Altertum neben den Stimmen des Lobes auch Stimmen des Tadels laut. Dass auf alles Thun des hochstehenden Staatsmannes sich scharfe Blicke richteten, ist leicht begreiflich. Der grosse Reichtum des Philosophen war dem Neide ausgesetzt und gab Anlass, boshafte Vergleiche zwischen Lehre und Leben Senecas zu ziehen. Aus Tacitus wie aus Dio Cassius tönen uns diese Anklagen entgegen. Auch als litterarische Persönlichkeit fand Seneca seine Bewunderer und seine Tadler. 1) Das geistreiche Wesen des Mannes und sein glitzernder Stil musste auf viele eine grosse Anziehungskraft ausüben. Einsichtigere dagegen fühlten den krankhaften Zug in der neuen Richtung. Schon der tolle, aber als Redner nicht ganz unfähige Caligula (§ 358) wollte von dem manirierten Stile Senecas nichts wissen; mit einem glücklichen Bilde nannte er ihn „Sand ohne Kalk". Anders urteilte das junge Rom; das las mit Entzücken den geistreichen Schriftsteller und freute sich an den fein geschliffenen Sentenzen. Als Quintilian es unternahm, durch Zurückgehen auf ältere Muster, besonders auf Cicero, den lateinischen Stil zu regenerieren, stand seinen Bestrebungen diese Vorliebe der Jugend für den Modeschriftsteller Seneca sehr entgegen. In seinem Lehrkursus der Rhetorik musste er Stellung zu ihm nehmen und ein Urteil über ihn abgeben, das heute noch unser höchstes Interesse erregt. Da die öffentliche Meinung stark auf Seite Senecas stand, war für den Rhetor Vorsicht und Behutsamkeit notwendig; er verkennt durchaus nicht die Vorzüge des philosophischen Autors und wagt nur mit einer gewissen Schüchternheit seine Schwächen, vornehmlich seinen zerschnittenen Stil, zu tadeln. Am meisten liegt ihm am Herzen, Seneca als Musterschriftsteller, soweit als möglich, zu eliminieren. Und in der That ist es richtig, dass man, um Seneca zu kopieren, vor allem seinen Geist haben muss, und dass ohne diesen die Nachahmung nur Missgeburten zu Tage fördert. Wie weit die Reaktion Quintilians Erfolg hatte, lässt sich nicht mehr genau feststellen. Neue Gegner erstanden aber dem Philosophen bald in den Archaisten, welche sich um den abgeschmackten Fronto scharten. Diese Leute, denen ein altes Wort oder eine alte Redeblume über alles ging, die nach seltenen Ausdrücken auslugten, liessen Seneca bei Seite liegen; denn die Worte, die sie suchten, fanden sie nicht, und an den blendenden Gedanken nahmen sie kein Interesse. Fronto selbst fiel scharf über Seneca her. Noch deutlicher vernehmen wir die Stimme der Opposition aus Gellius; sie spaltet sich in zwei Richtungen: in dem

1) Von den Tragödien, die bereits oben (§ 368 f.) behandelt, sehen wir hier ph

verdammenden Urteil der Form stimmen beide überein, nur möchte die mildere Richtung den sachlichen Gehalt und die moralische Ausbeute, die in den Schriften Senecas liege, nicht verkennen, wenngleich auch sie schmerzlich vermisst, dass die Gefälligkeit und Würde des Altertums ihnen abgehe. Bei einer solchen Gestaltung der öffentlichen Meinung nimmt es uns nicht wunder, wenn der Schüler Frontos, M. Aurelius, in seinem bekannten Buch den Seneca nirgends erwähnt. Seneca war nahe daran, dem Reich der Vergessenheit anheimzufallen, wenn nicht das Christentum ihn unter seine Fittiche genommen hätte. Den Christen war der Philosoph ungemein sympathisch; sie fanden bei ihm Sätze, die wie christliche klangen, und wir begreifen es, wenn die Kirchenväter, wie z. B. Tertullian und Lactantius, ihn besonders gern und rühmend anführen.1) Diese Berührung der Lehren Senecas mit dem Christentum hat wohl im vierten Jahrhundert einen Mann auf den Gedanken gebracht, einen Briefwechsel zwischen Seneca und Paulus zu fingieren und herauszugeben. Ihn mochte dabei der Gedanke leiten, dass, wenn ein so erleuchteter Geist, wie Seneca, sich mit den christlichen Ideen befreunden könne, auch andere Leute der vornehmen Welt sich durch die barbarische Form der christlichen Schriften2) nicht abhalten lassen würden, Fühlung mit dem Christentum zu gewinnen. Dem Hieronymus lagen diese Produkte bereits vor, Tertullian und Lactantius dagegen kannten sie noch nicht. Die Briefe, vierzehn an der Zahl, sind einfältig und abgeschmackt, und so merkwürdig es ist, dass die Neigung nicht ersterben will, den Briefwechsel zu retten, an ihrer Unechtheit wird kein Verständiger zweifeln. Doch der Fälscher (vgl. p. 319) hat, ohne es zu ahnen, in seinem Falsifikat der Wissenschaft einen grossen Dienst gethan, denn nichts dürfte auf die Erhaltung der Schriften Senecas so tief eingewirkt haben, als dieser Briefwechsel.

Ueber das Fortleben Senecas im Altertum vgl. M. Zimmermann, De Tacito Senecae philosophi imitatore (Breslauer philol. Abh. 5. Bd., 1889, H. 1); vieles ist hier sehr problematisch; vgl. Gercke, Senecastudien (Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 22 (1896) p. 104). Ueber die Beziehungen zwischen Seneca und Juvenal vgl. Ribbeck, Der echte und der unechte Juvenal, Berl. 1865, p. 19; Gercke, Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 22 (1896) p. 103; F. Bock, Aristoteles, Theophrastus, Seneca de matrimonio (Leipz. Stud. 19 (1899) p. 46). Quintilians Urteil über Seneca. Quintil. 10, 1, 125 ex industria Senecam in omni genere eloquentiae distuli propter vulgatam falso de me opinionem, qua damnare eum et invisum quoque habere sum creditus. Quod accidit mihi, dum corruptum et omnibus vitiis frac tum dicendi genus revocare ad severiora iudicia contendo: tum autem solus hic fere in manibus adulescentium fuit. Quem non equidem omnino conabar excutere, sed potioribus praeferri non sinebam, quos ille non destiterat incessere, cum diversi sibi conscius generis placere se in dicendo posse iis, quibus illi placerent, diffideret. Amabant autem eum magis quam imitabantur tantumque ab eo defluebant, quantum ille ab antiquis descenderat. Foret enim optandum, pares ac saltem proximos illi viro fieri. Sed placebat propter sola vitia et ad ea se quisque dirigebat effingenda quae poterat: deinde cum se iactaret eodem modo dicere, Senecam infamabat. Cuius et multae alioqui et magnae virtutes fuerunt, ingenium facile et copiosum, plurimum studii, multa rerum cognitio, in qua tamen aliquando ab his, quibus inquirenda quaedam mandabat, deceptus est. Es folgt das oben § 452 Ausgeschriebene;

1) Von besonderem Interesse ist das Gedicht Anthol. lat. nr. 666 Riese: Honorii contra epistolas Senecae, weil hier Seneca in Gegensatz zum Christentum gestellt wird. Der neubekehrte Honorius wendet sich von dem Studium Senecas ab, um sich ganz dem Einfluss seines geistlichen Lehrers hinzugeben.

Vgl. über das Gedicht Ziehen, Hermes 32 (1897) p. 490; Plasberg, Rhein. Mus. 54 (1899) p. 144.

2) Charakteristisch sind die Aeusserungen Ps.Senecas in epist. 7 vellem, cum res erimias proferas, ut maiestati earum cultus sermonis non desit; vgl. epist. 13.

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