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glauben wir mitunter die Stimme eines Christen zu vernehmen. Originell ist auch sein Stil. Derselbe ist so stark ausgeprägt, dass es leicht ist, sofort ein Schriftstück Senecas zu erkennen. Seine Darstellungsweise stellt sich in scharfen Gegensatz zu der ciceronischen, indem sie die Periodologie absichtlich beiseite setzt. Sie liebt die Sätze ohne Verbindung aneinander zu reihen; man hat mit Recht von einem zerschnittenen Stil gesprochen. Fast jeder Satz ist zugespitzt und erhält durch Antithese, einen gesuchten Ausdruck oder eine eigentümliche Verbindung etwas Manieriertes. Oft ist es ein Spiel mit den Gedanken, in dem sich der Philosoph ergeht. Es ist eine stark gewürzte Kost, welche uns vorgesetzt wird, die Sehnsucht nach einfacher, gesunder Nahrung überkommt uns daher nicht selten bei der Lektüre seiner Schriften.

Allgemeine Schriften über Seneca. M. Baumgarten, L. Ann. Sen. und das Christent. in der tief gesunkenen antiken Weltzeit, Nachgelass. Werk, Rostock 1895; F. Böhm, Sen. und sein Wert auch für unsere Zeit, Berl. 1856; Volkmann, Seneca, eine literar.-pädagog. Skizze (Magers Pädagog. Revue 18 (1857) p. 259); Fiegl, De Sen. paedagogo, Bozen 1886; Heikel, Sen. Charakter und polit. Thät., aus seinen Schr. beleuchtet, Helsingfors 1886 (Acta societatis scient. Fennicae tom. 16); Dirichlet, Der Philos. Seneca als Quelle für die Beurteil. der ersten röm. Kaiser, Königsberg 1890; Asbach, Seneca als Reichsverweser und Theoretiker des Prinzipats (Röm. Kaisert. und Verf. bis auf Traian, Köln 1896, p. 26); L. Friedländer, Der Philosoph Seneca (Hist. Zeitschr. begr. von Sybel, 85 (1900) p. 193); K. F. H. Marx, Uebersichtl. Anordn. der die Medicin betr. Aussprüche des Philos. Sen. (Abh. der Gött. Ges. der Wissensch. phys. Kl. 22 (1877) p. 3).

Die Philosophie Senecas. a) Darstellungen in grösserem Rahmen. Martha, Les moralistes sous l'empire romain, Paris 1865, p. 20; Boissier, La religion romaine d'Auguste aux Antonins 2, Paris3 1884, p. 17; Morlais, Études philos. et relig. sur les écrivains lat., Paris 1896, chap. VII La doctrine religieuse de Sénèque; E. Zeller, Die Philos. der Griechen, 3. T. 1. Abt., Leipz. 1880, p. 693; H. Schiller, Gesch. des röm. Kaiserr. unter Nero, Berl. 1872, p. 591; 626. ) Spezialdarstellungen. E. Werner, De Sen. philosophia, Breslau 1825; G. Herzog, De Sen. philosophia, Bernb. 1828; B. ten Brink, De Sen. eiusque in philosophiam meritis, Groningen 1829; Holzherr, Der Philos. Seneca, Rastatt 1858, 59; Brolén, De philosophia Sen., Upsala 1880; Corsi, Lo stoicismo romano considerato particolarmente in Sen., Prato 1884; O. Weissenfels, De Sen. Epicureo, Berl. 1886; W. Ribbeck, Sen., der Philosoph, und sein Verh. zu Epikur, Plato und dem Christentum, Hannover 1887; Doergens, Sen. disciplinae moralis cum Antoniniana contentio et comparatio, Leipz. 1857; Siedler, Die relig.-sittl. Weltanschauung des Philos. Sen., Fraustadt 1863; De Sen. philosophia morali, Fraustadt 1877; Fr. Becker, Die sittl. Grundanschauungen Senecas, Köln 1893; Baarts, Sen. de deo, Marienwerder 1848; Fickert, Sen. de nat. deor., Breslau 1857; Burgmann, Sen. Theol. in ihrem Verh. zum Stoicismus und zum Christent., Jen. Diss. 1872; H. Wunder, Sen. quid de dis senserit exponitur, Grimma 1879; Lévy-Bruhl, Quid de deo Sen. senserit, Paris 1884; W. Bernhardt, Die Anschauung des Sen. vom Universum, dargest. nach den nat. quaest. dess., Festschr. Wittenberg 1861, p. 15; Wetzstein, Sen. quid. de nat. hum. censuerit, Leipz. Diss. 1881; Binde, Sen. quid senserit de rer. nat. ac de vita hum., Glogau 1883.

Der Stil Senecas. Rosengren, De elocutione Sen., Upsala 1849, 50. Böhmer, Oels 1840, Opitz, Naumb. 1871 und Rauschning, Königsberg 1876 handeln De latinitate Senecae. Hoppe, Ueber die Sprache des Philos. Sen., Lauban 1873, 77; über die „quaesita artificiosaque neglegentia" Senecas vgl. A. Uhl, Quaest. crit. in Sen. dial., Strassb. 1899, p. 31; Heinr. Weber, De Sen. philos. dicendi genere Bioneo, Marb. 1895; vgl. dagegen Pohlenz, Berl. philol. Wochenschr. 1897 Sp. 1064. Ueber den Einfluss der Rhetorschule auf Senecas Diktion vgl. Morawski, De serm. script. lat. aet. quae dic. argent. observ. (Eos 2 (1895) p. 8); Gercke, Senecastudien (Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 22 (1896) p. 133); Norden, Die antike Kunstprosa 1, Leipz. 1898, p. 306; 941. Wichtig für die Beurteilung des Stils ist auch der 114. Brief Senecas; vgl. Norden 1 p. 281.

Gesamtausg. der prosaischen Schriften Senecas. Von den älteren Ausg. verzeichnen wir die von Erasmus, Basel 1515 und 1529; Muretus, Rom 1585; ad mss. Palat. rec. J. Gruter, Heidelberg 1593. Epochemachend wirkte J. Lipsius für Seneca; von ihm erschienen zwei Ausg. Antwerpen 1605 und 1615; da Lipsius 1606 starb, wurden die Anmerkungen nur bis zum Anf. der nat. quaest. geführt. Auf meist verlorenen französischen und deutschen Handschriften beruht die Ausg. von Dalechamp (Dalecampius), welch

Th. de Iuges 1627 ediert wurde. Wir schliessen daran die Sammelausg., Leyden 1649 (cum notis J. Fr. Gronovii) und die grössere Sammelausg. cum notis J. Fr. Gronovii et aliorum, Amsterdam 1672. Von den neueren Ausg. sind zu erwähnen Ruhkopf, Leipz. 1797-1811 (Materialsammlung); Fickert, Leipz. 1842-1845 (unmethodischer, unzuverlässiger Apparat); F. Haase, Leipz. 1852 f. (ausgezeichnet durch scharfsinnige Kritik). Die Teubneriana Haases wurde in neuerer Zeit derart umgearbeitet, dass derselben ein kritischer Apparat unter dem Texte beigegeben wurde; bisher sind erschienen: vol. 1 fasc. 2: De benef.; de clem. ed. C. Hosius 1900; vol. 3 ad Lucil. epist. moral. ed. O. Hense, 1898 (besonders wertvoll durch die Beiträge Buechelers). Die Stelle einer Ausg. vertreten die berühmten Castigationes des Spaniers Fernandus Pincianus (Fernando Nunnez aus Pincia in Valladolid), Venedig 1536, weil sie auf handschriftlichem Material ruhen; vgl. O. Rossbach, Berl. philol. Wochenschr. 1899 Sp. 614.

Uebers. von J. M. Moser, A. Pauly und A. Haakh, Stuttg. (Metzler) 1828-51. A. Schmidt, Mitt. aus deutschen Handschr. der grossherzogl. Hofbibl. zu Darmstadt. T. 1: Dietr. von Plieningen, Seneca-Uebersetzung (Zeitschr. für deutsche Philol. 28 (1895) p. 17). Auszüge aus Seneca. Pensées de Sénèque par Beumelle pour servir à l'éducation de la jeunesse, Gotha 1754; Betzinger, Seneca-Album, Weltfrohes und Weltfreies aus Sen. philos. Schr. Nebst einem Anh.: Sen. und das Christentum, Freib. i. Br. 1899.

) Die Fachgelehrten.

a) Die Encyclopädisten.

A. Cornelius Celsus.

473. Die Encyclopädie des Celsus. Die Vorliebe der Römer für encyclopädische Gelehrsamkeit ist bekannt. Ihrem praktischen Sinne sagte die mehrere Wissenszweige zusammenfassende und sich demgemäss aufs Notwendige beschränkende Schriftstellerei in hohem Grade zu. Schon im Beginn der römischen Litteratur stossen wir auf ein solches Werk des alten Cato (§ 66). Dann hatte Varro die Encyclopädie der artes liberales begründet (§ 188). Die Regierungszeit des Tiberius spendete endlich die Encyclopädie des Celsus. Das Werk führt in der handschriftlichen Ueberlieferung den Titel „Artes"; von demselben hat sich aber nur die Partie erhalten, in welcher die Medizin abgehandelt wird. Das erste Buch der Medizin ist zugleich das sechste der Artes; sonach gingen fünf Bücher voraus; diese erörterten die Landwirtschaft, denn Celsus citiert sie in der Medizin (5, 28, 16 p. 219, 30) und knüpft deutlich in den Eingangsworten die Medizin an die Agrikultur an.1) Auch ist uns anderweitig bezeugt, dass wirklich die landwirtschaftliche Schrift des Celsus aus fünf Büchern bestand. Ausser der Landwirtschaft wurde auch das Kriegswesen, die Beredsamkeit und die Philosophie durchgenommen. Schlussfolgerungen aus Quintilian endlich führen auch noch auf eine Behandlung des bürgerlichen Rechts. Sonach bestand die Encyclopädie aus sechs Teilen, die wahrscheinlich also angeordnet waren: 1. Landwirtschaft, 2. Medizin, 3. Kriegswesen, 4. Rhetorik, 5. Philosophie, 6. Jurisprudenz. Diese einzelnen Teile werden successive erschienen sein, allein wie das Vorhandene erkennen lässt, wurden sie schon von dem Autor zu einer Einheit verknüpft.

Aus der Inhaltsangabe erhellt, dass die Disziplinen zu einem Ganzen vereinigt waren, welche für den gebildeten Römer unbedingt notwendig waren. Eine Ausnahme macht nur die Medizin; ihre Aufnahme in den Kreis der encyclopädisch behandelten Disziplinen befremdet sehr, denn die Ausübung der Heilkunde lag fast ganz in den Händen von Griechen

1) ut alimenta sanis corporibus agricultura, sic sanitatem aegris medicina promittit.

und zwar grösstenteils von Freigelassenen. Zur Erklärung dieser auffallenden Erscheinung könnte das Beispiel Catos angeführt werden, welcher ebenfalls die Medizin in seine allgemeine Unterweisung aufgenommen. hatte, allein dort wurden praktische Gesundheitsregeln gegeben, hier aber haben wir eine wissenschaftliche Darstellung der Medizin. Ich vermag nur eine Erklärung zu geben, dass nämlich Celsus die Medizin deshalb auch behandelt hat, weil es eine Disziplin war, die er erlernt hatte. Ein Laie kann ja kaum auf den Gedanken verfallen, ein medizinisches Lehrbuch zu schreiben. Selbst wenn sich der Autor an Autoritäten anlehnen will, sind Fachkenntnisse nicht zu entbehren. Die Darstellung der übrigen Disziplinen lag ja jedem gebildeten Römer nahe, Rhetorik und deren Hilfsdisziplinen, Philosophie und Jurisprudenz, waren Gegenstände des Unterrichts; auf Ackerbau und Kriegskunde führte die Praxis. Für die Rhetorik, Philosophie, die Jurisprudenz und den Ackerbau fehlte es übrigens auch nicht an reichen heimischen Hilfsmitteln. Auf diese musste der Encyclopädist in erster Linie rekurrieren. Und für Celsus können wir den Nachweis liefern, dass er in der landwirtschaftlichen Abteilung Cato (§ 67), Mago (§ 81), die Sasernae (§ 82), Hyginus (§ 343), Julius Atticus (§ 497) benutzte. In der Medizin war er auf Griechen angewiesen, wie auf Hippokrates, Asklepiades und andere. Bei den übrigen Fächern reicht das Material nicht aus, um die Quellen zu erkennen; nur bezüglich des philosophischen Standpunkts des Celsus ist uns die Kunde. geworden, dass er sich der Lehre der Sextier angeschlossen hatte. Die Spuren der Benutzung der Encyclopädie ziehen sich ziemlich weit hinab; der Militärschriftsteller Vegetius und der Rhetor Fortunatianus citieren Teile aus derselben. Früher wurde die landwirtschaftliche Partie von Columella und Plinius fleissig herangezogen, und selbst Quintilian schöpfte aus den rhetorischen Büchern, die später noch mehr von dem Rhetor Julius Severianus ausgebeutet wurden.

Celsus' Stellung zur Medizin. Dass Celsus Fachmann war, ergibt sich aus den Stellen, wo er gegenüber dissentierenden Anschauungen eine eigene Meinung vorbringt, z. B. 3, 24 (p. 115, 32 Daremberg) ego ubique, si satis virium est, validiora, si parum, imbecilliora auxilia praefero; 3, 4 (p. 79, 4) ego autem medicamentorum dari potiones, et alvum duci non nisi raro debere, concedo; 3, 11 (p. 93, 8) ego tum hoc puto tentandum, cum parum cibus, semel et post febrem datus, prodest; 8, 4 (p. 335, 6) sed multo melius est ante emplastra experiri, quae calvariae causa componuntur; 7, 7, 6 (p. 276, 1) ego sic restitutum esse neminem memini. Anders urteilt Pagel, Gesch. der Medicin 1. T., Berl. 1898, p. 100. Ob Celsus die Medizin berufsmässig oder dilettantisch betrieb, ist für die litterarhistorische Betrachtung eine sekundäre Frage. Die für die familia rustica bestimmten Valetudinarien gaben für die dilettantische Praxis reiche Gelegenheit; Häser, Gesch. der Medizin 13 p. 278.

Die einzelnen Teile der Encyclopädie. Quintil. 12, 11, 24 quid plura? cum etiam Cornelius Celsus, mediocri vir ingenio, non solum de his omnibus conscripserit artibus, sed amplius rei militaris et rusticae et medicinae praecepta reliquerit, dignus vel ipso proposito, ut eum scisse omnia illa credamus.

a) Die libri rei militaris werden auch von Vegetius bezeugt (r. milit. 1, 8): haec necessitas compulit evolutis auctoribus ea me .... fidelissime dicere, quae Cato ille Censorius de disciplina militari scripsit, quae Cornelius Celsus, quae Frontinus perstringenda duxerunt.

3) Die libri rei rusticae. Columella 1, 1, 14 Cornelius (Celsus) totum corpus disciplinae (nämlich rei rusticae) quinque libris complexus est; Reitzenstein (De scriptorum rei rust., qui intercedunt inter Catonem et Columellam, libris deperditis, Berl. 1884, p. 34) bestimmt vermutungsweise den Inhalt, der fünf Bücher also: I de agrorum cultu; II de vitibus et arboribus (?); III de re pecuaria; IV de villatica pastione; V de apibus, und gibt

eine darnach geordnete Fragmentensammlung in Citaten (p. 55). Zur Beurteilung des Werkes vgl. Colum. 9, 2, 1 venio nunc ad alvorum curam, de quibus neque diligentius quidquam praecipi potest, quam ab Hygino iam dictum est, nec ornatius quam Vergilio, nec elegantius quam Celso. Celsus utriusque memorati adhibuit modum; 2, 2, 15 Cornelium Celsum, non solum agricolationis sed universae naturae prudentem virum.

7) Die erhaltenen libri medicinae werden im folgenden Paragraphen besprochen. d) Libri rhetorici. Quintil. 3, 1, 21 scripsit de eadem materia .... nonnihil pater Gallio, adcuratius vero priores [Gallione] Celsus et Laenas et aetatis nostrae Verginius, Plinius, Tutilius (über das Einschiebsel Gallione vgl. Fr. Ritter, Fleckeis. Jahrb. 38 (1843) p. 57). Die Anführung des Celsus geschieht bei Quintilian öfters in polemischer Weise; z. B. 9, 1, 18 Cornelius Celsus adicit verbis et sententiis figuras colorum, nimia perfecto novitatis cupiditate ductus. Nam quis ignorasse eruditum alioqui virum credat, colores et sententias sensus esse? 7, 1, 10 non plane dissentio a Celso, qui sine dubio Ciceronem secutus instat tamen huic parti vehementius; vgl. noch 2, 15, 32; 3, 6, 13; 8, 3, 47. Juvenal (6, 244) sagt von den Frauen conponunt ipsae per se formantque libellos, | principium atque locos Celso dictare paratae. Die Ausdrücke principium und loci deuten auf einen Rhetor hin; vgl. Madvig, Opusc. acad., Kopenh.2 1887, p. 546 Anm. 2. Es wird daher unter Celsus nicht der Jurist P. Juventius Celsus (§ 488, 4), sondern unser Encyclopädist A. Cornelius Celsus zu verstehen sein; dieser Deutung pflichtet auch das schol. z. St. bei: oratori illius temporis, qui septem libros institutionum scriptos reliquit. Es steht nichts im Wege, auch die Zahl von sieben Büchern als eine authentische hinzunehmen. Citiert wird die Rhetorik auch von C. Chirius Fortunatianus 3, 2 (Rhet. lat. min. ed. Halm p. 121, 10). Die Schrift des Celsus benutzte der Rhetor Julius Severianus (Rhet. lat. min. ed. Halm p. 355-370), wie eine Vergleichung mit Quintilian darthun kann; vgl. Quintil. 2, 15, 32 Sever. p. 356, 8; Q. 4, 2, 9 S. p. 358, 14; Q. 7, 1, 10 = S. p. 359, 19. Diese Uebereinstimmung scheint schon Sixtus a Popma bemerkt zu haben, denn er edierte 1569 Severians Schrift, die er wahrscheinlich in einer Handschrift anonym aufgefunden hatte, unter dem Titel: Aurelii Cornelii Celsi de arte dicendi libellus. Vgl. darüber Reitzenstein (Philol. 57 (1898) p. 54), der noch (p. 57) bemerkt: So lässt denn seine (Quintilians) Vergleichung mit Severian die Lehre des Celsus für weite Abschnitte bestimmen und zeigt noch klarer, als es die bezeugten Fragmente desselben schon gekonnt hätten, wie für ihn genau wie für Quintilian Cicero gegenüber den Theorien griechischer Rhetoren als Norm und Kanon der römischen Beredsamkeit gegolten hat und wie sein ganzes, echtrömisches Lehrbuch durchaus auf das Praktische gerichtet war. Naturgemäss schloss sich darum Quintilian, so sehr er auf den vir mediocris ingenii herabsehen mochte, in grossen Abschnitten seines Buches eng an ihn, der etwa gleichzeitig mit dem Hervortreten des jüngeren Seneca diesen Teil der Encyclopädie veröffentlicht haben mag." Ueber Celsus und Lupus vgl. § 480.

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e) Der philosophische Teil der Encyclopädie ist nicht leicht zu bestimmen. Wir haben zu scheiden:

a) Die opiniones philosophorum. Augustin. de haeres. prol. schreibt: opiniones omnium philosophorum qui sectas varias condiderunt usque ad tempora sua (neque enim plus poterat) sex non parvis voluminibus quidam Celsus absolvit; nec redarguit aliquem, sed tantum quid sentirent aperuit ea brevitate sermonis, ut tantum adhiberet eloquii, quantum rei nec laudandae nec vituperandae nec affirmandae aut defendendae, sed aperiendae indicandaeque sufficeret, cum ferme centum philosophos nominasset: quorum non omnes instituerunt haereses proprias, quoniam nec illos tacendos putavit qui suos magistros sine ulla dissensione secuti sunt.

b) Philosophisches im Sinne der Sextier. Quintil. 10, 1, 124 scripsit non parum multa (de philosophia) Cornelius Celsus, Sextios secutus, non sine cultu ac nitore. Als die massgebende Ueberlieferung muss Sextios betrachtet werden; in manchen Handschriften findet sich Scepticos; gestützt auf diese Lesart bestreitet Sepp (Pyrrhoneische Studien, Freising 1893, p. 5), dass Celsus der Schule der Sextier angehört habe, und macht ihn zu einem skeptischen Empiriker, der die Tropen des Aenesidem, welche sich auf die Heilkunde beziehen (p. 17), benutzt habe. Es ist richtig, dass in der medizinischen Schrift die Schule der Sextier nirgends hervortritt, und dass dort der Vegetarianismus keinen Platz findet. Ich habe in meiner Abh. (s. Litteratur) p. 372 daraus gefolgert, dass Celsus damals noch gar nicht der Philosophie der Sextier anhing. Fraglich erscheint mir, ob auch die Abhängigkeit des Celsus von seinen Quellen hier ins Feld geführt werden kann. Was die zwei in Frage stehenden Lesarten anlangt, so ist nicht zweifelhaft, dass der Uebergang von den weniger bekannten Sextii zu den bekannteren Sceptici natürlich ist, nicht aber das Umgekehrte.

Die gewöhnliche Ansicht ist nun die, dass die opiniones philosophorum einen Teil der Encyclopädie bildeten, während die sextischen Abhandlungen ausserhalb derselben stünden. Allerdings muss man als ausgeschlossen betrachten, dass Quintilian sich auf jene

6 Bücher bezieht. Dies ist aber doch sehr auffallend; Quintilian hatte einen Teil der Encyclopädie, die Rhetorik, berücksichtigt, er kannte also das Werk, warum sollte er einen anderen Teil der Encyclopädie, und dazu noch einen sehr umfangreichen, bei seinem Urteil über die philosophische Schriftstellerei gänzlich unberücksichtigt lassen und zu diesem Zweck Schriften heranziehen, die ausserhalb des Corpus standen? Der Gedanke, dass jene opiniones nicht den wahren philosophischen Stil des Celsus zeigten, ist doch nicht zulässig. Weiterhin müsste dann die philosophische Partie der Schrift einen ganz anderen Charakter gehabt haben als die der Medizin und der Rhetorik. Dort würde er nur eine Geschichte der Disziplin gegeben haben, hier aber diese Zweige selbst. Meine Bedenken, ob bei Augustin unser Celsus gemeint sei, sind daher auch durch die Opposition Schwabe's noch nicht beseitigt. Richtig ist, dass ein zweiter Celsus nicht bekannt ist. Allein wir kennen einen Celsinus, der ein Werk geschrieben, wie das war, welches Augustin in den Händen gehabt, vgl. Suidas s. v. Κελσῖνος Ευδώρου Κασταβαλεὺς φιλόσοφος ἔγραψε συναγωγὴν δογ μάτων πάσης αἱρέσεως φιλοσόφου. Vielleicht ist daher Celsinus statt Celsus bei Augustin zu lesen.

5) Die juristischen Bücher werden lediglich aus Quintil. 12, 11, 24 gefolgert. Der Titel der Encyclopädie. In der handschriftlichen Ueberlieferung wird das erste Buch der Medizin als 1. VI Artium citiert; es führte sonach die Encyclopädie den Titel Artes. Dem gegenüber hat J. Bernays (Ges. Abh. 1, Berl. 1885, p. 35), gestützt auf ein von Ritschl (Praef. Bacch. ed. II p. VI) mitgeteiltes Scholion zu Vs. 69 Celsus libros suos a varietate rerum cestos vocavit den Titel Cestus für die Encyclopädie in Anspruch genommen. Allein der Titel ist, abgesehen von der trüben Quelle, der er entnommen ist, schon darum verdächtig, weil Celsus griechische Bezeichnungen soviel als möglich vermeidet.

Die Zeit des Werkes. Die Medizin muss früher sein als des Scribonius' Rezeptbuch ($499); denn Celsus teilt 4, 7 (p. 130, 18) ein Rezept mit, das sich nach seiner Versicherung in keinem medizinischen Werk findet, das aber mit dem entscheidenden Bestandteil bei Scribonius vorkommt (c. 70). Celsus muss also sein medizinisches Buch vor Scribonius, d. h. vor 47/8 geschrieben haben; denn die Annahme, dass Celsus das Rezeptbuch des Scribonius völlig beiseite gelassen hätte, ist wenig glaubhaft. Anders urteilt über das Verhältnis des Scribonius und Celsus Buecheler, Rhein. Mus. 37 (1882) p. 324. Auch die landwirtschaftliche Schrift liefert uns einen terminus ante quem. Plin. n. h. 14, 33 sagt: Graecinus, qui alioqui Cornelium Celsum transscripsit. Julius Graecinus, der Vater des Agricola, schrieb ein Werk de vineis (§ 497), in dem er sich also an Celsus anschloss. Sein Tod fällt in das J. 38 n. Chr. Folglich muss der landwirtschaftliche Teil der Encyclopädie, und da dieser den Anfang bildet, die Encyclopädie selbst vor 38 geschrieben sein. Damit wären wir in die tiberische Zeit gelangt. Da aber die medizinischen Bücher nach 23 v. Chr. fallen (vgl. meine Abh. p. 363), und Columella 1, 1, 14 Celsus und Julius Atticus als nostrorum temporum viri dem Vergil und Hygin gegenüberstellt, werden wir die schriftstellerische Thätigkeit des Celsus von der Zeit Tibers nicht weiter zurücklegen dürfen.

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Celsus und Plinius. Im Quellenverzeichnis zu Plin. n. h. wird Celsus citiert in den Büchern 7, 8, 10, 11, 14, 15, 17-29, 31. Die Anführungen wechseln zwischen Celsus und Cornelius Celsus. Bezüglich der Bücher 28-32, welche die Heilmittel des Tierreichs behandeln, kommt Münzer (Beitr. zur Quellenkritik der Naturgesch. des Plin., Berl. 1897, p. 45) zu dem Ergebnis, dass Celsus von Plinius nur an wenigen Stellen zu Grunde gelegt ist, wo er Neues und Eigenes bot, und diese wenigen Notizen nur aus dem II., III. und IV. Buche seines medizinischen Werkes stammen". Den Grund der geringen Benutzung des Celsus von seiten des Plinius führt Münzer darauf, dass Celsus' Quellen hauptsächlich Griechen sind, aus denen auch Plinius schöpfen konnte. Eine grössere Abhängigkeit des Plinius von Celsus statuiert Sepp, Pyrrh. Stud. p. 56. Wellmann, Die pneumatische Schule bis auf Archigenes in ihrer Entwicklung dargest. (Philol. Unters. von Kiessling und Wilamowitz, 14, Berl. 1895, p. 25 Anm. 3) vergleicht Cels. 3, 25 (p. 116, 15) = Plin. n. h. 26, 7; Cels. 5, 28 (p. 205) = Plin. 26, 6; Cels. 2, 18 (p. 66, 28) Plin. 31, 38 und gewinnt die Ansicht, dass beide aus dem 8. Buch der Encyclopädie Varros, welches die Medizin behandelte, geschöpft haben; ebenso wird (p. 57 Anm.) eine andere Uebereinstimmung gedeutet. Vgl. auch Münzer 1. c. p. 41 Anm. 1; p. 204. Wesentlich anders geartet ist das Verhältnis des Plinius zu Celsus in den landwirtschaftlichen Büchern. Hier steht es fest, dass Celsus von Plinius (wie von Columella) stark herangezogen wurde; vgl. Stadler, Die Quellen des Plin. im 19. B. der n. h., Münchner Diss. 1891, p. 6. Eine Vermutung Münzers ist es, dass in der landwirtschaftlichen Schrift des Celsus die praecepta Catonis de agricultura benutzt waren, welche dadurch auch in Plinius und Columella übergingen. Reitzenstein, De scriptorum rei rust., qui intercedunt inter Catonem et Columellam, libris deperditis, p. 35; Wochenschr. für klass. Philol. 1888 Sp. 591; Münzer 1. c. p. 65.

Litteratur. Giov. Lud. Bianconi, Lettere sopra A. Corn. Celso al abate Girolamo Tiraboschi, Rom 1779, auch in der Strassburger Ausg. des Celsus vom J. 1806, p. XXXIX;

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