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II. Vormundschaft.1
$ 48.

1. Tutela.

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Unmündige Kinder, impuberes, und nach altrömischer Auffassung auch Frauen, außer virgines Vestales, die feiner Familiengewalt unterworfen, sondern sui juris sind, bedürfen propter aetatem oder propter sexus infirmitatem, derentwegen sie sponte se defendere nequeunt, eines Beschüßers und Beraters, eines tutor. Es ist Recht und moralische Pflicht eines jeden pater familias, der derartige schußbedürftige Wesen hinterläßt, ihnen in seinem Testament einen tutor zu ernennen. Die Ernennung erfolgt regelrecht durch die Worte: Lucium Titium liberis meis oder uxori meae tutorem do, oder: Lucius Titius tutor esto. Der Frau kann auch eine mehr oder minder freie Wahl ihres tutor, optio tutoris plena oder angusta, im Testament zugestanden werden. Der so ernannte tutor wird ipso jure tutor, sobald das Testament nach dem Tod des Testators vollwirksam geworden, resp. sobald der tutor optivus gewählt ist. Diese tutela heißt tutela testamentaria oder dativa resp. optiva.

Hatte der pater familias in feinem Testament keine Bestimmung getroffen über die Tutel seiner Frau und seiner unmündigen Kinder, so devolvierte dieselbe nach seinem Tod in Gemäßheit einer Bestimmung der XII Tafeln, die übrigens wohl kaum neues Recht geschaffen hat, als tutela legitima an deren nächste männliche Agnaten. Wenn diese Agnaten sie nicht selbst führen wollten, so

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1 Rudorff, Das Recht der Vormundschaft, 1832-1834. Ueber das attische Vormundschaftsrecht vergleiche man Schultheß, Vormundschaft nach attischem Recht, 1886.

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Gaj. 1, 145. Numa 9.

31. 1 pr. de tutel. 26, 1. Cic. pro Murena 12, 27. Gaj. 1, 144. 190. Ulp. 11, 1.

4 Gaj. 1, 144-154. Ulp. 11, 14-16. tit. J. qui dari tut. test. possunt 1, 14. de test. tut. 26, 2.

5 Gaj. 1, 155. 156. Ulp. 11, 1, 15. tit. D. de legit. tut. 26, 4.

§ 3-5 J. de tutel. 1, 13. Vat. fr. 229. 230. tit. D.

3. 4. tit. J. de legit. adgn. tut. tit. C. eod. 5, 30.

konnten sie, im klassischen Recht bis zur lex Claudia wenigstens die tutela legitima mulierum, früher vielleicht auch die tutela legitima impuberum, an einen sogen. tutor cessitius in jure cedieren. Diese tutela cessitia erlosch, sobald Gründe eintraten, welche die tutela legitima des cedierenden Agnaten, falls sie noch existiert hätte, vernichtet haben würden. Erlosch sie aus sie selbst betreffenden Gründen, so lebte die legitima tutela des cedierenden Agnaten von selbst wieder auf.1

An wen in Ermangelung von Agnaten die Tutel im alten Recht devolvierte, ob etwa an die Gentilen, oder ob die alte römische Rechtsordnung hierüber gar keine Bestimmung enthielt, ist uns unbekannt. Seit einer lex Atilia ist es in Ermangelung eines tutor testamentarius und eines tutor legitimus resp. cessitius in Rom Aufgabe des praetor urbanus cum majore parte tribunorum plebis dem der Vormundschaft Bedürftigen einen Vormund zu er= nennen: tutor dativus s. Atilianus. In den Provinzen liegt seit einer lex Julia et Titia die gleiche Aufgabe den praesides provin. ciarum ob.2

Hatte ein pater familias bei seinen Lebzeiten eine einer Vormundschaft bedürftige Person aus seiner dominica potestas ober aus seinem mancipium manumittiert, eine direkte Manumission aus der patria potestas oder aus der manus gab es nicht —, so ward er als patronus oder als quasi patronus oder manumissor ipso jure ihr Tutor; nach seinem Tod traten seine Söhne für ihn ein. Auch diese tutela ward von den römischen Juristen, obwohl sie auf keinem Geset, sondern auf Gewohnheitsrecht beruhte, nach Analogie der Agnatentutel tutela legitima genannt. Nur wenn die manumissio ex mancipio durch ein pactum fiduciae veranlaßt gewesen war, was zur Zeit der klassischen Jurisprudenz die Regel bildete, nannte man die Tutel des Manumissors und seiner Söhne nicht tutela legitima, sondern tutela fiduciaria. Die tutela legitima mulierum

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1 Gaj. 1, 168-171. Ulp. 11, 6. 7.
2 Gaj. 1, 185-187.

1, 20. Tutor ad hoc:
J. de auct. tut. 1, 21.

Ulp. 11, 18-23. tit. J. de Atiliano tut.
Gaj. 1, 173–184. Ulp. 11, 20—24. § 3

3 Gaj. 1, 165–167. 175. Ulp. 11, 3. 5.

titt. J. de legit. patron.

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fonnten der manumissor und seine Söhne gerade so einem anderen in jure cedieren wie die Agnaten; nicht das Gleiche galt nach der zur Zeit der klassischen Jurisprudenz herrschenden Meinung von der tutela fiduciaria, weil man annahm, der tutor fiduciarius habe sich durch das pactum fiduciae zur Führung der Vormundschaft verpflichtet.1

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Die tutela wird als eine manus, als eine potestas in capite libero bezeichnet. Sie war ein Surrogat für die fehlende Familiengewalt und vielleicht in alter Zeit gar nicht scharf von dieser unterschieden. Namentlich mag dies von der legitima agnatorum tutela gelten, die noch in der Zeit, wo die Frauen im allgemeinen testamenti factio activa erlangt hatten, so stark war, daß sie die ihr unterworfenen Frauen zur Testamentserrichtung unfähig machte. Auch die Möglichkeit der in jure cessio der tutela legitima mulierum ist für ihre ursprüngliche Bedeutung charakteristisch. Es ist nicht uninteressant, hier zum Zweck der Vergleichung daran zu erinnern, daß auch die griechische legitima agnatorum tutela über Frauen dem Vormund sehr weitgehende Herrschaftsbefugnisse über dieselben gewährte. In der Odyssee erscheint Telemach als berechtigt, über die Hand seiner Mutter zu verfügen, und noch zur Zeit des Demosthenes kommt es vor, daß Brüder ihre Schwestern in' è§aywr als Sklavinnen verkaufen."

Die erste Pflicht des Tutors, wie des Patrons und des Gastfreunds, ist die, daß er von seinem Mündel injurias propulsat. 6 Er muß ihn vor Gericht vertreten; und hierbei scheint er in alter Zeit nicht sowohl fremdes, seines Mündels, als vielmehr eigenes Recht geltend gemacht zu haben. Wie es in den XII Tafeln, aller

tut. 1, 17; de legit. parent. tut. 1, 18; de fiduc. tut. 1, 19. § 6 J. quib. mod. jus pot. solv. 1, 12.

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Gaj. 1, 172.

2 Liv. 34, 2, 11.

31. 1 pr. de tutel. 26, 1. Cic. pro Murena 12, 27; de rep. 3, 33, 45. § 1. 2 J. de tutel. 1, 13.

4 a, 292. Aber ß, 53. 113. 195., 77.

5 Plut. Sol. 23. Demosth. 24, 202, p. 763; 25, 55, p. 787.

cf. Plaut. Pers. 3, 1.

61. 30 de adm. tut. 26, 7. Theoph. zu § 2 J. de tutel. 1, 13.

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dings nicht vom tutor, die auf ihn bezüglichen Worte der XII Tafeln sind uns nicht erhalten, sondern von dem ihm in dieser Beziehung zweifellos gleichstehenden curator furiosi heißt: si furiosus escit, adgnatum gentiliumque in eo pecuniaque ejus potestas esto,' und wie beim Manzipationstestament der familiae emtor sprach: familiam pecuniamque tuam endo mandatela tutela custodelaque mea ex jure Quiritium esse ajo, wird wohl auch bei Anstellung einer rei vindicatio der tutor die Intention etwa so gefaßt haben: hanc ego rem endo tutela mea ex jure Quiritium esse ajo, und ähnlich werden wohl auch alle anderen von ihm für den Mündel angestellten Klagen konzipiert gewesen sein. Im klassischen Recht ist das anders geworden; da klagt entweder der tutor als Stellvertreter des Mündels oder dieser selbst, soweit dies möglich ist, tutore auctore.

Rechtsgeschäfte kann ein infans, ein Kind unter sieben Jahren, gar nicht abschließen. Es muß deswegen beim Abschluß von Rechtsgeschäften immer vollständig vom tutor vertreten werden. Auch hier mag der tutor in alter Zeit stets eigenes Recht pro tutela erworben oder veräußert haben. Obligationen schließt er noch im klassischen Recht in eigenem Namen ab; aus denselben wird aber dem Pupillen und gegen denselben eine utilis actio gegeben. Erwerbshandlungen kann er für den Pupillen auch durch einen Sklaven desselben vornehmen lassen, soweit dieselben von Sklaven vorgenommen werden können.

Ein pupillus infantia major fann Erwerbshandlungen für sich allein vornehmen. Verpflichten kann er sich nur tutore auctore." Doch kann ihn der tutor auch ganz vertreten wie den infans."

Die Frauen haben sich schon früh in weitgehendem Umfang von

1 XII tab. 5, 7.

2 Gaj. 2, 104.

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Gaj. 3, 109. §

adm. et per. 26, 7.

10 J. de inut. stip. 3, 19. 1. 1 § 2. 1. 9 pr. de Aber cf. 1. 32 § 2 de acq. vel am. poss. 41, 2 (cf. c. 3 de acq. et ret. poss. 7, 32). 1. 67 (65) § 3 ad Sc. Treb. 36, 1. 4 1. 9 pr. de adm. et per. 26, 7. Gaj. 3, 107. 1. 9 pr. de auct.

26,

8.

5 Gaj. 3, 107. tit. J. de auct. tut. 1, 21.

61. 9 pr. de adm. et per. 26, 7.

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ihrem tutor emanzipiert. Sie verwalten ihr Vermögen selbst und bedürfen nur zu einer Reihe einzelner Rechtsgeschäfte der auctoritas ihres Vormunds, so namentlich zur Prozeßführung lege aut legitimo judicio, zur Veräußerung von res mancipi, zur Manumission, zur Eingehung von Verpflichtungen, zum Erbschaftsantritt, zur Eingehung einer Ehe, zur coemtio, zur Dotalbestellung, zur Testamentserrichtung, si civile negotium gerant, sowie si libertae suae permittant, in contubernio alieni servi morari. Aber auch in diesen Fällen kann der Vormund invitus auctor fieri a praetore cogi.

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Die auctoritatis interpositio ist eine Verbeistandung; der tutor wirkt bei Vornahme der juristischen Handlung des Mündels ergänzend mit. Die Geschäftsführung des Vormunds statt des Mündels heißt gestio.

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Wegen Veruntreuungen des Vormunds gaben die XII Tafeln dem Mündel eine actio rationibus distrahendis in duplum als Deliktsflage. Später kam neben ihr die actio tutelae directa als Quasikontraktsklage auf, die gegen den Vormund wegen jedes unter Verletzung der diligentia quam in suis rebus dem Mündel veranlaßten Schadens gegeben wurde. Dagegen hatte der Vormund die actio tutelae contraria. Im Fall der Weibervormundschaften gibt es zur Zeit der klassischen Jurisprudenz keine actiones tutelae mehr.8

Die tutela erlischt:

1 Gaj. 1, 190-193.

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6

Gaj. 1, 115. 176. 178. 180. 192. Ulp. 1, 17; 11, 20. 22. 27. Vat. fr. 1.

3 XII tab. 8, 20b. 1. 55 § 1 de adm. et per. 26, 7. 1. 1 § 19-23. 1. 2 de tut. et rat, distr. 27, 3. Cic. de orat. 1, 36, 166. 167. Paul. 30.

2,

Gaj. 1, 191. tit. D. de tutelae et rationibus distrahendis 27, 3. Cic. de off. 3, 17, 70; pro Rosc. Com. 6, 16.

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§ 2 J. de obl. quasi ex contr. 3, 27. 1. 5 § 1 de O. et A. 44, 7. 1. 33 pr. 1. 57 pr. de adm. et per. 26, 7. 1. 1 pr. de tut. et rat. distr. 27, 3.

7 tit. de D. de contraria tutelae 27, 4.

8 Gaj. 1, 191.

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tit. J. quibus modis tutela finitur 1, 22. 1. 12-17 de tutelis 26, 1. tit. C. quando tutores vel curatores esse desinant 5, 60. Gaj. 1, 194 sqq. Ulp. 11, 28.

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