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darf um so weniger bezweifelt werden, als der Einfluss der Beredsamkeit auf die Litteratur allgemein anerkannt und dem Jüngling nach Anleitung seines weisen Führers darum zu thun war, gleich den Edelsten seines Volkes sich den Humanitäts-Studien zu widmen, welche nach Römischer Vorstellung eine allseitige Bildung aller Geistes- und Gemüthskräfte zu schöner Harmonie des innern und äussern Menschen umfassten. Es gehörte nämlich dazu nicht nur das Erlernen einer und anderer Disciplin, oder das Verständniss einzelner Dichter der Römischen Vorzeit, denn ohne Zweifel lernte Horatius schon in den Jünglingsjahren ausser Livius Andronicus 20), noch manche andere seiner Vorfahren kennen, z. B. Ennius, Lucilius, Lucretius, die Römischen Comiker; - sondern es wurde seit Mitte des siebenten Jahrhunderts eine folgerecht entworfene Encyclopädie aller grammatisch-litterarischen Wissenschaften gefordert und vor allem ein umfassendes Studium der Griechischen Philologie. Selbst bis zur Leidenschaft erfüllte der Geschmack am Griechenthum Männer und Frauen aller Stände, und sowie man die Unkenntniss desselben keinem vergab, liess auch der Römische Stolz alsbald keinen trennenden Ausdruck zu für die Sprachen beider Völker, seitdem er den Namen eines Barbaren nicht mehr ertrug. †) Da sich so nun für den noch bildsamen Geist vor allem das weiteste Feld abstracter Untersuchungen eröffnete, indem er die eigenen Ideen objectiv zu behandeln und an den Formen und Zeichen einer fremden Sprache unendlich erfolgreicher, als an der Muttersprache, zu entwickeln von selbst aufgefordert wurde 21);

er den Sohn wie zu den übrigen, statt eines custos oder servus paedagogus, selbst begleitete (Sat. I, 6, 81. Heind.) sind freilich nicht genannt; aber, wie schon bemerkt ist, es wäre ausser aller Regel, sich nicht auf dem Forum versucht zu haben und die grosse Abneigung, welche H. gegen alle forensischen Geschäfte unausgesetzt zeigte, verbunden mit dem Character seiner Schriften, beweist hinlänglich, dass er die verkehrte Richtung jener Schulen erkannt hatte; während andere, wie Ovidius, besonders aber die noch späteren, Lucanus und Iuvenalis, auf jeder Seite das Gepräge ihrer rhetorischen Bildung nicht verläugnen können,

20) Diesen las er als Kind beim alten Orbilius (Epist. II, 1, 69 s.) d. h. seine Werke wurden ihm wiederholt vorgesprochen (dictari.), um sie bei dem Mangel an Exemplarien dem Gedächtniss einzuprägen. Sat. I, 10, 75. Epist. I, 1, 55 das. Ausl. Weichert de Laevio poeta p. 25, wo auch p. 31 sq. Bentleys bekannte Aenderung des Livius in Laevius so gründlich zurückgewiesen ist, dass dem geringsten Zweifel kein Raum mehr übrig bleibt. Was konnte auch einem Röm. Jugendlehrer, der mit Homerus seinen Unterricht begann, erwünschter sein, als ein Dichter, der ausser anderen epischen Versuchen eine Odyssee in seiner Muttersprache zu dichten wagte? Und diese war es wohl, welche O. vornehmlich seinen Schülern erklärte. Für die Lectüre lateinischer Classiker in den Schulen überhaupt legt Quinct. I, 8 Zeugniss ab.

+) Lingua utraque, ein Ausdruck, der zuerst in Ciceros Zeiten herrschend wurde und characteristisch ist, inwiefern auch in ihm selbst der Gegensatz gegen die bilingues Romani früherer Zeiten sich ausspricht, welche durch das bunteste Wortgemenge aus Griechischer und Römischer Sprache ihrer Litteratur förderlich zu sein meinten. Wann die Römer Anspruch machten auf Befreiung vom Namen ßάoßagos s. bei Roth über den Sinn u. Gebr. des Wortes Barbar pag. 12.

21) Cicero beklagt es fragm. b. Sueton de clar. rhett. c. 2, dass es ihm nicht zu Theil ward, bei L. Plotius, dem ersten Römischen Rhetor, zu hören. Continebar autem, fährt er fort, doctissimorum hominum auctoritate, qui existimabant Graecis exercitationibus ali melius ingenia posse. Vgl. Cic. Brut. c. 90, 310. Nach derselben Ansicht verfuhr Atticus und nicht anders Cicero bei seinem Sohn Marcus. de off. I. init. Etwas später, wo, wie wir aus Sueton. wissen, die Kaiser selbst mit gutem Beispiel vorgingen, geben uns Horat. A. P. Liv. hist. IX, 36 init. ausser anderen eine sichere Hinweisung auf eine allgemein verbreitete und wohlgeläuterte Liebe zur Grie

so begann auch Horatius gleichzeitig 22) mit der Lectüre inländischer Dichter die Griechischen zu studiren und vor allem aus dem schon damals für die Römer allgemeinen Bildungsquell, dem Homerus, zu schöpfen 23), den er, wie er ihm später den ersten Platz unter den Dichtern einräumt 24), als den vornehmsten Beförderer einer naturgemässen und desshalb wahrhaft philosophischen Geistesbildung auffassen lernte. 25) Weil man aber alle guten Dichter Väter der Weisheit und ihre Führer nannte 26), weil man die Poesie überhaupt für die erste Philosophie erklärte, welche den Knaben und Jüngling in das Leben einführe und Sitten und Thaten mit Ergötzung lehre 27): so machte auch Horatius schon früh, nach damaliger Sitte, einen herkömmlichen Cyclus von ausgezeichneten Dichtern zu seinem Studium 28), welche einen zu ächter Menschlichkeit vollendeten Character

chischen Litteratur. Das Gegentheil zeigte sich nur bei der urtheilslosen Menge, welche die Verworfenheit des Griechischen Characters der Zeit nicht zu trennen wussten von dem Griechischen Alterthum.

22) Erst nach H'. Zeit scheint die Unsitte aufgekommen zu sein, Griechisch vor der Muttersprache lehren zu lassen, da man das unmündige Kind der griechischen Amme und dem Griechischen Sklaven zur Erziehung übergab, also mit dem völligen Verfall alter Römischer Kinderzucht. Vgl. Dial. de oratt. c. 29 mit Iuven. XIV, 209. und Quinct. instit. I, 2, 6-8.

23) iratus Graiis quantum nocuisset Achilles, lernte er als Knabe, wahrscheinlich unter der Leitung des Orbilius. Epist. II, 2, 42. Wie in Griechenland, ebenso finden wir in Rom früh schon die Sitte, mit Homerus seine Griech. Studien zu beginnen, anerkannt und bis in die spätesten Zeiten gültig. S. Schmid z. 1. c. Dass aber H. nicht nur mit ihm begann, sondern ihn auch wiederholt las und allmählich vertrauter mit Aristarchus' critischen Ansichten (Vgl. Hor. A. P. 445—50 mit Cic. Ep. ad Div. III, 11 extr.) mit gesteigertem Nutzen und eigenem Urtheil studirte, deuten viele St. an. S. ausser Not. 24 und 25, Sat. I, 10, 51-52. A. P. 73 sq. ibid. 358-59. 24) Od. IV, 9, 5 sq.

25) H. gehörte keineswegs zu denen, welche in den homerischen Gesängen gleichsam Ende und Anfang aller philosophischen Lehren erkannten, (s. Seneca. Epist. 88 med.) vielmehr empfahl er ihn als den Begründer einer ächtpractischen Lebensweisheit, indem aus ihm und dem Ganzen seiner Werke vor allem der Jüngling besser lerne, was Tugend und Weisheit fromme und das Gegentheil schade, als aus den Schulsystemen aller Philosophen. Epist. I, 2. Indem H. diese Ansicht durch einzelne Charactere und Scenen aus den Hom. Gesängen unterstützt, lehrt die Darstellung und Art der Anwendung, dass die ganze Epistel dem Standpunkt eines jugendlichen, für das Edele noch unverlorenen Gemüthes angepasst ist; aber sie überzeugt um so mehr, als zugleich eigene frühere Erfahrung daraus hervorleuchtet. Welche allgemeine Wahrheit er übrigens in der homerischen Characterzeichnung anerkennt, geht auch daraus hervor, dass er sie den Dichtern, selbst den Dramatikern zur Nachahmung anräth, weil für jene schon ein günstiges Vorurtheil und ihr Ansehen festgestellt sei. Hor. A. P. 128 sq. 26) Plat. Lysis. p. 214. A. ovτo yao, heisst es von den Dichtern, πατέρες τῆς σοφίας εἰσὶ καὶ ἡγεμόνες. Ebenso Hor. A. P. 396 — 401.

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27) Hor. Epist. II, 1, 126-138. Vgl. Heyn. Opuscul. Tom. I. pag. 166 sq. 28) Sat. I, 4 init. If, 3, 11 sq. beweist, dass wenigstens ums Jahr 720 u. c. die Lieblingslectüre des H. ziemlich festgestellt war. Es gehörten die Helden der alten Comödie, Plato der Comiker (s. Note 66.), Menander und selbst Archilochus schon dazu; doch lehren viele Andeutungen in den Satiren, dass auch die Tragiker ihm frühzeitig müssen bekannt worden sein, namentlich Euripides und Sophocles, welche bisweilen neben Homer in den öffentlichen Schulen (litterarum ludi am Forum, s. Liv. III, 44. Drakenb. Dion. Antiq. Rom. XI, p. 700.) von Grammatikern erklärt wurden. War Menander auch ausgeschlossen von jenen, so wurde er doch grade vor allen mit Vorliebe bei Gelagen vorgetragen und von Knaben gelesen. Auson, Idyll. IV, 46. Ovid. Trist. II, 370 sagt sogar: solet hic pueris virginibusque legi. Vgl. jedoch Meineke Menand.

auf das innerlichste berühren und zur Nacheiferung auffordern mussten. 29) Und ähnlich war es bei allen, welche seit der gastlichen Aufnahme Griechischer Litteratur und Bildung in Italien für einen veredelteren Geschmack sich empfänglich bewiesen. Denn als Griechenland der Römischen Macht (608. u. c.), Rom dagegen der Griechischen Kunst und Wissenschaft gehuldigt 30), da begann unaufhaltsam jede Scheidewand zwischen beiden Völkern zu fallen und in demselben Masse, wie Rom, nicht ungelehrig in der Aneignung des Fremden 31), von Zeitgenossen des Horatius mit Recht eine hellenische Stadt und zwar die humanste unter allen genannt werden durfte 32), bewahrheitete sich, was Jahrhunderte zuvor der Grieche voll edelen Stolzes von seinem eigentlichsten Werthe bekannt hatte 33), in einem Umfang der Bedeutung, wie er bisher noch nie gegolten und nie bestätigt war. Doch darf man sich nicht verhehlen, dass die einst von freien Bürgern benannten freien Künste durch Uebertragung auf eine fremde Erde vielen ungünstigen Einflüssen ausgesetzt wurden und genährt auf dem Boden einer unfreien, durch die Ver fassung gebundenen Schöpferkraft sich als Erzeugnisse nur vereinzelter Talente kund thaten, die dem Vaterlande mittheilten, was sie von ihm hätten empfangen sollen. 34) Wie daher auch immer die Seele Griechischer Darstellungen ihre ungeschwächte Zauberkraft für andere Nationen behaupten mochte, um die Gesinnung über die Beschränktheit und den Druck des Gemeinen hinauszuheben und von der Last zu befreien, welche die Ueberlieferung von vielen Jahrhunderten auf die Geister gewälzt: so konnte die Wahrheit doch nie wieder aus gleich klarer Quelle flies

p. XXIX mit Bernhardy Röm. Litt. p. 26. Not. Auch des Anakreon geschieht schon Epod. XIV, 9-12 Erwähnung d. i. um 719-20 u. c. und scheint bei Epod. IV dem Dichter vorgeschwebt zu haben, (s. Toup. Ep. crit. p. 180.) doch erfüllte ihn das Studium der Lyriker wohl einige Jahre später erst vorzugsweis. S. weiter unten darüber.

29) In diese frühere Zeit seines Aufenthaltes in Rom fielen, wie es scheint, seine ersten dichterischen Versuche in Griechischer Sprache. Sat. I, 10, 81. Andere nehmen an, dass sie erst in Athen gedichtet, jedoch ohne Beweise. Das Studium der Philosophie, weshalb er hinübergegangen war, will aber freilich nicht gut stimmen zu jenen verfehlten Spielereien, wie er selbst sie bezeichnet und die angeführte St. deutet darauf, dass die ersten unter Anleitung seiner Lehrer oder bald nachher verfertigten Versuche gemeint sind. Und diess ist um so glaublicher, da das Verfertigen griechischer Verse oder Uebersetzen aus Dichtern und Prosaikern zu den ersten Uebungen in der nun beinah schon Griechischen Stadt für die Jünglinge mitgehörte.

30) Hor. Epist. II, 1, 156—75.

31) Dass es dem Römer dennoch nur gelang, sich in wenigen Gattungen der Poesie mit den Griechen vergleichen zu können, lehrt der erste Augenschein und weiss keiner besser, als Horatius selbst. (S. Note 35.) Aber dennoch bleibt es wahr, dass nie ein Volk, insoweit es die starreste Nationalität erlaubte, zur Verschmilzung des Fremden mit dem Eigenen tüchtiger befunden wurde, als das Römische. Diess gestehen z. B. Athen. Deipnos. Vl. p. 273. E. Dion. Hal. Antiq. Rom. IV, 13, wo die Ansicht derer verworfen wird, welche behaupten, Hellas sei den Unwürdigsten der Barbaren in die Hände gefallen, und, um zu schweigen von den allzu selbstgefälligen Urtheilen der Römer in diesem Punkte, selbst Deutsche zu, wenn auch unter Beschränkungen. Wolf. Alterth. Wiss. p. 22 u. A. Ἑλλάδα πόλιν αὐτὴν ἀποδεικνύμενος κοινοτάτην τε πόλεων nai pilavdownotárny. Dion. Hal. I. c. I. c. 89. Vgl. Iuven. Sat. III, 61. 33) καὶ τὸ τῶν Ἑλλήνων ὄνομα πεποίηκε μηκέτι τοῦ γένους, ἀλλὰ τῆς διανοίας δοκεῖν τεκμήριον εἶναι καὶ μᾶλλον Ἕλληνας καλεῖσθαι τοὺς τῆς παιδεύσεως τῆς ἡμετέρας ἢ τοὺς τῆς κοινῆς φύσεως μετασχόντας. Isocrat. Paneg. c. XIII. Vgl. Thuc. II, 41 Ausl.

32) Ῥώμην

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34) Ausführlicher hierüber Fr. Passow. Leben und Schriften des Persius. p. 98.8.

sen 35) und jener Sprach- und Ideenreichthum, jene mit Schärfe gemischte Anmuth der Gedanken, jene Parung der Kraft und der Grazie Griechenlands musste unerreichbar bleiben, seitdem der menschliche Geist aus dem Wege der Natur herausgeworfen, sich Gefühle und Empfindungen andichtete, welche Erde und Himmel von Hellas wie von selbst erzeugte und nährte. So blieb für Rom der eigene Reiz und der hohe Beruf, bei anders gestaltetem Volkscharacter, bei Erweiterung der Erfahrungen und eines gelehrteren Wissens, endlich vermöge der majestätischen Würde des correctesten, vielseitigsten und lebendigsten Vortrags aus jener Quelle erster Wahrnehmungen eine neue Welt, ein neues Jahrhundert abzuleiten und zu gestalten. Diess gelingt im Augusteischen Zeitalter durch den Verein der glücklichsten, durch die Vorzeit mit beförderter Umstände bis zu dem Grade der Vollendung, dass in dieser höchsten Entwicklung der Römischen Cultur die Griechische nicht nur eine bewundernswürdige Zugabe erhält, sondern auch ohne Roms Macht und Empfänglichkeit jene Dauer und Verbreitung nicht gewonnen haben würde.

Je eifriger sich nun Horatius bis gegen sein zwanzigstes Jahr einem critischen und ästhetischen Studium der Dichter widmete, um so weniger scheint er bis dahin ausschliesslich eine Zeit irgend einer bestimmten Schulphilosophie zugewendet zu haben. Doch dachte er gewiss schon in Rom, ohne jemals den moralisirenden Vorträgen der Philosophen beizuwohnen 36), über die geltenden Systeme nach, weil er durch frühes Streben nach Wahrheit und selbst durch die Lecture der Römischen Dichter geleitet 37), eine Beurtheilung der Erscheinungen, welche ihm in seiner zweiten Vaterstadt grade in den aller paradoxesten Formen begegneten 38), kaum

35) Warum diess nicht möglich, lebrt Kant. Critik der Urtheilskraft. T. I. p. 178 flg. p. 258 flg. Ausg. 1792. Auch Hor. sieht die Unmöglichkeit davon ein, wenigstens in späterer Zeit, und spricht insofern seinem Voike die wahre Originalität des Genies ab, als er in die Erreichung Griechischer Vorbilder höchstes und letztes Ziel setzt (Hor. A. P. 268.) und den Griechen von Natur und gleichsam spielend und regellos seinem göttlichen Genius folgen lässt. A. P. 823. Epist. II, 1, 93 sq. Dazu Wolf. Proleg. ad Hom. p. XCIV.

86) Schwerlich fand H. an diesen jemals Geschmack, obwohl es an Auswahl nicht fehlen konnte, da sich bereits Schulen der Pythagoreer, Peripatetiker, Stoiker und der später von ihm mehr anerkannten Epikureer in Rom aufgethan hatten. Spricht nun seine ganze Eigenthümlichkeit dafür, dass er sich schon in Rom nie zu anderen, als den Skeptikern oder den Eklectikern zählte: so bedarf es doch noch einer festeren Begründung, als wir bei D. Heins. de Sat. Hor. p. 125 s. lesen, dass H. einer der Schüler und Anhänger des Potamo von Alexandria gewesen sei; obwohl dieser uns als der Stifter einer éxλɛxtınη aïoɛois genannt wird (Diog. Laert. Prooem. 21.) und die Zeitverhältnisse zusammenstimmen würden. Diog. 1. c. und bestimmter Suid. s. v. Пoτáμov.

87) Ennius musste ihn mit dem Einfluss der Griechisch-Pythagorischen Philosophie und der Lehre einzelner Schüler des Pythagoras, z. B. des Epicharmus bis zu gewissem Grade vertraut machen. Lucretius erweckte ihn zum Nachdenken über die Lehre seines grossen Meisters Epicurus. Die Stoiker konnten ihm aus dem überwiegenden Einfluss des Panatius und aus den Grundsätzen eines Cato von Utica nicht fremd sein. Ausserdem lagen seit Einwanderung der Griechischen Philosophie in Italien (598 u. c.) unter Carneades, Diogenes, Critolaus (Plut. Cat. min. XXII.) die einzelnen Systeme sämtlichen Römern vor und waren durch Ciceros breite, alle Schulen beleuchtende Mühwaltung so zugänglich gemacht, wie Römischer Mangel an natürlicher Anlage zur Speculation and die zerrütteten sittlichen und politischen Verhältnisse der Zeit eine Auffassung der Lehren nur immer gestatteten.

38) Man gedenke eines Fabius, Crispinus, Stertinius, Damasippus, Catius u. a., welche sämtlich H. noch ihr Unwesen hatte treiben sehen und um so mehr durchzieht, weil er sie als Repräsentanten einer grösseren Cohorte von Geistesverwandten lächerlich

ablehnen konnte.

Doch muss bei Andeutung dieses wesentlichen Theiles einer hōheren Bildung nicht unbeachtet bleiben, dass der Jüngling sich vornehmlich durch den vollendet klaren Gang seines ganzen Jugendlebens in Stand gesetzt sah, jenen drohenden Schlingen abstruser Philosopheme sich zu entziehen. Aber nicht allein die zu selbständigem Urtheilen anregende Erziehung des trefflichsten Vaters hatte seinem Inneren den festesten Halt in allen Weltverhältnissen gegeben und bewährte sich für die Wahl oder vielmehr Nichtwahl der beliebten philosophischen Richtungen gleich der gründlichsten Propädeutik wirksam; sondern auch seine eigene Individualität war zu fest und entschieden, sein practischer Blick zu offen und durchdringend, als dass er durch die philosophischen Zerrbilder, welche in Gestalt von verdorbenen Musikern und Dichtern, von Schmarotzern und Erbschleichern, von schwelgerischen oder geizigen Wollüstlingen, von Verläumdern oder Rangsüchtigen 39), Roms Luft verpesteten, an seinen sittlichen Principien hätte irre werden können. Das Studium endlich der edelsten Geister der Vorzeit hatte schon tief genug in ihm Wurzel getrieben, um gegen jede niedrige Sphäre des Lebens ihn vollkommen zu sichern oder unter der Hülle feiner Urbanität und Ironie darüber zu erheben. So weiss er alle nachtheiligen Einflüsse, die aus der Annahme des Einzelnen entspringen konnten, von sich zu weisen, während das Ganze auf die Bildung und Befestigung seines Characters einwirkt und ihn die Harmonie vorempfinden lässt, die aus der Masse jener feindseligen Elemente sich zuletzt für ihn gestalten muss.

Wie sehr es ihm aber daran lag, über jeden durch Römische Einseitigkeit begründeten Empirismus sich zu erheben, möchte schon daraus nicht vorschnell geschlossen werden können, dass bei seinen beschränkten Mitteln es ihm möglich wird, die allgemeine Erziehungsschule der edelen Römischen Jünglinge 40) und das eigentliche Mutterland aller philosophischen Doctrinen längere Zeit zu seinem Aufenthalte zu wählen. 41) Athen bildet den Anfang, den er im Studium der Philo

macht, wie sie bei eigener Hohlheit auf ihren mit dem verachteten Cynismus nah verwandten Stoicismus pochen oder nach selbst ersonnener Deutung Epicurischer Lehren schwelgen.

89) Belege geben die Horaz. Sermonen und zwar in einer Lebendigkeit der Zeichnung, welche des Dichters eigene Anschauung verräth. Es genügt erinnert zu haben an Pantolabus, Nomentanus, Milonius, Nerius, Perillius Cicuta, Cälius und Birrius, Sulcius und Caprius, Pediatius und Voranus, Tanais und Visellius, Pomponius und Barrus, Fufius, Furius Bibaculus, Hermogenes Tigellius und M. Demetrius.

40) Um nur einiger Zeitgenossen des H. zu gedenken, so ist Virgilius' Aufenthalt in Athen bekannt. Auch Ovidius nach Annahme der toga virilis ging hinüber. quas quondam petii studiosus Athenas. Ovid. Trist. I. El. 2, 77. Gleichzeitig mit H. gingen, um dort zu studiren, Ciceros Sohn, wie vormals der Vater (Plut. Cic. vit. c. IV.) hinüber und mit jenem Bibulus, Acidinus, Varus, Messalla, Tullius Montanus. Cic. Ep. ad Att. XII, 24. 32. 52. XIII, 24. XV, 18, 15. de off. I. init. Ebenso Horatius, wie es in vit. Hor. Edit. Locher. Venet. 1498 heisst: sapientiores quaesiturus. In Ed. Basil. 1524 wiederbolt.

41) Wann er sein Vaterland verliess, lässt sich nicht mit voller Gewissheit nachweisen. Sowie aber wahrscheinlich gemacht ist, dass er Venusia schon im J. 696-97 mit Rom vertauscht habe, ebenso und mit noch grösserer Gewissheit darf geschlossen werden, dass er sich im J. 705 u. c. noch in der Hauptstadt befand, da er in demselben, nach Massons wahrscheinlicher Berechnung vit. Hor. p. 25, gleichzeitig mit dem jungen Cicero die toga praetexta mit der toga virilis vertauschte. Da nun H. die Zeit seines Abgangs von Athen selbst in den Anfang des J. 712 verlegt (Epist. II, 2, 46 s. dazu unten Note 92): so wäre im allgemeinen die Zeit, wann er hinüberging, damit begrenzt und wir hätten die legitime Zeit des Römischen Studiencursus, sieben Jahre (Epist. II, 2,

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